FIVE #173

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BASKETBALL FOR LIFE

DROHT JETZT EINE NEUE DOMINANZ VON LEBRON UND DEN LAKERS?

BASKETBALL NEVER STOPS

THE KING IS BACK

12/2020

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NBA FINALS 2020 HATTEN DIESE FINALS KEINE VERLIERER?

LOS ANGELES LAKERS DER LANGE WEG ZUM 17. TITEL

BBL PREVIEW 2020/21 EINE REISE INS GROSSE UNGEWISSE

3,90 €

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

ISSUE 173 ISSN 1614-9297

WWW.FIVEMAG.DE

++++ MORITZ WAGNER FRED VANVLEET DANILO GALLINARI DAVIS BERTANS ERIK SPOELSTRA L.A. CLIPPERS LAMELO BALL ANTHONY EDWARDS TRADING CARDS EUROLEAGUE 2020/21 DEUTSCHE U20-TALENTE HIMAR OJEDA


L OL OO KO K F OF RO R T HT EH E S TS AT RA SR S A NA ND D Y OY UO ’UL’ LL L F IFNI DN D S TSAT RA TR ET RE RX XK 1K X1 X



editorial

FIVE

IMPRESSUM

173

Nikola Mirotic und Co. sind mehr als nur einen Blick wert!

Redaktion: redaktion@fivemag.de Verlag: KICKZ.COM GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

AUGEN AUF UND WEITERSCHAUEN!

Fotos: Zach Beeker/Rodolfo Molina/Euroleague Basketball via Getty Images

LIEBE FIVE-GEMEINDE, es ist Ende Oktober, als ich diese Zeilen schreibe. Und ich will ehrlich sein: Ich bin schlecht drauf. Die NBA pausiert, ohne festen Starttermin für die neue Saison. Die Euroleague legte aufgrund der Corona-Pandemie einen holprigen Start hin – genau wie die BBL, deren TOP-FOURPokalturnier aufgrund der Covid19-Infektionen bei ALBA Berlin verlegt werden musste. Auch wenn dies nicht die auf Jahre dauerhafte Normalität sein wird, es ist die aktuelle Realität. Es ist eine, die uns alle betrifft – nicht nur in unserem Dasein als Basketballer, aber eben auch da. In den Hallen müssen wir uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitspielern und auch unserem Sport bewusst sein, egal auf welchem Level wir spielen. Einen 100-prozentigen Schutz vor Covid-19 gibt es nicht, trotzdem kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass wir so gut wie möglich aus dieser Pandemie herauskommen. Egal ob Euroleague, BBL, Regional-, Kreis- oder Freizeitliga. Und es ist ja auch echt einfach: Maske auf, Abstand halten, Hände waschen, mit den Freundinnen und Freunden eher draußen treffen. Easy. Am besten

noch die Corona-Warn-App installieren. Fertig. Basketballerisch können wir diese Krise auch nutzen. Also aus Fansicht. Normalerweise wären wir jetzt mitten im NBA-Saisonstart. Die ersten Wochen wären gelaufen, wir wären dabei zu verstehen, welche Mannschaften besser geworden sind, welche Spieler sich entwickelt haben etc. pp. All das fällt jetzt weg, zumindest in Sachen National Basketball Association. Denn die Euroleague, die BBL und die meisten anderen FIBAWettbewerbe laufen ja. Warum also nicht die NBA-Offseason nutzen, um eine andere Liga oder einen anderen Klub zu adoptieren? Vor allem Europas höchste Spielklasse bietet sich da an. Einige aus der NBA bekannte Namen tummeln sich in den Kadern der 18 Teams, sodass die Euroleague keine komplette Blackbox ist. Unter anderem Nikola Mirotic, Alex Abrines (beide FC Barcelona), Luigi Datome (Mailand), Anthony Randolph, Rudy Fernandez (beide Real), Nando de Colo (Fenerbahce), Alexey Shved, Jonas Jerebko, Greg Monroe (alle Khimki), Norris Cole (Villeurbanne), Derrick Williams (Valencia), Ante Zizic

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt allen Zuschauern und den Verantwortlichen von DAZN für eine weitere Saison am Mikro – es war mir ein Fest!

Die FIVE #174 erscheint am 11. Dezember 2020 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: NBA-Tradegerüchte, NBA-Draftanalyse und vieles, vieles mehr …

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

oder Dragan Bender (beide Tel Aviv) spielten schon in den USA. Außerdem lassen sich die deutschen Nationalspieler Danilo Barthel (Fenerbahce), Tibor Pleiß (Anadolu) und Johannes Voigtmann (ZSKA Moskau) verfolgen. Und was ist mit den „Point Gods“ Sergio Rodriguez (Mailand), Vassilis Spanoulis (Olympiakos) oder Facundo Campazzo (Real)? Keine Frage, ein Blick auf die Euroleague lohnt sich. Vor allem deshalb, weil niemand aktuell weiß, wann die NBA aufs Parkett zurückkehrt. Vielleicht heitern Real gegen Efes oder ZSKA gegen Olympiakos die Stimmung künftig auf? Der Sieg von ALBA Berlin in Moskau bei ZSKA und die Erfolge der Bayern in Tel Aviv sowie bei Fenerbahce taten dies auf jeden Fall. Wie sagte ein Sportartikler mit Swoosh einst so treffend: „Basketball never stops!“ Auch nicht in Zeiten von Corona. Also Augen auf und adoptiert!

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christian Orban Marcel Nadim Aburakia Manuel Baraniak Moritz Wagner Peter Bieg Björn Lehmkühler David Hein Philip Olschowa Torben Adelhardt Ole Frerks Ivan Beslic Tobias Feuerhahn Jens Leutenecker Robbin Barberan Aboservice: KICKZ.COM GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297

Viel Spaß mit FIVE #173!

FIVE_MAG

André Voigt

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FIVE-ABOSERVICE Heft noch nicht da? Dann mailt an abo@fivemag.de ...


FIVE

inhalt

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40

36

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06

36

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84

24 SECONDS

ERIK SPOELSTRA

INTERVIEW: DR. MARCUS ELLIOTT

INTERVIEW: HIMER OJEDA

Sneaker Hall of Fame, Mixtape,

Lange belächelt, ist Erik Spoelstra

Er ist der Mann, der die NBA-Stars

Der Berliner Meisterarchitekt im

Prospects, Moritz Wagner etc.

spätestens nach den Finals 2020 in der

athletisch auf ein neues Level hievt.

exklusiven Gespräch.

13

Coaching-Elite angekommen.

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NBA-SKILLS-CHECK: FRED VANVLEET

40

EUROLEAGUE 2020/21

DEUTSCHE U20-TALENTE

Er ist einer der meistbegehrten Free

DIE BABY-CLIPPERS

Die neue Saison startete mehr

Was geht beim Nachwuchs?

Agents 2020. Wie gut ist „FVV“?

Was Kawhi, „PG13“ und Co. nicht

als holprig. FIVE beantwortet die

FÜNF checkt die größten Talente.

schafften, gelang einst einem Clippers-

wichtigsten Fragen rund um die neue

Team, das nie etwas gewann – und

Euroleague-Spielzeit.

trotzdem bis heute geliebt wird.

68

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18 ONE-ON-ONE: DANILO GALLINARI VS. DAVID BERTANS Zwei Stretch-Big-Men – wer ist besser?

20 NBA-FINALS 2020 Die Lakers gewannen den Titel, doch sie waren längst nicht der einzige Gewinner der Finals in der Bubble.

28 L.A. LAKERS Der lange Weg der Glamour-Franchise aus dem tiefsten Tal der Teamhistorie.

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IN-DRÉ-SSANT Offseason-Zeit ist Gerüchtezeit. Doch

TRADING CARDS

welche sind es wert, diskutiert zu

INTERVIEW: MORITZ WAGNER

Die Geschichte der Trading Cards ist

werden? Und welche sind Clickbait?

Moe Wagner im Talk über eine ganz

so spektakulär, wie die Preise zuletzt

besondere NBA-Saison.

explodiert sind. Eine Zeitreise.

50

74

96

ANTHONY EDWARDS

BBL-TAKTIK-CHECK: ALBA BERLIN

Warenkorb kleidet euch ein, damit ihr

Ist er der Superstar der kommenden

FÜNF checkt die Spielweise von

auch 2021 auf die Straße gehen könnt.

Draft oder ein spektakulärer Fehler?

Legende Aito Garcia Reneses.

54

76

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LAMELO BALL

BBL 2020/21

Rick Barry war ein geiler Basketballer,

Egozocker? Vergesst, was ihr über

Die Antworten auf die wichtigsten

aber eben auch ein Arsch …

LaMelo Ball zu wissen glaubt.

Fragen zur Saison 2020/21!

WARENKORB Style over substance! Der KICKZ-

IVAN BESLIC

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MOE DIARY

24 twenty four seconds

Moe-diary

Moritz Wagner absolviert demnächst

seine dritte NBA-Saison in Washington, D.C. In FIVE nimmt er euch mit auf seine Reise, die ihn von ALBA Berlin über die University of Michigan bis zu den Wizards geführt hat. Text: Moritz Wagner

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Fotos: Steve DiPaola/NBAE via Getty Images

as geht, Nachbarn? Wie läuft’s? Einen Monat und mehrere tausend Corona-Fälle später hat sich bei mir nicht viel geändert. Das Wetter wird hässlich in Berlin … jetzt mal ehrlich, dieses Grau kann man sich echt stecken. Was soll denn das? Die Saure-Gurken-Zeit in der NBA ist in vollem Gange, und die Vereinigten Staaten haben immer noch keinen halbwegs anständigen Präsidenten … also Stand Ende Oktober. Obwohl das mit der SaureGurken-Zeit nur bedingt stimmt. Nachdem lange nichts klar war in Sachen Saisonstart, wurde jetzt endlich mal ein Lebenszeichen und eine etwaige Orientierung gegeben. Klar steht noch immer nichts fest, aber man kann schon die terminliche Richtung erahnen … Weihnachten. Auf einmal muss alles wieder ganz schnell gehen, und es wird wild geplant. Hatte mich schon fast an Berlin gewöhnt. Zu meiner Überraschung habe ich es sehr genossen, mal nicht zu wissen, wann es weitergeht, sondern einfach zu leben. Das klingt jetzt ziemlich philosophisch, aber ich habe echt das erste Mal diese Situation gehabt, in der ich nicht alles durchplanen musste. Meine Zeit war nicht limitiert, sondern ich habe jeden Tag als solchen wertschätzen können und das „Arbeiten“ als Basketballspieler noch einmal ganz anders wahrgenommen. Ich habe in Berlin

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einen sehr angenehmen und intensiven Arbeitsrhythmus entwickelt, in dem ich physisch meine Grenzen ausgetestet und mich gleichzeitig auch sehr wohl gefühlt habe. Jeden Tag bin ich in den Berliner Westen gefahren und habe mein Krafttraining bei Eugen gemacht. Shoutout an die ATHLEAGUE, Eugen und seine Crew machen echt einen guten Job dort und haben mir sowohl physisch als auch mental enorm weitergeholfen. Zudem war ich natürlich auch in der Halle und habe viele neue Sachen gelernt. Die europäische Art und Weise, Basketball zu spielen, ist doch nochmal etwas ganz anderes im Vergleich zu der amerikanischen Mentalität. Weniger „cut throat“ und „so viele Wiederholungen wie möglich“, sondern es gibt einen größeren Fokus darauf, das Spiel richtig lesen zu können. Beides ist enorm wichtig, deswegen bin ich extrem happy, die Erfahrung hier machen zu dürfen. Die zweieinhalb Monate, die ich jetzt in Berlin war, sind das Längste, was ich in Deutschland verbracht habe, seit ich zu Hause ausgezogen bin. Ich muss sagen, mit all den Workouts, die ich an einem Tag unter einen Hut bringen wollte, habe ich mich schon manchmal so gefühlt, als wäre ich der 15-jährige Moritz, der vom Training zur Schule und wieder zum Training fährt.

Die öffentlichen Verkehrsmittel haben sich kein bisschen verändert. Die Ringbahn und die U2 fahren immer noch wie eine Eins. Meine Eltern haben mich unglaublich doll unterstützt, ständig eingekauft, Essen gemacht, meine Klamotten gewaschen. Alles Dinge, die ich mittlerweile eigentlich alleine mache, und so spart man natürlich viel Zeit und Energie. Ich habe dieses Jahr auch Berlin wieder ganz neu für mich entdeckt. Da ich gezwungen war, jeden Tag im Westen zum Krafttraining zu gehen, bin ich gut rumgekommen. Mir ist endlich mal bewusst geworden, wie sehr ich in meiner Prenzlauer Berg/ Mitte-„Bubble“ aufgewachsen bin. Ich bin dieses Jahr bewusst öfter in Bezirke gefahren, mit denen ich mich noch nie auseinandergesetzt hatte und in denen ich mich nicht auskenne. Essen gehen in Kreuzberg oder am Kurfürstendamm, in Neukölln auf den Flohmarkt gehen oder in Wedding am Plötzensee chillen … das sind alles Dinge, die ich nie in meinem Leben getan habe. Ich war vielleicht drei Mal in meinem Leben am Hermannplatz. Als Berliner! Ich habe mich teilweise echt wie ein Tourist in meiner eigenen Stadt gefühlt und dadurch Berlin noch viel mehr lieben gelernt. Ich würde einfach mal behaupten, dass das in keiner anderen deutschen Stadt so ist wie in Berlin. 030 for life, ich schwöre!


mixtape

DAS FIVEMIXTAPE DES MONATS!

FIVE #173 A Nas – Ult ra Black Lakmann – Drück auf Stop Megaloh – Wer hat di e Hitze Xatar – O hne Reden Evidence – 10000 Ho urs Souls of Mischief – 93 til Infi Nas – The nity Cure Mobb Dee p – Surviv al of the Fittest

„Bball is Jazz“, sagt Holger Geschwindner, und da hat der Mann recht! Trotzdem gibt es an dieser Stelle in loser Reihenfolge das FIVE-Mixtape des Monats, damit ihr euch beim nächsten Heimspiel nicht zu den Greatest Hits von The Police warmmachen müsst, nur weil „der Anschreiber die so gerne hört“. Einfach den QR-Code einscannen, und schon landet ihr bei den FIVE-Playlists auf Spotify.

3 A FIVE #17

eat B #173 ow S Wind FIVE – u h Bad nd Eryka in Ha ib ke G ight – g - Alr Xatar Movin Döll & s p It s e e e n K d Mä tah – ley Selek za Al Statik – Piz k c o ead p R Aeso in’s D enjam B – Reks

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#17

3 B

de , um Sc an nt de n Co VE -P ro fi l FI m zu t ek dir ge la ng en , au f Sp ot if y zu mi t da s, un d fo lg t un tt en fe r de s in ke ih r as st ! M ix ta pe s ve rp 3 http://bit.ly/FIVE17

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24 twenty four seconds

NBA-Plays 1 5

1 3

4

A

5

3

B

4

2

2 Goran Dragic (1) dribbelt den Ball in der Feldmitte. Duncan Robinson (3) läuft einen „Iverson-Cut“ an Jimmy Butler (4) und Bam Adebayo (5) vorbei, um den Flügel zu wechseln. In der Ecke wartet Schütze Tyler Herro (2).

Nach dem Cut von Robinson tritt Butler hinter die Dreierlinie und bekommt dort den Ball. Dragic schneidet um Butler herum in die noch freie Ecke an der Baseline.

5

3

C

4

2

1

Butler kann unter Umständen schon eins-gegen-eins attackieren. Auf der ballfernen Seite bekommt Herro einen Staggered Screen von Robinson und Adebayo.

2

4

D1

5

Laufweg

miami heat

3

Pass Dribbling Block HO Handoff

Herro wird von Butler angespielt und kann jetzt bereits eine Aktion Richtung Korb starten oder direkt einen Dreier nehmen, sollte sein Verteidiger in den beiden versetzten Blöcken stecken bleiben.

Fotos: Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

ie Miami Heat waren die Überraschung der NBAPlayoffs 2020. Coach Erik Spoelstra spielte virtuos mit den Skills seiner Akteure, setzte sie ihren Fähigkeiten entsprechend ein. Nur ein Team erzielte in den Playoffs mehr Punkte aus Spotup-Situationen als die Heat: Ironischerweise waren das … die Milwaukee Bucks. Diese Ballbesitze waren das Fundament der Heat-Offensive. Immer wieder bereitete Miami, angeführt vom schlauen Goran Dragic und dem CenterPlaymaker Bam Adebayo, Abschlüsse seiner Schützen vor. Im Gegenzug sorgten die Schützen (vor allem Duncan Robinson und Tyler Herro) mit reichlich Bewegung abseits des Balles dafür, dass die Verteidigung anderswo nicht mit vollem Einsatz aushelfen konnte.

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Das Play rechts illustriert sehr gut, wie die Heat in jeder Phase des Angriffs gefährlich sind. Eine potenzielle Isolation für Jimmy Butler, ein Dreier für Herro nach einem Staggered Screen, die ständige Gefahr, die Robinson hinter der Dreierlinie ausstrahlt, ein Handoff zwischen Butler und Dragic, aus dem die beiden sehr viele Varianten entwickeln können … all das und noch viel mehr liefert dieser Spielzug. Das Beste: Die Miami Heat sind so dermaßen hervorragend gecoacht, dass aus Plays wie diesem – je nach Entscheidung der Defensive – ausgestiegen werden kann, ohne dass Chaos entsteht. Erik Spoelstras Spieler lesen die Verteidigung nach festgelegten Regeln, sehen dasselbe und handeln dementsprechend als Einheit.

D2

4

2

Die Miami Heat lieferten eine taktisch extrem variable Postseason 2020. Ein Grund dafür: Plays wie dieses. Text: André Voigt

D

1

5

1

3

Ist Herro nicht anspielbar, dribbelt Butler auf Dragic zu, welcher ihm aus der Ecke entgegenkommt. Robinson verschiebt nach seinem Block für Herro nach außen, um unter Umständen einen Eckendreier nehmen zu können.

E2

2 5

4 1 HO

3 Dragic bekommt einen Handoff und kann direkt penetrieren. Dann eröffnen sich ihm alle Möglichkeiten: Pässe zu den Schützen Herro und Robinson, das Anspiel für Adebayo und Butler sowie der eigene Abschluss per Floater oder Leger.


DAZN DAZN X FIVE:

SIND DIE MAVS 2020/21 EIN TITELKANDIDAT? Es wächst zusammen, was zusammengehört! Ab sofort findet ihr an dieser Stelle DAZN x FIVE. Hier kommen die Kommentatoren und Experten eures LieblingsSport-Streamingdienstes zu Wort, um Themen rund um die NBA zu diskutieren. In diesem Monat geht es um die Frage: Sind die Dallas Mavericks schon 2020/21 ein Titelkandidat?

BASKETBALL NEVER STOPS!

www.dazn.com

Pause in der NBA? Ja klar, aber Basketball gibt es bei DAZN trotzdem! Neben der Basketbol Süper Ligi (Türkei) und der ACB (Spanien) gibt es auch wieder die Basketball Champions League im Programm, unter anderem mit Brose Bamberg sowie Robin Benzing (Casademont Zaragoza) und Mahir Agva (Pinar Karsiyaka). 10.11. || 20:30 Uhr RETAbet Bilbao vs. Brose Bamberg 08.12. || 20:00 Uhr Brose Bamberg vs. Pinar Karsiyaka 23.12. || 17:00 Uhr Pinar Karsiyaka vs. Brose Bamberg 12.01. || 20:00 Uhr Brose Bamberg vs. RETAbet Bilbao

ALEX VOGEL

Die Dallas Mavericks spielten eine gute Saison – besser, als es die meisten Experten in der vergangenen Offseason vermuteten. Am Ende stand das Erstrundenaus gegen die Clippers. Mit einem durchweg fitten Kristaps Porzingis sowie den wichtigen Rollenspielern Dwight Powell und Jalen Brunson wäre eventuell sogar mehr drin gewesen. Doch die Mavs können voller Hoffnung in die Zukunft schauen: Luka Doncic spielt schon jetzt – zumindest offensiv – auf MVP-Level und wird sich weiter steigern. Das Zusammenspiel mit „KP“ funktioniert gut. Zudem hat Dallas zahlreiche wertvolle Rollenspieler. Einzig hinter der Gesundheit des Letten steht ein großes Fragezeichen. Ist das Team um Trainer Rick Carlisle bereits in der kommenden Saison ein Titelkandidat? Nein! Zwar wollen sich die Mavs in den nächsten Wochen punktuell verstärken, doch das große Augenmerk liegt auf der Free Agency 2021. Dann ist Giannis Antetokounmpo vertragsfrei – und Dallas hätte den Platz für einen Maximalvertrag. Diesen Platz werden sich die Mavs nicht verbauen wollen. Zuletzt äußerte ESPN-Insider Brian Windhorst sogar, dass Dallas bei einer möglichen Free Agency des Griechen „am Anfang der Schlange“ stehen würde. Mit ihrer starken Offensive werden die Mavericks auch in der kommenden Saison zahlreiche Spiele gewinnen. Durch clevere Kaderveränderungen, die weitere Entwicklung von Doncic und eine bessere Performance in der Crunchtime könnte es im hart umkämpften Westen in Richtung Heimvorteil in der 1. Runde gehen. Doch gerade defensiv haben insbesondere die beiden L.A.-Teams deutlich mehr zu bieten und werden neben Denver wohl vor Dallas stehen.

FREDERIK KOCH

Genau der letzte Absatz ist entscheidend, lieber Alex. Zwar waren die Mavs zwischen 2011 und 2018 nicht gerade dafür bekannt, ihren Kader clever zu verstärken bzw. ein glückliches Händchen mit Zugängen und Ergänzungen zu haben. Aber es fehlten auch immer die richtig guten Lockmittel (bitte verzeih mir, Dirk), um die passenden Spieler nach Dallas zu holen – zudem oft der sportliche Erfolg und die Perspektive. Diese Punkte haben sich aber schon nach dem Trade von Porzingis (und Tim Hardaway Jr.) zugunsten der Mavs verschoben. Spätestens seit dem Kometeneinschlag namens Doncic ist Dallas wieder zurück auf der Landkarte und so attraktiv wie selten zuvor. Gerade auf sportlicher Ebene. Hier fehlt es nur an ein paar kleineren Stellschrauben, und schon könnte es passieren, dass dieses Team im nächsten Jahr nicht nur den nächsten Schritt macht, sondern sogar schon den überübernächsten. Offensiv ist man bereits ganz oben angekommen. Rick Carlisles junge Truppe legte 2019/20 das beste Offensivrating aller Zeiten auf. Bereits vor Corona brannten Doncic und Co. regelmäßig Feuerwerke ab und stellten dann auch nach dem Restart die Truppe, die den Spalding am häufigsten im Korb versenkte. Der Einzug in die Bubble-Playoffs stand nie in Frage. Und es hätte noch viel besser laufen können, hätte man nicht gefühlt 90 Prozent der Spiele verzockt, in denen man bereits mit 20 Punkten führte. Ergänzt man jetzt in der Offseason den Kader um einen Verteidiger auf dem Flügel, der Doncic defensiv entlasten kann und die nötige Mentalität und Toughness mitbringt, und werden Powell sowie Brunson wieder fit und knüpfen an ihre Leistungen an, dann sprechen wir nicht vom achten Platz im Westen, sondern klar von Heimvorteil in den Playoffs! Kombiniert mit der Magie von Doncic, den Lehren aus der vergangenen Saison, dem Verständnis von Carlisle und den besonderen Umständen, die wir (leider) auch 2021 vorfinden werden, sind die Dallas Mavericks für mich ein Titelkandidat. Zehn Jahre nach Dirks „We are the Champions“! Und wer hätte im Sommer 2010 daran geglaubt, dass am Ende der Meister aus „Big D“ kommen würde …

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Legenden-Liebling des Monats

LEGENDEN-LIEBLING DES MONATS

MJ, Magic, Larry, Kobe … sie sind die unsterblichen Legenden, die jeder kennt. An dieser Stelle wird aber ab sofort der Baller gedacht, die keine Überstars waren, aber auf die eine oder andere Art einfach Kult – die Legenden-Lieblinge des Monats!

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endell Ladner spielte nie in der NBA. Trotzdem ist er eine Legende. Ob er diesen Status aufgrund seiner Skills auf dem Basketballfeld erlangte? Jein. Ladner wuchs in den 50er und 60er Jahren in Necaise Crossing im Süden des US-Bundesstaates Mississippi auf. Wie weit ab vom Schuss die nur knapp 600 Einwohner zählende Kleinstadt noch immer ist? Der einzige Satz, der über Necaise auf Wikipedia steht, ist: „Necaise Crossing was the birthplace of professional basketball player Wendell Ladner.“ Der berühmteste Sohn der Stadt beschrieb seine Jugend einst so: „Ich fing im Alter von neun Jahren mit dem Basketball an. Wir spielten den ganzen Tag bis abends. Wenn es dunkel wurde, gingen wir in den Wald, hackten Holz und machten ein Feuer, damit es hell genug war, um weiterzuspielen. Ansonsten molk ich Kühe oder half bei der Schweinezucht.“ Die ganze Ladner-Sippe zeigte Talent für den Basketball, und so kam es, dass unter Coach Roland Ladner zwischenzeitlich eine ganze Erste Fünf der Familie (Brüder und Cousins) für die Hancock North Central Highschool auflief. Wendell war jedoch mit Abstand der Beste. 1,96 Meter lang und knapp 100 Kilo schwer, spielte er am Brett, wo er dank seiner überragenden Kraft und Masse dominierte. Über 80 Unis wollten sich die Dienste des Forwards sichern, darunter die

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University of Kentucky unter der Führung von Trainerlegende Adolph Rupp. Ladner aber entschied sich für die kleine Uni von Southern Mississippi, wo er mit seinem Bruder Berlin Ladner spielen konnte. In seinen zwei Varsity-Jahren (Freshmen durften damals noch nicht in der NCAA spielen) lieferte Ladner dort starke 21,9 Punkte plus 16,4 Rebounds im Schnitt. Trotzdem wollte 1970 weder die NBA noch die damals rivalisierende American Basketball Association den 22-Jährigen draften. Die Memphis Pros der ABA verpflichteten den Rookie dann aber doch. Sie brauchten einen Flügel, und der Hustle, mit dem Ladner agierte, überzeugte die Verantwortlichen. Und so fightete sich „Wondrous Wendell“ zu 17,0 Punkten, 11,4 Rebounds sowie 2,1 Assists pro Partie. Ladner wurde sogar All Star und bald zu einem der meistgefürchteten „Enforcer“ der ABA. Enforcer? So wurden damals die Bodyguards der Stars genannt. Selbige wurden, wenn sie heiß liefen, gern mal vom Gegner mehr als rüde auf dem Parkett angegangen. Enforcer wie Ladner rächten ein solches Vorgehen. Er prügelte sich mit den ganz harten Jungs und verlor keinen einzigen Fight. Vor einer Partie gegen Pittsburgh ging er in die gegnerische Kabine und fragte deren Forward John Brisker: „Wollen wir uns jetzt schon schlagen oder erst auf dem Feld?“ Oft wurde er nach Partien mit den Jungs,

Ladner spielte fünf Jahre in der ABA und legte

In seinen fünf Saisons lief Ladner für fünf Teams auf:

11,6 Punkte und 8,3 Rebounds auf. Er nahm in 300

die Memphis Pros, Carolina Cougars, Memphis Tams,

Partien 444 Dreier bei einer Quote von 25,2 Prozent.

Kentucky Colonels und New York Nets.

mit denen er sich ein paar Stunden zuvor noch geprügelt hatte, in einer Kneipe beim Biertrinken gesehen … „Wendell Ladner kennt den Begriff Angst nicht“, schrieb der Journalist Woody Paige einst über ihn, nur um anzufügen: „Aber er kennt halt die Bedeutung vieler Worte nicht.“ Der selbsterklärte „Country Boy“ lebte auf und neben dem Parkett auf der Überholspur. Der gut aussehende Berg von einem Kerl ließ sich einen Schnauzer wie Hollywoodlegende Burt Reynolds wachsen und sich nackt, nur mit einem ABA-Ball vor dem Penis, fotografieren. Er flog mal auf der Jagd nach einem Looseball in einen Wasserspender aus Glas … und musste danach mit 60 Stichen genäht werden. Vor einer Partie hielt ihm ein Unbekannter ein Blatt Papier hin und bat ihn um ein Autogramm. Ladner unterschrieb mit seinem Namen und „#33“ – es waren allerdings die ihm überbrachten Scheidungspapiere. Wendell Ladner starb 1975 im Alter von nur 26 Jahren bei einem Flugzeugabsturz am John F. Kennedy Airport in New York, wo er für die Nets spielte und der Enforcer für Julius Erving war. Wie er unter den mehr als 116 zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Toten identifiziert wurde? Ladner trug seinen ABA-Championship-Ring aus der Saison 1973/74. Ladner war eines der Vorbilder für den Film „SemiPro“ von Will Ferrell. Checkt ein Mixtape von Ladner unter dem folgenden Link: https://www.youtube.com/ watch?v=NEus864qr5Q&feature=youtu.be.

Fotos: NBA Photos/NBAE via Getty Images

WENDELL LADNER


social media

FOLGT UNS AUF SOCIAL MEDIA Ihr folgt nur Accounts mit lahmen Memes? Eure Timeline ist voller selbstverliebter Hot-Take-Artists? Kommentarspalten sind für euch der Vorhof zur Hölle? Das muss doch nicht sein … denn die FIVE ist auch im Internet. Kommt vorbei, wir warten auf euch!

WWW.FACEBOOK.COM/FIVEMAG FIVE_MAG

BASKET BALL FOR LIFE


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five-prospects

twenty four YANNICK NZOSA seconds

Fotos: Marko Metlas/Euroleague Basketball via Getty Images/Mike Stobe/Getty Images

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P rospects

rmittlungen wegen Kindesentführung? Wirklich? Ja, Stella Azzurra Rom wendete sich im Herbst 2019 tatsächlich an die Polizei. Immerhin war mit Yannick Nzosa, damals 15 Jahre alt, ein sehr talentiertes Kind spurlos verschwunden! Der Fall klärte sich jedoch schnell auf: Der Teenager meldete sich per Social Media aus Malaga, wo er fortan für Unicaja auf Korbjagd gehen wollte. Sein Mentor hatte ihm zu dieser Nacht-und-Nebel-Aktion geraten. Inzwischen hat Unicaja Stella Azzurra zumindest eine kleine Entschädigung gezahlt: 25.000 Dollar, so ist zu hören. Gleich eine Million Euro sind fällig, falls ein Klub aus der NBA oder der Euroleague Nzosa haben will. Denn in Malaga hat er im März 2020 einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben, dort soll aus einem Rohdiamanten ein Kronjuwel werden. So interessant die Lebensgeschichte des gebürtigen Kongolesen Yannick Nzosa auch ist, an dieser Stelle soll sich aus Platzgründen auf seinen Status als eines der größten Talente des Kontinents beschränkt werden. Am 27. September 2020 gab Nzosa sein Debüt in der ACB. Beim Sieg gegen Andorra gelangen ihm zehn Zähler (5/5 FG), drei Rebounds und zwei Blocks. Damit war er neben Ricky Rubio und Luka Doncic erst der dritte 16-Jährige, der jemals zweistellig in Spaniens erster Liga punktete. Nachdem er zwei Tage darauf auch

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Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

im Eurocup erstmals Minuten sah, setzte Nzosa in der ACB eine Woche später noch einen drauf: Zehn Punkte (4/4 FG) bei der Niederlage gegen Manresa bedeuteten etwas, was selbst Rubio und Doncic nicht gelang, nämlich zweistellige Punkteausbeuten in den ersten beiden ACBEinsätzen eines U18-Spielers. Wie aber macht der 2,06 Meter lange Nzosa seine Körbe? Mit guten Händen nach Anspielen aus dem Pick-and-Roll in Form von Durchsteckern oder Lob-Pässen. Denn Nzosa ist lang, schnell, sehr agil und aktiv, versucht stets anspielbar zu sein. Genaue Angaben zur Spannweite des Linkshänders finden sich nicht, enorm ist sie definitiv. Allerdings wird sie optisch begünstigt von noch extrem dünnen Gliedmaßen, denn Nzosa fehlt es an Muskelmasse. Dennoch ist er als Rebounder und Shotblocker auch auf Senioren-Niveau schon jetzt ernst zu nehmen, da seine Mixtur aus Länge, Beweglichkeit und guter Antizipation hier durchschlägt. Bei allem Hype finden sich jedoch auch noch eine Menge Baustellen in seinem Spiel: Seine Fundamentals sind okay, die Bewegungen und Abschlüsse im Lowpost hingegen sind sowohl langsam als auch hölzern. Zudem ist Nzosa kein sonderlich explosiver Athlet, lebt eher von seiner Länge. Und ein Spiel mit dem Gesicht zum Korb suchen die Scouts bisher vergeblich. redaktion@fivemag.de

YANNICK NZOSA Geburtstag: 15.11.2003 Größe: 2,06 Meter Gewicht: 90 Kilogramm Position: Big Man Verein: Unicaja Malaga

Stats: 10,0 PPG, 2,5 RPG, 1,5 SPG, 100,0 FG% (ACB)

QR-code: Nzosas historisches erstes Spiel in der ACB. http://bit.ly/YNzosa


nba-skills

fred vanvleet

Fred VanVleet ist einer der wenigen prominenten Free Agents 2020. Coach Jens analysiert, was den Point Guard der Toronto Raptors so begehrt macht und was nicht. Text: Jens Leutenecker Name: Fred VanVleet Position: Point Guard Geburtstag: 25. Februar 1994 Größe: 1,85 Meter Gewicht: 89 Kilo Verein: Toronto Raptors Erfahrung: 4 Saisons

Stats 2019/20: 17,8 PPG II 3,8 RPG 6,7 APG II 1,9 SPG 39,0 3P% II 113,0 ORTG 50,7 eFG% II 16,3 PER (PER 36 MIN.)

B

et on yourself!“ Fred VanVleet war als Rookie nicht begehrt. Mit 12,2 Punkten und 5,5 Assists in seinem vierten Jahr bei Wichita State wusste er kein NBA-Team von seinem Potenzial zu überzeugen und ging „undrafted“ zu den Toronto Raptors in die Summer League. Neben 16 G-League-Einsätzen erarbeitete sich der 26-Jährige in der ersten Saison 2016/17 knapp 300 Spielminuten – wenn die Partie schon längst gelaufen war. Schritt für Schritt steigerten sich seine Spielanteile, von 20 Minuten als Reservist bis zu den 36 Minuten als Starter 2019/20. Grund dafür ist die Pick-andRoll-Offensive VanVleets, die er über die Jahre verfeinert hat. Fast 37 Prozent seiner Sprungwürfe aus dem Pick-and-Roll finden ihr Ziel – an guten Tagen kann VanVleet schnell von Downtown heiß laufen. Ein Problem für die Verteidigung ist die Fähigkeit des Point Guards, auch von weit hinter der Dreierlinie effizient zu werfen. VanVleet verwandelt knapp 38 Prozent seiner langen Dreier und kann deshalb eine Pickand-Roll-Offensive mit breitem Spacing für die Toronto Raptors produzieren.

Kickback Headcoach Nick Nurse setzt mit Kyle Lowry und VanVleet auf eine sogenannte „KickbackOffensive“: Beide Guards spielen ein hohes Pick-and-Roll mit dem Wurf als erste und dem Drive zum Korb als zweite Option. Werden beide Varianten gut verteidigt, sind die ballführenden Guards angehalten, den Ball wieder weit hinter die Dreierlinie zu passen („Kickback-Pass“), um die Verteidigung mit einem zweiten Pick-andRoll zu attackieren. Die Raptors schließen entweder früh in der Shotclock oder sehr spät ab, keine Mannschaft hatte in der vergangenen Saison mehr Fastbreak-Abschlüsse zu verbuchen als

Toronto. Geht es nicht schnell zum Ring, finden sie mit ihren Kickbacks den späten Abschluss, nur acht NBA-Teams beendeten mehr Angriffe in den letzten vier Sekunden der Shotclock. Fred VanVleet ist der optimale Spieler für diese Art des Halbfeldangriffs, da er zwar über exzellente Wurffähigkeiten verfügt, in Ringnähe jedoch nur 39 Prozent seiner Abschlüsse verwandelt. Die Analytics sprechen hier eine klare Sprache: Ein Pass zum Mitspieler für den Abschluss oder ein erneutes Pickand-Roll ergeben auf 100 Angriffe gerechnet 14 Punkte mehr als Ballbesitze, die mit einem VanVleet-Layup enden. Der 26-Jährige gehört mit seiner Pick-and-Roll-Offensive also zur oberen Hälfte der NBA. Unter allen Playmakern, die mindestens zehn Abschlüsse aus dem Blocken-und-Abrollen pro Spiel produzieren (eigene oder durch Pässe zu Kollegen), rangiert er aber mit 0,94 Punkten pro Play nur auf dem 39. Platz von 49 Spielern. Mit variantenreicheren Abschlussmöglichkeiten und einer höheren Freiwurfquote könnte er seine Effizienz steigern und in die Sphären von Malcolm Brogdon und Devin Booker eindringen. In der Regular Season hatten gegnerische Teams eine Lösung für den heiß laufenden VanVleet: switchen. In 100 Ballbesitzen, bei denen der Dribbler nach einem Block gegen den Big Man angriff, wurden nur ganz schwache 52 Punkte erzielt. Dies limitierte das „Endgame“ der Raptors. Die Lösung für dieses Problem lieferte VanVleet jedoch in den Bubble-Playoffs von Orlando, als er sich in dieser Hinsicht stark verbessert zeigte und variantenreich abschloss. Mit einem solchen Plan B in der Tasche muss der Gegner in der regulären Pickand-Roll-Verteidigung bleiben, und das GuardDuo VanVleet und Lowry kann sein KickbackSpiel aufziehen.

Gute Guard-Duos finden im modernen Basketball eine Balance zwischen Passing und Scoring. 117 Punkte auf 100 Angriffe und eine Plus-Minus-Bilanz von über sieben Punkten, das waren zum Beispiel die Werte von Chris Paul und Shai Gilgeous-Alexander bei den Oklahoma City Thunder 2019/20. Paul war der „Pass first“Point-Guard, auch wenn er in den letzten Jahren etwas häufiger den eigenen Abschluss sucht. Shai Gilgeous-Alexander punktete mit einer Trefferquote von 47 Prozent 2019/20 so gut wie nur wenige andere Ballhandler in der NBA und versucht das auch relativ häufig: Zwei von drei Pick-and-Rolls enden mit einem Abschluss von „SGA“.

Weniger passen … Diese Backcourt-Kombination aus „Pass first“ und „Score first“ ist die optimale Balance. Eine vergleichbare Mischung aus Playmaking und Scoring konnte man in der vergangenen Euroleague-Saison bei Anadolu Efes beobachten: Scorer Shane Larkin und Passgeber Vasilije Micic kamen im Zusammenspiel auf fast 90 Punkte pro 40 Minuten. Mit Kyle Lowry und Fred VanVleet als Backcourt-Gespann produzierte Toronto nur 108 Punkte pro 100 Angriffe, dank überdurchschnittlicher Verteidigung erzielen sie dennoch vier Punkte mehr als der Gegner. Lowry und VanVleet sind sich in ihrer Spielanlage zu ähnlich, ergänzen sich nicht optimal. Beide Spieler passen den Ball häufig und rangieren dabei in den oberen zehn Prozent aller NBA-Kreativspieler. Kurzum: Wenn die Toronto Raptors das nächste Offensivlevel erreichen möchten, sollte entweder Lowry oder VanVleet die Rolle des Scoring Guards einnehmen. Für Fred VanVleet wäre es nicht die erste und nicht die letzte große Herausforderung, die er mit Einsatz und Ehrgeiz überwindet. redaktion@fivemag.de

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24

Bei der geburt getrennt

twenty four seconds

kollisionskurs

- kollisionskurs Der kleine Tod

Bei der geburt getrennt Kimbo Slice

S

Lebron james 14

ucht euch eine große Schaufel. Von der Baustelle oder aus dem Garten eurer Eltern. Wenn es sein muss, leiht sie euch von einem Kumpel oder kauft eine brandneue im nächstgelegenen Baumarkt. Dann nehmt ihr bitte diese Schaufel, packt ordentlich Erde drauf und begrabt den „Smallball“. Kleiner Basketball ist tot, und je früher wir das Grab zuschaufeln, desto besser. Die Obduktion zeigt: Tod durch Big Men. Mutmaßliche Täter: Anthony Davis, Dwight Howard und Co. Ich gebe zu, ich bin oldschool. Deshalb hat mir nichts mehr Freude bereitet, als zu sehen, wie die Rockets mit ihrer absolut sinnfreien Art, Basketball zu spielen, die Quittung dafür bekommen haben. Ein Team, das zusammenmontiert wurde, um nur eine Art Offensiv-Basketball zu spielen: sprinten, Layup oder Dreier. Darauf setzen, dass Rim Protectors in der Regel nicht die mobilsten Spieler sind. Und darauf hoffen, dass die Defense die Zone gegen Drives dicht macht und die Shooter offen stehen lässt. „Mike-D’Antoni-Basketball“, wie er schon seit mehr als 15 Jahren nicht funktioniert. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut dafür, im Basketball auch mal unkonventionelle Sachen auszuprobieren. Mal zwei Point Guards zusammen auf dem Feld haben, ein Big Man und vier Shooter drumrum, J.R. Smith den Ball geben … kann man alles im Game mal bringen. Aber mit Clint Capela den einzigen Center wegzutraden und dann zu glauben, man könne mit einer Mannschaft antreten, in der kein Spieler mehr als 2,01 Meter misst, ist naiv und dumm zugleich, selbst für Mr. Pringles. Natürlich kann man einige Spiele mit dieser Strategie gewinnen. Ist ja nicht so, als wären die Rockets nur knapp in die Playoffs gestolpert. Aber was man mit so einem Kader nicht kann, ist: sich anpassen. Die Rockets

waren in ihrer Spielweise so flexibel wie der Berliner Fernsehturm. Die Fehlermarge ist so gering, dass das ganze System einstürzt, wenn die Strategie des Gegners eine Anpassung erfordert, die die Rockets aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung nicht bringen können. Als Lakers-Headcoach Frank Vogel in den Conference-Semifinals gegen die Rockets seine Aufstellung änderte und JaVale McGees Spielzeit fast vollkommen an Markieff Morris ging, war die Serie quasi entschieden. Diese kleine Änderung machte dann den Unterschied. Die Lakers spielten ihre eigene Version von Smallball, die aber immer noch viel größer war als das, was Houston im Kader hatte. Ergebnis: Sie konnten immer noch die Bretter dominieren und waren trotzdem mobil genug, um die Rockets-Shooter an der Dreierlinie zu verteidigen. Was passiert nun in Houston? Wahrscheinlich nichts. Die Top-5-Spieler dort verdienen zusammen beinahe 120 Millionen Dollar, und keiner von ihnen ist Free Agent. James Harden und Russell Westbrook sind über 30 Jahre alt, haben unzählige Meilen auf dem Tacho, und ihre Player Options greifen erst nach der Saison 2021/22. „Tanking“ ist auch nicht drin, da die Draftpicks dank dem „Westbrook für Chris Paul“-Trade mit OKC getauscht werden können. Wie so oft hinterlässt D’Antoni nach seinem Weggang ein absolutes Desaster. Von ihm gecoachte Teams sind nur für eine Sache gut: etwa die Hälfte der Saisonspiele gewinnen. Wenn in einer Playoff-Serie von Spiel zu Spiel Anpassungen vonnöten sind, war’s das. Aus die Maus. Warum keiner daraus lernt, ist mir ein Rätsel. Robbin Barberan (Editor-in-Chief, KICKZ.com)


sneakers

SNEAKER HALL OF FAME: AIR JORDAN 3 FIVE hat eine eigene Hall of Fame eröffnet! Ab sofort nehmen wir jeden Monat einen herausragenden Sneaker der Basketballschuhgeschichte in unsere Ruhmeshalle auf. Der „Inductee“ in diesem Monat? Der „Air Jordan 3“.

Fotos: Jon Kopaloff/Getty Images/Nike Jordan/Lebron James/Mike Ehrmann/Getty Images

E

nde 1987 will Jordan Nike eigentlich verlassen. Sein Fünfjahresvertrag mit der Firma aus Beaverton läuft aus, und er steht einfach nicht mehr hinter dem Design seiner eigenen AirJordan-Linie. MJ hat das Gefühl, dass seine Wünsche und Ideen nicht mehr ins Design einfließen. Den „Air Jordan 2“ empfindet er als zu schwer und klobig. Außerdem haben Peter Moore (der Designer des „Air Jordan 1“ sowie „Air Jordan 2“) und Marketingchef Rob Strasser, zu denen MJ eine gute Beziehung unterhält, den Swoosh verlassen. Die Chefs bei Nike wissen, dass sie alles in die Waagschale werfen müssen, um Jordan zu halten … Also wird Tinker Hatfield mit dem Design des „Air Jordan 3“ beauftragt. Der erst 36-jährige ehemalige Stabhochspringer hat sich zuvor mit der Entwicklung des „Air Max 1“ und des „Air Trainer 1“ einen Namen gemacht. „Als ich den Auftrag bekam, war die Entwicklung schon sechs Monate im Verzug“, erinnert sich Hatfield in der Doku „Abstract: The Art of Design“. „Also musste alles sehr schnell gehen. Es folgten viele Wochen ohne Schlaf und Monate des Reisens nach Asien, um dort mit den Produzenten zu sprechen.“ Er bindet „His Airness“ von Beginn an in den Entstehungsprozess des neuen Schuhs ein. Hatfield bittet den Superstar um einen Wunschzettel für dessen neuen Sneaker. Auf diesem steht unter anderem, dass Jordan in jedem Spiel ein neues Paar Schuhe tragen will, ohne dass diese eingelaufen werden müssen. Als Hatfield und NikeBoss Phil Knight ihrem Superstar das Design des „AJ3“ bei einem Besuch in Kalifornien zum ersten Mal zeigen sollen, ist MJ jedoch nicht aufzufinden. Er spielt Golf mit Peter Moore und Rob Strasser – beide wollen ihn davon überzeugen, bei ihrer neuen Firma zu unterschreiben. Hatfield und Knight

DID YOU KNOW? Nike-Gründer Phil Knight erklärt bis heute, dass Tinker Hatfield mit dem „Air Jordan 3“ seine Firma gerettet hat.

warten geschlagene vier Stunden auf ihren Star … Als Jordan sich mit den beiden hinsetzt, sagt er nur: „Okay, zeigt mir, was ihr habt.“ Enthusiasmus sieht anders aus. Hatfield lässt sich aber nicht beirren. Er bittet MJ darum, noch einmal aufzuzählen, was dieser sich bei einem neuen Schuh wünschen würde. Hatfield hört zu und zeigt MJ immer weitere Zeichnungen des 3ers, bevor er den Schuh schließlich feierlich enthüllt. Jordan sieht erstmals einen Sneaker mit seinem Jumpman-Logo und ohne den Swoosh. Dass die Firma sein Logo über das eigene stellt, schmeichelt ihm. Der Schuh sieht hochwertig aus, was vor allem am Leder liegt. Seine Wünsche wurden erfüllt. Das ist am Ende der Schlüssel für MJs Zukunft bei Nike. Hatfield verwendet getrommeltes Leder, welches viel weicher daherkommt als normales. Außerdem entwirft er einen mittelhohen Schuh, genau wie von Jordan gewünscht – der „Air Jordan 3“ ist sogar der erste MidtopBasketballschuh aller Zeiten. Außerdem überzeugen Jordan der legendäre Animalprint (Elephant Upper) sowie die zum ersten Mal sichtbare Airsohle.

Name: Air Jordan 3 Hersteller: Nike Designer: Tinker Hatfield Jahr: 1988 Preis: 100 Dollar OG-Farben: White Cement, Black Cement, Fire Red

Jordan trug den 3er im Colorway „White Cement“ bei seinem legendären Slam-DunkContest 1988. Im AllStar-Game selbst trug er zum einzigen Mal in dieser Saison den Colorway „Black Cement“, in den Playoffs dann „Fire Red“.

Die Werbespots mit dem aus dem Spike-Lee-Film „She’s gotta have it“ bekannten Charakter Mars Blackmon (gespielt von Lee) sind bis heute legendär! „It’s gotta be the shoes!“

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Danilo

Gallinari

danilo gallinari

Geburtstag: 08. August 1988 Größe: 2,08 Meter Gewicht: 105 Kilo Erfahrung: 12 Saisons

Stats 2019/20*: 22,8 PPG || 6,3 RPG 2,3 APG || 0,1 BPG 1,5 TPG || 43,8 FG% 40,5 3P% || 89,3 FT%

Advanced Stats: 19,5 PER || 24,6 USG 61,2 TS% || 9,7 RBR 10,3 AST**

vs.

Davis

Bertans

P

rofessional Bucket Getter“ – wenn man Punkte auf dem Scoreboard braucht, ist man bei Danilo Gallinari an der richtigen Adresse. In durchschnittlich 30 Minuten kommt Gallinari in seiner NBA-Karriere auf 16,2 Punkte pro Spiel und ein herausragendes Offensivrating von 119 Punkten pro 100 Angriffe. Das Problem des 32-Jährigen ist jedoch leider seine lange Verletzungshistorie, in zwölf NBASpielzeiten absolvierte er weniger als zwei Drittel aller möglichen Partien. Wenn Gallinari aber spielfähig ist, kann es für die gegnerische Defensive schnell kritisch werden. In der vergangenen Saison traf der Italiener 41 Prozent seiner Sprungwürfe aus dem Catch-and-Shoot und 40 Prozent seiner Jumper aus dem Dribbling. Gallinari gehört so zu den besten 25 Shootern in der NBA und kombiniert das mit einem starken Mix aus Korblegern und Postups. Mit 2,08 Meter Körpergröße fällt er in die Kategorie der „Tall Playmaker“ – Blake Griffin, Pascal Siakam und natürlich MVP Giannis Antetokounmpo sind in dieser Hinsicht vergleichbare Spielertypen. Ob Pickand-Roll, Postup oder Isolation: Danilo Gallinari kann eigentlich alles ein bisschen besser als der durchschnittliche NBA-Forward. Kleinere Spieler postet er auf, und gegen größere Verteidiger attackiert er per Pick-and-Roll oder Pick-and-Pop – Gallinaris Spiel beruht auf Vielseitigkeit. Und auch auf einem kleinen, dreckigen Geheimnis: Der 32-Jährige ist ein abgezockter Vollprofi, der sämtliche Tricks auf Lager hat, um sich einfache Freiwurfpunkte zu erarbeiten. Postup, Shot Fake, Foul gezogen – trotz limitierter Athletik kommt Gallinari immer wieder an die Linie. Ohne passendes Matchup kann er gegen jede NBA-Mannschaft den Unterschied ausmachen und Spiele entscheidend beeinflussen.

one-on-one

Davis Bertans und Danilo Gallinari sind Stretch-Vierer, die nicht nur vertragsfrei werden, sondern auch viele Interessenten haben. Wer ist besser? Text: Jens Leutenecker 18


Davis Bertans

Fotos: Michael J. LeBrecht II/Cooper Neill/Getty Images

9

2 Assists in 1.583 Minuten, das sind zwei Assists auf 36 Minuten gerechnet – Davis Bertans ist alles, aber kein Spielmacher. Wenn er selbst keine Vorlagen gibt, wieso kamen die Washington Wizards mit ihm auf dem Feld dann auf eine exzellente Assistrate von 64 Prozent? Wieso erzielten sie pro 100 Angriffe sieben Assists mehr mit ihm auf dem Feld? Die erste Antwort liegt auf der Hand: Mit einer Dreierquote von 42,4 Prozent rangiert Bertans auf dem 6. Platz aller NBA-Spieler. Der Lette kann von überall und mit verschiedensten taktischen Varianten hochprozentig treffen – und produziert so Assists. Vier von fünf Abschlüssen resultieren in einem Sprungwurf, fast neun Dreier nimmt der Lette pro Partie. Der 28-Jährige erzeugt „Gravity“ auf dem Basketballfeld, jeder gegnerische Verteidiger muss ihn auf dem Schirm haben, sobald er über die Mittellinie rennt. Bertans-Abschlüsse aus dem Fastbreak enden in mehr als 45 Prozent aller Fälle mit einem erfolgreichen Dreier. Indirekte Blöcke und Pick-andPops, wenn sich Bertans nach dem Block Richtung Dreierlinie orientiert, verwandelt er vergleichbar sicher. Selbst wenn Bertans eng gedeckt ist, trifft er noch 39 Prozent seiner Dreierversuche – „the guy can shoot“! Und genau deshalb erzeugt er so viele Probleme für die gegnerischen Defensivreihen. Ein Pick-and-Roll von Bradley Beal und Moritz Wagner mit Bertans als Schütze in der Ecke kreiert ein dreifaches Defensivproblem: Beal gehört zu den besten Pick-and-Roll-Scorern der NBA, Wagner versenkt 64 Prozent, wenn er zum Ring abrollt, und Bertans trifft überragend aus der Ecke. Einen heiß laufenden Bradley Beal fürchtet jede NBA-Defense, deshalb helfen sie von Wagner oder Bertans weg. Exzellente 118 Punkte auf 100 Angriffe und eine passable Defense produzieren neun Punkte mehr als der Gegner und begründen die hohe Assistrate, wenn Bertans auf dem Feld steht.

fazit *Auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet **PER – Player Efficiency Rating, USG – Usage Rate, TS% – True Shooting Percentage, AST – Assistrate, RBR – Reboundrate

Geburtstag: 12. November 1992 Größe: 2,08 Meter Gewicht: 102 Kilo Erfahrung: 4 Saisons

Stats 2019/20*: 19,0 PPG || 5,6 RPG 2,1 APG || 0,8 BPG 1,3 TPG || 43,4 FG% 42,4 3P% || 85,2 FT%

Advanced Stats: 15,5 PER || 19,0 USG 62,8 TS% || 8,5 RBR 8,4 AST**

Zwei Shooter, die in der Offensive

nur eine Sekunde braucht der Lette für

glänzen und defensiv nicht auf Toplevel

seine Entscheidungsfindung im Schnitt.

Komplementärspieler, die erst in

agieren – NBA-Teams mit Problemen im

Verbindung mit anderen Akteuren Sinn

Angriff sollten einen der beiden Europäer

häufiger, wägt mit Ball in der Hand ab

ergeben. Für Washington wäre ein

unter Vertrag nehmen. Dabei kommen

und hält pro Touch den Ball doppelt

weiterer balldominanter Spieler neben

beide Spieler von unterschiedlichen

so lange. Bei fast identischer Spielzeit

Bradley Beal und John Wall absolutes

Enden des Offensivspektrums.

läuft Davis Bertans deutlich mehr und

Gift für die Offensive, Bertans scheint

deutlich schneller als Danilo Gallinari.

hier der ideale Fit.

Ball häufiger und länger in seinen

Händen, um die Offensivoptionen im

„Playmaking durch Gravity“ im Stil

Playmaker, wie beispielsweise die

kontrollierten Tempo genau abzuwägen.

eines Klay Thompson oder J.J. Redick.

Chicago Bulls, profitieren am ehesten

Gallinari erzeugt „Playmaking durch

von einem Spielertyp wie Gallinari.

seiner eindeutigen Rolle nicht viel

Kreation“ in Form eines großen

Zeit, um eine Entscheidung zu treffen:

Ballhandlers wie zum Beispiel LeBron

bessere On-Ball-Spieler, Bertans der

entweder ein direkter Wurf oder ein Pass,

James oder Kawhi Leonard.

bessere Off-Ball-Spieler!

Danilo Gallinari hat den

Bertans benötigt aufgrund

Gallinari dagegen dribbelt

Dadurch kreiert er

Beide sind

Mannschaften ohne dritten

Unser Urteil: Gallinari ist der

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Cover

NBA-Finals

2020

NBA-FINALS

2020

FINALS OHNE VERLIERER Die NBA-Finals 2020 stiegen nicht nur unter besonderen Umständen. Zwei besondere Teams traten gegeneinander an, die auf ihre jeweils eigene Art Gewinner waren … und sich vielleicht

Fotos: Douglas P. DeFelice/Fernando Medina/Mike Ehrmann/Jesse D. Garrabrant/Kevin C. Cox/ Madison Quisenberry/John McCoy/Getty Images

bald an gleicher Stelle erneut treffen könnten. Text: André Voigt

E

r stand abseits. J.R. Smith hatte die Trophäe als Erster berührt, Dwight Howard hatte sie im Arm gehalten, Alex Caruso hatte sie geküsst. Der Pokal, benannt nach dem ehemaligen NBA-Commissioner Larry O’Brien, machte seine Runde durch den Lakers-Tross auf dem Parkett. Jeanie Buss hielt nach dem 4-2 der Lakers gegen die Miami Heat ihre Rede als Besitzerin des neuen Champions – nicht im Staples Center vor jubelnden Fans, sondern in der AdventHealth Arena zu Lake Buena Vista, Florida. Coach Frank Vogel verbalisierte gegenüber Rachel Nichols von ABC/ESPN seinen Stolz auf die eigene Mannschaft, auf das Erreichte. LeBron James jedoch mussten die Kameras suchen. Sie fingen ihn bis zu seiner Ehrung als Finals-MVP nur einzeln ein, einige Meter rechts von seinem Team stehend. „Es bedeutet eine Menge, diese Franchise zu repräsentieren. Als ich herkam, habe ich Jeanie gesagt, dass ich diesen Klub wieder in die Position bringen werde, wo er hingehört … ein Teil einer so geschichtsträchtigen Franchise zu sein, ist ein unglaubliches Gefühl. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitspieler, die Coaches, die Physios … alle, die hier

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sind“, erklärte der nun vierfache FinalsMVP. „Wir wollen einfach Respekt. Rob (Pelinka) will seinen Respekt. Coach Vogel will seinen Respekt. Die Organisation will ihren Respekt. Die ,Laker Nation‘ will ihren Respekt … und ich will meinen verdammten Respekt auch.“ Die Worte des 35-Jährigen waren an alle Kritiker gerichtet, der Titel eine Antwort auf all die Zweifel, denen sich seine Lakers die gesamte Saison 2019/20 ausgesetzt sahen. Sicher, „Purple and Gold“ zählte zu den Titelfavoriten in dieser Spielzeit – die Milwaukee Bucks und L.A. Clippers waren die anderen. Trotzdem schwang bei der Franchise von Magic Johnson, Kobe Bryant und Kareem AbdulJabbar immer dieses gewisse „Aber“ mit. Denn die Clippers hatten doch den vermeintlich besten Playoff-Spieler in Kawhi Leonard, das tiefere Team, den besser zusammenpassenden Kader. Und die Bucks hatten doch den Most Valuable Player der Liga, die beste Defensive. Es waren angebrachte Zweifel, welche selbst die eindrucksvollen LakersErfolge gegen die beiden Mitfavoriten kurz vor der Corona-Pause nicht vollends auszuräumen vermochten. Am Ende lösten sich diese Fragen trotzdem in champagnergeschwängerte

Luft auf. Die Lakers warteten in den Conference-Finals vergeblich auf die Clippers, die an den Denver Nuggets spektakulär nach einer 3-1-Führung scheiterten … und ultimativ vor allem an sich selbst. Die Bucks gingen ebenfalls in Runde zwei klar mit 1-4 gegen die Miami Heat baden. Die beiden Konkurrenten illustrierten – ohne es zu ahnen – mit ihren Misserfolgen eindrucksvoll, was die Lakers und vor allem LeBron James so stark machte.

Glue Guy Superstar

„Die eine Sache, die ich tun kann, ist, mich dem Spiel zu verschreiben. Ich tue alles, um mit meinem Körper und meinem Geist für meine Mitspieler da zu sein“, erklärte James während seines Meisterinterviews nach Spiel sechs. „Ich habe in meiner Karriere noch kein Playoff-Spiel verpasst. Das Beste, was du für deine Mitspieler tun kannst, ist, da zu sein, spielfähig zu sein. Ich hoffe, dass ich meine Jungs hier stolz gemacht habe. Das ist am Ende alles, was mir wichtig ist. Ich will meine Jungs, meine Fans, meine Familie stolz machen.“ Niemand hatte in den Monaten zuvor James oder seinen Co-Star Anthony Davis in Frage gestellt. Es waren die


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B U T L E R

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J A M E S

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„WIR WOLLEN EINFACH RESPEKT.. ROB WILL RESPEKT SEINEN RESPEKT RESPEKT.. COACH VOGEL WILL SEINEN RESPEKT RESPEKT.. DIE ORGANISATION WILL IHREN RESPEKT RESPEKT.. DIE ,LAKER NATION‘ WILL IHREN RESPEKT … UND ICH WILL MEINEN VERDAMMTEN RESPEKT AUCH.“ LEBRON JAMES

2121


„ICH WAR SEHR ENTTÄUSCHT – ICH GLAUBE, DAS WAREN EINE MENGE LEUTE –, DASS WIR DIE SAISON NICHT MIT DEM TITEL ABGESCHLOSSEN HABEN. ABER ICH HABE EIN GUTES GEFÜHL, GEFÜHL, WENN ICH AN DIESES TEAM UND SEINE ZUKUNFT DENKE.“ PAT RILEY

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20 20

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A N T H O N Y

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2020

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NBA-Finals

D U N C A N

Cover


Fotos: Douglas P. DeFelice/Fernando Medina/Mike Ehrmann/Jesse D. Garrabrant/Kevin C. Cox/Madison Quisenberry/John McCoy/Getty Images

Ergänzungsspieler, die in der Kritik standen. Dwight Howard, der zuletzt überall schnell aussortierte achtmalige All-NBATeamer mit gestörter Eigenwahrnehmung. Rajon Rondo, der ultraintelligente, aber defensiv kaum tolerierbare Assistjäger, der jede taktische Entscheidung infrage stellt. Kentavious Caldwell-Pope, der überbezahlte Three-and-D-Mann mit der Karriere-Dreierquote von unter 35,0 Prozent. Kyle Kuzma, die vermeintliche dritte Scoring-Option ohne Dreier (31,6 3P%) und Playoff-Erfahrung. Und, und, und. Doch genau hier zeigte sich die eine große Qualität, die LeBron Raymone James schon lange auszeichnet und die genauso lange vergessen wird: Er ist auch ein Superstar, wenn es darum geht, ein Team zu formen und Zusammenhalt entstehen zu lassen. Die Respektforderung für seine Kollegen und Coaches war kein Zufall. Ein Team wird dank seiner Akteure zur Einheit – durch Profis und Trainer. Ein Rollenspieler wird nur dann seinen besten Basketball aufs Parkett bringen, wenn er innerhalb seines Könnens agiert. Wenn seine Stars für ihn die Räume kreieren, die er braucht. Ein Coach wird nur dann seine beste Arbeit leisten können, wenn die Spieler ihm zuhören … allen voran die Stars. Beides hat James über seine Karriere gelernt und schon lange verinnerlicht. Er trug ein desaströses Cavaliers-Team in die NBA-Finals 2007, für das Daniel Gibson, Sasha Pavlovic und Drew Gooden starteten. Bei den Miami Heat lernte er, an der Seite anderer Superstars zu funktionieren, deren Stärken zu akzentuieren und dabei trotzdem die Kollegen vom langen Ende der Bank einzubinden und einem Coach zu vertrauen – auch wenn er letzteres in seiner Karriere nicht immer tat (siehe: David Blatt). Zurück in Cleveland ließ er limitierte Rollenspieler wie Tristan Thompson (82,0 Mio. $, fünf Jahre), Timofey Mozgov (64 Mio. $, vier Jahre) oder Matthew Dellavedova (38 Mio. $, vier Jahre) so gut aussehen, dass sie finanziell richtig abkassierten. „LeBron ist wahrscheinlich einer der uneigennützigsten Superstars aller Zeiten“, erklärt Lakers-Reservist Jared Dudley im Bill-Simmons-Podcast. „Ich habe gesehen, wie er Anthony Davis gepusht hat, in den Kraftraum zu gehen. Die Fackel wird von ihm langsam an AD übergeben, und das ist es, was LeBron schlussendlich will. Er sagte ihm: ‚AD, das hier ist deine Show, und irgendwann werde ich dann die Nummer zwei hinter dir sein.‘ Ihre Beziehung ist eine besondere, und ich bin froh, dass ich ein Teil davon sein konnte.“ LeBron James ist vierfacher NBA-Champion, viermaliger MVP, 16-facher All-NBA-Teamer und vielleicht der beste Glue Guy der Liga – wann gab es in der Geschichte der NBA schon mal so eine

Kombination? „Chemie war schon vor der Bubble ein großes Thema bei uns. LeBron veranstaltete eine HalloweenFete, er schmiss eine Geburtstagsparty, wir hatten ein Ugly-Sweater-Christmas, und alle waren da“, führt Dudley aus. „Es waren nicht nur sieben oder acht Jungs, es waren 15. Wir hingen nach Auswärtspartien zusammen ab – egal ob wir gewannen oder verloren. Wir hatten eine vier Spiele währende Niederlagenserie, da hat niemand etwas darüber gehört, dass LeBron irgendetwas passiv-aggressives getweetet hat.“ Aggressiv präsentierte sich James hingegen auf dem Parkett in diesen Finals. Mit 29,8 Punkten, 11,8 Rebounds, 8,5 Assists, 59,1 Prozent aus dem Feld nebst 41,7 von der Dreierlinie dominierte er die Serie. Vor Spiel sechs verlangte er von Coach Vogel, Jimmy Butler verteidigen zu dürfen, nachdem dieser in Spiel fünf ein Triple-Double mit 35 Punkten aufgelegt hatte … Butler nahm in der entscheidenden Partie der Finals nur zehn Würfe. In den vier Begegnungen davor waren es im Schnitt noch 18,3 gewesen. James war der „Kontrollator“ dieser Serie. Mal jagte er nach den schwächsten Verteidigern der Heat, mal kreierte er Würfe für seine Schützen, dann wieder nahm er sich offensiv zurück, um Anthony Davis dominieren zu lassen. Er übernahm Jimmy Butler, zerlegte die Zone der Heat, stand in den Finals 39,4 Minuten pro Partie auf dem Feld. So sicherte er sich seinen vierten Titel mit drei verschiedenen Teams – etwas, das auch Mitspieler Danny Green gelang. Während der sich jedoch an der Seite von Robert „Big Shot Rob“ Horry und John „Spider“ Salley einreihte, denen dieses Kunststück ebenfalls als Rollenspieler glückte, steht James allein da. Allein als Alphatier und als Superstar, der drei Franchises die Larry O’Brien Trophy brachte. Sicher: Ganzen Generationen von Superstars war es in der Vergangenheit nicht vergönnt, das Team zu wechseln. Bis 1988 konnte eine Franchise immer mit dem Angebot für die eigenen Free Agents gleichziehen und die Spieler damit auch gegen ihren Willen halten. Schmälern soll das James’ Leistung aber auf keinen Fall. Diese Konstanz auf höchstem Level, die er seit 2004/05 liefert, brachte in der NBA-Historie über einen gleich langen Zeitraum nur Kareem Abdul-Jabbar. Mit dem „Captain“ zog er übrigens in Sachen FinalsTeilnahmen gleich. Beide spielten zehn Mal in der letzten Playoff-Serie einer Saison – Abdul-Jabbar gewann sechs Titel und James zwei weniger. Unter allen Gewinnern des MVP-Awards der NBA liegen sie zusammen nur hinter Bill Russell, der in seiner illustren Karriere in zwölf Finals auflief und elf gewann. Die vierte Meisterschaft hebt LeBron James zwar auf kein neues Level,

das neueste Kapitel seiner Geschichte regt dennoch zum Blick in die Zukunft an. Die leidige – nach den Finals erneut aufbrausende – G.O.A.T.-Diskussion um James und Michael Jordan ist einfach verfrüht … wenn sie überhaupt geführt werden sollte. Selbst im Alter von 35 Jahren bewegt sich James auf einem Niveau, das in der NBA kaum jemand jemals erreichte. Er investiert Jahr für Jahr um die 1,5 Millionen Dollar in seinen Körper, damit das auch so bleibt. Laut seinem Freund Maverick Carter beschäftigt „The Chosen One“ zwei Personal Trainer, mehrere Köche, Physiotherapeuten etc. James soll während seiner Zeit in Cleveland und Miami die Krafträume der Teams in seinem Haus quasi nachgebaut haben, um auch dort auf demselben Level trainieren zu können. Er nutzt zudem Kryotherapie sowie Überdruckkammern und hält sich an einen strikten Ernährungsplan, der zum Beispiel Zucker komplett ausschließt. Seine Zeit an der Spitze ist noch lange nicht vorbei.

Superstar-Lehrling

Auch weil an seiner Seite Anthony Davis steht. In seiner achten NBA-Saison darf dieser sich endlich Champion nennen. Doch nicht nur das: Anthony Marshon Davis’ Ruf dürfte sich nachhaltig verbessert haben. Natürlich: Er war schon bei den New Orleans Pelicans einer der besten fünf Spieler der Liga. Das selbst verschuldete Theater um seinen Trade zu den Lakers, die immer wieder auftretenden Verletzungen sowie der mangelnde Teamerfolg trübten für viele jedoch den Gesamteindruck. Das muss sich jetzt geändert haben, auch wenn Davis direkt nach der eigenen Krönung in Bezug auf seine kommende Vertragsfreiheit kein Bekenntnis zu den Lakers abgab und für unnötige Spekulationen sorgte. Bei den Verhandlungen zwischen dem aus seinem Vertrag aussteigenden Davis und der Franchise wird es am Ende nur darum gehen, wie lange sich der Big Man aus finanzieller Sicht jetzt schon binden will. Sportlich gibt es keinen Grund für einen Wechsel. Davis war auf einem exzellenten Weg, selbst Finals-MVP zu werden, bis er sich im dritten Spiel in Foulprobleme brachte und nur magere 15 Punkte plus fünf Rebounds ablieferte. An dieser Stelle zeigte sich, dass er auch im Alter von 27 Jahren eben noch ein Lehrling neben James ist. Zuvor hatte er die Miami Heat – egal ob Bam Adebayo spielte oder nicht – an beiden Enden des Parketts schlicht dominiert. „Es ist einfach. Wir haben keine Egos. Wir wollen jeden Tag das Beste vom anderen – auf und neben dem Court“, erklärte der Mentor die Beziehung zu seinem Schüler und Erben. „Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn du sieben Jahre lang scheiterst. So ging es mir damals in

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meinen ersten sieben Jahren in Cleveland. Deshalb fühlte ich, dass ich Hilfe brauchte. Ich brauchte jemanden, der mich antreibt. Dann war ich in der Lage, nach Miami zu gehen, dort haben mich Dwyane Wade, Chris Bosh und die gesamte Franchise angetrieben. Jetzt haben wir AD, und wir pushen ihn, erklären ihm, wie großartig er ist. Wir zeigen ihm besseren Basketball und sind zusammen etwas Besonderes. Darum geht es. Heute zu sehen, wo er steht, das bedeutet mir sehr viel. Und dass er mir vertraut, bedeutet mir sogar noch mehr.“ Wahrscheinlich wird Anthony Davis in dieser Saison verstanden haben, dass seine Aversion gegenüber der Center-Position nicht mehr zeitgemäß ist. Während er in der regulären Saison 60 Prozent seiner Minuten als Power Forward auflief und 40 Prozent als Center, drehte sich das Verhältnis in den Playoffs ins genaue Gegenteil.

hören, wie die Sirene ertönt, und du bist Meister … ich bin einfach froh, dass es mit diesen Jungs passierte“, erklärte Davis direkt nach dem Gewinn des Titels und gab zu, dass es auch ein Lernprozess war. „Du musst kämpfen. Es ist hart. Hart für deinen Körper, es ist viel harte Arbeit. Die Jungs haben mich jeden Tag angetrieben, vor allem ’Bron und ’Do (Rondo). Sie erklärten mir, ich müsste großartig sein, besser sein. Jeden Fehler auszubügeln, ist mein Job.“

„Wir haben mit LeBron den besten Smallball-Power-Forward der Liga und mit AD den besten Smallball-Center“, sagt Jared Dudley. Es gab kein anderes Team in der NBA, das mit einem derart wendigen, athletischen und trotzdem physisch überpowernden Smallball-Duo auf den großen Positionen aufwarten konnte, das auch noch aus jeder Lage gefährlich war. Die Kombination James-Davis ist zudem perfekt für die in vielerlei Hinsicht eingeschränkten Rollenspieler. Beide ziehen auf ihre Weise Hilfe in der Verteidigung, beide finden den freien Mann, den sie oft schon durch ihre schiere Präsenz freispielen. Außerdem macht Davis defensiv sehr viele Fehler seiner Mitspieler wett. In den Playoffs erzielten die Gegner auf 100 Ballbesitze gerechnet 10,1 Punkte mehr, wenn Davis auf der Bank Platz nahm. Lineups ohne LeBron James funktionierten, wenn „The Unibrow“ sie anführte – das war in der regulären Saison lange nicht der Fall gewesen. „Mit diesen Jungs zwölf Monate zu arbeiten … es gab eine Menge Ups and Downs, eine Menge Meinungsverschiedenheiten. Und dann zu

„Wir hätten die Denver-Serie nicht ohne Dwight gewonnen. Er ist einer der Gründe, warum wir Meister sind“, lobt Jared Dudley vor allem Howard, der in den vier Jahren vor 2019/20 bei vier verschiedenen Teams durchgefallen war. „Superman II“ piesackte Nikola Jokic in den Western-Conference-Finals und erarbeitete sich zwischenzeitlich den Starterposten gegen die Heat. Rajon Rondo wurde ebenfalls zu einem heimlichen Helden der Finals. In Spiel zwei legte der Ex-Celtic 16 Punkte plus zehn Assists auf. Im sechsten Aufeinandertreffen mit den Heat waren es 19 und vier – er traf jeweils drei seiner vier Dreier. Die beiden Ex-All-Stars mussten über die Saison erst ihren Platz im Mannschaftsgefüge finden. Als sie diesen dann jedoch eingenommen hatten, gehörten sie zu den wertvollsten Rollenspielern der gesamten Playoffs. Dass sie funktionierten, hat natürlich viel mit LeBron James und dem Respekt zu tun, den sein Vorbild und seine Karriere einfordern. Coach Frank Vogel erarbeitete sich diesen Respekt ebenfalls – und zwar vom gesamten Team. „Dieses

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Die Leistungen der anderen

Der Job der Ergänzungsspieler war ebenfalls klar umrissen. JaVale McGee und Dwight Howard sollten auf Center ihre Athletik einbringen, Rajon Rondo und Alex Caruso den Ball bewegen, Kentavious Caldwell-Pope und Danny Green Dreier und Defense liefern, Kyle Kuzma und Markieff Morris je nach Matchup auf den großen Positionen das Feld breit machen.

Team war der perfekte Mix, aber ich weiß nicht, ob es ohne Coach Vogel funktioniert hätte. Ich denke, dass er nicht genug Anerkennung bekommt“, stellt Dudley beim Bill-Simmons-Podcast fest. „Der Mann hat kein Ego. Er muss die ganze Zeit mit diesen Superstars klarkommen. Stellenweise liefen sechs Unterhaltungen. Und er hörte sich alles an, wartete, bis sie vorbei waren, und fragte dann: ‚So, seid ihr fertig? Weiter geht’s!‘ Andere Trainer haben so ein Ego, dass sie rufen: ‚Okay, das reicht jetzt … zuhören!‘ Mit diesem Team hätte das nicht funktioniert.“ Doch Vogel lässt nicht nur seine Jungs machen, er ist ein akribischer Arbeiter, der seinen Basketball-IQ einbringt und den Kader von seinen Ideen überzeugt. „Seine Vorbereitung auf die Gegner war überragend – das Beste, was ich in dieser Beziehung in meiner Karriere gesehen habe“, fährt Dudley fort. „Wir wussten, wie

viele Dribblings die Gegner nehmen, bevor sie zu ihrem Stepback gehen. Wir wussten, wie oft sie zu einer Seite dribbeln. Seine Detailversessenheit in der Verteidigung, weil er ein Defensivcoach ist, das war wirklich überragend.“ Vogel selbst war überrascht vom eigenen Erfolg. „Wenn du mich vor Beginn der Saison gefragt hättest, ob wir am Ende so gut zusammenspielen würden, hätte ich gesagt: ‚Keine Chance!‘“, erklärte er gegenüber ESPN.com. Vogel wollte von Beginn an groß spielen, den Gegner überpowern und körperlich verteidigen. „Alle waren aber von Beginn an konzentriert – allen voran AD und LeBron. Wenn das passiert, kannst du über die Saison immer mehr versuchen, und du wirst besser.“

Weiter, immer weiter …

Wie geht es aber jetzt weiter bei den Lakers? Dass Anthony Davis als Free Agent einen neuen Vertrag unterschreibt, ist so gut wie sicher. Er ist jedoch beileibe nicht der einzige Vertragslose im Kader. Der in der Bubble fehlende Avery Bradley, CaldwellPope, McGee und Rondo haben alle Spieleroptionen auf die kommende Saison.


Es ist nicht unmöglich, dass sie diese ziehen, gerade „KCP“ und Rondo könnten aber sicherlich auf bessere Verträge hoffen. Howard, Morris, Dion Waiters, J.R. Smith und Dudley sind vertragsfrei. Die beiden Erstgenannten dürften anderswo begehrt sein. Wie groß ist die Anziehungskraft der Lakers, von Los Angeles, vom Duo LBJ-AD? Wer von den Free Agents würde auf Geld verzichten, um in „Lala Land“ zu bleiben? General Manager Rob Pelinka wird natürlich auch außerhalb des eigenen Kaders nach Verstärkungen suchen. Viel Geld steht dafür 2020 nicht zur Verfügung, weshalb – wie so oft in der Karriere von James – Ausschau nach Veteranen gehalten werden sollte, die für einen Discount an der Seite des „Königs“ spielen wollen. Free Agents wie D.J. Augustin, Jeff Teague, Alec Burks, Tristan Thompson,

Chemie wins!

Die Miami Heat waren der Überraschungsgast in diesen Finals – und verkauften sich teuer. Es ist selten, dass der Vizemeister sich mit seiner Darbietung auf ein komplett neues Level katapultiert, den Heat gelang es trotzdem. Spätestens nach dem Sieg gegen die Milwaukee Bucks und Back-to-BackMVP Giannis Antetokounmpo waren die Heat den Status als Geheimfavorit auf die Krone der Eastern Conference los. Zu ausgeklügelt war der Gameplan, den Coach Erik Spoelstra seinem Team eingeimpft hatte, zu professionell dessen Ausführung durch das Personal in Shorts. Plötzlich sah die ganze Basketballwelt, dass Bam Adebayo im Februar ein waschechter All Star gewesen war und nicht nur einer dieser Spieler, die von den Coaches einmal und nie wieder ins Spiel der Besten gewählt werden.

muss, um zu erörtern, wie gut wir jetzt wirklich sind“, erklärte er in einem Conference Call nach den Finals. Coach Spoelstra, General Manager Elisburg und er mussten sich nach der Bubble von Orlando schnell hinsetzen, um das Geschehene einzuordnen. Denn Riley weiß, dass diese Heat kein Titelteam waren. Es fehlte etwas für den großen Wurf. Das zeigten nicht zuletzt die Finals, die mit 4-2 knapper aussahen, als sie es am Ende waren. Natürlich fehlte Adebayo nach seiner Nackenverletzung im ersten Spiel einige Partien. Dragic verpasste mit einem Riss in der Plantarfaszie vier Begegnungen. Auch in Bestbesetzung waren die Lakers indes besser aufgestellt als die Heat, das weiß Riley. Ihm ist bewusst, dass die Umstände in dieser Covid-19-Saison Miami schlussendlich in die Karten spielten. „Ich will nicht sagen, dass wir mehr als alle anderen von der Bubble

Derrick Favors oder Carmelo Anthony dürften auf der Liste stehen. Keiner dieser Spieler hievt den Kader auf ein neues Level. Alle würden sie indes helfen. In Sachen Trades wird es schwer für Pelinka. Nur Danny Green (15,4 Mio. $) verdient neben James und Davis ein zweistelliges Millionengehalt. Kyle Kuzma – der wahrscheinlichste Tradekandidat – erhält nur 3,5 Millionen. Einen Spieler auf absolutem Starterniveau gibt es wohl nur, wenn beide im Paket verschifft werden. Diese Lakers stehen aller Voraussicht nach nicht an der Schwelle zu einer Dynastie. Träume von einem Trade für Chris Paul sind genau das und haben mit der Realität nichts zu tun. Verstärken können sie sich zwar mit Veteranen vom Schlage der oben genannten Akteure, aber ein neues Überteam im Sinne der Golden State Warriors um Steph Curry, Klay Thompson, Kevin Durant und Draymond Green sind sie selbst dann nicht. Die Lakers werden auch 2020/21 vom Rest der Liga Respekt einfordern, Angst werden die anderen ambitionierten Franchises aber nicht haben … vor allem nicht die Miami Heat.

Adebayo brachte Playmaking auf der Fünf, Ringschutz und führte den Break an. Auf einmal war Jimmy Butler nicht mehr der Querulant aus den Jahren in Chicago, Minnesota und Philadelphia, der jedes Teamgefüge unweigerlich zum Einsturz bringt. Der Besitzer von Big Face Coffee wurde vor den Augen aller zum ultimativen Anführer, Mitspieler und Star für die entscheidenden Momente, der eben auch mal LeBron James in den Finals Paroli bietet. Goran Dragic war wieder ein Point Guard mit Kreativität, Kaltschnäuzigkeit und unglaublicher Chuzpe. Tyler Herro wurde zum gefühlten „Rookie des Jahres“, Duncan Robinson zum besten Schützen der Liga. Kelly Olynyk, Jae Crowder, Andre Iguodala und selbst Meyers Leonard wurden zu den besten Rollenspielern, die sich ein Team wünschen kann. Liest sich übertrieben? Wie Hype? Genauso sieht das auch der Macher hinter diesen Heat, Pat Riley. Auch wenn er die Qualität seines Kaders erkennt, ist der fünffache Meistercoach und Architekt von zwei Titelteams Realist genug. „Da ist noch ein Deep Dive, den ich mit Erik und Andy Elisburg machen

profitiert haben, weil wir so sind, wie wir sind, und weil wir die Dinge so angehen, wie wir das tun“, so Riley. „Aber ich glaube, dass es Teams gab, die sehr diszipliniert in der Bubble waren, deren Chemie stimmte, die sehr zusammenstanden. Spo und der Stab, alle von uns haben in Orlando den Laden zusammengehalten.“ Die Kultur der Heat wurden in den Wochen von Disney World oft beschworen. Auch weil sie sich eben doch direkt in Siege übertragen ließ. Spoelstra führte einen Kader an, in dem zwölf Spieler 2019/20 mindestens 15,0 Minuten pro Partie auf das Parkett durften. Er ließ Manndeckung spielen und Zone. Spoelstra lieferte sich mit Brad Stevens von den Celtics ein Parkettschachduell für die Ewigkeit. Der 49-Jährige beförderte Dragic erst in der Bubble zum Dauerstarter auf der Eins, degradierte andere wichtige Rollenspieler je nach Matchup in der Postseason zu reinen Zuschauern. Seine Jungs nahmen es hin, rissen sich den Allerwertesten auf und lieferten auf hohem Niveau. „Das ist meiner Meinung nach eine der schwierigsten Aufgaben, die du als Trainer haben kannst“, adelt Riley seinen

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langjährigen Vertrauten. „Wir wissen, was er ist. Ich weiß, was er ist. Ich kenne seinen Wert. Eines Tages wird er ,Trainer des Jahres‘ werden – wahrscheinlich mehrfach. Wenn er dann die Trophäe bekommt, wird er sie in den Schrank stellen, wo sie Staub ansetzt … Erik geht es nur ums Gewinnen, das ist alles.“

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Jimmy, einfach Jimmy

Ein anderer, dem es nur ums Gewinnen geht, ist Jimmy Butler. 2018/19 von den Timberwolves auf eigenen Wunsch getradet und dann in Philadelphia als Free Agent verschmäht, kam Butler mit reichlich negativer Presse nach Miami. Was er dort vorfand, war eine Franchise, die von Riley über Spoelstra bis hin zu Adebayo genauso tickt wie er. In der American Airlines Arena geht es um den Titel – nicht manchmal, sondern immer. Die Spieler unterschreiben jede Saison nicht nur einen Vertrag mit der Franchise, der ihr Gehalt festlegt. Es geht um mehr. Um einen Vertrag zwischen Spielern und Coaches, Spielern und Spielern. Anderswo schleicht sich schnell – wie an vielen Arbeitsplätzen – gern mal der Schlendrian ein. Bei den Heat ist jeder für seine Fehler verantwortlich und wird – damit das große Ganze vorankommt – angehalten, diese Fehler abzustellen. Anderswo sprechen Teams davon, die „Extrameile zu gehen“, bei den Heat ist das einfach die „Meile“. Es geht um 100-prozentigen Einsatz und Hingabe – von den Spielern an die Franchise und von der Franchise an die Spieler. „Jeder denkt, dass es bei den Heat wie beim Militär zugeht“, sagt Meyers Leonard, der selbst erst 2019 nach Südflorida kam. „Nein, die Heat verlangen nur ein gewisses Level an Professionalität. Hier findest du im Endeffekt loyale, fürsorgliche Menschen.“ Butler mag in seinem Big Face Coffee Shop in der Bubble 20 Dollar für einen kleinen Kaffee genommen haben (Medium und Large kosteten auch 20 Dollar …), aber er fühlte sich in diesem Umfeld von Beginn an zu Hause. „Ich war ein bisschen müde, aber ich habe alles auf dem Feld gelassen. Wenn meine Jungs so ein Spiel von mir brauchen, wenn meine Franchise so ein Spiel von mir braucht, wenn Coach Spo so ein Spiel von mir erwartet, dann lasse ich nichts im Tank“, sagte Butler, nachdem er beim 111:108-Sieg im fünften Spiel der Finals 35 Punkte, zwölf Rebounds, elf Assists und fünf Steals abgeliefert hatte. „Jimmy ist der ultimative Mitspieler, der ultimative Wettkämpfer, einfach ein Typ, mit dem du in ein solches Duell ziehen willst. Er ist das Herz und die Seele unserer Mannschaft“, ergänzte Duncan Robinson. Um das Herz und die Seele der Miami Heat zu sein, braucht es aber einen ganz bestimmten Typ Basketballer. „Er ist einer für die Heat“, soll FranchiseLegende Dwyane Wade nach seinem

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Jahr mit Butler in Chicago zu Spoelstra gesagt haben. Überhaupt suchen die Heat nach Akteuren, die zu ihrer Philosophie passen. Adebayo etwa kannte Herro von gemeinsamen Sommertrainingseinheiten an der University of Kentucky, die beide besuchten. Ihm imponierte die Art des Youngsters, und Adebayo informierte die Heat-Scouts. „Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der so gut ist und gleichzeitig so uneigennützig“, sagt Riley über Butler. „Ihm ist es egal, ob er zehn oder 40 Punkte macht, ob er ein Tripe-Double auflegt oder dreimal einstellig. Er will einfach nur gewinnen, und das ist es, was du als Team willst. Er weiß, wann er sein Spiel auf ein höheres Level bringen muss, und er ist in der Lage dazu.“ Deshalb machten ihn Wade und Riley zur Priorität der Offseason 2019. „Hut ab vor Dwyane Wade. ,Father Prime‘ ist ein Spieler, der mir sehr, sehr, sehr ans Herz gewachsen ist und der uns dabei geholfen hat, Jimmy von den Heat zu überzeugen“, verrät Riley und fügt an: „Jimmy realisiert, wenn die anderen einen schlechten Tag haben. Dann sagt Jimmy sich: ‚Wir treffen heute nichts, wir verlieren den Ball zu oft‘, und dann übernimmt er einfach. Du brauchst solche Spieler, um in dieser Liga weit zu kommen. Wir sind froh, ihn zu haben. Und wir würden gern noch andere wie ihn im Kader haben, wenn wir sie finden.“

Der Weg nach vorn

„Bringen wir einfach den Kader wieder so zurück? Ich denke darüber nach. Wir waren in den Finals. Aber sind wir ein Finalist?“, gewährt Riley einen Einblick in seine Denke. „Können wir durch die Eastern Conference gehen mit dem, was in Philadelphia passiert, was in Milwaukee passiert, in Brooklyn oder Boston? Wir wissen bereits, dass Boston sein Team zusammen und drei Erstrundenpicks hat. Toronto … es gibt eine Menge guter Mannschaften. Also ja, ich werde über Trades nachdenken und mit Spo darüber beraten.“ Butler ist sein Superstar. Mit Adebayo (14. Pick) fanden die Heat einen All Star am Rand der Lottery, Herro (13.) soll diesen Status bald erreichen. Die Starter Robinson und Nunn wurden beide nicht gedraftet, sondern exzellent von Miami gescoutet. Trades brachten mit Iguodala und Crowder zwei wichtige Veteranen. Auch diese Erfolge sind Ergebnis der Heat-Kultur. „Ich möchte mich wirklich bei Eric Amsler, Chet Kammerer, Adam Simon und unseren Scouts bedanken, bei all denen, die rausgehen und für die Miami Heat nach Talenten jagen. Dafür bin ich nur in ganz kleinem Maß verantwortlich“, nennt Riley die Väter des Scouting-Erfolgs. „Ich möchte ihnen einfach danken, dass sie unseren Schrank mit so vielen jungen Talenten gefüllt haben.“

So prall gefüllt, dass Riley nicht nur auf den Sommer 2021 und Giannis Antetokounmpo schielt, sondern am liebsten schon jetzt den nächsten großen Deal machen will. „Ich war sehr enttäuscht – ich glaube, das waren eine Menge Leute –, dass wir die Saison nicht mit dem Titel abgeschlossen haben. Aber ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich an dieses Team und seine Zukunft denke“, erklärt der Hall of Famer. „Im Gegensatz zu dem, was viele Leute denken: Unser Schrank ist voller, als er je war. Wir haben sechs Erstrundenpicks in den nächsten acht Jahren. Wir haben drei Zweitrundenpicks. Wir haben also einige Bausteine. Wir haben viele sehr gute junge Spieler. Wir haben großartige Veteranen, die Führungsspieler und dazu noch sehr talentiert sind. Ich bin sehr optimistisch, was unsere Zukunft angeht.“ Der Plan dürfte zweigleisig sein: auf der einen Seite nach Free Agents Ausschau halten, die sofort helfen, aber mit Einjahresverträgen zufrieden sind (zum Beispiel Danilo Gallinari), um 2021 wirklich Antetokounmpo oder einen anderen Maximalvertragsspieler jagen zu können. Auf der anderen Seite würde Riley wohl keine Sekunde zögern, schon jetzt einen weiteren Star ins Team zu holen. „Vergangene Saison ist vergangene Saison. Jetzt geht um das nächste Jahr. Um finanzielle Flexibilität, Draftpicks, Free Agency. Meine Denke hat sich nicht verändert. Wenn es etwas gibt, ein nächstes ‚großes Ding‘, das uns auf ein neues Talentlevel bringt … dann bin ich bereit, darüber nachzudenken“, blickt Pat Riley nach vorn. Parallelen zum Sommer 2010 gibt es übrigens sehr wohl. Nicht so sehr aus finanzieller Sicht (damals war Geld für drei Maximalverträge frei), aber aus sportlicher. Jimmy Butler spielt die Rolle von Dwyane Wade, der damals LeBron James und Chris Bosh rekrutierte. Adebayo ist dabei quasi schon Bosh. Der Vorteil, den die 2020er Version gegenüber der 2010er hat? Die Ergänzungsspieler sind schon am Start, so sie denn nicht in einem Trade verschifft werden. „Ich denke, wir haben ein sehr, sehr wettbewerbsfähiges Team. Eine Kultur, von der ich glaube, dass andere Spieler gern ein Teil von ihr sein würden“, erklärt der Macher und unterstreicht: „Wenn das nächste große Ding kommt und es uns hilft, besser zu werden … ihr kennt uns … dann werden wir zuschlagen.“ In Miami redet niemand über eine Dynastie. Mit Recht. Pat Riley, Erik Spoelstra, Jimmy Butler und Co. haben jedoch alle Voraussetzungen dafür geschaffen, erneut zu DEM Team im Osten zu werden. LeBron James dürfte diese Geschichte bekannt vorkommen. Er wird seine alte Franchise ganz genau beobachten. dre@fivemag.de


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Die verrückte Dekade der Los Angeles Lakers: Alle Wege führen nach Rom Nach zehn Jahren sind die Los Angeles Lakers zurück an der Spitze der Basketballwelt. Der Weg dahin war weder linear, noch folgte er einem langfristigen Plan – untermauerte damit allerdings auch wieder die Ausnahmestellung der Lakers. Die Chronologie einer schrägen Dekade. Text: Ole Frerks

Fotos: Ronald Martinez/Chris Graythen/Getty Images

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ndlich“ ist so ein Wort, das ziemlich oft in Verbindung mit dem LakersTitel 2020 zu hören war. Wie etwa: „Endlich sind die Lakers wieder Champion.“ Oder noch besser: „Endlich sind sie wieder da, wo sie hingehören.“ Als wären die zehn Jahre, die Los Angeles ohne Championship auskommen musste, nach NBA-Standards eine lange Zeit. Das sind sie nicht – also außer für die Lakers. Jede andere Franchise ist daran gewöhnt, Höhen und Tiefen zu erleben, von derzeit 30 NBA-Teams haben im Osten vier und im Westen stolze neun Teams sogar noch nie den Titel geholt – oder sieben, wenn man die 1951er RochesterRoyals-Championship den Sacramento Kings und die 1979er Seattle-SuperSonicsChampionship den Oklahoma City Thunder zuordnet (und warum sollte man das?).

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Der Punkt bleibt so oder so bestehen: Es gibt einen exklusiven Championship-Klub, in dem sich die Lakers, die Celtics, die Bulls und die Warriors tummeln, die Lakers heben sich auch darin aber noch einmal auf spezielle Weise ab. Ihre Titel sind nicht auf einzelne Jahrzehnte oder bestimmte Spieler beschränkt, sie gewinnen beständiger als jede andere Franchise. Es gab auch schon mal zehn Jahre ohne Ring, aber dabei wurden wenigstens noch regelmäßig die Playoffs, oft sogar die Finals erreicht. Und genau das machte dieses nun abgelaufene Jahrzehnt so besonders. Nach dem vorerst letzten Ring 2010 kamen die Lakers zwar noch dreimal in die Postseason, schieden aber jeweils sang- und klanglos aus. Danach fanden sechs Playoffs in Folge ohne Beteiligung

der Lakers statt, zuvor hatte die längste Durststrecke zwei Jahre betragen. Jahr für Jahr unterboten sich die Lakers mit ihrer Saisonbilanz und etlichen Peinlichkeiten. Das schlimmste Jahrzehnt ihrer Franchise-Geschichte liegt hinter der „Lake Show“ – deswegen ist das überprivilegierte Wort „endlich“ im Sinne von „Endlich ist die Welt wieder in Ordnung“ sogar verständlich. Der Weg vom Titel 2010 bis zum Titel 2020 hätte nicht viel unordentlicher sein können. Obwohl die Rückkehr an die Spitze am Ende trotzdem wieder folgerichtig war, so unterlag sie in erster Linie nicht einem von langer Hand angelegten Plan, sondern einem über Jahrzehnte erarbeiteten Status. Auch wenn die Lakers in der Zwischenzeit nicht wenige Schritte unternahmen, die diesen beinahe kaputtgemacht hätten.


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Das Ende einer Dynastie Im Jahr 2010 war die Welt aus LakersSicht zum letzten Mal „in Ordnung“. Kobe Bryant gewann im Juni seinen fünften Titel gegen die verhassten Celtics, überholte Shaquille O’Neal und war so sehr „the Man“, wie es in der NBA möglich ist. In Miami formte sich im Sommer zwar ein neuartiges Superteam, in den Augen vieler – und sicherlich auch Kobe selbst – bestätigte das aber nur die Ansicht, dass der zu diesem Zeitpunkt zweimalige MVP LeBron James kein ernstzunehmender Rivale für Bryants Alphatier-Status war. James hatte schließlich den Pflichttermin verpasst, den NBA-Fans die gesamte Saison über ins Visier genommen hatten: Endlich sollten sich Kobe und LeBron in den Finals gegenüberstehen, Nike veröffentlichte einen entsprechenden Werbespot mit Puppen der beiden größten Superstars der Liga. Cleveland schied jedoch gegen Boston aus, also kam es nicht zu diesem Duell. Bei der 2011er Version waren es dann die Lakers, nicht LeBron und die

Miami Heat, die kein Ticket lösen konnten. Dabei lief zunächst viel nach Plan für den zweifachen Titelverteidiger. Kobe wurde im Februar 2011 standesgemäß zum vierten Mal All-StarGame-MVP im heimischen Staples Center und führte die Lakers gemeinsam mit Pau Gasol auf den zweiten Platz im Westen (57 Siege). San Antonio (61), Dallas (57) und OKC (55) waren mit in der Verlosung, Kobe jedoch war der Platzhirsch. Bis er es dann nicht mehr war. Die New Orleans Hornets räumten die Lakers noch in sechs Spielen aus dem Weg, dann folgte jedoch das Duell mit Dallas, welches das Ende der KobeÄra besiegelte. Die Lakers ertranken über die Serie im Mavericks-Dreierregen, vor allem im vierten und entscheidenden Spiel, als sie mit 36 Punkten Unterschied abgefrühstückt wurden. Magic Johnson schimpfte schon während der Halbzeitpause bei ESPN: „Die schlechteste Leistung, die ich je von den Lakers in einem Spiel gesehen habe, das

sie gewinnen müssen. Als wären sie schon im Urlaub.“ Lamar Odom und Andrew Bynum machten sich gar schon früher auf den Weg in die Kabine, weil sie durch unsportliche Fouls vom Feld flogen. Phil Jackson stand die Scham ins Gesicht geschrieben. Die Partie beendete dabei nicht nur den Versuch der Titelverteidigung – sie beendete auch die Trainerkarriere des „Herrn der Ringe“. Jackson hatte im Lauf der Saison die Diagnose Prostatakrebs erhalten und sah sich nicht mehr in der Lage, dem Stress der NBA-Mühle körperlich standzuhalten. Kobe verlor dadurch den Coach, mit dem er jeden seiner fünf Titel gewonnen hatte, und die Lakers verloren ihre Stabilität auf der Trainerbank. In den nun folgenden acht Jahren probierte Los Angeles vier verschiedene Coaches (sowie einen Interims-Coach in Bernie Bickerstaff) aus, bevor man 2019 – glücklicherweise – bei der C-Lösung Frank Vogel landete. Aber der Reihe nach.

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Das Veto Nachdem die Playoffs vorbei waren und ein großer Blonder die wohl schlechteste Version von „We are the champions“ zum Besten gab, die man jemals gehört hat, stolperte die gesamte Liga im Sommer 2011 ins Ungewisse. Das Collective Bargaining Agreement (CBA) und damit der Tarifvertrag der NBA lief aus, verhärtete Fronten führten zu erbitterten Verhandlungen und einem Lockout mitsamt der Frage, ob es überhaupt eine Saison geben würde. Standen 2020 gesundheitliche Risiken im Weg, war es damals Gier, die dem Ligabetrieb im Weg stand. Dass im Dezember eine Einigung gefunden wurde, hatte zu einem nicht unerheblichen Teil damit zu tun, dass Big-MarketOwner wie (und allen voran) Lakers-Besitzer Dr. Jerry Buss einwilligten, ihre Einnahmen mit den kleineren Teams zu teilen. Paradoxerweise wurden die Lakers nur wenige Tage später aber gleich wieder zum ultimativen Feindbild der kleinen Märkte. Während im Vorjahr nämlich das Superteam in Miami noch ein Stück weit belächelt wurde, meldeten sich die Lakers mit einem Plan für ein eigenes zurück. Das alternde Team sollte mit zwei jungen Superstars verjüngt werden, und den ersten davon akquirierten die Lakers fast direkt nach der Öffnung des Transferfensters. Chris Paul kam aus New Orleans, die Zukunft schien schon allein durch die Ankunft des besten jungen Point Guards der Liga gesichert. Allerdings nur für einige Stunden. NBA-Commissioner David Stern machte von seinem Recht Gebrauch, den Trade in seiner Rolle als Verwalter der zu diesem Zeitpunkt besitzerlosen Pelicans-Franchise noch abzublasen, als dieser bereits als fix vermeldet wurde – auch wenn aus Lakers-Sicht bis heute debattiert wird, ob Stern dieses Recht überhaupt hatte. Stern war jedoch als Commissioner der Liga vor allem Angestellter der Teambesitzer, und die waren eben angesichts eines neuen Superstar-Duos in L.A. „not amused“. Auf jeden Fall war das Veto Sterns ein präzedenzloser Vorgang, und dieser wirkte sich auf keine Franchise so schädlich aus wie auf die Lakers, die nicht nur ihren Wunschspieler verloren, sondern auch noch zwei altgedienten Stars in Pau Gasol und Lamar Odom erklären mussten, warum sie Teil des Trade-Pakets für Paul gewesen waren. Bei Odom gelang dies nicht, der Schaden war irreparabel. Der amtierende „Sixth Man of the Year“ verließ Los Angeles Richtung Dallas. Gasol blieb zwar, musste in der Folge aber von Zeit zu Zeit freundlich von Kobe daran erinnert werden, seine „Big Boy Pants“ anzuziehen, sich also nicht so anzustellen. Mit der Zeit hat das Karma Sterns Veto wieder ausgeglichen – vor allem deshalb, weil der nächste PelicansSuperstar namens Anthony Davis knapp acht Jahre später erfolgreicher dabei war, seinen Wechsel nach Los Angeles zu forcieren. Der Davis, den New Orleans nebenbei nur deshalb draften konnte, weil man mit dem akzeptierten Trade-Paket für Paul, das von den Clippers kam, in der Saison 2011/12 schlecht genug für den Nummer-eins-Pick war. Die Lektion (vermutlich): Alle Wege führen nach Rom! Für den Moment und den Karriereabend von Bryant wiederum war das Veto nicht weniger als eine Katastrophe. Und es sollte nicht die letzte bleiben.

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A Dwightmare Die Lockout-Saison verlief relativ unspektakulär. Andrew Bynum wurde zum All Star, und die Lakers spielten unter JacksonNachfolger Mike Brown eine gute Saison, schieden aber erneut sang- und klanglos in der zweiten Playoffrunde aus. Diesmal gegen OKC und ohne die Peinlichkeiten des Vorjahres, aber trotzdem ohne Chance. Es rächte sich, dass sie den alternden Kader nicht verstärkt hatten, allerdings lag das nicht ausschließlich an ihnen. Paul war ja nicht der einzige dicke Fisch, den sie an der Angel hatten: Auch Dwight Howard sollte eigentlich ein Laker werden und eröffnete die kurze, wilde Phase nach dem Ende des Lockouts mit der Forderung, entweder zu den Lakers, den Nets oder den Mavericks getradet zu werden. Nach einem Meeting mit den Orlando Magic ließ er sich davon überzeugen, die Forderung vorerst zurückzunehmen. „Vorerst“ ist im Falle von Howard aber ein entscheidendes Stichwort. Dessen öffentliches und internes Auftreten im Lauf der Saison änderte sich so oft, dass die Frage nach der Zukunft des besten Centers der Liga trefflich als „Dwightmare“ bezeichnet wurde. Das vorläufige Ende davon ereignete sich dann im Sommer 2012 – nach ewigem Hin und Her wurde Howard tatsächlich zu den Lakers getradet, die dafür nicht einmal Gasol abgeben mussten. Im Gegenteil: Los Angeles angelte sich auch Steve Nash und hatte auf einmal ein Team mit vier künftigen Hall of Famern beisammen! Kein Kalenderjahr nach dem Veto hatte sich die Traditionsfranchise berappelt, galt auf einmal wieder als größter Herausforderer von LeBrons Heat. „Now this is going to be fun“, titelte die „Sports Illustrated“ auf einem der im Nachhinein witzigsten Cover ihrer illustren Geschichte mit Nash und Howard in „Come at me, bro“-Posen. Spaß hatten in der Saison 2012/13 am Ende fast alle, aber nicht die Lakers. Es lief fast alles schief, was schieflaufen konnte. Nicht nur in sportlicher Hinsicht.


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Fotos: Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

Jahr aus der Hölle Wer in der Retrospektive nach dem Punkt sucht, an dem die Lakers ihren Weg verloren, wird in der ersten Jahreshälfte 2013 fündig. Das ist in unterschiedlicher Hinsicht auf zwei Ereignisse zurückzuführen: Am 18. Februar verstarb der legendäre Dr. Buss nach langjährigem Krebsleiden und hinterließ an der Spitze ein Führungsvakuum, das die Lakers über mehrere Jahre beschäftigen sollte. Der Besitz des Teams ging nach seinem Tod an die sechs Buss-Kinder über, die von nun an gleichberechtigt an Entscheidungsprozessen beteiligt werden sollten, obwohl das Interesse an den Lakers unter den Geschwistern nicht gleichmäßig verteilt war. Noch Jahre später gibt es immer mal wieder Gerüchte, dass einige von ihnen sogar dafür waren, die Franchise zu verkaufen und abzukassieren – so unrealistisch das auch klingen mag. Real existierte das Problem, dass Buss vorgesehen hatte, seine Tochter Jeanie zu seiner Nachfolgerin als Governor des Teams zu machen, sein Sohn Jim wiederum schon seit Jahren im Front Office des Teams arbeitete und seit 2005 als „Executive Vice President of Basketball Operations“ fungierte. Zwischen den

beiden entbrannte eine Art Machtkampf beziehungsweise ein Kompetenzgerangel, bei dem auch medial immer wieder Giftpfeile in beide Richtungen flogen. Ein Reizpunkt der Beziehung war die Personalie Jackson, der mit Jeanie verlobt war und unter Lakers-Fans wesentlich positiver gesehen wurde als Jim – dieser sei der Grund, warum Jackson nach seinem Abgang 2011 keine offizielle Rolle mehr bei den Lakers innehatte und stattdessen noch ein paar Jahre bei den New York Knicks im Front Office fungierte, heißt es bis heute. Auch zu Beginn der Saison 2012/13, als der glücklose Brown nach nur fünf Spielen gefeuert wurde und die Lakers einen Nachfolger suchten, kam der Name Jackson zur Sprache. Nachdem dieser zögerte, entschieden sich Jim und Jerry Buss (damals bereits hospitalisiert) sowie General Manager Mitch Kupchak jedoch dafür, Mike D’Antoni zu verpflichten, obwohl dessen schnelle Spielsysteme insbesondere mit den Spielweisen von Bryant und Gasol kaum zusammenpassten. Noch Jahre später sagte Jackson, es müsse eine „seismische

Verschiebung“ innerhalb der Organisation geben, bevor er in irgendeiner Rolle zu den Lakers zurückkehren könne, was nahezu überall mit Jim Buss in Verbindung gebracht wurde. 2017 wurde dieser Weg freigemacht, sollte Jackson dies tatsächlich gemeint haben. Jim Buss hatte seinen Geschwistern im Januar 2014 versprochen, dass er die Lakers innerhalb von drei Jahren zum Titelfavoriten machen und andernfalls von sich aus zurücktreten würde – das geschah nicht, also entließ Jeanie ihn im Februar 2017, woraufhin Jim (gemeinsam mit Johnny Buss – ja, alle sechs Geschwister starten mit „J“) noch versuchte, Jeanie ihre Rolle per Coup zu nehmen. Die Schwester setzte sich durch. „Obwohl ich meinem Bruder Jim ausreichend Zeit gewährt habe, um sich in seiner Rolle zu beweisen … ich konnte nicht zulassen, dass der Schaden, der über die letzten Jahre an unserer Franchise angerichtet wurde, noch verstärkt würde“, wurde Buss in einem Gerichtsdokument (das der „Los Angeles Times“ vorlag) zitiert. Zu diesem Schaden kommen wir gleich.

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IIIIIIIIIIIIII I IIIIIIIIIIII Die anderen sind schuld

Der Abstieg Das schicksalhafte Jahr 2013 war nicht nur auf der organisatorischen Ebene ein finsteres. Vom vermeintlichen Superteam war nicht viel zu sehen: Nash war ständig verletzt, Gasol suchte seine Rolle, Howard war nach einer Operation an der Schulter und Rückenproblemen nicht der MVP-Kandidat der Vorjahre. Der Center kam zudem nicht im Geringsten mit Bryant zurecht – was auf Gegenseitigkeit beruhte. Über die gesamte Saison wurden die Lakers nicht zu einem funktionierenden Team, auch wenn unter D’Antoni immerhin die Playoffs erreicht wurden. Das lag allerdings vor allem an Bryant, der entnervt von den Geschehnissen um ihn herum alles selbst in die Hand nahm, ein unheimliches Pensum abspulte und insbesondere im Frühjahr in den Partien fast keine Pausen mehr akzeptierte. Bryant zahlte den Preis dafür, als ihm am 12. April im Spiel gegen die Golden State Warriors die Achillessehne riss. Es wusste noch nicht jeder, aber der relevante Teil seiner sportlichen Karriere war an diesem Tag beendet. Und damit vorerst auch die sportliche Relevanz seiner Franchise. Geschenkt, dass die Lakers ohne Kobe chancenlos in der ersten Playoffrunde gesweept wurden – die größte Schmach erfolgte erst später, als sich der „Dwightmare“ fortsetzte und Howard nach Wochen des Recruitings, unter anderem mit Plakaten à la „Bleib doch noch!“ überall in der Stadt, den Lakers den Laufpass gab und stattdessen nach Houston wechselte. Howard wollte weder der Gehilfe des alternden Bryant sein noch den Stress als Star der Lakers ertragen, womit er einen Trend begründete, der sich durch die nächsten Jahre ziehen sollte, nachdem Los Angeles zuvor immer als ultimativer Starmagnet gegolten hatte. Jahr für Jahr blitzten die Lakers nun bei ihren Wunschspielern ab, erhielten oft nicht einmal Meetings mit den größten Stars. Das Opening Lineup der 2013/14er Saison zeigte recht gut auf, in welche Richtung der Wind fortan wehte: Neben Nash und Gasol starteten Steve Blake, Nick Young und Shawne Williams beim Stadtduell gegen die Clippers, für die es immerhin reichte (116:103). Im November 2013 statteten die Lakers Bryant mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung (zwei Jahre, 48 Mio. Dollar) aus, die allerorten entweder als gravierender Fehler oder (von den Lakers) als eine Art Auszeichnung für sein Lebenswerk und als Zeichen für künftige Free Agents gewertet wurde. Bryant gab Anfang Dezember prompt ein wahres Blitz-Comeback, das er nach nur sechs Spielen jedoch mit einer neuerlichen Verletzung wieder abbrechen musste.

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Das Front Office nahm nun die Free Agency ins Visier, 2014 kamen schließlich unter anderem LeBron (mal wieder!) und Carmelo Anthony auf den Markt. Beide zeigten jedoch kein Interesse, ebenso wenig wie (unter anderem) Chris Bosh oder Kyle Lowry. Gasol wiederum ging nach Jahren der Trade-Gerüchte um seine Person aus freien Stücken nach Chicago. „Jeder Free Agent, der Angst davor hätte, mit Kobe Bryant zusammenzuspielen, ist wahrscheinlich ein Verlierer, und ich bin froh, dass er nicht zu uns gekommen ist“, kommentierte Jeanie Buss im Oktober 2014 bei ESPN, um zu demonstrieren, dass etwaige Fehler sicherlich nicht bei den Lakers selbst zu suchen waren. Die nun folgenden Jahre folgten alle einem ähnlichen Schema. Die Lakers bekamen nicht die Spieler, die sie haben wollten, sondern solche wie Jeremy Lin oder Carlos Boozer. Die Coaches wechselten, 2014 folgte Byron Scott auf D’Antoni. Die Erfolge blieben aus, unter Scott hatten die Lakers mit 1-9 den schlechtesten Start ihrer Franchise-Geschichte. Bryant arbeitete fieberhaft an mehreren Comebacks, blieb aber weitestgehend glücklos. Während der 2014/15er Saison, in der die Lakers 21 Siege holten, behinderte ihn eine Schulterverletzung, Bryant kam nur auf 35 Spiele. Einprägsam war in dieser Phase vor allem ein Auftritt bei Jimmy Kimmel, als dieser Bryant ein Video der Lakers zeigte, die einen Sieg bei den ähnlich miesen Celtics feierten wie einen Sieg in den NBA-Finals. Bryant stand die Abscheu ins Gesicht geschrieben, er blieb sprachlos. Eine noch bessere Version davon gab es rund ein Jahr danach, als Larry Nance spektakulär dunkte, D’Angelo Russell auf der Lakers-Bank einen Celebration Dance vollführte – und Kobe vollkommen regungslos hinter ihm stand. Es fasste die Lakers dieser Jahre recht gut zusammen – ähnlich wie der Bericht, dass Russell später in der Saison, nachdem er seinen Teamkollegen Nick Young dabei aufgenommen hatte, wie dieser einen Seitensprung zugab, auf Reisen nicht mehr mit der Mannschaft frühstücken durfte. Aufgrund der miesen Leistungen konnte das Team immerhin verjüngt werden, da junge Talente (wie eben Russell) in der Lottery gezogen wurden. Bryant konnte auf deren Entwicklung aber nicht warten, zumal seine eigene Leistungsfähigkeit sich am Ende sehr in Grenzen hielt. Und es kam auch sonst keine Verstärkung. Im Sommer 2015 blitzten die Lakers unter anderem bei LaMarcus Aldridge ab, weil sie ein Meeting mit dem eher medienscheuen Big Man abhielten, in dem es nahezu ausschließlich um Filme und andere Aktivitäten abseits des Basketballcourts ging. Im November 2015 zog Kobe die Konsequenz und kündigte sein Karriereende nach der Saison an – einer Saison, in der die Lakers nur 17 Siege holten, den letzten davon bei Kobes 60-Punkte-Abschiedsspiel. Es war ein Negativrekord für die Lakers, immerhin schien nun aber der Weg frei, um neu aufzubauen. Was die Lakers allerdings nicht so wirklich taten.


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Fotos: Andrew D. Bernstein/ Sean M. Haffey/Juan O‘Campo/NBAE via Getty Images

Der Machtwechsel 2016 erwischte der sprunghafte Anstieg des Salary Caps nahezu die gesamte Liga einigermaßen kalt. Auf einmal waren völlig neue Ressourcen da, Gehälter schnellten in die Höhe, auch weil gedacht wurde, dass das Gefüge über die Jahre einfach immer weiter steigen würde. „Überbezahlt“ gab es deswegen nicht, „die neue Norm“ war stattdessen bei jedem Deal zu hören, der nach allen bekannten Standards völlig irrsinnig daherkam. Die Lakers wurden zu einem der Gesichter dieses Irrsinns, dieser Überschätzung der finanziellen Situation. Auch 2016 blitzten sie bei den besten Spielern ab – Kevin Durant setzte die Lakers nicht mal auf seine Liste. Ein bewusster Affront, wie teamnahe Reporter es zum Teil darstellten. Geld investierten die Lakers trotzdem. Direkt zu Beginn der Free Agency (!) schaufelten sie Timofey Mozgov (4 Jahre, 64 Millionen) und Luol Deng (4 Jahre, 72 Mio.) mit Geld zu, weil sie … tja, so richtig klar ist bis heute nicht, warum

sie das taten. Außerdem kam mit Luke Walton mal wieder ein neuer Coach, der mit der Organisation noch aus aktiven Spielerzeiten vertraut war. Dieses Kriterium bedingte auch den nächsten großen Einschnitt. Die verjüngten Lakers zeigten teilweise Potenzial, neben Russell insbesondere der zweite Pick seiner Draft, Brandon Ingram. Teilweise wurden sie jedoch auch weggeblasen wie beim Debakel mit 49 Punkten Differenz gegen Dallas am 22. Januar 2017, der höchsten Niederlage der Franchise-Geschichte. Fast exakt einen Monat später setzte Jeanie Buss ihren Bruder sowie Kupchak vor die Tür und ersetzte die beiden durch Franchise-Legende Magic Johnson und Kobes früheren Agenten Rob Pelinka, die beide keine Front-Office-Erfahrungen vorweisen konnten. Insbesondere Johnson setzte primär auf seine Strahlkraft, verhielt sich über die kommenden Jahre teils wie ein Elefant im Porzellanladen und opferte dafür sogar seine Twitter-Aktivitäten.

Johnson wurde genau wie Pelinka immer wieder des „Tamperings“ bezichtigt, des illegalen Bezirzens von Spielern anderer Teams. Beide zahlten dafür Geldstrafen und machten sich eher wenige Freunde in der Liga. Auch deshalb tauchen bis heute immer wieder Artikel auf, in denen anonyme Quellen anzweifeln, dass das Front Office der Lakers das Salary-CapKonzept versteht oder, überspitzt gesagt, sich unfallfrei die Schuhe zubinden kann. Es half auch nicht, dass Johnson und Pelinka keine persönliche Beziehung zueinander hatten. Die anonymen Quellen kamen nicht immer von rivalisierenden Teams, sie waren auch nicht immer anonym – als Johnson im April 2019 abrupt und unangekündigt seinen Posten räumte, bezeichnete er Pelinka höchst offiziell als „Verräter“. Von außen wirkten die Lakers unter diesem Duo wie das pure Chaos. Und dennoch ging es mit ihnen irgendwie wieder bergauf.

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Magic gegen alle Mehr Glück als Verstand? Betrachtet man Magic weniger als großen Strategen, sondern mehr als Maskottchen, dann hat seine Ankunft etwas bewirkt. Etwa bei der Lottery 2017: Die Lakers hatten nicht einmal eine 50-prozentige Chance darauf, ihren eigenen Pick zu behalten, da dieser nur für die Top 3 geschützt war. Sie verloren ihn aber nicht, sondern sprangen (zum dritten Mal nacheinander!) auf Platz zwei – ein Glücksfall, den sie zwei Jahre später sogar noch überbieten konnten. Mit dem Pick zogen sie zwar nicht etwa (zum Beispiel) Jayson Tatum, sondern Lonzo Ball – doch auch dieser war natürlich weitaus besser als die Alternative „nichts“. Zumal der Pick es Magic und Pelinka ermöglichte, Russell nach zwei insgesamt enttäuschenden und turbulenten Jahren in einem Paket mit Mozgovs Katastrophenvertrag nach Brooklyn zu verschiffen. Ein stolzer Preis, um Altlasten loszuwerden, aber die Lakers hatten längst schon wieder dickere Fische im Visier und brauchten den finanziellen Spielraum. Mit dem 27. Pick, der aus Brooklyn zurückkam, wurde in Kyle Kuzma zudem ein guter Griff getätigt. Der Wunschspieler, auf den Los Angeles den Fokus richtete, hörte 2017 aber wieder auf den Namen „James“. Gerüchte, dass dieser 2018 als Free Agent nach Hollywood wechseln wollte, gab es schon ein Jahr vorher. Die Lakers spielten das Spiel mit, holten augenzwinkernd Kentavious Caldwell-Pope für einen unverhältnismäßigen Einjahresvertrag über 18 Mio. Dollar. Pikant: „KCP“ stand bei Klutch Sports unter Vertrag, der Agentur von Rich Paul, dem besten Kumpel von James. Die Bühne war bereitet, dass ein Jahr später LeBron und auch Paul George zu den Lakers kommen konnten. Johnson telegrafierte diese Absicht wiederum bei einem Jimmy-Kimmel-Auftritt, als er nach George gefragt wurde und sich so subtil verhielt, dass die NBA den Lakers eine 500.000-Dollar-Strafe für Tampering aufbrummte. George blieb zwar (ein Jahr länger) bei OKC, trotzdem schien das ganze Chaos es wert gewesen zu sein, als im Sommer 2018 tatsächlich James zu den Lakers wechselte. Magic fuhr damals nach einem Treffen mit LeBron das Lob ein – allerdings ist damit zu rechnen, dass James seine Entscheidung da schon getroffen hatte. Wie dem auch sei: Der größte Star der NBA trug wieder ein Lakers-Trikot, die Welt schien also langsam wieder in die Fugen zu geraten. Ein chaotisches Jahr brauchte es dafür aber noch.

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LeBron kam ohne zweiten Star, trotzdem führte er die Lakers 2018/19 zu einem sehr ordentlichen 20-14-Start. Eine Leistenverletzung am ersten Weihnachtsfeiertag nahm James jedoch für eine Weile aus dem Geschehen und entblößte die nach wie vor mangelhafte Qualität des Kaders. Natürlich wussten die Lakers, wie sie das beheben wollten – auch hier gingen sie aber nicht sehr subtil vor. Pelicans-Star Anthony Davis hatte nach seinem Agentur-Wechsel hin zu Klutch Sports früh in der Saison einen Trade gefordert und dem Team eine Liste vorgelegt, auf der – realistisch betrachtet – nur die Lakers standen. Die Geschichte stank aufgrund der offensichtlichen Verbindungen, und das führte auch auf Pelicans-Seite zu einer gewissen Unwilligkeit, mit den Lakers zu verhandeln. Bis zur Trading-Deadline im Februar tauchten fast täglich Statusmeldungen auf. Ein Deal kam am Ende aber nicht zustande, und Johnson warf den Pelicans öffentlich vor, nicht „in gutem Glauben gehandelt“ zu haben, weil sie die Angebote der Lakers ultimativ nicht akzeptiert hatten. Die jungen Lakers, die wiederum natürlich allesamt jeden Tag in Trade-Gerüchten aufgetaucht waren, solle man „nicht wie Babys behandeln“, erklärte Johnson. Die Saison lief aus, die Lakers verpassten zum sechsten Mal in Folge die Playoffs, und dann überschlugen sich die Ereignisse. Am 09. April kündigte Magic seinen Job, ohne vorher Jeanie Buss oder sonst jemanden zu informieren, über die Medien. Als Grund gab er unter anderem an, dass er wieder unbekümmert twittern wolle. Im Hintergrund ging es aber wohl wieder einmal um ein Kompetenzgerangel. Es soll Magic verärgert haben, dass er Walton nicht feuern durfte, der – natürlich – nur drei Tage später gefeuert wurde. Mit der Coaching-Suche wurde nun allein Pelinka betraut, der sich Absagen von Monty Williams und Tyronn Lue abholte und dann bei der „C-Lösung“ Frank Vogel in Kombination mit Assistant Coach Jason Kidd landete. Am Tag von dessen Vorstellung (dem 13. Mai 2019) entleerte Johnson bei „First Take“ einen ganzen Eimer voller Gülle über den Lakers und insbesondere Pelinka, dem er vorwarf, ihn hinter seinem Rücken sabotiert und schlechtgeredet zu haben. Einen Tag später sprangen die Lakers in der DraftLottery vom projizierten elften nach oben auf den vierten Pick – dieser war einen Monat später (am 15. Juni) dann Teil eines riesigen Pakets, als die Lakers sich doch noch mit den Pelicans auf einen Davis-Trade einigten. Und der Rest ist, wie man in Hollywood sagt, Geschichte.


Fotos:Harry How/Andrew D. Bernstein/Brandon Bell/Getty Images

I I IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII Fast in Ordnung Nun schreiben wir das Jahr 2020. Die Lakers sind Meister, und wenigstens diese Ordnung ist wiederhergestellt. Es fällt dennoch schwer, das Ganze einer großartigen Planung oder auch nur großartiger Arbeit anzurechnen. Die Lakers haben in den vergangenen Jahren fraglos einiges richtig gemacht, das Front Office hat etwa mit dem ungedrafteten Alex Caruso, Kuzma oder auch dem für Davis getradeten Josh Hart mehrere starke Transaktionen aus dem Hut gezaubert. Auch die Free-Agency-„Notnägel“, die Pelinka nach der Davis-Verpflichtung

holte, sahen beim Titel-Run viel besser aus als erwartet. Und dennoch … wie eine kompetente Franchise sahen die Lakers im vergangenen Jahrzehnt selten aus. Glück bei der Draft-Lottery war ebenso essenziell wie die Tatsache, dass zwei der besten (darunter der beste) Spieler der Welt für die Lakers spielen wollten – aufgrund der Lebensqualität in der Stadt Los Angeles und der ruhmreichen Historie der Franchise, aber sicherlich nicht primär wegen der guten Arbeit der letzten Jahre. Allein seit 2016 wurden genug Fehler gemacht, die andere Franchises

mit weniger Ressourcen und weniger Standortvorteilen vermutlich um Jahre zurückgeworfen hätten. Für die Lakers spielten sie keine große Rolle. Das soll die Leistung des 2020er Teams gar nicht schmälern. Der Titel ist dadurch nicht weniger wert. Er zählt genau wie jeder andere – samt der fünf Meisterschaften in Minneapolis. Doch all das gehört zwingend mit zur Geschichte. Die Art und Weise, wie dieser 17. Ring gewonnen wurde, hätte kein anderes Team der Liga replizieren können. Aber deswegen sind die Lakers eben die Lakers. redaktion@fivemag.de

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ERIK SPOELSTRA

AUS DEM KELLER Jimmy Butler und Erik Spoelstra: Da scheinen sich bei den Miami Heat zwei gefunden zu haben. Denn sowohl Spieler als auch Headcoach verkörpern die Heat-Kultur gleichermaßen. Was zeichnet diese Kultur aus? Und wie hat „Spo“ sie geprägt? Text: Manuel Baraniak

Fotos: Kevin C. Cox/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

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as Training sollte ein Krieg sein. Das Training sollte härter sein als ein Spiel.“ Bei diesen Worten dürften einige vermutlich an Jimmy Butler denken. Schließlich hatte der Flügel in einem von außen betrachtet unrühmlichen Kapitel so seinen Trade von den Minnesota Timberwolves erzwungen. Im Oktober 2018 schlägt Butler mit einer C-Mannschaft die sonstigen Starter Minnesotas in einem Trainingsspiel – nachdem er zuvor die anderen Franchise-Eckpfeiler Karl-Anthony Towns und Andrew Wiggins herausgefordert und Headcoach Tom Thibodeau sowie General Manager Scott Layden nicht jugendfreie Wörter an den Kopf geworfen hat. Während Butler die damalige Eskapade mit den Worten erklärt: „Jeder führt auf unterschiedliche Weise an. Ich zeige damit, dass ich für dich da bin“, stammt die Kriegsmetapher gar nicht von ihm. Sondern von David Fizdale. Nicht aus dessen Zeit als Headcoach der Memphis Grizzlies oder New York Knicks, sondern in der Funktion als Assistant Coach der Miami Heat, welche er von 2008 bis 2016 innehatte. Und dort ununterbrochen an der Seite von Erik Spoelstra arbeitete. Oder, um die Metapher zu bemühen: Seite an Seite in den Krieg zog. So schildert es Fizdale einst gegenüber ESPN. In dem Feature über die

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Kultur der Miami Heat kommt auch Quentin Richardson zu Wort, der eine Saison in Florida spielte. Demnach findet Richardson am ersten Tag der Saisonvorbereitung ein Paar Knieschützer vor seinem Spind. Als er sich dagegen entscheidet, sie zu tragen, wird er von den Trainern angehalten: Bei den Heat seien Knieschützer verpflichtend. Denn so hart geht es im Training zur Sache. Oder, wie Fizdale eben erklärt: „Die Botschaft ist die: Du bereitest dich auf einen Krieg vor. Das Training sollte ein Krieg sein. Das Training sollte härter sein als ein Spiel.“

Bubble-Gewinner

Jimmy Butler kommt nicht in Kriegsmontur zum Training, sondern in einem Jersey der University of Portland von 1992. Kurz nachdem die Miami Heat den Einzug in die diesjährigen NBA-Finals perfekt gemacht haben, ehrt Butler damit aber weder eines seiner Vorbilder aus Kindertagen oder einen aktuellen NBA-AllStar – sondern seinen Headcoach. Erik Spoelstra lief in den 90er Jahren vier Saisons für die Portland Athletics auf. Und auch wenn „Spo“ eine respektable NCAA-Karriere hinlegte, eine große Spielerkarriere ließ er daraufhin nicht folgen. Wer denkt, Butler wolle sich damit anbiedern, liegt falsch. Denn ein

paar Tage davor zieht er eine ähnliche Aktion ab – und zollt dem Heat-Rookie Tyler Herro Respekt, indem er dessen Highschool-Jersey überzieht. Durch seinen zuvor angesprochenen Trainings-Battle in Minneapolis oder auch nach seinem kurzen Intermezzo in Philadelphia ist der Tenor oftmals gleich: Butler sei kein einfacher Kollege, ecke auch innerhalb des Mannschaftsgefüges an. Doch würde sich ein vermeintlich „faules Ei“ die Mühe machen, alte College- oder HighschoolTrikots seiner Kollegen zu besorgen? Vielleicht ist Butler weniger ein schwieriger Charakter, sondern vielmehr ein Spieler, der einfach nur eine zu ihm passende Umgebung gebraucht hat … „Er ist ein Heat-Typ“, soll Dwyane Wade seinem ehemaligen Coach Spoelstra gesteckt haben. Wade ist nicht nur langjähriger Franchise-Spieler in Miami gewesen, er spielte auch ein Jahr an der Seite von Butler bei den Chicago Bulls. Betrachtet man Butlers Leistung in Orlandos Bubble und fällt ein Urteil über ihn als Spieler und Charakter, sollte man dies hinsichtlich der Heat-Kultur vielleicht neu evaluieren. Woran auch Erik Spoelstra seinen Anteil hat. Meyers Leonard ist 2019 zu den Heat gestoßen. Auch wenn er durch das Turnier in Orlando seine Rolle als Starter verloren hatte und nur noch sporadisch


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X „Wahrscheinlich war es eine alte Abstellkammer. Als sie sich entschieden, eine Videoabteilung zu installieren, haben sie wohl einfach alles ausgeräumt, ein paar Videorekorder reingestellt und gesagt: ,Okay, das ist jetzt der Videoraum.‘“ -----------

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Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/Dylan Buell/Getty Images

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zum Einsatz kam, stand er stets anfeuernd in der ersten Reihe. Bei ESPN äußert sich der Center über die Teamkultur und macht deutlich, dass „loyale und fürsorgliche Menschen“ bei der Franchise arbeiten. „Jeder denkt ja: ,Oh, da geht es ja so militaristisch und kompromisslos zu.‘ Nein, die Heat fordern einfach ein gewisses Level an Professionalität ein.“ Dieser Anspruch bezüglich Professionalität sowie die Bedeutung von Arbeitsethos lässt sich bei Butler wie Spoelstra gleichermaßen beobachten. Butlers Workout-Programm, auch während einer Offseason, dürfte sich spätestens nach seinen FinalsLeistungen herumgesprochen haben. Die Herangehensweise Butlers schildert der College-Senior und Freund Mike Smith bei ESPN wie folgt: „Wir gehen nicht aus. Was Jimmy immer predigt: ,Du kannst später Spaß haben.‘ Wenn er seine Karriere beendet hat, dann kann er all das tun. Aber jetzt ist es an der Zeit zu arbeiten.“ Als Workaholic ließe sich, wie so viele Coaches, auch Spoelstra bezeichnen. So erinnert sich LeBron James an seinen Trainer aus gemeinsamen Heat-Zeiten zurück: „Wir sahen ihn nie ausgehen. Abendessen? Nie.“ Oder wie es Dwyane Wade formuliert: „Er ist wie Batman. Er verschwindet in seine Höhle – niemand bekommt ihn zu sehen.“ So verwundert es nicht, dass LeBron James vor dem Start der Finals seinen ehemaligen Coach für dessen Vorbereitung lobt. Spoelstra demonstriert dies in der Endspielserie gegen die Los Angeles Lakers auch von Spiel zu Spiel – mit notwendigen Adjustments. Defensiv probiert es „Spo“ zwischen SwitchStrategien und Taggen im Pick-and-Roll, einer Zone (welche in den Ost-Finals gegen Boston ein großer Schlüssel war) und dem Doppeln von Anthony Davis im Post. Spoelstra ist eben zum Handeln gezwungen: Denn mit Goran Dragic und Bam Adebayo fallen wichtige Rotationsspieler aus. So übernimmt offensiv eben Butler die Rollen der beiden: Für Dragic springt Butler als Ballhandler ein, der vor allem in Pick-and-Rolls von der Seite überzeugt. Für Adebayo agiert der Flügelspieler zudem in den für die Heat so wichtigen Handoff-Aktionen. In der Hauptrunde 2019/20 markierten die Heat 10,2 Punkte pro Spiel nach Handoffs – der Spitzenwert der NBA. Miamis Abstand zu den zweitplatzierten Golden State Warriors war so groß wie der Abstand zwischen den Warriors und den Portland Trail Blazers auf dem 23. Platz! Aus diesen Aktionen strahlen vor allem Schützen wie Duncan Robinson (der mit seinem Aufstieg von einem Division-IIICollege ebenso perfekt in die Heat-Kultur passt) und Tyler Herro Gefahr aus. Mit welch konstanter Bewegung die HeatOffensive operiert, ist nicht nur ansehnlich, sondern auch sehr effizient. Adebayo,

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Herro oder Robinson sind Paradebeispiele dafür, wie sich Spieler – auch oder vor allem spät oder gar nicht gedraftete – in Miami individuell entwickeln und wie deren Stärken akzentuiert werden. Letztlich wiegen die Ausfälle für Miami aber zu schwer, zudem erweist sich das Talentlevel der Lakers um deren Topstar-Duo LeBron James und Anthony Davis als zu hoch. Doch trotz der FinalsNiederlage von 2-4 gehen die Heat als Gewinner aus der Bubble – was für die Franchise im Kollektiv wie für Butler und Spoelstra individuell gleichermaßen gilt.

From the Dungeon

Spoelstra hat sich in seiner noch relativ jungen Trainerkarriere, das haben die diesjährigen NBA-Playoffs bestätigt, auch spieltaktisch hervorgetan – und dabei die Basketballevolution vorangetrieben (dazu später mehr). Dieses Taktikbewusstsein samt Arbeitseifer wird auch Heat-Entscheider Pat Riley damals dazu bewogen haben, Spoelstra als seinen Ziehsohn zu betrachten und ihn 2008 zu seinem Nachfolger als Headcoach zu machen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass dich die Arbeit als Videokoordinator und Advance Scout besser auf die Aufgaben als Headcoach vorbereitet, als nur ein Assistant Coach zu werden“, blickt Riley bei ESPN auf Spoelstras Werdegang

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zurück. „Du wirst gezwungen, auf die Xs and Os und so viele Dinge zu schauen. Erik Spoelstra besitzt ein großartiges Reservoir an Basketballwissen.“ Spoelstra häuft dieses Reservoir übrigens in einem Kerker an. Als „Dungeon“ bezeichnet die Franchise ihren ehemaligen Videoraum in der Miami Arena, in der die Heat bis 1999 ihre Heimspiele ausgetragen haben. „Er befand sich im Inneren der Arena. Der Raum war nicht mal Teil des Büros“, blickt Spoelstra auf seinen ersten Arbeitsplatz bei den Heat zurück. „Wahrscheinlich war es eine alte Abstellkammer. Als sie sich entschieden, eine Videoabteilung zu installieren, haben sie wohl einfach alles ausgeräumt, ein paar Videorekorder reingestellt und gesagt: ,Okay, das ist jetzt der Videoraum.‘“ Dabei kam Spoelstra nicht mal wirklich mit Wissen in der Videoarbeit zu den Heat. Stattdessen versuchte er damals, eine Trainerstelle bei einem College-Team zu ergattern, fand dort aber keinen Einstieg. Sein Vater Jon – der jahrelang im Marketingbereich und auch als General Manager bei NBA-Teams gearbeitet hat – war zu dieser Zeit mit

Der Rest ist derweil die Geschichte eines harten Arbeiters: Vom „Hausmeister/Videokoordinator“ im ersten Jahr ging es für den damals 27-Jährigen bereits nach zwei Jahren erst mal mit einer Stelle als Assistant Coach weiter. Dort bekam er stetig größere Aufgaben zugeteilt, bis er 2001 als Assistant Coach/ Director of Scouting fungierte. Spoelstra wird zu dieser Zeit auch die gute Arbeit als Individualtrainer angerechnet, der unter anderem mit Dwyane Wade an dessen Wurf feilt. Und auch Riley scheint immer mehr von Spoelstra beeindruckt gewesen zu sein. Gab Spoelstra in seinen Anfangsjahren Input, „sei es eine Geschichte über einen Spieler, ein Motiv der anstehenden Partie, ein Zitat aus einem Buch oder ein News-Beitrag von ,USA Today‘“, erinnert sich Riley, „war das außerhalb der normalen Gedankenwelt eines Scouts oder Trainers.“

einem Heat-Mitarbeiter befreundet und brachte seinen Sohn in Miami unter. „Ich kann mich extrem glücklich schätzen, in einer NBAFamilie aufgewachsen zu sein. Das gab mir die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür zu bekommen“, gibt Spoelstra gegenüber „The Undefeated“ zu. Zumal es für Coaches oder auch andere Verantwortliche im Basketball-Business mit asiatischer Herkunft nicht einfach ist, in der Association eine Anstellung zu finden. Bei der Frage nach mangelnder Diversität muss man auch diese Positionen berücksichtigen. Spoelstra ist der einzige asiatisch-amerikanische Headcoach der vier großen US-Profiligen.

„Superteam“ um drei große Stars zu formen, das „nicht zwei, nicht drei, nicht vier …“ Titel gewinnen will. Als Spoelstra 2008 bei den Heat als Cheftrainer übernahm, hatte das Team in der Saison davor nur 15 Partien gewonnen. Als Coach verdient machte sich „Spo“ dann aber endgültig in den vier Jahren mit James, Wade und Chris Bosh. Auch wenn der Start einigermaßen holprig verlief. Denn in der ersten Saison gewannen die Heat nur neun ihrer ersten 17 Partien. Im letzten Spiel dieses Wackelstarts gegen Dallas kam es zum oft aufgebauschten Schubser von James gegen seinen Coach, als eine Auszeit

Positionsloser Basketball

Es ist das eine, ein Team im Umbau ohne Druck zu trainieren. Es ist jedoch etwas völlig anderes, ein vermeintliches

anstand. Doch „Spo“ verlor das Vertrauen seines Stars keineswegs. „Wenn es mal stürmisch wird, so erklärte ich ihm, muss man sichergehen, dass man den Kontakt zu den Spielern nicht verliert“, gab ihm Riley damals eine wichtige Lektion mit. James begegnete seinem Coach letztlich auch mit Wertschätzung: „Wenn dein General egal in welcher Situation nicht in Panik verfällt, dann verfällt auch der Rest der Soldaten nicht in Panik. Das respektierst du.“ Die Metapher passt ganz gut – schenkte Spoelstra seinen Spielern doch in jener Saison zu Weihnachten eine DVD-Box der Serie „Band of Brothers“. Man nimmt immer wieder wahr, dass manche Spieler gerne auf ihrer Lieblingsposition bleiben, dass beispielsweise Big Men das Spiel von außen bevorzugen, statt sich in den Zonenkampf begeben zu wollen. Doch Spoelstra schaffte es in seiner Zeit in Miami auch, James davon zu überzeugen, dass er auf die PowerForward-Position rutschen müsse. In dieser Zeit entwickelte „Spo“ die Idee des „positionslosen Basketballs“. Es geht um Ballhandler, um Schützen im Catch-andShoot, um blockstellende Big Men. Es sollen sogar Begriffe wie „Power Forward“ aus dem Vokabular des Teams gestrichen worden sein. Mittlerweile kann sich die Basketballöffentlichkeit darauf als Status quo einigen, doch Spoelstra hat mit den Heat und kleinen Formationen samt Shane Battier auf der Vier die Basketballevolution vorangetrieben. Es sind auch diese taktischen Feinheiten, die etwas justierte Rolle von James und der Plan, wie ein Team mit dem „King“ aufgestellt sein muss, die schließlich zu zwei Meisterschaften führten. Wenn man über die großartigsten Spieler der NBA-Geschichte spricht, dann werden zur Einordnung häufig deren größte Rivalen oder Mitspieler genannt, aber eher selten die Coaches. Wird man nach LeBron James’ Karriereende den Superstar einordnen (auch wenn die G.O.A.T.Debatten längst geführt werden), darf man gerne auch einen Blick auf dessen Trainer werfen: Paul Silas, Mike Brown, David Blatt, Tyronn Lue, Luke Walton, Frank Vogel … klingen diese Namen nach Hall-of-FameCoaches? Sicherlich tut man den jungen Trainern jetzt noch unrecht. Doch wie sieht es eigentlich mit Erik Spoelstra aus? Übergeben wir an LeBron James selbst für die letzten Worte: „Ihr Medien sagt immer: ,Ihr hattet LeBron, D-Wade, Chris Bosh – jeder Coach hätte das erreicht.‘ Nein, nicht jeder Coach kann das! Aber ,Spo‘ mag das auch, das treibt ihn an: diese Missachtung seitens der Basketballwelt. Er ist verdammt gut, wenn nicht großartig. Ja, wahrscheinlich ist er großartig. Er bereitet sich auf jedes Spiel so vor, als wäre es das letzte Mal, dass er coachen würde.“ redaktion@fivemag.de

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DIE KURZE ÄRA DER „BABY-CLIPPERS“:

FÜR DIE KULTUR Die L.A. Clippers kämpfen seit vielen Jahren gegen ihren miesen Ruf an und stehen sportlich mittlerweile auf einem sehr soliden Fundament ... trotzdem fliegen ihnen die Sympathien keineswegs zu. Dabei gab es in der Franchise-Geschichte eine kurze Ära, in der das Gegenteil der Fall war. Text: Ole Frerks

Fotos: am Forencich/ NBAE/Kent Horner/NBAE/Getty Images/Viviana Rishe/David Vives

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ie Geschichte der Clippers ist eine Geschichte des Versagens. Das ist keine Übertreibung: Nachdem die Braves im Jahr 1978 Buffalo verließen und ihr Glück an der Westküste der USA suchten – erst in San Diego, dann in Los Angeles –, suchte die Franchise in Sachen Inkompetenz über mehrere Jahrzehnte ihresgleichen. Bevor Edel-Point-Guard Chris Paul 2011 per Trade aufkreuzte, gewannen die Clippers in ihrer gesamten Kalifornien-Existenz eine Playoffserie. Eine! Gründe lassen sich dafür viele anführen, der wichtigste hört zweifelsohne auf den Namen Donald Sterling und war als rassistischer Geizkragen lange Jahre ein Schandfleck der Liga. Im Jahr 2014 wurde die Liga Sterling endlich los, der ehemalige Microsoft-Boss Steve Ballmer übernahm das Team für einen Preis weit über Marktwert (2,0 Milliarden Dollar) und versucht seither, das Verlierer-Image der Franchise loszuwerden. Ballmer scheut keine Kosten und Mühen, seine Taschen sind (deutlich) tiefer als die aller anderen NBA-Gouverneure. Eine neue, dann endlich eigene Halle wird gebaut, um sich von den Lakers zu emanzipieren. Die Clippers errichten in

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etlichen Stadtteilen neue Basketballplätze und engagieren sich gemeinnützig, um eines Tages vielleicht einen ähnlichen Status wie der Stadtrivale oder wenigstens eine der anderen Sport-Franchises in L.A. zu bekommen. Auch Ballmer wird aber mittlerweile wissen, dass dafür noch ein verdammt langer Weg zu gehen ist. Selbst mit zwei neuen Superstars und dem Status als Topfavorit der Saison 2019/20 entfachten die Clippers nicht unbedingt Euphorie, bei vielen Gelegenheiten wurden Kawhi Leonard und Paul George in Los Angeles sogar ausgebuht. Euphorie entstand, als sie sich in der zweiten Playoffrunde blamabel verabschiedeten – hier flog ein sich selbst überschätzendes Kollektiv raus, das vor allem in der eigenen Heimat nur sehr wenig Kredit und Wohlwollen sammelte. Der Team-Slogan „Hustle over Hype“ flog den Clippers folglich mit Wucht um die Ohren, die Häme war nahezu grenzenlos. Clippers-Fans wiederum nickten das Geschehen ab – es war ja nicht das erste Mal, dass ihre Träume spektakulär platzten. Ein Image wie das ihres Klubs entsteht ja nicht einfach so, sondern über Jahrzehnte.

Dabei gab es schon einmal eine Phase, in der die Clippers dieses Image beinahe losgeworden wären und zeitweise sogar eins der beliebtesten jungen Teams der Liga waren. Sie waren „it“ – bevor sie sich nach kurzer Zeit dann doch wieder selbst im Weg standen.

Jugend geht vor

Juni 2000. Die Lakers gewannen ihre erste Meisterschaft mit Shaquille O’Neal und Kobe Bryant, die Clippers nahmen derweil nicht an den Playoffs teil, hatten mit 15 Siegen sogar die schlechteste Bilanz aller Teams hingelegt. Das lag nicht zuletzt daran, dass sie zwei Jahre zuvor den ersten Pick der Draft in einen limitierten Center namens Michael Olowokandi (statt zum Beispiel Vince Carter, Paul Pierce oder Dirk Nowitzki) investiert hatten. Doch nun sollten sie wieder die Chance erhalten, es besser zu machen. Im Vorjahr hatte L.A. an vierter Stelle mit Lamar Odom bereits einen vielversprechenden Forward gezogen, der tatsächlich ein gutes Rookie-Jahr spielte, nun verfügten sie wieder über zwei hohe Picks, darunter den dritten. Ein neuer Coach wurde noch gesucht, und dies gestaltete sich schwerer als


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Clippers

auf die Jugend. An Position 18 draftete er den 20-jährigen Quentin Richardson, dazu schickte er einen 2006er (!) Erstrundenpick nach Orlando, um dafür Keyon Dooling, Derek Strong und vor allem den ebenfalls 20-jährigen Corey Maggette zurückzubekommen. Auf einen Schlag bestand der Kern des Teams für 2000/01 aus vier Rookies und zwei Sophomores – Veteranen gab es nahezu keine. Und gerade Miles, so hieß es, würde etwas Anleitung gut gebrauchen können, wenn er denn überhaupt ein brauchbarer NBA-Profi sein würde … immerhin hatten die Clippers ja noch nie einen Superstar gedraftet. „Sie sind eine schreckliche Organisation und werden dem Jungen kein gutes Umfeld bieten. Ich hoffe, er kommt da schnell weg“, kommentierte TNTExperte Charles Barkley den Pick während der Draft-Übertragung. „Sie sind eins der größten Probleme im Sport. Sie verkaufen jedes Jahr Hoffnung und schicken dann ihre besten Spieler weg.“ Ansonsten hatte Barkley nichts an ihnen auszusetzen.

geglaubt – Kandidat John Lucas etwa blieb lieber Assistant Coach bei den Denver Nuggets, statt Cheftrainer bei den Clippers zu werden, weil diese eben … nun … die Clippers waren. Trotzdem gab es erstmals seit langer, langer Zeit Gründe zur Hoffnung. Elgin Baylor, der seit 1986 als Vice President of Basketball Operations bei den Clippers fungierte, wollte komplett auf die Jugend setzen und hatte dafür auch schon konkrete Spieler im Visier. An Position drei hatte es ihm Darius Miles angetan – ein dünner, hyperathletischer Power Forward, der als bester Highschooler des Landes galt und höher gedraftet wurde als jeder Highschooler vor ihm (Rekordhalter zuvor: Kevin Garnett und Jonathan Bender, die beide an fünfter Stelle gezogen worden waren). Miles war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt, und auch mit den restlichen Transaktionen des Abends setzte Baylor

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„Man fühlte wirklich, dass da etwas entsteht und wir ein Team mit einer Zukunft hatten. Wir dachten wirklich, dass wir in drei, vier Jahren ein Team haben würden, das einen Titel gewinnen könnte.“ Ralph Lawler -----------

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Ein Team für seine Ära

Doch nicht jeder teilte Barkleys Ansicht zur Situation des Teams. Alvin Gentry ließ sich – eine Woche nachdem er bei den San Antonio Spurs als Assistant Coach unterschrieben hatte – dazu überreden, stattdessen nach Los Angeles zu kommen und das junge Team zu trainieren. „Wenn man sieht, was am DraftAbend passiert ist, gibt es bestimmt viele Leute, die gerne da wären, wo ich jetzt bin“, sagte der damals 45-Jährige bei seiner Vorstellung. Gentry, der zuvor unter anderem in Detroit mit Grant Hill zusammengearbeitet hatte, wollte das Team um Odom aufbauen, dem er ähnliche Fähigkeiten wie dem früheren Pistons-Superstar bescheinigte. Außerdem hatte er einen Plan, wie er mit seinem außerordentlich jungen Team umgehen wollte.


Fotos: Andy Hayt/NBA Photos/Andrew D. Bernstein/ NBAE/ Getty Images

„Das Einzige, was hier ablenkt, ist die Tatsache, dass ich Anzüge habe, die älter sind als die meisten Spieler hier“, sagte Gentry. „Das hier ist sozusagen eine College-Atmosphäre. Ich will diese Jungs aber nicht wie Babys behandeln. Wir müssen dafür sorgen, dass sie verstehen, dass das Ganze hier ein Job ist und dass sie dabei gewisse Verantwortlichkeiten tragen.“ Bezüglich der peinlichen Vergangenheit der Clippers formulierte Gentry zudem eine gut nachvollziehbare Hoffnung: „Wir müssen für das bewertet werden, was wir von diesem Tag an tun.“ Die Clippers waren in Jahr eins unter Gentry wieder einmal recht weit davon entfernt, ein Top-Team oder dergleichen zu sein. Es wurden dennoch immerhin mehr als doppelt so viele Spiele gewonnen wie in der Vorsaison (31) – und was vielleicht sogar noch wichtiger war: Ihre Partien machten Spaß. Die jungen Clippers wurden zu einer Attraktion, schafften es endlich auch aus eigener Kraft, Fans ins Staples Center zu lotsen,

Highschooler ins All-Rookie First Team. Unerheblich, dass der 2000er Jahrgang heute als einer der schlechtesten der NBAGeschichte gilt, schließlich entstand hier ein zweites sehenswertes Team in L.A.!

Brand unter Vertrag genommen wurden, schadete ihrer landesweiten Popularität natürlich ebenfalls nicht – ebenso wenig wie ein kurzer Cameo-Auftritt in der RyanReynolds-Komödie „Party Animals“.

Jede Menge dummes Zeug

Der Kern eines Champions?

die sonst primär für die Gastteams Tickets gekauft hatten. Für Odom gab es keinen Pass, der zu wild war, für Miles keinen Lob, den er nicht mit voller Kraft durch die Reuse hämmerte. Die Kids verströmten eine Spielfreude, die zuvor nie mit ClippersBasketball assoziiert wurde. Kein Play verdeutlichte das besser als ein AlleyOop im Februar gegen Sacramento, als Odom einen Ganzfeldpass von Sean Rooks im Sprung fing und hinterm Rücken weiter Richtung Korb passte, wo Miles zur Stelle war und das „SportsCenter“-Highlight vollendete. Die Clippers gewannen dieses Spiel – immerhin gegen eins der damals besten Teams der Western Conference. Überhaupt gab es einige dieser Achtungserfolge, ein Spiel nahmen die Clippers auch dem großen Bruder ab. Miles schaffte es mit 9,4 Punkten und 5,9 Rebounds im Schnitt als erster

Zu den Aktivitäten von Richardson und Miles gehörten auch Ausflüge zur Westchester Highschool, wo sie eigentlich Frauen kennenlernen wollten, nebenher aber auch auf das Ritual mit den zwei Fäusten am Kopf kamen, das sie selbst überall populär machten. Das dortige Basketball-Team, bei dem unter anderem Trevor Ariza spielte, feierte erfolgreiche Aktionen mit dieser Geste, die beiden Clippers machten daraus anschließend ein nationales Phänomen, als sie jeden Dreier, jeden Dunk und jeden Block auf diese Weise zelebrierten. Die Geste kam sogar in der NFL an, wo Superstar Jerry Rice nach Touchdowns ebenfalls zweimal mit den Fäusten gegen seinen Kopf klopfte. „Es hatte keine Bedeutung, aber es bedeutete alles. Für einen Moment waren wir wirklich die Kultur“, schrieb Miles. Dass er und Richardson beide schon vor dem ersten NBA-Spiel von der Jordan

Brand wurde zum ersten All Star des Teams seit Danny Manning im Jahr 1994 und gab L.A. eine spielerische Konstanz, die zuvor noch gefehlt hatte. Mit ihm gewannen die Clippers 39 Spiele und wurden weitaus seriöser, auch wenn es am Ende nach nur drei Siegen aus den letzten 13 Saisonpartien noch nicht für die Playoffs reichte. Das schien nur eine Formsache zu sein. „Man fühlte wirklich, dass da etwas entsteht und wir eine Mannschaft mit einer Zukunft hatten, und ein Jahr später spielten sie dann wirklich eine sehr gute Saison“, sagte ClippersKommentatoren-Legende Ralph Lawler einmal gegenüber „Bleacher Report“. „Wir dachten wirklich, dass wir in drei, vier Jahren ein Team haben würden, das einen Titel gewinnen könnte.“ Das war auch nicht bloß die Ansicht in Los Angeles. ESPN schickte während der 2001/02er Saison ein

Und dieses hob sich vor allem dadurch ab, dass der Kern fast ausschließlich aus Spielern unter 21 Jahren bestand. Die „Baby-Clippers“ hatten auch abseits des Courts einen gewissen Charme, zumal sie fast immer zu viert oder fünft unterwegs waren – und obwohl sie ihre älteren Teamkollegen und Gentry bisweilen auch in den Wahnsinn trieben. Miles berichtete Jahre später in einem Artikel für „Player’s Tribune“, wie Richardson und er am ersten Tag des Trainingslagers mit Super Soakers erschienen und Wasser auf ihre Mitspieler schossen. „Als Teenager konnten wir vieles ja noch nicht machen, was man mit der Stadt L.A. verbindet. Deswegen haben wir hauptsächlich PlayStation gespielt und dummes Zeug getan“, schrieb Miles.

Auch sportlich ging es weiter bergauf. Im Sommer 2001 kam mit Elton Brand ein weiterer Spieler Anfang 20, der sich gleichwohl mit zwei 20/10-Saisons zum Start seiner Karriere schon einen gewissen Namen gemacht hatte. Die Bulls tauschten den Big Man für Brian Skinner sowie den Pick, der Tyson Chandler wurde, und machten den Clippers damit faktisch ein Geschenk. L.A. verkaufte mehr Dauerkarten denn je (über 12.000) und schaffte es ausnahmsweise sogar, das Staples Center komplett auszuverkaufen. Das erste Heimspiel gegen Golden State sahen 19.445 Zuschauer in der Halle, so viele wie noch nie. Und sie bekamen auch dank des Neuzugangs einiges zu sehen.

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Kamerateam, das die Clippers begleitete und wöchentlich ein kurzes Special veröffentlichte. „Sie haben die besondere Natur und Persönlichkeit unseres jungen Teams gesehen“, so Lawler. Dass es 2002 nicht für die Playoffs reichte, hatte zu einem nicht unerheblichen Teil damit zu tun, dass Odom nur 29 Spiele absolvierte. Der Forward hatte zum zweiten Mal innerhalb von acht Monaten mit Marihuana gegen die Anti-Drogen-Richtlinien der Liga verstoßen und wurde für fünf Spiele suspendiert, dazu limitierten dann auch noch Verletzungsprobleme seine Produktion. Rückblickend lässt sich das als eine Art Vorbote für die Probleme sehen, die schnell folgen sollten. Von außen war das damals nicht absehbar: Die Clippers waren jung, unheimlich tief (sieben Spieler hatten 2001/02 einen zweistelligen Punkteschnitt, wenn man Miles’ 9,5 Zähler aufrundet) und aufregend. Doch es sollte schnell vorbei sein mit der Herrlichkeit.

Clippers

innerhalb von zwei Jahren in den Sand gesetzt zu haben. Dennoch ging von nun an alles ziemlich schnell den Bach runter.

Ein schneller Exodus

Die Clippers starteten mit großen Ambitionen in die Saison 2002/03, liefen aber nahezu vom Start weg den eigenen Erwartungen hinterher. Von den ersten zwölf Spielen wurden nur vier gewonnen, wobei Verletzungen und eine haarige Teamchemie eine große Rolle spielten. Die jungen Wilden hatten nicht erst durch Miles das Geschäft kennengelernt. Im Kader standen vier kommende Restricted und vier Unrestricted Free Agents. Das vermeintlich so talentierte und vielversprechende Team wurde vom notorisch knausrigen Sterling mal wieder so behandelt, als wäre die Lage finanziell wie sportlich aussichtslos. Selbst Gentry hatte für die darauffolgende Saison nur eine Team-

Fotos: Robert Mora/ NBAE/ Getty Images/Jeff Gross /Allsport

Miles muss gehen

Miles gehörte nach außen hin zu den Aushängeschildern des Teams, sein Potenzial und vor allem seine Athletik waren offenkundig. Doch seine Schwächen waren das ebenfalls. Er konnte außerhalb der Zone fast nichts mit dem Ball anfangen, weshalb seine Spielzeit und seine Rolle sich im Vergleich vom ersten zum zweiten Jahr nahezu überhaupt nicht veränderten. Miles stagnierte, und natürlich war der Frontcourt durch die Ankunft von Brand noch tiefer geworden. Deswegen war der erst 20-Jährige ein Stück weit entbehrlich, als die Clippers im Sommer 2002 nach einem etablierten Point Guard fahndeten, der sie auf ein neues Level heben sollte. Am 30. Juli 2002 war es tatsächlich so weit: Nach nur zwei Jahren wurde eins der meistgehypten Highschool-Talente der Geschichte für (vor allem) Aufbauprofessor Andre Miller nach Cleveland verschifft. „Das war einer der schlimmsten Tage meines Lebens“, sagte Miles später gegenüber „The Undefeated“. „Ich wollte nicht weg und für niemanden sonst spielen. Ich hatte keine Ahnung, wie gut es mir ging, bevor ich getradet wurde.“ Richardson sah das ähnlich: „Ich liebe Andre Miller bis heute, aber ich wollte nicht, dass das passiert. Ich war wütend und verletzt.“ Die Clippers wiederum feierten diesen Trade als Coup, schließlich hatte Miller die Liga in der Saison zuvor bei den Assists angeführt und war selbst noch recht jung (auch wenn er definitiv nicht so aussah). Elgin Baylor bezeichnete ihn sogar etwas zu euphorisch als „Top-5-PointGuard in dieser Liga“. Auf dem Papier ergab die Transaktion jede Menge Sinn für die Clippers, auch wenn sie irgendwie auch ein Eingeständnis des Front Office war, nach Olowokandi einen zweiten Top-3-Pick

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„Wir haben uns gefühlt wie Rockstars.“ Corey Maggette -----------

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Option, war also eine lahme Ente, und es dauerte keine zwei Wochen, bis sich erstmals Gerüchte breitmachten, dass ihm bald die Entlassung drohte. Ganz so schnell ging es zwar nicht, tatsächlich musste der Headcoach im März aber seinen Hut nehmen und wurde durch seinen Assistenten Dennis Johnson ersetzt. Den Kurs korrigieren konnte auch die Celtics-Legende nicht. Die Clippers, die 2003 unbedingt wieder die Playoffs erreichen wollten, holten stattdessen nur 27 Siege, danach setzte sich der Exodus fort. Miami unterbreitete sowohl Brand als auch Odom als Restricted Free Agents Angebote, Sterling ging nur bei ersterem mit. Miller verließ das Team ebenfalls gleich wieder, genau wie Olowokandi und Forward Eric Piatkowski. Vom Kern, der im Sommer 2000 bei den Clippers versammelt wurde, waren zu diesem Zeitpunkt nur noch Richardson und Maggette übrig, der 2003 genau wie Brand einen neuen Vertrag bei der Franchise erhielt. Die Ära der Baby-Clippers hatte kaum angefangen, da war sie schon wieder vorbei – ein Versprechen an die Zukunft,

das nie eingehalten werden konnte. Als L.A. 2006 zum ersten (und einzigen) Mal in der Dekade die Playoffs erreichte und sogar eine Serie gewann, hatte das Team nichts mehr mit den alten Zeiten gemein. Maggette war der letzte Mohikaner, zwei Jahre später war dann auch er weg.

Verbindung bis heute

Es lässt sich darüber spekulieren, ob eine andere Franchise mit dieser TalentKollektion anders umgegangen wäre und etwas Nachhaltiges aufgebaut hätte. In jedem Fall passt die kurze Ära der Baby-Clippers auch insofern zur Geschichte dieser Franchise, als sie das vielleicht populärste Team der ClippersHistorie waren, obwohl sie rein sportlich nahezu überhaupt nichts gerissen haben. Sie waren mehr kulturelles Phänomen als Gewinner-Team, gehörten damit aber ganz entschieden zu dieser NBA-Epoche. „Wir haben uns unseren Platz geschaffen“, sagte Miles rückblickend. „Ich denke, darum kriegen wir heute die Liebe und den Respekt. Ich bin dankbar dafür, dass wir das haben. Ich habe bloß zwei Jahre für die Clippers gespielt. Aber jedes Mal, wenn mich Leute sehen, bringen sie mich damit in Verbindung. Das ist dope.“ Miles und Richardson wollten eigentlich nicht zu den Clippers. Vor der 2000er Draft absolvierten sie keine Workouts für das Team, da auch sie natürlich den Ruf kannten, der die Franchise umgab. „Ich glaube, niemand wollte damals für die Clippers spielen“, so Miles. Es kam anders, und für eine kurze Zeit arbeiteten die beiden ziemlich erfolgreich daran mit, dieses Bild zu korrigieren. Doch es war nicht von Dauer, und die Clippers lernen heute zum wiederholten Mal, dass es nicht einzelne Ausrutscher, sondern Jahre brauchen wird, um den Stempel der Loser-Franchise dauerhaft loszuwerden und dabei auch noch Sympathien zu gewinnen. Gerade letztere lassen sich nicht kaufen, sondern müssen verdient werden. Zur Veranschaulichung: In der letzten Dekade verpassten die Clippers lediglich ein einziges Mal die Playoffs. Wer etwas ältere Fans nach deren LieblingsClippers-Saisons oder Lieblings-Teams fragt, wird dennoch nicht selten „BabyClippers“ oder „Anfang 2000er“ hören. Sie trafen den Nerv ihrer Zeit, und manchmal scheint das wichtiger zu sein als eine Playoff-Teilnahme oder dergleichen. „Wir haben uns gefühlt wie Rockstars“, erinnerte sich Maggette im Dezember 2018 in einem Gespräch, das von Miles und Richardson zusammen moderiert wurde (beide betreiben den Podcast „Knuckleheads“), an den Moment, nachdem die jungen Clippers erstmals den Stadtrivalen Lakers besiegt hatten. Das beschrieb die kurze Ära dieses Teams insgesamt ziemlich treffend. redaktion@fivemag.de


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Moritz

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M OR I T Z WAGN ER

ICH HABE IN MEINEM ERSTEN JAHR VIELE SCHLAFLOSE NÄCHTE GEHABT“ GEHABT Athleague Gym, Berlin, Anfang Oktober. Moritz Wagner ist zurück in der Heimat und bereitet sich und seinen Körper auf die kommende Saison vor. Auch wenn im Herbst noch unsicher ist, wann die NBA in die Spielzeit 2020/21 startet: Wagner will körperlich das nächste Level erreichen, um in seinem dritten Jahr in der Association endlich in allen 82 Spielen auf dem Court zu stehen. Interview: Philip Olschowa

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IVE: Moritz, warum trainierst du bei Athleague, und wann warst du zum ersten Mal hier? Moritz Wagner: Das erste Mal war ich hier vor 16 Tagen, kurz nach dem Urlaub. Nach meiner zweiten Saison in der NBA habe ich mittlerweile gemerkt, dass Gesundheit und Krafttraining auf jeden Fall oberste Priorität sein müssen. Ich war jetzt zwei Mal verletzt in zwei Saisons, da muss ich einfach eine gewisse Konstanz etablieren. Deswegen fand ich das Modell hier ganz interessant. Ich habe es ausprobiert, und es ist genau das Richtige für mich. Man kommt hierher, und es fühlt sich an, als würde man arbeiten gehen. Man sagt jedem Hallo, macht sein Workout, geht nach Hause und kommt am nächsten Tag wieder her. Das fand ich ganz wichtig.

Fotos: Stephen Gosling/NBAE via Getty Images

Worauf liegt der Fokus, wenn du hier bist? Kraft? Kondition? Beides? Ich bin jetzt nicht der übelste Pumper (lacht) … das ist weniger meine Motivation. Ich will vor allem gesund bleiben. Du kannst so gut sein, wie du willst, wenn du nicht spielen kannst, weil

du verletzt bist, bringt das niemandem etwas. Deswegen ist das meine oberste Priorität. Deshalb muss ich halt stärker werden und auch ein bisschen pumpen. Ich denke, für meine Größe bin ich sehr beweglich und mobil, ich kann mich gut bewegen, aber ich muss kräftiger werden. Da ich jetzt einen längeren Sommer habe, will ich die Zeit bestmöglich nutzen, und das geht hier sehr gut. In welchen Bereichen kann sich dein Spiel aufgrund der AthleagueTrainingsmethoden verbessern? Ich habe jetzt in zwei Saisons 82 Spiele absolviert … so viele wie normalerweise in einer Saison. Das hat natürlich nicht nur gesundheitliche Gründe gehabt, aber hinzu kommt, dass ich mich natürlich in meinem eigenen Körper wohlfühlen will. Die NBA ist eine sehr physische Liga, extrem athletisch, darum ist es mein Ziel, das Maximum aus meinem Körper rauszuholen.

Die Washington Wizards hatten diese Saison enormes Verletzungspech und haben nie in Bestbesetzung spielen können. Wie schätzt du eure Chancen 2020/21 ein, wenn alle fit sind, auch John Wall? Das ist wie in jeder Offseason schwer zu sagen, da ja noch einiges passieren kann in der Free Agency. Zu diesem Zeitpunkt ist es schwer, da wirklich eine Einschätzung abzugeben, aber ich freue mich natürlich auf die neue Saison, weil jede Saison eine neue Challenge ist. Vergangene Saison war eine ganz besondere Herausforderung, wie waren deine Erfahrungen in der Bubble? Das war einzigartig. Es war erst mal ganz cool, weil es so ein bisschen wie ein „Basketball Wonderland“ war. Die NBA hat das richtig gut aufgebaut. Was die da in kürzester Zeit aufgestellt haben, war schon sehr beeindruckend. Die Challenge für mich war, dass du mental nicht so richtig wegkommst. Du hast keine Freunde oder Familie in der Bubble, sondern gehst einfach sechs Wochen lang immer nur ins Hotelzimmer. Das ist ganz schwierig,

wenn du da keinen Rhythmus findest, weil du mental nicht so richtig wegkommst und du dich vielleicht auch ein bisschen reinsteigerst. Das war auf jeden Fall eine neue Erfahrung für mich. Aber ehrlich gesagt, stelle ich mich mental schon darauf ein, dass die Bubble leider für die nächste Saison auch eine Möglichkeit sein wird. Aber an solchen Herausforderungen musst du halt wachsen. Und es wurde ja auch hochqualitativer Basketball in der Bubble gespielt. Es passt schon! Wie bist du mit der Isolation in Disney World zurechtgekommen? Ich habe neue Sachen ausprobiert. Angeln zum Beispiel. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Ich komme aus Berlin, Prenzlauer Berg, da angelst du nicht. Das Coole an der Sache ist, dass du neue bzw. intensivere Beziehungen zu deinen Mitspielern aufbaust, weil du gezwungen bist, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Du redest

viel miteinander, auch mit den Coaches, und dadurch kommt sich das Team näher. Das ist auf dem Level sonst nicht normal, deswegen fand ich das Erlebnis in der Bubble schon cool. Kein Spieler scheidet gerne vor den Playoffs aus – aber warst du auch ein kleines bisschen froh, aus der Bubble herauszukommen und zurück nach Deutschland zu fliegen? Ja, das kann man schon so sagen. Ich glaube, da ist mir auch keiner böse, wenn ich das zugebe. Mental war das natürlich eine echte Belastung. Nach dem vierten Spiel in den Seeding Games war es rechnerisch schon komplett vorbei mit den Playoffs für uns, und trotzdem mussten wir noch zwei Wochen in Orlando bleiben. Da freust du dich natürlich, wenn du nach Hause darfst und einfach mit der Saison abschließen kannst, um dich auf das nächste Jahr vorzubereiten. Das war auch das erste Mal, dass ich einen mentalen Break nach der Saison gebraucht habe. Es gab in den Seeding Games einen Zwischenfall mit Giannis Antetokounmpo.

Er hat dir einen Kopfstoß verpasst. Was ist da genau vorgefallen? Da habe ich nichts mit zu tun (lacht) ... wir sitzen im selben Boot. Ganz unschuldig, so wie ich immer tue, bin ich aber wahrscheinlich nicht. Ich meine, er ist der MVP, natürlich versuchst du immer, in seinen Kopf reinzukommen. Ich habe aber „no hard feelings“ gegenüber Giannis, alles gut. Ich bin ein Fan seines Spiels. Das ist die NBA, alle lieben das Drama, und ich versuche nur, meinen Job zu machen, wenn ich ehrlich bin. (lacht) Wenn du einen Spieler wie Giannis verteidigst, geht dir dann durch den Kopf, dass das jetzt ein anderes Kaliber ist? Bist du dann auch selbst noch Fan? In meinem ersten Jahr war es vielleicht noch neu und ungewohnt, aber mittlerweile habe ich da eine gewisse emotionale Distanz gewonnen. Manchmal, wenn ich zum Beispiel Giannis verteidige, da habe

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„IN DER NBA HAST DU ABER IN JEDER PARTIE EIN MATCHUP, WO DU DIR DENKST: ‚ALTER! DEN KANN MAN EH NICHT VERTEIDIGEN.‘“ -----------

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ich dann mehr Bock auf dieses Matchup als auf andere. Aber ich weiß natürlich, dass es so eigentlich nicht sein sollte. (lacht) In der NBA hast du aber in jeder Partie ein Matchup, wo du dir denkst: „Alter! Den kann man eh nicht verteidigen.“ Dementsprechend ist es immer eine riesige Herausforderung, und ich freue mich eigentlich auf jedes Spiel. Wie siehst du deine Rolle bei den Wizards? Und wie unterscheidet sie sich von der Rolle, die du als Rookie bei den Lakers hattest? Na ja, die Lakers sind halt ein Team, das immer im „Win now“-Modus ist. Da ist auch ein gewisser Zeitdruck da, wenn du LeBron James und Anthony Davis im Kader hast. Das heißt: Ich war damals auch gar nicht böse, sondern eher erleichtert, dass ich in eine Situation gekommen bin, wo auf jüngere Spieler gesetzt wird. Bei den Wizards werden junge Spieler gefördert und entwickelt. Das hat mir total in die Karten gespielt und mich total gefreut. Ansonsten … die Lakers können halt quasi jeden Free Agent an Land ziehen, den sie wollen … in Washington ist das nicht so. Deswegen musst du als Wizards eben von innen ein Team aufbauen und deine eigenen Spieler entwickeln. Ich bin sehr, sehr froh, dass ich einer von diesen Spielern bin und in mich investiert wird. Unternimmst du viel mit deinem Teamkollegen Isaac Bonga? Mit Bonga ist das natürlich cool, mit ihm verstehe ich mich sehr gut. Wir sind beide durch diesen Trade nach D.C. gekommen, sind beide aus Deutschland und können manchmal Deutsch miteinander reden. Ihn als Austauschpartner zu haben, ist schon sehr wertvoll. Das genieße ich sehr.

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Sportlich macht er einen unglaublichen Job, er motiviert mich täglich, und es ist schön, ein Teil seiner Reise zu sein. Mit welchen Teamkollegen verstehst du dich am besten? Also eigentlich mit allen jungen Spielern. Mit Bonga, mit Jerome Robinson habe ich eine sehr gute Beziehung, Shabazz Napier und ich verstehen uns sehr gut. Ich habe da eigentlich keinen, mit dem ich nicht gut kann. Das ist auch in der NBA immer interessant, man muss auch da immer wieder eine emotionale Distanz aufbauen. Das ist halt nicht wie am College, du kannst da nicht emotional all-in gehen, weil halt jeder getradet werden kann. Wenn dich das dann emotional zu stark mitnimmt, stürzt das Kartenhaus ein. Das hatte ich schon mal. Ich wurde ja schon mal getradet, deswegen weiß ich auch, wovon ich spreche. Aber ja, natürlich, ich bin super eng mit allen.

den anderen weniger. Aber nach dem Training geht jeder zu sich nach Hause, zu seiner Familie oder hängt in seinem Apartment ab. Durch das Corona-Virus hat sich der NBA-Jahresplan ganz schön verschoben. Für dich ist nun Offseason, normalerweise würde aber jetzt das Trainingscamp anfangen … Mich fragen viele, ob es einen Unterschied für mich macht, nicht planen zu können. Aber ich muss sagen, dass ich es sogar angenehm finde. Mal nicht zu wissen, wann es losgeht. Ich weiß ja, wo meine Schwächen liegen, und muss so oder so daran arbeiten, um mich zu verbessern. Dafür brauche ich keinen genauen Zeitplan. Ich finde es angenehm, jeden Tag zur Arbeit zu kommen und einfach jeden Tag so zu genießen, wie er ist. Wir werden sehen, ob die Saison im Dezember

Verfolgst du die Saison von ALBA Berlin in der BBL und EL? Wie siehst du die Entwicklung deines Ex-Klubs? Geil! Also ich verfolge das natürlich. Es ist krass, was mittlerweile bei ALBA aufgezogen wurde. Unglaublich. Also gerade im Vergleich zur USamerikanischen Schule ist das halt alles sehr anders hier, und es ist extrem interessant zuzuschauen, wie das bei ALBA gemacht wird. Als wir noch zusammen in der Quarantäne in D.C. waren, habe ich zusammen mit meinem Bruder geschaut, wie sie Meister geworden sind. Wenn du für die FIVE jeden Monat dein Diary schreibst, wie leicht geht dir das von der Hand? Manchmal einfacher, manchmal schwerer. Es gibt so ein paar Themen, auf die ich richtig Bock habe. Wenn ich darüber schreibe, merken die Leser sicher, dass

Also sind diese Trade-Situationen tatsächlich teilweise so heftig, wie sie für uns Außenstehende wirken? Es gibt ja Spieler, die in ihrer Karriere mehr Teams als Saisons aufzuweisen haben … Interessant, dass du das sagst … natürlich klingt das alles ziemlich hart, aber du lernst halt daraus. Du lernst, dich nicht emotional reinzusteigern in den Ort, wo du bist, oder in die Situation. Du kannst nur Tag für Tag deinen Job machen. Den Rest kannst du eh nicht kontrollieren. Ich habe in meinem ersten Jahr so viele schlaflose Nächte gehabt, weil ich nicht getradet werden wollte, aber mittlerweile habe ich da eine gewisse Immunität entwickelt, weil ich weiß, dass es jederzeit passieren kann. Da gewöhnst du dich dran.

Fotos: Bill Baptist/NBAE via Getty Images

Hast du einen Unterschied in der Spielweise zwischen Eastern und Western Conference feststellen können? In Sachen Spielweise würde ich das nicht sagen, da ist jedes Team so individuell unterwegs, dass das eigentlich keinen Unterschied macht, in welcher Conference du spielst. Ich würde aber sagen, dass die Fliegerei einen krassen Unterschied macht. Wenn du aus dem Westen kommst, bist du deutlich mehr unterwegs. Die Städte dort liegen deutlich weiter auseinander. Ansonsten würde ich sagen, dass der Westen einfach dichter ist und mehr richtig gute Teams hat. Du hast nun deine zweite NBA-Saison hinter dir. Hast du dich vollständig akklimatisiert? Was war für dich die größte Umstellung gegenüber dem College-Game? Am College spielst du mit deinen Jungs ums Überleben, bist wie in deiner eigenen Blase, musst der Welt zeigen, wer du bist. In der NBA ist es wie auf der Arbeit. Du kommst morgens zum Training, deine Mitspieler sind deine Kollegen, mit zwei, drei Leuten bist du enger befreundet, mit

anfängt oder eher Februar, März. Auf jeden Fall wird es keine normale Spielzeit, aber so anders fühlt es sich gar nicht an, wenn ich ehrlich bin. Ich denke die ganze Zeit, es ist Offseason, wie im Sommer, und bin jedes Mal überrascht, wenn ich höre, dass es Oktober ist. Wie läuft es bei deinem Bruder Franz an der University of Michigan? Habt ihr oft Kontakt trotz der Distanz? Ja, leider bin ich mit ihm noch in Kontakt … nein, Spaß! Er ist schon so mein bester Kumpel eigentlich. Unsere Beziehung ist extrem eng. Dem geht es ganz gut, würde ich sagen. In der NCAA fangen sie Ende November wieder an. Franz freut sich krass, dass er eine Saison spielen darf. Wie genau die Spielzeit aussehen wird, wissen sie auch noch nicht so genau wegen Corona, aber das werden sie sehen. Er freut sich, weil er hart gearbeitet hat diesen Sommer und sich voll auf seine zweite Saison fokussiert. Er freut sich, dass er jetzt zocken und zeigen kann, was er gelernt hat.

mir die mehr am Herzen liegen. Aber es gibt eben auch so Ausgaben … also da passiert halt manchmal gar nix Neues. Da ist es dann schwierig. Da schreibt mir dann Dré meistens: „Morgen ist Abgabe.“ Dann frage ich: „Wann ist wirklich Abgabe?“ Und wenn es dann heißt: „Nächste Woche“, dann muss er mich immer so ein bisschen pushen … das tut mir dann auch megaleid. Aber manchmal ist es echt tough. Ich meine, du trainierst, du gehst schlafen, und das war’s. Aber gerade in der letzten Zeit passiert ja wirklich megaviel. Und da macht es mir schon großen Spaß zu schreiben. So eine Plattform zu haben, ist cool! Abschließend: Hast du eigentlich einen Lieblingssneaker? Ja, den „Jordan 1“. Ich habe auch ein paar Schuhe zu Hause in D.C. Also eigentlich ziehe ich immer den Einser an. Den machen sie in den letzten fünf Jahren auch in krassen Farben. Ich habe echt verschiedene Jordan-Einser, die Lows, die Highs, alles … redaktion@fivemag.de

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Mit seiner Power, Athletik und seinem Offensivpotenzial zählt Anthony Edwards zu den Top-Talenten der diesjährigen Draft. Doch gelingt es dem 19-Jährigen, seine Stärken zu bündeln und zum NBA-Superhelden zu reifen? Text: Björn Lehmkühler 50


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er auf die Website des ComicGiganten Marvel schaut, findet schnell eine Liste der bekanntesten Charaktere des Verlags. Sie enthält Ikonen wie Spider-Man, Hulk und Captain America. Das Gesicht von Scarlett Johansson alias Black Widow und jenes des kürzlich verstorbenen Chadwick Boseman in seiner Rolle als Black Panther erscheint. Sogar Goose, die Katze aus „Captain Marvel“, ist einer der zwölf aufgeführten „Featured Characters“. Nicht enthalten in der Liste ist hingegen ein etwas obskurer Superheld namens „Ant-Man“. Stattdessen muss sich der Besucher der Homepage erst durch die alphabetische Liste der sonstigen Marvel-Figuren klicken. Bereits hier wird deutlich: In der schillernden Welt der dort beheimateten Helden zählt der „AmeisenMann“ nicht zur Riege der Superstars. Ganz anders ist die Lage, wenn derzeit auf die Prognosen für die NBADraft 2020 geblickt wird. Denn in diesem Kontext kommt kaum eine Bestenliste – sei es Top 10, Top 5 oder sogar Top 3 – ohne jenen Mann aus, der seit seinem dritten Lebensjahr den Spitznamen „Ant-Man“ trägt: Anthony Edwards. Der 19-Jährige aus Atlanta gilt als einer der absoluten Top-Favoriten auf den ersten Draftpick in der diesjährigen Talentwahl. Seine wichtigsten Superkräfte: ein athletischer, 1,96 Meter großer und 102 Kilogramm schwerer Körper sowie ein ausgeprägtes Talent, um das orangefarbene Spielgerät in dem zehn Fuß hohen Korb unterzubringen.

Fotos: Christian Petersen/Getty Images

Home Sweet Home

Dabei brillierte der junge „Ant-Man“ zunächst auf dem Football-Feld, wie noch heute einige YouTube-Videos bezeugen. Doch schon bald richtete er seinen Fokus auf Basketball und führte als Junior die Holy Spirit Prep School in Atlanta zur Staatsmeisterschaft von Georgia in seiner Spielklasse. Nachdem sich Edwards nach seinem Wechsel an die Holy Spirit Prep Anfang 2017 zunächst ein Schuljahr hatte zurücksetzen lassen, wechselte er Ende 2018 wieder in seinen ursprünglichen Jahrgang, die „Class of 2019“. In den landesweiten HighschoolRankings wurde er nun als Top-5-Spieler – teilweise sogar an erster Stelle – sowie als bester Shooting Guard seines Jahrgangs eingestuft. Damit war der „Ant-Man“ endgültig in denselben Sphären angelangt wie die Spider-Mans und Hulks seines Jahrgangs: Spieler wie Cole Anthony oder James Wiseman. Zugleich buhlte nun die Elite des amerikanischen College-Basketballs um Edwards’ Dienste, von Kansas über Kentucky bis hin zu North Carolina. Den Zuschlag erhielt am Ende jedoch keiner der klassischen „Blaublüter“, sondern die nahe gelegene Georgia University in

Athens. Damit entschied sich Edwards für ein Basketball-Programm, das zwar immerhin in der prestigeträchtigen Southeastern Conference (SEC) antritt, in den vergangenen 20 Jahren aber nur ein einziges NCAA-Tournament-Spiel gewann und im selben Zeitraum lediglich zwei Erstrunden-Draftpicks hervorbrachte: Jarvis Hayes (10. Pick, 2003) und Kentavious Caldwell-Pope (8., 2013). Ein sehr wichtiger Entscheidungsfaktor zugunsten der Georgia Bulldogs war Headcoach Tom Crean, bekannt durch seine vorherigen Stationen als Cheftrainer von Marquette und Indiana. „Zwei meiner Lieblingsspieler, Dwyane Wade und Victor Oladipo, wurden von Tom Crean trainiert. Er ist ein großartiger Coach“, wird Edwards zitiert. „Das war ein wichtiger Faktor für mich.“ Ein anderer wichtiger Faktor für die Heimatuni war die Nähe zur Familie: „Meine Schwester hat gerade meinen Neffen zur Welt gebracht, und ich möchte ihn aufwachsen sehen.“ Dieser Wunsch ist umso verständlicher, da Edwards in jungen Jahren bereits mehr Schicksalsschläge hinnehmen musste als so mancher Marvel-Held in seinem ganzen (fiktiven) Leben. Denn 2015, als er gerade die achte Klasse besuchte, verstarben binnen acht Monaten seine Mutter Yvette und seine Großmutter Shirley an Krebs. „Das war eine harte Zeit“, blickt Edwards im Interview mit „The

Undefeated“ zurück. „Ich habe all meine Energie im Basketball kanalisiert.“ Zugleich hätten die Schicksalsschläge die Familie, insbesondere ihn und seine Geschwister, noch enger zusammengeschweißt. Sein Bruder Antoine übernahm sogar die Vormundschaft für ihn. Dass Edwards in dem Interview sogar ein Lächeln auf den Lippen hat, führt er auf seine verstorbene Großmutter zurück: „Meine Großmutter war unser Rückgrat und hat uns gesagt, immer mit einem Lächeln aufzustehen, egal was passiert. Deshalb versuche ich, immer ein Lächeln aufzusetzen.“

Licht und Schatten

Das eine oder andere Grinsen konnte sich Anthony Edwards auch am 26. November 2019 nicht verkneifen. Denn in seinem sechsten Spiel für die Georgia Bulldogs drehte er in der zweiten Halbzeit plötzlich auf: 33 seiner 37 Punkte erzielte er nach der Pause, verwandelte sieben Dreier, die meisten davon Stepback-Würfe aus dem Dribbling. Sogar einige Highlight-Pässe und -Blocks produzierte Edwards. Und das gegen die Michigan State Spartans, damals Nummer drei in den landesweiten NCAA-Rankings. Den 28-Punkte-Rückstand seiner Mannschaft konnte Edwards zwar nicht mehr drehen. Es war jedoch ein frühes Ausrufezeichen – dem der Freshman nur einen Tag später ein weiteres folgen ließ. Denn im nächsten Spiel des „Maui Invitational“-Turniers auf Hawaii gegen

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Anthony

Gastgeber Chaminade war er es, der beim Stand von 77:77 die Uhr herunterlaufen ließ und in der letzten Spielsekunde eiskalt den siegbringenden Dreier aus dem Dribbling einnetzte. Und dieses Mal war kein Lächeln auf dem Gesicht des Siegschützen zu sehen – nur der kühle Blick eines Mannes, der diese Momente liebt. Kaum jemand dürfte damals daran gedacht haben, dass sein NovemberTrip nach Hawaii wohl der denkwürdigste Moment in Edwards’ kurzer CollegeKarriere bleiben würde. Zwar schenkte er auch den namhaften Gegnern in der SEC kräftig ein – 23 Punkte gegen Kentucky, 26 gegen Tennessee, 23 in Missouri, 29 gegen Texas A&M, 32 in Florida, 36 in South Carolina oder 26 gegen Arkansas –, doch während Ameisen bekanntlich ein Vielfaches ihres Körpergewichts tragen können, gelang es „Ant-Man“ nicht, die Bulldogs auf seinen Rücken zu nehmen und auf ein anderes Niveau zu hieven. 16 Siege und 16 Niederlagen standen am Ende der Saison für Georgia zu Buche, in der eigenen Conference lautete die Bilanz nur 5-13 und war damit nur wenig besser als im Jahr zuvor (2-16). Anthony Edwards trug sich zwar in das eine oder andere Rekordbuch ein, wurde am Saisonende zum besten Freshman der SEC sowie ins „Second Team All-SEC“ gewählt und zählte zu den fünf Finalisten für die Auszeichnung zum besten Shooting Guard der NCAA. Außerhalb der „Draft Bubble“ und seines Heimatstaates blieb seine erste und einzige CollegeSaison jedoch eher eine Randnotiz. Am Ende verabschiedete sich der Freshman sogar mit einem Sieg – im Auftaktspiel des SEC-Turniers, das wenig später abgebrochen wurde. Für Edwards persönlich war sein letztes College-Spiel gegen Mississippi mit sechs Punkten (2/13 aus dem Feld und 1/9 von jenseits der Dreierlinie) jedoch auch eines seiner schwächsten. Neun Tage später, am 20. März, meldete sich Anthony Edwards für die NBA-Draft 2020 an.

Das Supertalent

Seither wird von Draft-Experten und Fans heiß über Anthony Edwards diskutiert. Kaum Kontroverse herrscht dabei in Bezug auf sein reines Talent, wie auch eine Umfrage von Sam Vecenie für „The Athletic“ zeigt. Darin befragte Vecenie acht Coaches, deren Teams gegen Georgia gespielt hatten, auf anonymer Basis nach ihrer Meinung zu Edwards. Sechs von ihnen nutzten dabei eine Abwandlung des Ausdrucks „supertalentiert“. Dieses Talent beginnt bereits bei Edwards’ physischen Voraussetzungen. Mit offiziell 1,96 Meter Körpergröße und 102 Kilogramm Gewicht sowie einer berichteten Armspannweite von 2,08 Meter bringt er eine hervorragende Kombination aus Länge und Kraft für einen NBA-Guard mit und weist Maße auf wie James Harden vor

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Edwards

„Ich denke, er ist ein durchschnittlicher Rollenspieler, vielleicht ein Starter. Aber ich weiß nicht einmal, ob ich ihm das zugestehen würde. Ich würde ihn niemals an Nummer eins ziehen.“ Anonymer NCAA-Coach -----------

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dessen Draft. Diese Physis kombiniert er mit exzellenter Sprungkraft und Athletik. Dass Edwards seine physischen und athletischen Pferdestärken auch aufs Parkett bringen kann, zeigen insbesondere solche Auftritte wie das zuvor beschriebene Spiel gegen Michigan State. In der zweiten Hälfte zündete nämlich die favorisierte Waffe des „Ant-Man“: der Sprungwurf aus dem Dribbling. Angesichts seiner Länge und Sprungkraft lässt sich Edwards kaum daran hindern, diesen Wurf auch gegen enge Verteidigung zu lancieren, zumal er seinen Jumper durch eine Vielzahl flüssiger Bewegungen einleiten kann – seien es Crossover- oder Hang-Dribblings, ein gezielter Jabstep oder der gefürchtete Stepback-Move. Fällt der Sprungwurf, kann Edwards Punkte am Fließband generieren – bis hinaus hinter die Dreierlinie, von wo er am College 2,3 Würfe pro Partie verwandelte (bei 7,7 Versuchen). Dies gilt sowohl für Isolationen (0,89 Punkte pro Ballbesitz, 72. Perzentil laut Synergy) als auf für Pick-and-Roll-Situationen (0,75 Punkte pro Ballbesitz, 55. Perzentil), die zusammen rund ein Drittel seiner Offensivaktionen ausmachten.


Zugleich eröffnet die Gefahr seines Sprungwurfs Freiräume in der Zone, wo er mit seiner Physis, Explosivität, Fußarbeit und seinem guten Touch relativ effizient abschließen kann (1,14 Punkte pro Ballbesitz, 55. Perzentil). Diese Fähigkeiten stellt er auch im Fastbreak unter Beweis, wo er wahlweise am Ring abschließen, zum Pullup-Dreier hochsteigen oder den offenen Mann finden kann. So generierte Edwards vergangene Saison laut Synergy 21,5 Prozent seiner Offensive in TransitionSituationen und erzielte 1,20 Punkte pro Ballbesitz (81. Perzentil). Zudem kam hier seine Passfähigkeit am besten zur Geltung: 42 Prozent seiner Assists verbuchte er im Schnellangriff. „Er ist ein Mismatch“, berichtet einer der anonymen Coaches. „Er kann sowohl kleinere als auch größere, längere Gegenspieler bestrafen. Er kann seinen eigenen Wurf kreieren und an der gewünschten Stelle hochsteigen. Er ist einfach schwer zu verteidigen.“ Ein anderer Coach geht sogar noch weiter: „Shit, Edwards war der beste Spieler der Liga. Den Jungen in Aktion zu sehen, war sehr beeindruckend.“

einer Usage Rate von 30,4 Prozent eine enorme Offensivlast zu schultern hatte und nicht über die größte spielerische Qualität an seiner Seite verfügte, wodurch die Wurfauswahl und Offensivstatistiken zumindest teilweise zu relativieren sind.

Ein weiterer von Vecenie befragter Coach sieht das ganz anders: „Ich denke, er ist ein durchschnittlicher Rollenspieler, vielleicht ein Starter. Aber ich weiß nicht einmal,

in aufrechter Körperhaltung zu sehen und ohne große Bereitschaft, sich durch Blöcke zu kämpfen, auszuhelfen oder die richtige Position einzunehmen. „Defensiv war es nicht schön“, berichtet auch ein anderer Coach. „Wer auch immer ihn draftet, muss defensiv viel Arbeit investieren. Bisher hilft er dir in der Verteidigung nicht zu gewinnen.“ Letzteres zeigen auch einige der defensiven Statistiken: Nur die miserable Vanderbilt-Mannschaft produzierte in der SEC ein schlechteres Defensivrating als die Bulldogs (103,3), und auch Edwards konnte sich mit seinem individuellen Rating (103,6) nicht positiv aus seiner Mannschaft hervorheben. Auch offensiv ist das Statistik- und Videomaterial teils wenig schmeichelhaft. Mehr als zwei Drittel seiner Halbfeldangriffe schloss Edwards mit einem Sprungwurf ab, generierte daraus aber nur 0,76 Punkte pro Ballbesitz (27. Perzentil). Betrachtet man Sprungwürfe aus dem Dribbling, betrug dieser Wert 0,72 Punkte (42. Perzentil). Auch verglichen mit anderen Volumen-Scorern schnitt er nicht gut ab und belegte laut „The Athletic“ mit einer effektiven Feldwurfquote von 35,7 Prozent bei Halbfeld-Sprungwürfen den 129. Platz unter allen 148 College-Spielern mit mindestens 100 dieser Wurfversuche. Sowohl die suboptimalen Advanced Stats als auch die schwachen traditionellen Wurfquoten (40,2 FG%,

ob ich ihm das zugestehen würde. Ich würde ihn niemals an Nummer eins ziehen. Niemals. Unter keinen Umständen. Dann würde ich den Pick eher traden, wenn es sein muss.“ Dies ist sicherlich eine extreme Position, doch die Argumentation des Coaches beinhaltet einige legitime Punkte: „Ich kann seine defensive Intensität und seine Wurfauswahl nicht ausstehen, die in der NBA bei keinem Team funktionieren wird. Auf diesem Niveau war er ein Mann unter Jungen, aber das reicht nicht, um erwachsene Männer zu überpowern.“ Die angesprochenen defensiven Probleme sind umso unverständlicher, da Edwards eigentlich alle Werkzeuge mitbringt, um effektiv zu verteidigen, und dies auch immer wieder in einzelnen Szenen aufblitzen ließ – wenn er denn wollte. Doch zumeist war Edwards defensiv

29,4 3P%) sind dabei wesentlich auf die Wurfauswahl des 19-Jährigen zurückzuführen, der in Georgia allzu häufig schwierige Würfe gegen enge Verteidigung, ohne Rhythmus und früh im Angriff forcierte. Ein Nebeneffekt der mangelnden Wurfeffizienz war, dass smarte Verteidigungen ihn zu schwierigen Sprungwürfen einluden, zugleich aber andere offensive Optionen wie die Penetration oder das Pick-and-Roll einschränkten – ein Schicksal, das ihm auch in der NBA drohen könnte. Dies fiel umso mehr ins Gewicht, da Edwards im Halbfeld weder als Spielmacher noch als Catch-andShoot-Option (0,86 Punkte pro Ballbesitz, 32. Perzentil) konstant überzeugen konnte. Insgesamt ist jedoch auch zu erwähnen, dass Edwards in Georgia mit

Glauben sie, dass er offensiv das Spiel besser lesen und bessere Wurfchancen kreieren wird? Glauben sie, dass er diese Wurfchancen auch konstant hochprozentig verwandeln kann? Glauben sie, dass er neben einem primären Ballhandler wie Russell effektiv sein kann? Und glauben sie, dass er seine Mitspieler besser machen und die Siegesbilanz seines Teams positiv beeinflussen kann? Vor allem aber: Glauben sie an den Menschen Anthony Edwards, über dessen Persönlichkeit, Arbeitsmoral und Einstellung sehr viel Gutes zu hören und zu lesen ist, aber auch die eine oder andere kritische Stimme? Denn hinter den meisten großen Superhelden steht bekanntlich ein Mensch, der seine Superkräfte bestmöglich einzusetzen lernt. Gelingt dies auch dem „Ant-Man“? redaktion@fivemag.de

Fotos: Mitchell Layton/Darryl Oumi/Scott Cunningham/Carmen Mandato/Getty Images

Die Fragezeichen

Die Qual der Wahl

Mit seinen spektakulären Lichtblicken und signifikanten Fragezeichen spaltet Anthony Edwards die Expertenwelt. Einige vergleichen ihn mit James Harden, Victor Oladipo, Donovan Mitchell oder Bradley Beal und halten ihn für den besten Spieler dieser Draft – sowie den logischen ersten Pick für die Minnesota Timberwolves und zukünftigen Star-Flügelspieler neben D’Angelo Russell und Karl-Anthony Towns. Andere wiederum würden am Draft-Tag einen großen Bogen um ihn machen und bringen Vergleiche mit Dion Waiters oder – im Kontext von Minnesota – mit Andrew Wiggins. Tatsächlich erscheinen auf Basis der vorliegenden Informationen alle diese Szenarien denkbar, und die Wahrheit könnte wie so oft irgendwo in der Mitte liegen. Für die Entscheidungsträger in der NBA-Draft wird die Beurteilung des 19-Jährigen deshalb am Ende des Tages vor allem davon abhängen, wie viel Vertrauensvorschuss sie ihm zugestehen. Glauben sie, dass er in der Association mit mehr Intensität und Verstand verteidigt?

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LaMelo

Ball

LaMelo Ball

GOTTES WERK UND LAVARS BEITRAG

Mit 19 Jahren steht der jüngste Sprössling der Ball-Familie vor dem Start in seine NBAKarriere. Und doch befindet er sich gewissermaßen bereits jetzt am Scheideweg: Ist er ein zukünftiger All Star, Anführer und Franchise-Retter? Oder ist er genau der BasketballBeelzebub, den viele Fans in ihm sehen? Text: Torben Adelhardt 54


Fotos: Mark Evans/Getty Images

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eit wann reicht es nicht mehr zu gewinnen? Seit wann reicht es nicht mehr, gut zu spielen? Nein, Sie müssen Ihren Gegner erniedrigen. Ihn nach jedem Korb verspotten … Mit welchem Recht verspotten Sie Ihre Gegner in der Sportart, die ich so sehr liebe? Wieso verhöhnen Sie sie?“ Allen basketballaffinen Cineasten sollten bei diesen Sätzen die Ohren klingeln. In einer der wortgewaltigsten Szenen des Films „Coach Carter“ stellt Ken Carter, gespielt von Oscar-Preisträger Samuel L. Jackson, seine Mannschaft mit diesen Sätzen zur Rede. Eine eindrucksvolle Standpauke, nachdem seine Spieler in den vorangegangenen – siegreichen – Partien den Kontrahenten gegenüber arrogant und herabwürdigend aufgetreten sind. Auch wenn die Drehbuchautoren sich bei der Charakterzeichnung von Coach Carter künstlerische Freiheiten gegönnt haben, entspricht die knorrige, autoritäre Art des Übungsleiters doch genau jenem Trainertyp, den jeder Amateur- und Profibasketballer aus eigenen Erfahrungen kennt. Es sind nicht nur die ausschweifenden Jubelarien und affektierten Selbstinszenierungen nach dem Korberfolg, die den Basketballtrainern der alten Schule missfallen. Es ist auch der Spielstil als solcher, der ihren normativen Ansprüchen nicht gerecht wird. „Play the right way“: Für Basketballpuristen wie Ken Carter ist dieses Mantra zu gleichen Teilen Spielphilosophie und Lebenseinstellung. Die dazu passende Antithese: der 15-jährige LaMelo Ball. Am 26. Dezember 2016 traf Ball mit seiner Mannschaft der Chino Hills Highschool auf das Team von Foothill. Trotz all dem Hype, den Ball zusammen mit seinem Bruder LiAngelo zu diesem Zeitpunkt überregional entfachte, wäre der 131:100-Sieg von Chino Hill normalerweise kaum mehr als eine Randnotiz in den lokalen Tageszeitungen gewesen. Normalerweise. Doch Normales passiert nur selten, wenn LaMelo Ball auf dem Court steht. In der zweiten Halbzeit schlenderte der Point Guard mit dem Ball in seiner Hand nach einem Inbound-Pass zur Mittellinie. Kurz bevor er die gegnerische Spielhälfte überschritt, deutete Ball mit seinem Zeigefinger zweimal auf die Mittellinie. Nonverbale Kommunikation im Sinne von: „Von da aus, genau von diesem Spot, werde ich dir gleich den Dreier reinschweißen.“ Keine zwei Sekunden später stieg Ball zum Wurf hoch – und versenkte den Pullup-Dreier aus über zwölf Metern Entfernung. Swish. Statt emotionsgeladen zu jubeln, drehte sich Ball in nonchalanter Art um, als hätte er gerade lediglich einen Fastbreak per Unterhandkorbleger abgeschlossen. „Diese Spielergeneration ist getrieben von Highlights. Aber der Wurf war

echt unglaublich. Dass er ihn im BabeRuth-Style ansagt, trifft und dann so tut, als wäre nichts geschehen … Shoutout an LaMelo Ball“, erklärte Stephen Curry, gewissermaßen der ideologische Ziehvater der tiefen Distanzwürfe, als er auf die Szene angesprochen wurde. Während der beste NBADreierschütze aller Zeiten ihn adelte, brandete in der Presse und in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke erhebliche Kritik an LaMelo auf. Der Tenor: Ball verhöhnt mit seiner Spielweise den Gegner, mit seriösem Basketball hat das

„Es gibt vorgefertigte Meinungen über ihn. Leute haben die Szenen vor Augen, wie er in der Defense pennt, gar nicht erst zurückläuft und schlechte Würfe aus 14 Metern Entfernung nimmt.“ Jonathan Givony -----------

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Ganze eh nichts zu tun. „Ich trainiere mit ihm solche Würfe, seitdem er sieben Jahre alt ist“, hielt sein Vater LaVar Ball dagegen. „Ich lasse alle meine Söhne von der Mittellinie werfen, das ist gar kein Thema.“ So oder so: Der erste Eindruck zählt. Viele Basketballfans sahen LaMelo Ball zum ersten Mal, als er einen Wurf von der Mittellinie frech ankündigte und auch noch nahm. Das Bild des tumben, wilden Zockers ohne Gewissen war gezeichnet. Ein Spieler, der Coach Carter zur Weißglut treiben würde. Für LaMelo Ball war Chino Hill jedoch nur der Beginn einer aberwitzigen Reise, die ihn in den vergangenen vier

Jahren über drei Kontinente führte. Und die in gewisser Weise auch einen Selbstfindungstrip darstellt, an dessen Ende der Guard noch nicht angelangt ist.

Selbstbewusstes Nesthäkchen

Als LaMelo Ball im Juni 2015 mit 13 Jahren für das erste Schulteam der Chino Hills Highschool debütierte, ging für seinen Vater ein Traum in Erfüllung. „Es ist ein toller Tag. Ich habe lange darauf gewartet“, sagte LaVar Ball im Anschluss an das Highschool-Spiel zwischen Chino Hills und Muir, das seine Söhne 98:51 gewannen. Zum ersten Mal stand LaMelo mit seinen beiden älteren Brüdern Lonzo und LiAngelo in einem offiziellen Basketballspiel auf dem Parkett – und war mit 27 Punkten direkt der beste Punktesammler. Um eine gemeinsame Highschool-Spielzeit mit seinen Brüdern überhaupt zu ermöglichen, hatte LaMelo einen Jahrgang übersprungen. „Es ist eine spannende Sache für unsere gesamte Gemeinde. Sie haben sich ihr Leben lang auf diesen Moment vorbereitet“, erklärte Cheftrainer Steve Balik nach dem Highschool-Debüt des Aufbauspielers und stimmte den Ausführungen von LaVar Ball zu. Das Familienoberhaupt fieberte diesem Augenblick tatsächlich 13 Jahre lang entgegen. „Ich wusste vom ersten Tag, dass sie als Basketballer dominieren werden. Deshalb habe ich meine Frau geheiratet. So wie ich gebaut bin, und so wie sie gebaut ist, wusste ich, dass wir drei Killer hervorbringen werden. So ist das eben, wenn du die Gene von zwei Basketballspielern kreuzt“, so der 53-Jährige in einem CBS-Interview. Ball lernte seine Frau während seiner Zeit an der Universität von Cal State Los Angeles kennen, wo beide für die Uni-Teams auf Korbjagd gingen. Aus seiner Sicht war es nur konsequent, dass er nach der Geburt seiner Söhne dem Basketballsport das komplette Familienleben unterordnete. Jeden Tag trainierte Ball mit seinen Kindern auf der heimischen Korbanlage, stand als Coach an der Seitenlinie ihrer AAU-Teams und forcierte bei den Nachkommen den Willen, es in die NBA zu schaffen. „Sie wurden geboren, um Profi zu werden. Ich sagte ihnen: ,Jemand muss besser sein als Michael Jordan. Warum nicht ihr?‘“, erklärte der Vater einst in einem ESPN-Interview. Nachdem sich Lonzo und LiAngelo als Highschool-Spieler im Großraum von Los Angeles einen Namen gemacht und Stipendienangebote von den UCLA Bruins angenommen hatten, begannen die ersten größeren Medien über die außergewöhnliche Basketballfamilie zu berichten. College-Basketball-Experte Gary Parrish war einer der Ersten, die den Balls ein großes Porträt widmeten. Er ging in der

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Einleitung seines CBS-Artikels jedoch nicht auf den streitbaren Charakter von LaVar Ball ein. Oder auf das Spiel von Lonzo Ball, der zu diesem Zeitpunkt zu den besten Highschool-Point-Guards des Landes gehörte. Sein Aufhänger: LaMelo Ball. „LaMelo ist jetzt 13 Jahre alt. In wenigen Wochen beginnt sein erstes Jahr an der Highschool. Und einige sagen, er könnte der begabteste Basketballspieler der Familie sein.“ Parrish sollte vier Jahre später einen prominenten Fürsprecher finden: Lonzo Ball. „Wenn es um das Talent geht, hat er mit Abstand das meiste Potenzial von uns. Es ist wirklich nicht einmal knapp“, gesteht der Pelicans-Guard. In ihrer einzigen gemeinsamen Spielzeit für Chino Hills überließ er tatsächlich seinem jüngsten Bruder den Löwenanteil des Ballvortrags. Dank ihres Warp-Antrieb-Spielstils, der

selbst den Style der Houston Rockets als erzkonservativen Halbfeldbasketball erscheinen lässt, fegte Chino Hills wortwörtlich über die Konkurrenz hinweg und zählte mit einer Gesamtbilanz von 35 Siegen ohne Niederlage zu den besten Highschool-Teams der Nation. Auf individueller Ebene erhielt der kleinste Ball-Bruder zusammen mit seinem Teamkollegen Onyeka Okongwu die Auszeichnung zum „MaxPreps National Freshman of the Year“. Mit 16,4 Punkten und 3,8 Assists pro Partie legte Ball nicht nur ein starkes Premierenjahr hin, sondern schürte zugleich eine hohe Erwartungshaltung an das Folgejahr. Nach dem Abgang seines Bruders Lonzo waren die Augen noch stärker auf ihn gerichtet – und Ball lieferte ab. Er steigerte seinen Schnitt auf 25,6 Zähler, brachte in einem Spiel 92 Punkte auf das Scoreboard und garantierte HighlightPlays, wann immer er auf dem Court stand. Der Stern des Basketball-Posterboys

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der Generation YouTube war vollends aufgegangen. Und die Welt von Chino Hills wurde zu klein für den talentierten Ballhandler. Oder besser gesagt: zu klein für seinen Vater.

Wurfgewaltiges Backenhörnchen

„Es ist unlogisch“, sagte der legendäre Sport-Marketing-Guru Sonny Vaccaro in einem Interview mit Chris Palmer von „The Undefeated“. „Der Junge war auf dem bestmöglichen Weg in die NBA. Ein direkter, bewährter Weg. Warum sollten sie das tun? Ich bin mir nicht sicher, ob viele Leute derselben Meinung wie Herr Ball sind.“ Vaccaro, der in den Achtzigerjahren für seinen Arbeitgeber Nike den jungen Michael Jordan unter Vertrag nahm und zahlreiche Highschool-Talente förderte, reagierte mit Unverständnis, als er vom Wechsel des Teenagers nach Litauen erfuhr.

Statt sein Junior-Jahr für Chino Hills zu spielen, verließ Ball seine Schule, um gemeinsam mit seinem Bruder LiAngelo bei der litauischen Mannschaft von BC Prienai anzuheuern. Die treibende Kraft hinter dem Transfer: LaVar Ball. Der Geschäftsführer der „Big Baller Brand“ fühlte sich vom neuen Headcoach der Chino Hills Highschool ausgeschlossen, weshalb er seinen jüngsten Sohn erst von der Schule nahm und sich danach auf dem globalen Basketball-Arbeitsmarkt auf die Suche nach einem neuen Verein begab. „Es ist definitiv nicht Kalifornien und ziemlich kalt hier. Ich denke aber, dass wir hier Spaß haben werden“, schilderte LaMelo Ball den amerikanischen Pressevertretern bei seiner Ankunft in der litauischen 11.000-Einwohner-Kleinstadt Prienai seine ersten Eindrücke. Der damals 16-Jährige unterschrieb einen Einjahresvertrag, was ihn zum jüngsten amerikanischen Basketballprofi aller Zeiten machte. Die

Akklimatisierungsphase gestaltete sich für den schmalen Guard dann auch genauso schwierig, wie viele Experten befürchtet hatten. Und das hatte weniger mit dem Wetter als mit den Anforderungen auf dem Basketballparkett zu tun. Statt Gleichaltrige aus der Halle zu schießen, musste Ball plötzlich erfahrenen Vollprofis in kompetitiven Wettbewerben Paroli bieten.

Pick-and-Roll-Defense spielen, Setplays initiieren und seine Mitspieler einbinden – die wilden Jahre waren vorbei, und Ball musste nun mit einer seriösen Einstellung zu Werke gehen. Wenn es denn so simpel wäre … „Du kannst dieses kleine Backenhörnchen nicht kontrollieren“, bemerkte sein Headcoach Virginijus Seskus nach einer Partie, in der sein Point Guard von jenseits der Dreierlinie freidrehte. „Du sagst ihm: ,Wirf nicht aus 13 Metern Entfernung!‘ Im nächsten Augenblick wirft er den Ball aus 13 Metern auf den Korb.“ Obwohl Ball mit seiner aufgedrehten Spielweise seinen Trainer phasenweise zur Verzweiflung brachte, zeigte sich dieser äußerst nachsichtig. Der Grund: LaVar Ball unterstützte den Verein als Großsponsor und griff dem finanziell gebeutelten Klub unter die Arme. Seskus gewährte Ball in acht Partien durchschnittlich 13,0 Minuten Einsatzzeit, in denen der Jungspund 6,5 Punkte (26,8 FG%) und 2,4 Assists auflegte. Zahlen, die so gar nicht den Vorstellungen von LaVar Ball entsprachen. „Ich bin wirklich wütend auf den Trainer“, sagte LaMelos Vater in einem Gespräch mit dem litauischen Basketballreporter Donatas Urbonas. „Ich dachte, unsere Freundschaft sei mehr wert. Ich werde ihn noch grüßen, aber er hat meine Freundschaft verspielt. Ich spreche


Fotos: Anthony Au-Yeung/Mark Kolbe/Getty Images

nicht mit ihm. Ich werde keinen Spaß mehr daran haben, mir die Spiele anzusehen.“ Die Balls genossen während ihrer Zeit in Litauen genau jenen CelebrityStatus, nach dem sich LaVar Ball so sehnt. Ehrengäste bei Preisverleihungen, Pressekonferenzen, Autogrammstunden. Während große Sportklubs in Europa mit größter Hingabe und Fürsorgepflicht darum bemüht sind, ihre minderjährigen Supertalente aus der medialen Öffentlichkeit herauszuhalten, war Vater Ball mit seinem Filius in den Medien überrepräsentiert. Dass LaMelo Ball mit den basketballerischen Herausforderungen zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere sichtlich überfordert war, schien das Familienoberhaupt nur partiell zu interessieren. Die Marketingtour seiner „Big Baller Brand“ lief auf dem alten Kontinent für knapp fünf Monate. Am Ende ging es für die Balls wieder zurück nach Los Angeles. Der entscheidende Entwicklungssprung sollte dann aber auf einem anderen Kontinent erfolgen – weit weg von den Fängen des Vaters.

Die Emanzipation des LaMelo

„Er hat die Chance, ein sehr guter Profi zu werden“, zollte Big Man Andrew Bogut in einem Telefoninterview mit der Bay Area News Group LaMelo Ball seinen Respekt. „Als wir gegen ihn antraten, traf er dank seiner Playmaking-Fähigkeiten jedes Mal die richtigen Entscheidungen.

LaMelo Ball hat ein herausragendes Gefühl für das Spiel.“ Der frühere Warriors-Center steht mittlerweile in den Diensten der Sydney Kings. In der australischen Liga NBL traf Bogut im vergangenen Jahr auf LaMelo Ball, der für die Illawarra Hawks auflief. Nach seinem Litauen-Intermezzo spielte Ball noch für die SPIRE Academy auf Highschool-Ebene und für die Los Angeles Ballers in der von LaVar Ball neu gegründeten Amateurliga JBL. Zur Saison 2019/20 ging es dann nach „Down Under“. Zum ersten Mal in seiner jungen Karriere teilte sich Ball aber nicht das Scheinwerferlicht mit dem Familienpatriarchen. Der Hauptgrund dafür, dass er förmlich aufblühte? Bereits beim NBL Blitz, einem Vorbereitungsturnier der australischen Liga, legte Ball ein TripleDouble auf: Mit 32 Punkten, 13 Assists und zehn Rebounds führte er die Hawks zum Overtime-Sieg über die Cairns Taipans. Verletzungsbedingt endete die NBL-Saison von Ball schon nach zwölf Partien. In diesen Spielen präsentierte er sich jedoch als ein spannendes PlaymakerTalent mit exzellenten Fähigkeiten im Ballhandling und Passspiel. Im Schnitt kam der damals 18-Jährige auf 17,0 Punkte, 7,6 Rebounds und 6,8 Rebounds, traf dabei 45,8 Prozent seiner Zweipunktewürfe und 25,0 Prozent seiner Dreier (6,7 Versuche pro Partie). Die Transformation vom gewissenlosen „Gunner“ zum effektiven

Spielgestalter, der seinen Teamkollegen hochprozentige Abschlüsse auflegt, nahm in den vergangenen zwölf Monaten gewaltig an Fahrt auf. „Es gibt vorgefertigte Meinungen über ihn. Leute haben die Szenen vor Augen, wie er in der Defense pennt, gar nicht erst zurückläuft und schlechte Würfe aus 14 Metern Entfernung nimmt. Diese Art von Spieler war er auch – zu Beginn seiner Karriere. Aber er hat in Australien wirklich hart an sich gearbeitet, um sich als ein anderer Spielertyp zu präsentieren. Er kann auch NBA-Teams dabei helfen, Spiele zu gewinnen“, fasste unlängst der ESPN-Draftexperte Jonathan Givony die Entwicklungssprünge von LaMelo zusammen. Albert Einstein sagte einmal: „Es ist schwieriger, eine vorgefertigte Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ Dieses Zitat lässt sich hervorragend auf die momentane Situation übertragen, in der sich der 19-jährige LaMelo Ball befindet. Andere angehende NBA-Rookies kommen als unbeschriebenes Blatt in die Association und gewinnen mit entsprechender Leistung die Herzen der Fans in Windeseile. Ball hingegen muss vom Start weg große Überzeugungsarbeit leisten. Denn es gibt viele Kritiker. Und Skeptiker. Sie alle haben ein Bild von ihm im Kopf, das es zu ändern gilt. Nur so kann er Basketballliebhabern wie Ken Carter zeigen, dass er den Sport ebenso respektiert wie sie. redaktion@fivemag.de

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interview

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DR. MARCUS ELLIOTT „ICH ICH FINDE, LOAD MANAGEMENT IST ZIEMLICH DUMM“ DUMM Dr. Marcus Elliott ist der Stephen Hawking unter den Sportwissenschaftlern. Wir befragten den Harvard-Absolventen zu seinen revolutionären Trainingsmethoden, den neuesten Studien zur Verletzungsprävention und seiner ehrlichen Meinung zum kontroversen Thema Load Management. Interview: Robbin Barberan

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IVE: Dr. Elliott, Sie sind Gründer und Direktor von P3, dem renommiertesten sportwissenschaftlichen Labor der Welt. Können Sie unseren Lesern bitte erklären, was Sie genau machen? Dr. Marcus Elliott: Unsere Mission bei P3 ist es, die Leistung von Athleten zu optimieren und Verletzungen durch riesige Datenmengen, die wir mit unseren Methoden von diesen Athleten sammeln, vorherzusagen und zu verhindern. Gilt das für alle US-Profisportarten? Ja. Ich begann im American Football in der NFL mit den New England Patriots, wechselte schließlich in die Major League Baseball zu den Seattle Mariners und arbeite nun eng mit der NBA zusammen. Football, Baseball und Basketball sind auf den ersten Blick drei sehr unterschiedliche Sportarten. Was haben sie gemeinsam? Zunächst muss man wissen, dass jede dieser Sportarten ein geschlossenes Ökosystem ist. Sie kommunizieren normalerweise nicht viel miteinander oder mit Menschen außerhalb des Sports. Es ist für einen Außenstehenden nicht einfach, in diese Umgebungen hineinzukommen, und ich hatte großes Glück, dass ich in einer Sportart das höchste Level erreichen und dann zu vielen verschiedenen Sportarten wechseln konnte. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich sagen, dass es in jeder Sportart, in der ich gearbeitet habe, dominante Denkweisen gab, die keinen Sinn ergaben. Und weil es sich um geschlossene Systeme handelt, macht jedes Team mehr oder weniger das Gleiche und somit auch die gleichen Fehler. Diese Art von Ineffizienz ist etwas, was alle großen US-Sportligen gemein haben. Sind diese Fehler leicht zu erkennen? Nur dann, wenn man den akademischen Hintergrund hat. Es gibt nur leider nicht viele Leute im Profisport, die den haben.

Fotos: P3 Peak Performance Project

Was dazu führt, dass man Leuten auf die Füße tritt und ihnen Dinge erzählt, die sie nicht unbedingt hören wollen … Das ist richtig. Es verärgert die Leute regelrecht, wenn man ihnen auf die Füße tritt … das habe ich definitiv oft getan. Ich musste mich früh in meiner Karriere darauf festlegen, immer die Wahrheit zu sagen. Und auch wenn die Leute die Wahrheit nicht hören wollen, werden sie sie trotzdem hören, wenn ich in der Nähe bin. Der „Wenn ich in der Nähe bin“-Teil ist leicht manipulierbar … Ja, ich wurde zu Beginn nicht zu vielen Cocktailpartys oder After-Work-Drinks eingeladen. (lacht) Aber irgendwo ist es auch verständlich. Man darf nicht vergessen, dass Jobs wie medizinischer Leiter oder Performance-Direktor in der NBA schwer zu bekommen sind. Es gibt

30 dieser Jobs auf der Welt. Nur einer pro NBA-Team. Und die Leute wissen, sie würden viel weniger Geld verdienen und weniger Ansehen genießen, wenn sie nicht in der NBA wären. Deshalb wird hier härter darum gekämpft, diese Jobs zu behalten, als tatsächlich den Job gut zu machen. Je mehr ich recht habe, desto wütender werden sie in der Regel. Ich treffe dann oft einen Nerv, weil sie eigentlich wissen, dass ich recht habe und auf eine gewisse Ineffizienz hinweise, weil sie etwas falsch machen und einige Verletzungen eigentlich in ihrer Verantwortung liegen und keine zufälligen Verletzungen sind. Was machen Sie bei P3 anders? Personalisierung ist ein großer Aspekt.

Unabhängig von der Sportart führt die Personalisierung der Trainingsmethoden zu besseren Ergebnissen und letztendlich zu einer besseren Leistung. Es ist doch so: Traditionell befand sich selbst auf dem höchsten Level eine weiße Tafel an der Wand des Trainingsraums, die den Workout-Plan für den Tag vorgab. Es spielte dabei keine Rolle, ob dein Gehalt 160 Millionen Dollar betrug, alle zwölf Spieler haben an dem Tag das Gleiche trainiert, was überhaupt keinen Sinn ergeben hat. Anstatt Daten von den Spielern zu sammeln, die zu optimierten Workouts führen würden, wurde ihnen nur gesagt, was sie wie oft machen sollen. Bei P3 haben wir begonnen, diese starren Denkweisen aufzubrechen und zu ändern. Jetzt macht es jeder. Jetzt weiß jeder, wie wichtig Bewegungsdaten sind. Jetzt möchte jeder personalisierte Workouts und Programme zur Vorbeugung von Verletzungen haben. Die Dinge, die wir vor 15 Jahren gesagt haben, sind jetzt in den Köpfen. Es hat einfach viel Arbeit gekostet, sie dorthin zu bringen.

Der Harvard-Abschluss hat Ihrer Glaubwürdigkeit nicht geholfen? Nicht wirklich. Am Anfang dachten die Leute, ich wäre bloß ein überqualifizierter Fitnesscoach. Und das war tatsächlich eines der Dinge, über die ich am meisten überrascht war. Ich dachte, die Sportwelt wäre bereit, den von mir präsentierten Daten zu glauben. Aber das war sie nicht, und ich stieß auf viel Ablehnung. Da habe ich gelernt, dass die Bereitschaft, wie meine Ideen aufgenommen werden, viel weniger damit zu tun hat, ob ich richtig oder falsch liege, sondern davon abhängt, ob sich die Leute durch meine Ideen mehr oder weniger sicher in ihrem Job fühlen. Das war eine große Enttäuschung für mich. Ich war damals ziemlich naiv und musste

erst lernen, klar Stellung zu beziehen. Ich musste lernen, dass es mir egal sein muss, ob alle im Raum anderer Meinung sind. Jetzt aber treffe ich immer wieder Leute, die mir sagen, dass ich ihre Inspiration war, um auf diesem Gebiet Fuß zu fassen. Menschen, die sich für Mathematik und Daten interessierten und im Sport etwas bewegen wollten. Das ist sehr befriedigend für mich. Sie haben sicherlich die Art und Weise verändert, wie NBA-Teams ihre Spieler gegenwärtig, aber auch zukünftig sehen. Zum Beispiel haben Sie und Ihr Team einen Weg gefunden, Perimeter-Verteidiger mit NBA-Kaliber zu identifizieren, völlig unabhängig von oberflächlichen Statistiken wie abgefälschte Pässe oder Steals. Ja, das ist eines der aufregendsten Dinge, an denen wir gerade arbeiten. Denn wenn Spieler das College verlassen, sind sie oft nur Scorer. Man hat nie von ihnen verlangt, in der Defensive viel zu tun, weil ihre Hauptaufgabe darin bestand, 24 Punkte pro Spiel in den Anschreibebogen zu

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bringen. Man weiß nicht, ob diese Jungs auf NBA-Niveau verteidigen können, weil sie es vorher nie tun mussten. Und es gab früher einfach nicht genug Daten, um elitäre Defensivspieler zu identifizieren. Für die Offense sind die Metriken, die gesammelt wurden, ganz okay, aber in der Verteidigung sind sie beinahe unbrauchbar und haben kaum Aussagekraft. Wir haben jetzt einen Algorithmus entwickelt, der zuverlässige Daten liefert, und das ist unglaublich wertvoll. Dinge, die weit über abgefälschte Pässe hinausgehen … oder wie oft der Angreifer links oder rechts an einem vorbeigezogen ist. Wir sind nun in

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ist als bei anderen Spielern. Keiner von beiden ist das, was jemand normalerweise als „athletisch“ bezeichnen würde, und dennoch können sie sich gegen jeden Gegner Platz verschaffen. Was ist ihr Geheimnis? Sie sind die besten „Stopper“ im Basketball. Ihre Bremsen funktionieren einfach besser als bei allen anderen Spielern. Als James Harden vor vielen Jahren in unserer Einrichtung getestet wurde, war er in den meisten ballistischen Metriken nur durchschnittlich. Kein sehr schneller Läufer, kein großartiger

Entwicklung zu dem Spieler, der er heute ist, war für uns keine Überraschung. Wenn wir es von der anderen Seite betrachten, bedeutet dies auch, dass ein Basketballer nicht unbedingt schnell laufen oder hoch springen muss, um es in die NBA zu schaffen … Ja, das ist einer der größten Irrtümer. Die Leute denken, man muss besonders hoch springen, um ein guter Spieler zu werden. Wenn man sich die Daten aus der NBA-Combine anschaut, gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Sprungfähigkeit und Erfolg in der Liga bzw.

„Diese Diskussion über den ,besten Spieler aller Zeiten‘ ist amüsant. Wenn MJ heute spielen würde, wäre er nicht der beste Spieler der Liga.“ ----------der Lage, NBA-Verteidiger zu identifizieren, indem wir unter die Motorhaube schauen und sehen, was sonst niemand sieht. Diese Jungs werden teilweise erst in der späten zweiten Runde der Draft gepickt oder sogar gar nicht gedraftet. Einen solchen Spieler zu finden, der von allen anderen übersehen wird, kann ein entscheidender Moment für eine Franchise sein. Sie sehen Dinge, die weit darüber hinausgehen, was gemeinhin als „athletisch“ bezeichnet wird … Genau. Es ist so viel mehr als das. Traditionell bedeutet „athletisch“ doch einfach nur, dass jemand schnell laufen oder hoch springen kann. Aber es gibt sekundäre Indikatoren, die hier ins Spiel kommen. Hinter Erfolg im Sport steckt Physik. Früher sagten die Leute einfach Dinge wie: „Das kann man keinem beibringen“, oder sie sprachen vom „natürlichen Talent“. Aber die Realität ist: Je genauer man hinschaut, desto klarer wird die Physik dahinter. Ich meine, es gibt einen Grund, warum der Stepback bei James Harden und Luka Doncic effektiver

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Springer und so weiter ... aber als wir seine Fähigkeit zum Abbremsen gemessen haben, haben wir Dinge gesehen, die wir zuvor bei keinem anderen Spieler gesehen hatten. Seine Fähigkeit, abrupt abzustoppen, ist unglaublich. Und Luka Doncic hat dieselbe Fähigkeit wie James Harden? Fast. Aber das Aufregende an Luka ist, dass wir ihn zum ersten Mal im Alter von 17 Jahren bei uns hatten. Er war dieser etwas pummelige weiße Junge aus Slowenien, der aber bei der Abstoppfähigkeit bereits fast so gut war wie Harden, einer der besten fünf NBASpieler. Ich fand es amüsant, dass Jahre später, als Luka sich zur Draft anmeldete, die Leute darüber diskutierten, ob er athletisch genug wäre, um in der NBA zu spielen. Bis zu seinem ersten Spiel befürchtete man, dass er vielleicht zu früh gezogen worden war. Wir wussten aber, dass er einer der besten Spieler seines Jahrgangs werden würde, weil wir wissenschaftliche Daten über ihn hatten, über die sonst niemand verfügte. Seine

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einer langen Karriere. Null. Das ist ein Teil meiner Arbeit, den ich wirklich liebe. Es gibt den Spielern Hoffnung, die im traditionellen Sinne nicht besonders athletisch sind, aber ihre sekundären Kennzahlen könnten Weltklasse sein. Diese verborgenen Geheimnisse zu finden, ist sehr aufregend und viel Geld wert. Eines dieser verborgenen Geheimnisse ist sicherlich, wie Verletzungen vorhergesagt und vor allem verhindert werden können. Wie vorhersehbar sind traditionelle Basketballverletzungen für Sie? Viele Verletzungen, sowohl chronische als auch akute, zeichnen sich ab und kündigen sich an. Die Athleten, die ein wirklich geringes Verletzungsrisiko haben, haben selten schwere Verletzungen. Ich schaue mir die Daten ständig an. Es ist wirklich sehr selten, dass Spieler, die kein mechanisches Verletzungsrisiko haben, Verletzungen entwickeln. Zum Beispiel hatten wir Al Jefferson, der damals auf Center für die Utah Jazz spielte. Als wir ihn testeten, war er 25 Jahre alt, und was wir in seinem Bewegungsmuster sahen,


war, dass sein rechtes Knie ständig nach innen drehte, tatsächlich war auch kein Knorpel mehr in diesem Knie. Es war einfache Physik: Früher oder später würde er dieses Gelenk abnutzen und seine Karriere beenden müssen. Wir fragten uns: Was wäre, wenn wir Al mit 17 Jahren bekommen hätten, wo er noch Knorpel im Knie hatte? Wir hätten ihm rechtzeitig helfen können. So konnten wir seine Karriere zwar noch etwas verlängern, aber je früher wir einen Spieler bekommen, desto besser. Jetzt kommen junge Spieler zu uns, bevor sie in die NBA gehen. Leute wie Zion Williamson oder R.J. Barrett, diese Jungs kommen alle und verbringen Zeit mit uns und werden getestet, wenn sie noch in der Highschool sind.

Fotos: P3 Peak Performance Project

Apropos Highschool. Das Pensum, das junge Basketballspieler ihrem Körper zumuten, ist erheblich höher als früher. Sie beginnen in einem jüngeren Alter, es gibt die normale Highschool-Saison plus die AAU-Turniere mit ihren Auswahlteams. Wie viel von diesem enormen Verschleiß im jugendlichen Alter ist heute ein Faktor für Basketballverletzungen? Das ist ein großes Problem. Und ich sage es seit Jahren. Der AAU-Kalender ist extrem schwer. Wir haben vor ein paar Jahren ein Camp namens „Blueprint“ gemacht und hatten einige der besten Spieler des Landes am Start. Es war ein Camp, in dem kein Basketball angefasst wurde. Wir wollten allen Teilnehmern etwas über ihren Körper beibringen. Das sind 16- oder 17-jährige Kids, die zu den besten Spielern ihres Jahrgangs gehören. Aber niemand hilft ihnen dabei zu verstehen, was mit dem Körper passiert, wenn man nach dem Sprung falsch landet. Niemand hilft ihnen dabei, ihr Verletzungsrisiko zu verstehen oder zu verringern. Also nehmen wir uns drei Tage Zeit und bringen diesen Kids bei, wie sie für sich selbst sorgen und Verletzungen vorbeugen können. Das wird das AAU-Problem an sich nicht beheben, aber zumindest wissen die Kids, was sie ihrem Körper antun. Sie haben erfolgreich ein bestimmtes Bewegungsmuster bei der Landung nach Sprüngen identifiziert, welches das Risiko eines NBA-Spielers für Rückenverletzungen um etwa 300 Prozent erhöht. Können Sie uns das bitte erklären? Wenn man Rückenprobleme hat, wird einem jeder Physiotherapeut sagen – und es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen Arzt handelt, der um die Ecke eine Praxis hat, oder den Medical Director eines NBA-Teams oder den Mannschaftsarzt eines europäischen Fußballklubs –, dass man die Muskulatur der Körpermitte verbessern muss. Durch unsere Studien können wir sagen: Man kann eine erstaunliche Rumpfmuskulatur haben, wenn man aber falsch landet, sind die Scherkräfte, die sich über den Rücken verbreiten, zu groß, um dies mit einem

starken Rumpf kompensieren zu können. Es ist ein einfaches Bewegungsmuster, und wir können unsere Athleten ungefähr in zwei Drittel, die sicher landen, und ein Drittel, das falsch landet, aufteilen. Dies gilt auch für neue Spieler, die aus der NBA-Combine kommen, oder bewährte Liga-Veteranen. Wir haben es Jahr für Jahr getestet, und das Ergebnis ist fast immer dasselbe. Ein Drittel von ihnen landet falsch und erhöht somit das Risiko für Rückenverletzungen um 300 Prozent. Anstatt nur die Körpermitte zu stärken, wie wir es traditionell in der Sportmedizin getan haben, sollten diese Athleten also lieber an ihrer Landung arbeiten. Die nächste Frage wäre, ob Sie nur dem Spieler, der vor Ihnen steht, die richtige Landung beibringen – oder ob Sie sich bemühen, es der ganzen Liga zu zeigen.

Unser Ansatz bei P3 ist, dass wir eine Politik der offenen Tür haben. Viele Leute stellen das zwar in Frage, aber wir lassen eigentlich fast jeden herein, im Zeichen einer vollen Transparenz. Wenn zum Beispiel also ein NBA-Krafttrainer oder ein Medical Director zu uns möchte, kann er kommen, und wir zeigen ihm alles. Wir wollen wirklich alles tun, um dem Spieler zu helfen, egal ob dies bedeutet, mit seinem Fitness-Trainer zu reden, egal ob dies bedeutet, seinem College-Trainer alles zu zeigen … oder wer auch immer ihn in der Offseason coacht. Wem auch immer der Spieler vertraut und wer Teil seines inneren Kreises ist – wir teilen ihm diese Informationen mit.

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interview

Dr.

Das ist ein lobenswerter Ansatz … (Schulterzucken) Nun, wir versuchen, die Messlatte im Sport höher zu legen, und wir haben die meisten Informationen und Daten. Je höher die Messlatte, desto mehr Menschen denken wie wir, desto mehr Ursache und Wirkung, desto … stärker unsere Position. (lächelt) Wir haben gerade über Verschleiß gesprochen. Was ist Ihre Meinung zum Load Management? Ich finde, Load Management ... (zögert) ... ist ziemlich dumm. Es ist das, was man tut, wenn man nicht weiß, was man tun soll. Wenn man es nicht besser

Marcus

Elliott

wird, um das Risiko zu verstehen. Und jeder Spieler ist anders. Die Idee, dass man all diesen Athleten eine Obergrenze an Spielen pro Jahr setzen will, ergibt keinen Sinn. Und ich denke, es wird eher früher als später großen Widerstand gegen das Load Management geben. Bei Ihrer Arbeit haben Sie auch die Entwicklung des Sports und der Sportler studiert. Wie unterscheiden sich die heutigen Athleten von denen, die in den 1970ern oder 80ern gespielt haben? (lacht) Die Frage ist gerade momentan so interessant, weil die Vergleiche zwischen Michael Jordan und LeBron James –

Ja, wir sprechen von physischen Systemen. Physische Systeme sind für uns leicht zu vergleichen. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben sich physische Systeme tonnenweise verändert. Und das sind nur zehn Jahre. Wenn man noch weitere zehn Jahre zurückgeht, sind das Lichtjahre. Lichtjahre! Die Jungs heute sind so anders als die Sportler von vor 20 Jahren. Diese Diskussion über den „besten Spieler aller Zeiten“ ist amüsant. Wenn MJ heute spielen würde, wäre er nicht der beste Spieler der Liga. Selbst auf seinem Höhepunkt wäre er jetzt gut, aber nicht der Beste. Nicht einmal annähernd. Er hätte einfach nicht das physische System, um mit NBAAthleten von 2020 mitzuhalten. Das ist die Wahrheit, und ich verstehe nicht, warum dieser Faktor bei den ganzen Diskussionen nicht berücksichtigt wird.

Fotos: P3 Peak Performance Project

Basketball wird immer schneller, die Spieler werden immer kräftiger. Ist es nicht unvermeidlich, dass wir eines Tages die absolute Grenze dessen erreichen, was der menschliche Körper leisten kann? Das sagen die Leute schon lange. (lacht) Alle diese Sportarten entwickeln sich weiter, alle. Der finanzielle Anreiz ist so hoch. Und NBA-Spieler sind noch nicht einmal annähernd optimiert. Sie können alle körperlich besser sein. Es wird

weiß, ist es wie zu sagen: „Okay, lass uns einfach das Risiko reduzieren, indem du weniger spielst.“ Wenn man sich Sorgen macht, dass Spieler sich verletzen, und man aber nicht genau weiß, warum sie sich verletzen, sagt man einfach: „Mach das, was du immer tust, aber nicht mehr so viel davon.“ Dasselbe passiert im Baseball. Die Anzahl der Würfe, die ein Pitcher nehmen darf, wird von vorneherein bestimmt, obwohl in der Realität einige der Jungs die Bälle so werfen, dass ihre Mechanik es ihnen erlaubt, es Jahr um Jahr so zu tun, ohne dass etwas kaputt geht. Gleiches gilt für NBA-Spieler. Die Wahrheit ist, dass beispielsweise zwei Profis, die auf sehr unterschiedliche Weise landen, aber dieselbe Last haben, sehr unterschiedlichen Mengen an Last standhalten können. Man darf nicht nur auf die Größe und Häufigkeit der Last bei einem Athleten achten, sondern muss verstehen, wie diese Last verinnerlicht

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jetzt, wo er seine vierte Meisterschaft gewonnen hat – wieder vermehrt auftauchen. Und die Leute vergessen – oder sie wissen es nicht –, dass die Athleten, die momentan in der NBA spielen, so viel besser sind als zu der Zeit, als Jordan spielte ... … körperlich viel besser, meinen Sie. Wir sprechen nicht über Basketball-Skills.

schneller. Es wird ballistischer. Die NBA von 2025 wird nicht langsamer sein als heute. Es wird noch bessere Athleten geben. Das durchschnittliche NBATeam hat jetzt mehr Mitarbeiter in der medizinischen Abteilung als je zuvor, aber sie sind noch nicht effizient. Sie kümmern sich nur mittelmäßig um ihre Spieler. Also ... wo endet es? Es wird schneller, und es wird besser. redaktion@fivemag.de


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Euroleague

Euroleague

E U R O L E A G U E

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ZUM GELINGEN VERDAMMT In der vergangenen Spielzeit brachte Corona die Euroleague vorzeitig zum Erliegen. Die neue Saison soll abgeschlossen werden, wie und wo auch immer – koste es, was es wolle. Die Erfolgsaussichten kÜnnten jedoch besser sein. FIVE blickt voraus auf eine

Fotos: Panagiotis Moschandreou/Christina Pahnke/Euroleague Basketball via Getty Images

Saison mit zuvor ungekannten Herausforderungen. Text: Peter Bieg

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WAS GEHT BEI DEN DEUTSCHEN?

WIE SIEHT DER PLAN B AUS? Gleich in den ersten Woche der neuen Euroleague-Saison gab es große Probleme: Zahlreiche Teams hatten mit Corona-Fällen im Kader zu kämpfen, Zenit St. Petersburg konnte mangels einsatzfähiger Spieler zu mehreren Partien gleich gar nicht antreten. Star-Trainer wie Sarunas Jasikevicius (Barcelona), Dimitrios Itoudis (ZSKA) und Giorgios Bartzokas (Olympiakos) beklagten Ungerechtigkeiten und Wettbewerbsverzerrung. Sie forderten die Euroleague zu Sondersitzungen und einem transparenteren Vorgehen auf. Ein holpriger Start in eine Saison, die das Unmögliche möglich zu machen versucht – in Zeiten der Pandemie einen kontinentalen Spielbetrieb mit dichtem Spielplan, neutralen Schiedsrichtern und auch noch möglichst vielen Zuschauern vor Ort aufrechtzuerhalten. Daran, dass dies angesichts der aktuellen Infektionszahlen und Einschränkungen realistisch ist, gibt es Zweifel. Viele, völlig berechtigte und ernsthafte Zweifel. Etwa auch bei Himar Ojeda, Sportdirektor von ALBA Berlin, der in dieser Ausgabe sagt: „Die einzige Hoffnung darauf, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann, ist, dass es einen Plan B gibt und dieser auch funktioniert. Nur dann können wir zuversichtlich sein. Nur der Plan A – eine Saison, wie wir sie bisher kennen –, das wäre meiner Meinung nach schwierig, sogar unwahrscheinlich.“ Eine Bubble nach Vorbild der NBA ist deshalb schwer vorstellbar, da alle Euroleague-Klubs – abgesehen von Olympiakos Piräus – auch einen nationalen Spielbetrieb mit jeweils eigenen Terminen und Verpflichtungen gewährleisten müssen. Einfach mal für vier Wochen verabschieden und an einem zentralen Ort ein EuroleagueTurnier spielen? Nicht nur für Bayern

München oder ALBA Berlin ist das in den kommenden Monaten absolut unrealistisch. Dies gilt ebenso für die türkischen, russischen oder spanischen Vertreter. Was aber, wenn die Pandemie den Spielplan weiter durcheinanderschüttelt, die Zahl der Fälle steigt, Länder ihre Grenzen auch für getestete Profisportler schließen? Darüber schweigt Euroleague-Chef Jordi Bertomeo, der jedoch zu Saisonbeginn versicherte, einen Plan B zu haben. Wie dieser aussieht, das ließ Bertomeo allerdings bewusst offen. Wohl, um eine hitzige Debatte zu vermeiden, bevor der Ernstfall eintritt. Realistischerweise kann der Plan B wohl nur darin bestehen, nach dem jeweiligen Saisonende in den nationalen Ligen der Teilnehmer in einem Bubble-Turnier à la NBA den Euroleague-Champion auszuspielen. Ob das zu großem Chaos führt? Auf jeden Fall. Ob es Ungerechtigkeiten zu beklagen geben wird? Absolut. Will das überhaupt jemand sehen? Das ist sehr wahrscheinlich. Gibt es eine denkbare Alternative? Nein. Die einzige Möglichkeit, eine Bubble-Lösung zu vermeiden oder zumindest maximal lange hinauszuzögern, könnte darin bestehen, dass jeweils besonders von Einschränkungen in ihren Heimatländern geplagte Teams ihre Spiele an neutralen Orten, hinter verschlossenen Türen und ohne Zuschauer absolvieren. Wie lange das angesichts der ebenfalls sehr dichten nationalen Spielpläne gut gehen dürfte, kann sich jeder vorstellen. Alle Verantwortlichen haben deutlich gemacht, dass ein erneuter Saisonabbruch in der Euroleague extreme Schäden in Sachen Image und Einnahmen bei allen Klubs hinterlassen würde. Die Spielzeit 2020/21 ist zum Gelingen verdammt – mit welchem Plan B auch immer.

Die beiden deutschen Vertreter müssen damit rechnen, zum Ende der Hauptrunde in der unteren Hälfte der insgesamt 18 Mannschaften umfassenden Euroleague zu landen. Dort zwar womöglich im oberen Bereich, aber dennoch: Ein Einzug von Berlin oder München in die Euroleague-Playoffs als eine der acht besten Mannschaften der Hauptrunde wäre keine Sensation, aber definitiv eine positive Überraschung. Die Berliner zählen dank Aito und spannender Neuverpflichtungen wie Ben Lammers, Simone Fontecchio und Veteran Jayson Granger sicher wieder zu den spielfreudigsten und unterhaltsamsten Mannschaften des Kontinents. Um aber auch die engen Partien und generell genug Spiele für den Playoff-Einzug zu gewinnen, fehlt es im Kader des deutschen Meisters an Erfahrung einerseits sowie Länge und Härte am Brett andererseits. So sehr sich Sportdirektor Ojeda und Manager Baldi freuen, wenn gleich mehrere Berliner Eigengewächse wie Jonas Mattisseck, Tim Schneider oder Malte Delow auf dem Parkett stehen, so sicher werden diese gegen die Llulls, de Colos und Veselys dieser Welt ihr Lehrgeld zahlen. Und der aktuelle Berliner Frontcourt – bestehend aus Sikma, Schneider, Lammers und Thiemann – gehört zu den schwächsten der Euroleague. Die Münchner haben nicht nur auf der Trainerbank aufgerüstet, wo Andrea Trinchieri dafür sorgen soll, dass der Erfolg zurückkehrt. Auch der Kader ist runderneuert und insbesondere amerikanisiert. Mit Danilo Barthel und Maodo Lo verabschiedeten sich zwei deutsche Nationalspieler zur Konkurrenz, was sich insbesondere in der BBL rächen dürfte. In der Euroleague kann Trinchieri seine neun (!) Ausländer im Kader nach Belieben einsetzen. Während der Frontcourt mit den Neuzugängen Jalen Reynolds, JaJuan Johnson und Malcolm Thomas ebenso respektabel wie athletisch daherkommt, fehlen insbesondere auf der Eins Leadership, Ruhe und Erfahrung. Wade Baldwin (kam von Olympiakos) und Nick Weiler-Babb (Ludwigsburg) werden sicherlich ihre Wege in die EuroleagueTop-Ten finden, aber die Münchner auch enge Spiele kosten. Auch Zan Mark Sisko und T.J. Bray sind nicht die Lösung für einen Klub, der die Playoffs erreichen will. Müsste die FIVE darauf wetten, welcher der deutschen Vertreter in dieser Spielzeit besser in der Euroleague abschneidet, der Zuschlag ginge dennoch an München. Der entscheidende Faktor für dieses Votum sitzt … nein, steht und schreit zumeist an der Seitenlinie, trägt Brille und langes Haupthaar.

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WER KANN ÜBERRASCHEN?

WER MACHT ES?

Valencia Basket hat viele Leistungsträger gehalten und dazu Derrick Williams, Martin Hermannsson, Nikola Kalinic und Klemen Prepelic geholt. Ein tiefes und variables Team, gestählt aufgrund der dauerkompetitiven ACB. AX Armani Exchange Milan ist ein sehr großes Experiment mit einigen qualitativ hochwertigen Zutaten. Ob das Team mit den vielen Stars und Neuzugängen implodiert oder explodiert, hängt stark vom Magier Ettore Messina an der Seitenlinie ab. Zwischen Final Four und frühem Frust ist in der Modemetropole alles möglich. Das gilt für sonst kaum eine Mannschaft.

Anadolu Efes Istanbul. Bis zum Abbruch DIE Mannschaft der vergangenen Euroleague-Saison mit einem außerirdisch wirbelnden Shane Larkin. Kein Team ist hungriger als Efes, das zeigen will, wer auch 2019/20 die Meisterschaft gewonnen hätte. Der Kader ist im Vergleich zum Vorjahr nahezu identisch, eingespielt, eingeschworen und harmonisch. Doch die EuroleaguePlayoffs haben ihre Tücken, eine etwaige Bubble hätte ganz eigene Gesetze. Deshalb dürfen hier auch die üblichen Verdächtigen nicht unerwähnt bleiben: ZSKA Moskau hat clever verpflichtet. Real Madrid ist auch im Umbruch prominent und brandgefährlich besetzt. Und Barcelonas Millionentruppe kann sich auf dem Papier nur selbst schlagen.

WER IST FRÜH ABGESCHLAGEN? ASVEL Villeurbanne fehlen Erfahrung und Qualität, auf dem Parkett und an der Seitenlinie. Dort steht in dieser Saison T.J. Parker, der jüngere Bruder von Teambesitzer und NBAChampion Tony Parker. Panathinaikos Athen hat seinen Etat reduzieren müssen und zwar jede Menge große Kanten, aber ebenfalls zu wenig Skills im Team. Die Heim-Fans sind seit jeher der größte Trumpf von Roter Stern Belgrad. Dumm nur, dass diese aufgrund der Pandemie vorerst kein Faktor sein werden. Zenit St. Petersburg hat tief in die Taschen gegriffen und Zalgiris Kaunas kreativ verpflichtet. Doch beide Mannschaften dürften zu viel Zeit brauchen, um die Playoffs erreichen zu können. Fehlt es bei Zalgiris an Erfahrung und Scoring, ist bei Zenit die Frage, wer Defense spielen kann und will.

WER MUSS UMBAUEN? Olympiakos fehlt ein weiterer Spotup-Shooter. Die Spielmacher Spanoulis und Sloukas sind ebenso abgezockt wie fußlahm und in der Verteidigung ständig angreifbar. Auf der Vier hingegen herrscht ein Überangebot mit Georgios Printezis, Livio Jean-Charles und Sasha Vezenkov. Dem Team von Khimki fehlt die Balance, Headcoach Kurtinaitis ist der erste Kandidat für eine frühzeitige Entlassung. Abgesehen von Alleinunterhalter Alexey Shved gibt es zu viele Spieler für die Fünf (Booker, Mickey und Monroe) sowie zu viele Akteure, die jeweils öfters den Ball – von Shved – erhalten müssen, um effektiv zu sein (Bertans, Karasev, Timma und Jerebko). Hohes Frustpotenzial. Berlin könnte ein Problem auf der Fünf bekommen und nur einen fähigen Center davon entfernt sein, um nachhaltig für Furore zu sorgen. Ob und woher ein kantiger, großer Big im Laufe der Saison noch kommen soll, wusste Sportdirektor Ojeda im Interview mit FIVE zuletzt nicht.

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Fotos: Rodolfo Molina/Tolga Adanali/Tolga Adanali/Alius Koroliovas/Panagiotis Moschandreou/Angel Martinez/Euroleague Basketball via Getty Images

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AUF WEN DÜRFEN WIR UNS FREUEN? Auf Moustapha Fall bei ASVEL Villeurbanne. Nach Lehrjahren in der Türkei und Russland debütiert Fall in der Euroleague. Der Franzose (28 Jahre, 2,18 Meter) ist baumlang, entsprechend ein effektiver Ringbeschützer, aber auch mit einem überraschenden Touch rund um den Korb ausgestattet. Auf Alec Peters bei Baskonia. Weder bei Efes noch bei ZSKA lief es für den soften Edelschützen. Bei Baskonia, als Starter und mit vielen Minuten, sollte Peters das eine oder andere Feuerwerk abbrennen können. Wenn der 2,03-MeterMann heiß läuft, wird es brenzlig für jeden Gegner. Auf Sasa Obradovic und Andrea Trinchieri zurück auf EuroleagueTrainerbänken. Einen Vorteil haben die Zuschauerbeschränkungen – Trainer und Spieler sind so gut zu verstehen wie nie zuvor. Im Falle der aus der BasketballBundesliga gut bekannten Heißsporne Obradovic und Trinchieri ist das ebenso erhellend wie unterhaltsam. Auf Mailand im „Win now“Modus. Milano war gefühlsmäßig das einzige Team, das bereits im Mai und Juni auf dem Transfermarkt zuschlug – und wie! Kevin Punter, Kyle Hines, Gigi Datome, Malcolm Delaney, Zach LeDay … Edel-Eigentümer Giorgio Armani erfüllte Edel-Trainer Ettore Messina zahlreiche Wünsche, mit deren Hilfe Mailand zurück an die Spitze geführt werden soll. Ob das klappt, bleibt zu bezweifeln.

Die Neuzugänge sind gestandene Euroleague-Spieler, doch bei Hines und Datome ist der Leistungszenit bereits klar überschritten. Auf Toko Shengelia und Nikola Milutinov bei ZSKA. Beide gehörten in den vergangenen Jahren zu den besten Spielern der Euroleague auf ihrer jeweiligen Position – Shengelia als Vierer bei Baskonia, Milutinov als Center bei Olympiakos. Jetzt spielen sie zusammen in Moskau. Allen außer Johannes Voigtmann gefällt das … Auf das runderneuerte Fenerbahce unter Headcoach Igor Kokoskov (ehemals Phoenix Suns). „Fener“ hat für das Jahr eins nach Zeljko Obradovic teils prominent, teils kreativ verpflichtet. Etwa Lorenzo Brown für die Eins und Danilo Barthel für die Vier. Gerade die Euroleague-Debütanten Jarrell Eddie (Shooter) und Jonathan Hamilton (sprunggewaltiger Rim Protector) könnten unter dem Slowenen Kokoskov besonders viel Spaß machen. Auf Dragan Bender und Ante Zizic bei Maccabi Tel Aviv. Beide sind Kroaten, beide sind jung, beide sind hochtalentiert, beide wollen zeigen, dass sie doch in die NBA gehören. Auf dem Papier eine gute Mischung. Auf die wohl letzte Saison von Euroleague-All-Time-Topscorer Vasilis Spanoulis, der bei Olympiakos in den Sonnenuntergang reitet. Auch mit 38 Jahren wird er das eine oder andere Spiel für die Roten gewinnen … und mindestens ebenso viele mit Ballverlusten vergeigen.

WO LERNT DER NACHWUCHS? Usman Garuba (18 Jahre, PF, 2,03 Meter) sollte bei Real Madrid seinen Platz in der Rotation weiter festigen, an manchen Abenden womöglich sogar starten. Sein Teamkollege Carlos Alocen (19 Jahre, PG, 1,94) ist aufgrund der erfahrenen Konkurrenz im Backcourt wohl eher zum Zuschauen verdammt. Das gilt auch für Leonardo Bolmaro (20 Jahre, SG, 2,03) beim Erzrivalen FC Barcelona. Matthew Strazel (18 Jahre, PG, 1,82) sollte bei ASVEL Villeurbanne als BackupPoint-Guard hingegen immer wieder Minuten sehen. Geheimtipp: Rokas Jokubaitis (19 Jahre, PG, 1,93), der bei Zalgiris zu Saisonbeginn abgezockt-unerschrocken aufspielte! redaktion@fivemag.de

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ie liegen einfach nur da: abwartend und vielversprechend, sogar verführerisch. Glitzernd mit Grün und Silber und einem Bild von ihm: dem Mann, dessen Vorname reicht … Zion Williamson. Drei Packungen „Panini Mosaic“-Basketballkarten. Ah … Basketball-TradingCards. Die meisten Hoops-Junkies haben bestimmt schon davon gehört, auch wenn sie keine Sammler sind. Vielleicht auch, dass vor ein paar Monaten eine Karte von LeBron James für 1,8 Millionen Dollar versteigert wurde. 1,8 Millionen Dollar? Nein, das ist kein Schreibfehler. So viel Geld hat jemand für eine einzige Basketballkarte ausgegeben. Auch wenn das kaum vorstellbar ist, motiviert es zu einer Reise durch die boomende TradingCard-Industrie mitsamt ihrer rasanten Entwicklung in den letzten Jahren. Und vielleicht kann man diese 1,8-MillionenDollar-Summe dann besser nachvollziehen.

Fotos:Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

Von Würsten und Karten

Die ersten Basketballkarten wurden 1948 von der Firma Bowman in den USA produziert. Erst 1957 gab es eine weitere bedeutende Produktion der Firma Topps, die bis dahin lediglich mit Baseballkarten große Beliebtheit genoss. Nach einer dreijährigen Pause folgte Fleer mit einem Set. Zwischen 1961 und 1969 wurde nichts Neues produziert – also zumindest nicht bundesweit in den USA. Eine kleine Hot-Dog-Fabrik in Cincinnati, Ohio jedoch gab jedes Jahr zwischen 1957 und 1965 ein kleines Set von etwa ein Dutzend Karten aus. Die Cards von Kahn’s Wieners zeigten die Spieler des lokalen NBA-Teams Cincinnati Royals – Vorläufer der heutigen Sacramento Kings. Der Gründer dieser Fleischfabrik hieß Elias Kahn, 1882 war er mit Frau und neun Kindern vom deutschen Albersweiler in Richtung Cincinnati aufgebrochen und versprach nicht nur den USA „The Wiener the World Awaited“. Topps kam 1969 wieder zurück ins Basketballgeschäft und produzierte jährlich Karten bis 1981, bevor die Marke wieder vom Basketballmarkt verschwand, um sich auf Baseballkarten zu konzentrieren. Dank Magic Johnson und Larry Bird gewann Basketball Anfang der 1980er an Popularität. Konkurrent Fleer nutzte damals die Gunst der Stunde und kreierte das renommierteste Basketballkartenset aller Zeiten – aber dazu später mehr.

Der erste Boom

Zion Williamson ist das kommende Gesicht der NBA, also zumindest sehen das in den USA viele so … deshalb ist er auf dem Cover der BasketballkartenPacks von Panini abgebildet. Was gibt’s im ersten Pack? Hoffentlich eine ZionRookie-Card – also eine Karte aus seiner Debüt-Saison. Die Rookie Cards von

Spielern sind die wertvollsten. Zion ist allerdings nicht der einzige Top-Rookie, den die Sammler im Jahrgang 2019/20 suchen. Andere begehrte Liganeulinge sind Ja Morant von den Grizzlies, RJ Barrett von den Knicks, Washingtons Rui Hachimura, Chicagos Coby White und Miamis Kendrick Nunn – sie teilen das Cover der Kartenpacks der „Chronicles Collection“ von Panini mit Williamson.

„mir fehlt diese Variation zwischen den vielen Companies. Als ich angefangen habe, hatten wir Topps, Upper Deck, Fleer, Skybox, Press Pass – viele Brands, die viele verschiedene Karten produzierten. Heute haben wir nur Panini.“ Kiki Beslic -----------

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Collectors wollen Rookie Cards, und die Crème de la Crème ist das Fleer-Set von 1986. Der absolute Headliner dieser Serie ist natürlich Michael Jordan, der damals schon zwei Jahre in der Liga war. Aber auch die Hall of Famer Charles Barkley, Clyde Drexler, Joe Dumars, Patrick Ewing, Karl Malone, Chris Mullin, Hakeem Olajuwon, Ralph Sampson, Isiah Thomas und Dominique Wilkins erschienen damals alle zum ersten Mal als Profis auf Karten einer namhaften Firma.

Fleer hatte den NBA-Markt bis 1989 für sich, als die Firma Hoops ebenfalls Karten herzustellen begann. Skybox stieg 1990 ein, gefolgt von Upper Deck 1992, als auch Topps wieder in die Produktion einstieg. Und die Hersteller produzierten mehr als nur eine Marke, zum Beispiel gab es Serien mit den Namen „Finest“, „Ultra“, „Metal Universe“ oder „E-X2000“. Die Stars aus dem 1986er FleerSet katapultierten die Sportart als Dream Team bei den Olympischen Spielen 1992 weltweit nach oben. Dieser Boom spiegelte sich auch bei den Basketballkarten wider. Er führte jedoch zu einer regelrechten Massenproduktion. Mit dem Überangebot von Karten sanken deren Werte drastisch. Der Boom sorgte allerdings auch für Innovationen im Design der Karten. Die Hersteller führten Merkmale ein, die die Cards veränderten und zu dem machten, was heute auf dem Markt zu finden ist.

Exklusiv und teuer

Refractors – reflektierende Karten – kamen beispielsweise 1993 mit „Topps Finest“ auf den Markt. Karten mit Autogrammen wurden viel häufiger produziert sowie limitierte und nummerierte sogenannte Inserts, die eigene kleine Sets innerhalb der Kollektion darstellen. Dazu kamen auch Cards bestückt mit kleinen Teilen von Trikots, die entweder während eines Spiels getragen (gameworn) oder nur einmal von dem Spieler angezogen wurden (player-worn). Diese Autogramme und Patch Cards brachten die Fans wortwörtlich ein Stück näher an ihre Helden heran. Die Hersteller legten Anfang des neuen Jahrtausends mit Karten der Ultraextraklasse nach … wie zum Beispiel Upper Decks „Exquisite Collection 2003/04“. Eine Packung mit fünf Karten kostete beim Release satte 500 Dollar, was schon damals für großes Aufsehen sorgte. Sie beinhaltete allerdings richtige Traumstücke – Karten mit extrem niedriger Auflage sowie Exemplare mit Autogramm und Trikotstück. Genau wie bei den 1986er Fleer-Karten zeichneten sich die Sets der Saison 2003/04 durch Rookies aus, die zu Superstars reiften: LeBron James, Dwyane Wade, Carmelo Anthony und Chris Bosh. Und das bringt uns zur 1,8-MillionenDollar-Karte. Diese Rookie Card von LeBron James war Teil jener auf 23 Exemplare limitierten „Upper Deck Exquisite Collection“ mit Signatur und Trikotstück.

Schritt ins Netz

Fast Forward in die Gegenwart. Ein Pack mit Karten zu öffnen, ist etwas Besonderes. Man freut sich auf das, was drinnen ist. Welche richtig tolle Karte wird hinter dem Antlitz von Zion Williamson zu sehen sein? Die glänzende Verpackung wird vorsichtig auseinandergezogen, vier Karten sind dabei. Eine Besonderheit dieser

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Fotos: Google images

Mosaic-Multipack-Einheit sind Pink Camo Cards – also Karten, die ein rosarotes Hintergrundmuster haben. Man fächert die Karten ganz leicht auf, um zu sehen, ob eine von ihnen eine andere Farbe oder ein anderes Design hat als die anderen – die sogenannten Basecards, also die Karten vom Basis-Set. Mitte und Ende der 90er gab es in Deutschland überall an den Kiosken Basketballkarten zu kaufen. Ein junger Hoops-Fan, der sich Ende der 90er in das Hobby verliebte, war Kiki Beslic aus Langenfeld. Er ging jeden Donnerstag zu einem Trading-Card- und Comic-Shop in Düsseldorf, um Leute zu treffen sowie Karten zu kaufen und zu tauschen. Im Jahr 2000 fand eine große Trading Card Convention in Köln mit 500 bis 600 Leuten statt – unter anderem mit dem 15-jährigen Beslic. In den nächsten zwei Jahren kamen Cards-Fans aus ganz Europa zu Conventions in Deutschland. Auf einmal aber waren die Karten nicht mehr überall zu kaufen, sondern nur noch in Card- und Comic-Shops. Dann kam das Internet, und dies war das Ende der Card-Shows. Das Hobby wurde jetzt online gelebt, und Sammler wie Beslic kamen in dem Internetforum dascardboard.eu virtuell zusammen. Die Kartenjäger und Sammler zeigten dort Cards, die sie auf Ebay erstanden hatten, und machten Onlinetauschgeschäfte. „YouTube und Facebook waren cool. Das Internet hat alles übernommen. Stores und Shops konnten leider nicht mit dem Internet mithalten und mussten schließen“, so Beslic. Ein großer Teil des Hobbys ist für ihn das Treffen mit anderen Collectors und das Austauschen – über die Karten, die Sportart und alles sonst im Leben. Und natürlich das Traden. Beslic entschied 2008, ein kleines Treffen in einem von seiner Familie neu eröffneten Hotel in Langenfeld zu organisieren. Im ersten Jahr kamen zwischen 15 und 20 Leute, 2019 waren es mehr als 200. 2020 fiel die 13. Show in Langenfeld der CoronaPandemie zum Opfer. Diese Card-Shows sind Beslics Versuch, das Hobby in Deutschland und Europa am Leben zu halten. Trading Cards sind am Ende des Tages auch ein Geschäft. Und das zeigt sich auch auf dem Markt. Skybox ist 2000 pleitegegangen und wurde von Fleer gekauft. Fleer wiederum ereilte 2005 das gleiche Los – die Firma wurde von Upper Deck übernommen. 2009 war ein echtes Schicksalsjahr im Kartengeschäft, da Panini den Markt als exklusiver TradingCard-Partner der NBA übernahm. Der italienische Karten- und Sticker-Hersteller bekam 2015 auch die Lizenz für die Produktion von CollegeBasketball-Cards. Damit konnte Panini die NBA-Superstars auch im Jersey ihrer Universitäten darstellen.

Das Panini-Monopol

Eine Zion-Williamson-Karte im Duke-Trikot gibt es in den Packungen der MosaicSets nicht. Mosaic ist nur eine von 36 verschiedenen sogenannten Platforms oder Brands von Panini. Karten von der WNBA und der BIG3-Liga hat Panini 2019/20 ebenfalls produziert. „Mosaic“, „Prizm“, „Donruss“ und „Hoops“ sind die preiswerteren Brands, dagegen haben Collectors schon tausende Euro zum Beispiel für Boxes von „Immaculate Collection“ und „National Treasures“ ausgegeben. Innerhalb dieser Brands gibt es verschiedene Verkaufskonfigurationen: Fatpacks, Multipacks, Blasterboxes, Retailboxes und Hobbyboxes. Panini und die NBA verlängerten zwei Mal ihre Partnerschaft: 2012 und 2017. Vor drei Jahren wurde die Verlängerung des Vertrags allerdings nur als „long-term, multiyear“ bezeichnet. Nicht alle Sammler sind begeistert von Paninis Alleingang im Geschäft. Vor der Bekanntgabe des neuen Deals mit der NBA im Jahr 2017 initiierte die Webseite change.org eine Petition, die NBATrading-Card-Lizenz zwischen mehreren Kartenherstellern aufzuteilen. Die Petition bekam 328 Unterschriften … Ohne Wettbewerb machte Panini weiter mit mehreren Kollektionen und versuchte, die Karten spannender zu gestalten. Laut Beslic ist das nicht ganz gelungen. „Mir fehlt diese Variation zwischen den vielen Companies. Als ich angefangen habe, hatten wir Topps, Upper Deck, Fleer, Skybox, Press Pass – viele Brands, die viele verschiedene Karten produzierten. Heute haben wir nur Panini. Bei den Produkten wiederholen sich sehr oft die Designs, fast eins zu eins. Mir fehlt die Variation“, so Beslic, dessen Bruder Ivan ein bekannter Künstler ist, der zudem für FIVE eine Kolumne schreibt. „Ich bin kein Fan von allen Designs, aber von einigen schon. Gleichzeitig verstehe ich, wenn manche Leute denken: ,Das ist das Hässlichste, was ich je gesehen habe‘“, so Ryan Cracknell, Redakteur der Trading-CardFachzeitschrift „Beckett“. „Es ist so ähnlich wie bei Filmen. Manche mögen platte Komödien oder Action-Filme, und andere stehen auf Romanzen. Karten sind ähnlich.“ Trading Cards sind aber auch kleine Kunstwerke. „Ich liebe die Kunst von Sportkarten. Jede Card ist ein Kunstwerk für sich. Kunst und Karten waren immer eng miteinander verbunden“, so Kristina Thorson, Co-Host des „House of Jordans“Podcasts – wobei es mittlerweile immer mehr gibt, die sich nur mit der TradingCard-Industrie beschäftigen.

Corona und die Karten

Basecard, Basecard … oh, bingo … Basecard, aber Zion! „NBA Debut“ steht oben auf der Karte, unten das Datum „January 22, 2020“. Das „M“ oben rechts

(für „Mosaic“) und oben links das „RC“ (Rookie Card). Okay, es ist nur eine Basecard, aber Williamson ist der TopRookie und ein Must-have für Sammler. Cooler wäre sicherlich eine „Reactive Blue“-Version dieser Karte gewesen – eine sogenannte „Parallel“-Ausgabe, welche wesentlich wertvoller ist. Andere Parallels in der MosaicKollektion sind Silver, Camo Pink, Genesis, Green, Reactive Orange, Red, Blue (limitiert auf 99 Exemplare), Purple (49), Orange Fluorescent (25), White (25), Blue Fluorescent (15), Gold (10), Pink Fluorescent (10) und Black (1). Eine White, Gold oder Black Parallel zu bekommen, ist nicht möglich, weil sie nur exklusiv in der Hobbybox erhältlich sind. Trotzdem ist es eine Zion-Karte – er dribbelt den Ball in seiner rechten Hand und trägt eine rote Uniform seiner Pelicans. Cooles Design hin oder her, die Collectors nehmen alles, was sie bekommen können. Und zwar das ganze Jahr über. Die verschiedenen Sets werden zeitversetzt über die Basketballsaison veröffentlicht. Der übliche NBA-Kalender dauert von Oktober bis Juni – inklusive der Playoffs. Neun Monate heißt 36 Wochen. Panini gab 36 verschiedene Kollektionen in der Saison 2019/20 heraus – jede Woche war ein neues Produkt geplant. 2020 ist natürlich kein normales Jahr mit Covid-19 und der Pandemie. Alle im Hobby fragten sich, was passieren würde. Doch die Trading-Card-Industrie kam nicht mal annähernd zum Erliegen. Im Gegenteil: Das Hobby erlebte einen nie vorhergesehenen Boom – die Preise für die kleinen Kunstwerke schossen in die Höhe. Covid-19 brachte die Sportwelt zum Stillstand. Der Hilferuf nach Spitzensport wurde Ende April mit dem Release des 10-teiligen DokumentarfilmEpos „Last Dance“ über Michael Jordan und die Chicago Bulls von 1997/98 zumindest einigermaßen erhört. Dann wurde am 08. Mai eine „Michael Jordan 1986 Fleer Rookie Card“ für 96.000 Dollar versteigert. Beim selben Auktionshaus Heritage kaufte 19 Tage davor jemand ein anderes Exemplar dieser Karte für einen damaligen Rekordpreis von 51.600 Dollar – eine Steigerung von 86 Prozent in weniger als drei Wochen.

1.110 Mal Doncic

Während des Lockdowns in den eigenen vier Wänden griffen viele frühere Sammler, die das Hobby längst auf Eis gelegt hatten, wieder zu ihren geliebten Karten. Überwältigt von den Erinnerungen, die mit den Cards assoziiert waren, entschieden sich einige, wieder ins Hobby einzusteigen. Viele dieser Leute haben Kinder, die jetzt in dem gleichen Alter sind, in dem sie selbst waren, als sie mit dem Sammeln anfingen. Tausende Collectors hatten mit Trading Cards seit Anfang oder Mitte der 90er nichts mehr zu tun. Und das Hobby ist nicht annähernd dasselbe wie damals.

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cards

Trading

Früher gab es eine Rookie Card von einem Kartenhersteller – wie die Jordan 1986 Fleer. Parallels, Refractors, Autogramme und Trikotstücke gab es einfach nicht. Wenn ein ehemaliger Sammler im Frühjahr 2020 aus dem Trading-CardDornröschenschlaf erwachte und zum Beispiel eine „Luka Doncic Rookie Card“ wollte, musste ein junger Sammler ihn in die Arme nehmen und trösten. Das Angebot ist überwältigend. Thorson von „House of Jordans“ zählt stolze 1.110 Doncic-Rookiekarten. Das heißt nicht 1.110 Exemplare von einer Karte, sondern 1.110 Karten aus verschiedenen Sets – inklusive rote, pinke und weiße Parallels sowie Inserts von Prizm, Mosaic, National Treasures und wie sie alle heißen. „Zu viele, um sie zu zählen, ja. Aber allgemein zu viele? Das glaube ich nicht“, meint Thorson zu der Unsumme an verschiedenen Doncic-Karten. „Ich mag, dass Collectors verschiedene Rookie Cards holen können, die zu ihrer Präferenz und ihrem Budget passen. Unabhängig von deinem Budget gibt es auf dem Markt ein Produkt für dich.“ Wiedereinsteiger müssen verstehen, dass sie nicht alles sammeln können, wie es früher möglich war. Die Produktion mit ihren limitierten Auflagen mancher Karten macht das fast unmöglich. „Man muss aussuchen, was für einen passt, man muss sich auf bestimmte Sachen beschränken. Welche Karten gefallen dir am besten. Man muss es für sich handhabbar machen“, so lautet Cracknells Rat für Neueinsteiger.

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Assets

Zion könnte auf seiner NBA-Debüt-Karte genauso gut einen Ball aus Geld dribbeln. Diese Karte verspricht schon einiges an Wert für den Besitzer, insbesondere wenn sie „gegradet“ wird. Eine „Graded Card“ wird von einem unabhängigen Unternehmen – die bekanntesten sind PSA und Beckett in den USA – untersucht und eingestuft (von 1 bis 10, wobei 10 die bestmögliche Bewertung darstellt). Die Bewertungskriterien dabei sind der Zustand der Ecken, der Ränder, der Oberflächen (vorne sowie hinten) und die Zentrierung des Drucks. Exemplare dieser ZionWilliamson-Karte mit einem PSA-10-Grade verkauften sich im Juli und August 2020 laut PSA 54-mal für 100 Dollar oder mehr – sogar einmal für satte 375 Dollar. Eine mit PSA-9 bewertete Karte brachte immerhin noch 85 Dollar ein. Ohne eine Bewertung von PSA, Beckett oder einer anderen Firma können Verkäufer bei Weitem nicht so hohe Preise erzielen. Begehrte Karten zu finden, wird nicht leichter – auch für Leute, die schon seit Jahrzehnten sammeln. Die nostalgischen Collectors mit Kindern sind nur ein Teil der Einsteiger/Wiedereinsteiger. Sneakerheads überfluten mittlerweile auch die Card-Industrie.

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Cards

Leute, die früher Schuhe geflippt haben – gekaufte Sneakers für viel mehr Geld weiterverkaufen –, entdecken mehr und mehr die Trading Cards. Der große Vorteil von Sammelkarten ist, dass sie in größeren Mengen zu finden sind als Sneakers. Und große Player im Sneaker-Geschäft sind jetzt in das Kartenbusiness eingestiegen. Sole Supremacy beispielsweise gilt als

„Nichts, was ich sehe, schockiert mich. Beim Sammeln geht es auch um Wettbewerb und darum, das Beste der Besten zu haben. Deswegen erzielen diese Highend-Karten im Moment so viel Geld. Ich kann es aber nicht nachvollziehen, weil ich dieses Geld nicht habe.“ Ryan Cracknell -----------

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einer der größten Sneaker-Reseller der Welt. Laut Statistiken von 2015 verdiente Sole Supremacy mehr als drei Millionen Dollar jährlich mit dem Verkauf von seltenen Schuhen. Jetzt verkaufen sie Sportscards online. Eine weitere Gruppe, die das Hobby hochtreibt, sind Investors. Corona mag die Weltwirtschaft lahmgelegt haben, aber Investors haben noch Geld und suchen andere „Langzeit-Assets“. Schon Anfang 2019 berichtete das

Wirtschaftsmagazin „Forbes“ über den Aufstieg von Trading Cards. „Die letzten sechs Monate waren unglaublich. Und die letzten drei Monate waren einfach schockierend“, sagte Ken Goldin am 22. Mai dieses Jahres zu Yahoo Finance. Der Grund ist ziemlich klar für den Geschäftsführer des Auktionshauses Goldin. „Viele reiche Leute haben nichts, wofür sie ihr Geld ausgeben können. Viele von ihnen haben ihr Geld aus dem Portemonnaie gezogen und wollen dafür harte Vermögenswerte.“ Mehr und mehr Webseiten sowie Instagram-Feeds befassen sich mit Sammelkarten. Viele von ihnen schauen aus und lesen sich wie Börsenberichte – mit Namen wie Stockx.com und Card Ladder –, die die Werte von Karten verfolgen wie bei Aktien.

Breakdance

Nach dem Rush mit der Zion-Karte im ersten Pack steigt die Hoffnung auf das nächste Mosaic Pack. Ein Pack zu rippen oder eine Box zu breaken – also aufzumachen –, ist eine seltsame Mischung aus Aufregung, Spannung, Gier und Nostalgie. Zugleich ist es wie Glücksspiel oder Lotto. Man könnte vielleicht eine limitierte Karte ziehen, die tausende Dollar wert ist. Wenn dann auch noch Corona ins Spiel kommt, empfinden viele Collectors das Boxbreaking als richtiges Entertainment. Es gibt tausende Videos auf YouTube von Leuten, die sich beim Öffnen der Packs selbst filmen. Breakers entwickeln sogar ihren eigenen Stil, die Karten zu zeigen und zu beschreiben. Manche lassen die Zuschauer jede Karte sehen, andere zeigen nur die wertvollen Cards. Wenn ein echtes Traumstück gezogen wird, lassen die Breakers auch ihre Begeisterung raus. Es wird allgemein schwieriger – und teurer –, an Boxes und Packs zu kommen. Die Produkte auf der PaniniDeutschland-Webseite sind meist schon als Vorbestellung ausverkauft. Dealer, die die Produkte doch bekommen haben, verkaufen dann die Blasterboxes, Hobbyboxes oder sogar einzelne Packs zu hohen Preisen auf Ebay. Collectors können aber auch anders an Karten kommen – durch sogenannte Group Breaks, die meist über YouTube gestreamt werden. Eine Hobbybox der „Select Collection“ kostet zum Beispiel 350 Dollar, und ein Breaker bietet 30 Plätze in einem Group Break für jeweils 25 Dollar an. Die 30 Plätze entsprechen den 30 NBA-Teams, und die Teams werden oft randomisiert an die teilhabenden Collectors vergeben. Alle Karten von Spielern der jeweiligen Mannschaft gehen an den entsprechenden Collector. Die Select Hobbybox beinhaltet nur 60 Karten, was bedeutet, dass man bei einem Group Break ganz leer ausgehen kann. Oder man hat riesiges Glück und bekommt die New


Orleans Pelicans zugeteilt, und der Breaker zieht eine „Zion Williamson Rookie Jersey Autograph Card“ – die Mitte August für 2.000 Dollar versteigert wurde. Group Breaks haben eine echte Community oder sogar ein Sportsbar-Gefühl entwickelt, egal ob man selbst ein Team im Spiel hat oder das Ganze nur anschaut. Was man allerdings nicht bei einem Select Collection Group Break erwarten kann, ist ein LeBron-JamesAutogramm. Der Grund ist ein persönlicher Vertrag des „King“. Etwa einen Monat vor der NBA-Draft 2003 unterschrieb James einen Fünfjahresvertrag mit Upper Deck, die Firma bekam die Exklusivrechte auf alle LeBron-James-Memorabilia – unter anderem sein Autogramm. Der Deal mit Upper Deck wurde verlängert, und somit darf Panini nach wie vor keine Karten mit einer LeBron-Unterschrift produzieren.

1,8 Millionen

Das bringt uns zurück zu der 1,8 MillionenDollar-LeBron-Karte. Collectors suchen Rookie Cards von Spielern sowie Karten mit Autogrammen. Cards aus James’ erster Saison sind auch zu bezahlbaren Preisen zu haben. Aber Karten mit seiner Unterschrift kommen nicht mehr in Umlauf. Nur 23 Exemplare der „LeBron 2003 Exquisite Collection Rookie Parallel“ wurden produziert, die verkaufte Version war mit „14/23“ nummeriert. Ursprünglich erschien sie in einem Pack für 125 Dollar. Bewertet war die Karte mit einer 9,5 „Gem Mint“ aus einem möglichen 10-Grade von

Beckett Grading Service, der sehr selten eine perfekte Bewertung von 10 vergibt. Leore Avidar bot 1,845 Millionen Dollar bei Goldin Auctions für die Karte, die den Rekord für eine moderne Sportkarte brach. Richtig erstaunt war Experte Cracknell über die 1,8-Millionen-DollarSumme nicht. „Nichts, was ich sehe, schockiert mich. Beim Sammeln geht es auch um Wettbewerb und darum, das Beste der Besten zu haben. Deswegen erzielen diese Highend-Karten im Moment so viel Geld. Ich kann es aber nicht nachvollziehen, weil ich dieses Geld nicht habe“, so Cracknell. „Ich vergleiche es mit einem Haus. Warum sollte ich böse sein, wenn jemand zehn Millionen Dollar für ein Haus zahlt? Ich werde nicht eifersüchtig auf ihn. Wenn er sein Geld so ausgeben will, dann ist das okay.“ Kiki Beslic kennt sich mit teuren Karten aus. Er ist einer der bekanntesten Sammler im Geschäft und besitzt eine der größten Kobe-Bryant-Sammlungen der Welt. Er war allerdings verwundert, dass jemand 1,8 Millionen Dollar für diese LeBron-James-Karte bezahlt hat. „Eine Karte, die es 23 Mal gibt, für diesen Preis … das war crazy. Das macht nicht viel Sinn. 23 Mal ist wenig, aber trotzdem … das, was es ausmachte, war der Top-Grade: BGS 9,5. Aber es ist auch nicht das einzige Exemplar dieser Karte mit diesem Grade. Ich war überrascht, dass es so hoch ging. Aber wenn es zwei Leute gibt, die sie haben wollen, dann spielt der Preis keine Rolle mehr“, sagt Beslic.

Aufgrund der explodierenden Preise für Rookie Cards wie die von LeBron James konzentrieren sich viele Sammler schon jetzt auf die Debüt-Karten von anderen NBA-Stars. Jayson Tatum, Kawhi Leonard, Steph Curry, Kevin Durant, Anthony Davis und Giannis Antetokounmpo sowie Superstars, die bis vor Kurzem noch gespielt haben (à la Kobe Bryant, Kevin Garnett, Shaquille O’Neal oder Tim Duncan), sind begehrt. Im letzten Mosaic Pack gibt es eine richtig schöne Karte: Giannis Antetokounmpo im Anzug, und er trägt seine MVP-Trophäe. Oben auf der Karte steht „MVPs“, das Hintergrundmuster ist kariert und glänzt – also eine Mosaic Silver, die schon zwei Mal mit einer PSA10-Bewertung für mehr als 450 Dollar versteigert wurde. Giannis überraschte BasketballFans und Trading-Card-Collectors im Juni 2020 gleichermaßen, als er ein TikTok-Video veröffentlichte, in dem er seine Kartensammlung zeigt: Dutzende Trading Cards von sich selbst. Als der Verkauf der LeBron-James-Karte auf Instagram bekannt wurde, kommentierte der „King“ höchstpersönlich: „Ratet mal, wer noch ein paar Exemplare genau dieser Karte hat …“ Das lässt die Frage offen, ob auch Zion Williamson Karten sammelt. Eins ist sicher: Zion ist das „shiny new toy“ im Trading-Card-Geschäft – und das passt zu dem Glanz der Packs. redaktion@fivemag.de

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bbl-taktik

Berlins

System

unter

Aito

BERLINS SYSTEM UNTER AITO In diesem Jahr fand der so ansehnliche Basketball von ALBA Berlin unter der Trainerlegende Aito Garcia Reneses endlich auch seinen Erfolg in Form von Titeln. Was zeichnet die Offensive der Albatrosse aus? Was macht die Defense so einzigartig? Text: Manuel Baraniak

I

ch glaube, er hat heute Morgen wieder ein Vogelfoto gepostet. Er macht genau, was er will“, so beantwortete Niels Giffey wenige Minuten nach dem Meistertitel 2020 die Frage von MagentaSport, ob Aito Garcia Reneses auf den Trainerstuhl von ALBA Berlin zurückkehren würde. Damit schnitt Berlins Kapitän zum einen die Freiheiten an, die die Trainerlegende in Berlin genießt: Bei den Albatrossen würde man den 73-Jährigen zu keiner schnellen Entscheidung zwingen. Auf eine Mandarinente am Tag des zweiten Finalspiels gegen Ludwigsburg folgten in den nächsten Tagen weitere Naturfotos auf Aitos Instagram-Account. Dies deutet zum anderen die Philosophie der Trainerlegende an: Der Spanier bewegt sein Team wie Kollegen gleichermaßen, über den Korbrand hinauszublicken. Da passt es, dass es Aito mehr um die Entwicklung als um die bloße Frage nach Sieg oder Niederlage geht. Dieses prozess- statt ergebnisorientierte Denken konnte in den vergangenen drei Jahren ganz genau beobachtet werden. Bei den Albatrossen wurden und werden Nachwuchsspieler wie Franz Wagner oder Jonas Mattisseck frühzeitig mit Einsatzzeit und Verantwortung bedacht. Fortschritte machte das Team stets in einer Spielzeit, was beispielsweise die EuroleagueSaison 2019/20 gezeigt hat. Lange Zeit blieb den Berlinern ein Titel verwehrt. Nach fünf Endspielniederlagen war der Prozess im Jahr 2020 aber in gewisser Hinsicht zu Ende geführt: in Form des Pokaltitels und der Meisterschaft. Grund genug also, das System von Aito bei ALBA Berlin einmal genauer zu beleuchten.

Fotos:Patrick Albertini/Euroleague Basketball via Getty Images

Flexible Verteidigung Die „Box-and-One”-Defense war bis vor einem Jahr im Diskurs des postmodernen Basketballs nicht mehr als eine Randnotiz. Dann kam Nick Nurse und packte diese besondere Verteidigungsstrategie in den NBA-Finals 2019 gegen die Golden State Warriors aus. Doch nicht nur die Toronto Raptors sorgten bei ihrem Titellauf für taktisches Aufsehen, auch ALBA Berlin. Im BBL-Pokalendspiel dieses Jahres gegen Oldenburg ließ auch Aito nach der Halbzeitpause derart verteidigen. Während sich Nachwuchs-Guard Jonas Mattisseck der BBL-Legende Rickey Paulding in der Mannverteidigung annahm, verteidigte der Rest in einer 2-2-Zone. Die Folge? Paulding nahm im dritten Viertel nur einen Wurf, Oldenburg erzielte nur acht Zähler, und die Berliner

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hatten aus einem Drei-Punkte-Rückstand eine 14-Zähler-Führung gemacht. Der erste Titel in der Aito-Ära war nur noch Formsache. Auch bei den Euroleague-Erfolgen gegen Mailand, Panathinaikos und Zalgiris spielte die „Box-and-One“ eine zentrale Rolle. Dennoch hat Aito diese bisher nur punktuell eingesetzt. Derweil gibt es Prinzipien, die schon seit Längerem und konstant bei den Berlinern zu beobachten sind: So verteidigen sie das gegnerische Pick-and-Roll sehr aggressiv. Nicht per Switch, aber per Hedge-and-Recover. Als Besonderheit schicken die Berliner oftmals einen dritten Verteidiger in das Pick-and-Roll des Gegners. Dann rotiert der Verteidiger vom Weakside-Flügel in die Mitte, um zusätzlichen Druck auf den Ballhandler auszuüben („Next“ im Fachjargon). Für gewöhnlich gelten die MHP RIESEN Ludwigsburg unter Headcoach John Patrick als das Team, das sich über eine Full-Court-Defense definiert. Als sich Berlin und Ludwigsburg beim BBL-Finalturnier in der Gruppenphase gegenüberstanden, waren es die Berliner, die mit einer Ganzfeldpresse Patricks Team den Rhythmus nahmen. Hier und da präsentieren sich die Berliner auch dann aggressiv, wenn es der Gegner über die Mittellinie geschafft hat – und ein zweiter Verteidiger blitzartig zum Aufbauspieler nach vorne sprintet. „Run-andJump“ nennt sich dieses Prinzip. Gerne doppeln die Berliner auch mal das gegnerische Postup – dann aber nicht etwa von der Weakside über die Grundlinie, sondern über die Strongside von oben. Auch das spricht für Aggressivität, aber eben auch für Risiko. Dies hat sich in Berlin bezahlt gemacht und zeigt, dass keine Mannschaft in der BBL, ja vielleicht sogar in der Euroleague flexibler verteidigt. Oder wie Niels Giffey sagt: „Die Kreativität von Aito ist schon besonders – und das hört eben nicht bei der Offensive auf, sondern zeigt sich auch in der Defensive. Man merkt hier einfach sein Basketballwissen, wie viel Basketball er in seinem Leben schon gesehen hat.“

Ein Hauch von Golden State Mit dieser Kreativität hat Aito in gewisser Hinsicht auch offensiv für eine Zäsur in der BBL gesorgt. Denn wo das Pick-and-Roll als Hauptelement einer jeden Offensive nicht mehr wegzudenken ist, suchen die Berliner verhältnismäßig selten den direkten Abschluss aus dem Blocken-und-Abrollen. So entfielen beim BBL-Finalturnier gerade mal 13,4 Prozent der Offensivaktionen auf einen

Abschluss des Ballführers oder Abrollers im Pick-and-Roll! Stattdessen forcieren die Berliner wie kein anderes Team den Abschluss nach indirekten Blöcken. Oftmals genügt nur ein einziger Pin-Down, und ein Flügelspieler nimmt von außen Maß. Denn in Aitos Playbook sind verhältnismäßig wenig direkt vorgegebene Spielzüge enthalten. Vielmehr geht es um ein „Read-and-React“ (lesen und reagieren), Aito entwickelt seine Spieler zu selbst denkenden statt nur ausführenden Basketballern. Die Offensive Berlins ist auch deshalb so ansehnlich, weil die Albatrosse schnell über das Hartholz fliegen und selten das Eins-gegen-eins suchen. Vergleiche mit den Golden State Warriors unter Coach Steve Kerr? Sind offensichtlich. Schließlich haben auch die Berliner einen Spielmacher auf der Power-Forward-Position: Luke Sikma. Dessen Spiel lässt sich durchaus mit „Hirn und Hintern“ beschreiben: Wenn Sikma den Ball am Highpost erhält, dreht er sich nach dem Cut seines Mitspielers und blockt so mit seinem Hintern den Verteidiger des Cutters. Daraus lässt Sikma nicht selten Pässe zwischen die Beine seines Verteidigers folgen. Ein weiteres Herausstellungsmerkmal? Der Bodenpass hinter dem Rücken. Diesen bringt Sikma gerne aus einem Einwurfspielzug Berlins von der Seitenauslinie an (siehe Spielzug rechts). In einer ersten Option soll der Einwerfer nach einem indirekten Block – wie sollte es anders sein – direkt am Ring für einen Layup freigespielt werden. Solche Cross-Screens sowie „Screen the Screener“-Elemente sieht man in der Berliner „Flex Offense“ häufiger. In einer zweiten Option kann der blockstellende Big Man in tiefer Position den Abschluss forcieren. Hier kann man derweil einen Unterschied zwischen Berlin und Golden State ausmachen. Denn über die Jahre haben die Berliner unter Aito immer mehr das Postup gesucht – eigentlich ein fast ausgestorbenes Element im modernen Basketball. Doch wenn eine Trainerlegende wie Aito dieses wieder aufleben lässt, dann muss man das ganz genau beobachten. Denn auch Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath weiß: „Es gibt ja immer gewisse Trends. Und momentan ist nicht von der Hand zu weisen, dass es ein Trend ist, nach Spanien zu schauen. Das hat sicherlich etwas mit dem Einfluss von Aito bei ALBA Berlin zu tun.“ redaktion@fivemag.de


spielzug A

1 5 2 4

3

Peyton Siva (1) startet am Zonenrand, erhält von Johannes Thiemann (5) und Luke Sikma (4) einen Pin-Down und wird an der Birne vom Einwerfer Simone Fontecchio (3) angespielt.

Depth Chart 2020/ 2021 Pos. Spieler

PG

Peyton Siva

Jayson Granger

SG

Marcus Eriksson

Maodo Lo

Jonas Mattisseck

SF

Simone Fontecchio

Louis Olinde

PF

Luke Sikma

Niels Giffey

C

Johannes Thiemann

Ben Lammers

Kresimir Nikic

Mit den Neuzugängen Lo und Olinde kann Berlin unter den BBL-Teams die beste deutsche Fünf aufs Feld schicken. Fragezeichen stehen allerdings hinter dem Frontcourt: Die Abgänge von Giedraitis und Nnoko wiegen schwer. Fontecchio machte unter den Neuen zu Saisonbeginn noch den besten Eindruck.

Spieler im Fokus:

Peyton Siva Mit einem Lachen trabt Peyton Siva in die Verteidigung zurück. Im Playoff-Halbfinal-Hinspiel dieses Jahres gegen Oldenburg hat er soeben aus dem Schnellangriff einen Dreier zur Zwölf-PunkteFührung eingenetzt. Nathan Boothe kommt bei seinem Closeout zu spät. Was immer der Oldenburger Big Man danach zu Siva sagt, der Berliner hat dafür nur ein Lachen parat. Diese Szene beim Finalturnier in München darf nicht nur als Ausdruck von Sivas Spielfreude herhalten, sie illustriert auch, wie sehr der Point Guard ein Spiel an sich ziehen kann. Zwölf seiner letztlich 19 Punkte erzielt Siva im zweiten Viertel, die Berliner legen in jenem Durchgang den Grundstein für einen Blowout-Erfolg. So sehr die Berliner in der Aito-Ära auch mit Mannschaftsspiel und wenigen Isolationen überzeugen – in manchen Finalspielen zwängt sich die Frage auf, ob die Albatrosse nicht doch mal diesen einen Einsgegen-eins-Scorer bräuchten. Dass Siva in diese Rolle schlüpfen kann, beweist er im Finalturnier: Unglaublich starke 1,21 Punkte erzielt er im Audi Dome pro Possession aus dem Eins-gegeneins – der zweiteffizienteste Wert hinter dem damaligen Bamberger Guard Jordan Crawford.

PLAY-TYPE isolation P&R Ballhandler transition spotup handoff Summe

Eine Stärke ist immer noch Sivas Schnelligkeit. Gekonnt stoppt der Guard bei seinen Drives ab, um sich Platz für einen Wurf aus der Mitteldistanz zu verschaffen. Auch seine StepbackBewegungen hat er verbessert, um eine Gefahr von Downtown darzustellen. Überhaupt hat es Siva in seinen nunmehr vier Jahren in Berlin verstanden, das Spiel noch besser zu lesen. „Aito nennt das ,nicht in den Swimmingpool tauchen‘. Ich versuche deshalb, an meinem Passspiel zu arbeiten und das Spiel noch besser zu kontrollieren“, beschrieb Siva in einem Interview mit basketball.de, dass er seine früher oft sehr waghalsigen Drives besser dosieren müsse. Denn sein Körper wusste gegnerischen Kontakt nicht immer so gut zu verkraften. Im Trikot Berlins hat der 29-Jährige über ein Viertel seiner Pflichtspiele verpasst. Derweil lässt sich konstatieren, dass Siva das Spiel sehr wohl besser kontrolliert. Die vergangene abge- bzw. unterbrochene Saison einmal ausgenommen, hat der Spielmacher kontinuierlich seine AssistPercentage gesteigert und seine Turnover-Percentage reduziert. Sollte Siva also doch mal in den Pool eintauchen, so taucht er eben gleich wieder auf.

FREQ% PPP FG% FT FREQ% TO FREQ% 31,2 1,21 54,5 10,3 17,2 28,0 0,62 26,1 0,0 11,5 12,9 1,08 55,5 8,3 16,7 12,9 1,17 40,0 16,7 8,3 6,5 2,33 83,3 0,0 0,0 100,0 1,08 47,9 6,5 17,2

2

B 5

3 4 1

Sikma macht einen Schritt nach außen und erhält von Siva den Ball. Fontecchio orientiert sich nach seinem Einwurf Richtung Ecke, Thiemann rotiert zum anderen Zonenrand.

5

3

C1

2

1 4

Fontecchio cuttet nun die Baseline entlang, nutzt einen Cross-Screen von Thiemann und wird in einer ersten Option von Sikma nah am Ring bedient. Fontecchio kann den Block dabei auch obenherum nutzen.

3

C2

5

2

1 4

Die Play-Type-Stats für Peyton Siva beim BBL-Final-Turnier 2020. Legende: Freq% – Prozentsatz der Abschlussart an allen Abschlüssen des Spielers, PPP – Punkte pro Abschluss, FG% – Feldwurfquote, FT Freq% – Wie häufig zieht der Spieler Freiwürfe, TO Freq% – Wie häufig produziert der Spieler einen Ballverlust; Daten: Manuel Baraniak

Ist das Anspiel auf Fontecchio nicht möglich, versucht Sikma, Thiemann für ein Postup anzuspielen. Thiemann hat nach seinem Cross-Screen im Idealfall per Seal seines Gegenspielers tief in der Zone Position bezogen.

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BBL

BBL-Saisonvorschau

2020/21

ZURÜCK IN DIE BLASE? #wirsindbereit – so lautet der mutige Saison-Slogan der BBL. Selten warf eine Spielzeit vor Beginn so viele Fragen auf wie die aktuelle. Nicht nur, aber vor allem wegen Corona. FÜNF sucht nach Antworten auf die wichtigsten Fragen

Fotos: TF-Images/Guido Bergmann/Bundesregierung via Getty Images

zum Saisonstart. Text: Peter Bieg

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WIE SCHLÄGT SICH CHEMNITZ?

GIBT ES EINEN PLAN B? Mit dem BBL-Finalturnier 2020 gelang den Liga-Verantwortlichen ein echter Coup. Ohne Panne, ohne bekannte Corona-Infektion und ohne Zuschauer stellte die BBL mit Mut und Verstand eine rundum gelungene Veranstaltung in München auf die Beine, welche äußerst positives Feedback erhielt. Dennoch war das Finalturnier eine Notlösung – eine „hoffentlich einmalige“ Notlösung, wie alle Beteiligten schon während der Wochen von München betonten. Sollte die zweite Corona-Welle im Herbst und Winter 2020/21 noch heftiger ausfallen als der erste Ausbruch der Pandemie, führt dennoch wohl kein Weg an einer zweiten Bubble vorbei. „Flexibilität wird wichtig sein“, sagt BBL-Geschäftsführer Dr. Stefan Holz in Bezug auf Corona-Fälle bei einzelnen

Teams und betont die Bereitschaft der Liga zu Spielverlegungen. Und genau die wurde nach einem Positivtest bei ALBA Berlin früh gebraucht. Sicherlich, lokale „Hotspots“, wo das Virus nur kurz und heftig wütet, könnten durch Spielverlegungen räumlicher oder zeitlicher Natur kompensiert werden. Auch eine zweiwöchige Saisonpause ist theoretisch denkbar. Aber kehrt Corona mit voller Wucht zurück, sind die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gefahren durch Basketballspiele nicht vertretbar. Dann ist eine zweite BBLBubble unausweichlich. Dass die Verantwortlichen hinter verschlossenen Türen über solche Szenarien längst beraten, ist kein Geheimnis und nicht mehr als vernünftig. Dennoch, so betont Holz, plane die BBL eine reguläre Saison mit anschließenden Playoffs im Best-ofFive-Modus.

„Wir sind Abstiegskandidat Nummer eins.“ Das trockene Statement von Manager Steffen Herholt bringt es auf den Punkt. Der spektakulärste Neuzugang im Kader der NINERS ist Jung-Center Filip Stanic (22 Jahre), der aus Oldenburg kam – wo er die Rotation nicht dauerhaft knacken konnte. Das ist bezeichnend, finden sich in der Mannschaft von Headcoach Rodrigo Pastore doch fast ausschließlich Akteure, die noch nie in der BBL überzeugen konnten. Wenn das ewige Talent Jan Niklas Wimberg und der limitierte Luis Figge zu den bundesligaerfahrensten Spielern gehören, hat das eine gewisse Aussagekraft und ist zugleich ein Warnsignal. Gewarnt sein sollten alle gegnerischen Fans – sofern sie denn in die Hallen dürfen – auch vor Coach Pastore. Dieser machte sich in der ProA mit einem unterkühlt-arroganten Auftreten nur bedingt Freunde. Sollte der Spanier auch in der BBL diesen Habitus nicht ablegen, erwarten ihn Pfeifkonzerte, Pöbeleien und das eine oder andere Technische Foul. Oder zumindest Flüche und geballte Fäuste vor zahlreichen Livestream-fähigen Endgeräten … Auch nicht zu unterschätzen ist, dass Chemnitz der Verzicht auf die gewohnte Anzahl an Fans besonders hart treffen könnte. Die Leistungen des Teams in den vergangenen Spielzeiten inklusive des nun realisierten BBL-Aufstiegs haben eine Euphorie entfacht. Diese droht jetzt zu verpuffen, wie auch Kapitän Malte Ziegenhagen befürchtet. „Das ist eine Schwächung für uns“, sagte er in Bezug auf die Zuschauerbeschränkungen.

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BBL

BBL-Saisonvorschau

2020/21

WANN KOMMT JOSHIKO SAIBOU ZURÜCK? Nach seiner fristlosen Entlassung aufgrund von „Verstößen gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsvertrages als Profisportler“ durch die Telekom Baskets Bonn war Saibou bei Redaktionsschluss noch ohne neuen Arbeitgeber. Stattdessen stritt er mit den Baskets vor Gericht über seine Kündigung. Der Nationalspieler, der ohne Mund-Nasen-Bedeckung an AntiCorona-Veranstaltungen teilgenommen und auch in den sozialen Netzwerken für viel Aufregung gesorgt hatte, ist bis auf Weiteres ein gebranntes Kind. Kein Klub möchte sich mit seiner Verpflichtung Negativschlagzeilen und ein etwaiges Gesundheitsrisiko einhandeln. „Ich will mündige Spieler“, betonte ALBA-Manager Marco Baldi im Oktober zum Fall Saibou. Das heißt allerdings nicht, dass Berlin Saibou zurückholen wird. Der Combo Guard könnte mit seiner Erfahrung und dem deutschen Pass eher für einen kleineren Klub in Abstiegsnöten interessant werden. Allerdings erst, wenn weiter Gras über seine teils wirren Auftritte als Kämpfer für die Meinungsfreiheit gewachsen ist. Sein Marktwert ist aktuell niedriger denn je.

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WANN KRACHT ES BEI DEN BAYERN? Ein Jurist würde sagen: Das kommt darauf an. Und zwar zunächst darauf, ob der Saisonstart gelingt. Das Auftaktprogramm in der Euroleague hat es in sich: Zwar dürfen die Münchner bis zum Jahreswechsel neun von 17 Partien in eigener Halle bestreiten. Aber insbesondere auswärts kommt es knüppelhart, der FCBB geht in kaum eine Partie als Favorit. Und im Audi Dome gastieren bis Januar solche Hochkaräter wie zum Beispiel Valencia, Olympiakos, ZSKA und Baskonia. In der BBL sieht die Sache anders aus. Zumeist sind die Bayern klar favorisiert, müssen aber auch von Spiel zu Spiel neu über den Kader diskutieren. Denn in diesem befinden sich neun Ausländer, maximal sechs davon darf Headcoach Trinchieri pro Begegnung einsetzen. Unzufriedenheit und Diskussionen sind hier vorprogrammiert, unabhängig von den Spielergebnissen. Ein früher Pokalsieg könnte hingegen (Selbst-)Vertrauen schaffen. Stichwort Trinchieri: Der neue Headcoach ist der hochbezahlte

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(angeblich eine Million Euro Jahresgehalt) Wunschkandidat der Bayern-Obersten, also von Ex-Präsident Uli Hoeneß und Neu-Präsident Herbert Hainer. Weder Sportdirektor Daniele Baiesi, mit dem sich Trinchieri in Bamberg einst spektakulär überwarf, noch Geschäftsführer Marko Pesic sollen große Freunde des extrovertierten Neuzugangs sein. Seit dem blutleeren Auftritt der Bayern beim Finalturnier 2020 ist es insgesamt still geworden um Pesic, der intern angezählt sein dürfte und sich öffentlich seither auffällig unauffällig gibt. Eine groß angekündigte Pressekonferenz zur Vorstellung Trinchieris geriet zu einer regelrechten Farce, da weder Baiesi noch Pesic

glaubhaft Begeisterung oder Angriffslust demonstrieren konnten. Reicht es für München nur zu einem Stotterstart, könnte etwas in der bayerischen Landeshauptstadt schnell zu dampfen beginnen, und damit ist an dieser Stelle nicht der Leberkäse gemeint. Die neue Riesenarena im Olympiapark entwickeln Hoeneß und Co. nicht, um im Eurocup und in der BBL um die Playoff-Plätze mitzuspielen … Auch die Vibes zwischen dem anspruchsvollen Trinchieri und dem häufig phlegmatischen Paul Zipser schienen von Anfang an nicht die besten zu sein. Der Bayern-Kader hat Potenzial. Die Bayern-Konstellation birgt trotzdem einiges an Konfliktpotenzial.


WAS MACHEN DIE HAMBURG TOWERS? Sie gehen als Geheimfavorit (auf einen Playoff-Platz) in die Saison. Unter NeuTrainer Pedro Calles (zuvor sehr erfolgreich in Vechta) und mit spannenden Neuverpflichtungen (etwa Hans Brase aus Ludwigsburg, Terry Allen aus Göttingen und Kameron Taylor aus Bamberg) sollte einiges gehen. Calles steht für aggressive Verteidigung und innovatives Offensivspiel und könnte in Hamburg die nächste Stufe der Entwicklung einleiten.

WER KÄMPFT NOCH GEGEN DEN ABSTIEG? Kandidaten für die ProA sind neben Chemnitz insbesondere Würzburg, Crailsheim und der MBC. Ein Blick auf den Würzburger Kader offenbart, wie viel kleiner die Brötchen sind, welche in Franken 2020/21 gebacken werden. Kein Wunder, wenn Namenssponsor s.Oliver zuhauf Mitarbeiter entlassen und um den Fortbestand fürchten muss. Wells, Fischer, Richter, Bowlin, Hulls – alle Leistungsträger der vergangenen Saison sind weg. Bis auf den Ex-Oldenburger Justin Sears kamen weitgehend No-Names an den Main. Headcoach Denis Wucherer wird nichts anderes übrig bleiben, als oftmals aus der Not heraus auf die Jugend zu setzen: Für Joshua Obiesie, Nils Hassfurther und Basketball-Deutschland sind das durchaus gute Nachrichten, aber für wie viele Siege das reicht, bleibt abzuwarten. Bis auf Kämpfer Felix Hoffmann ist kein Spieler der Baskets 30 Jahre oder älter. Erfahrung und Qualität sind Mangelware. Im Unterschied zu den Würzburgern ist der MBC ein DauerAbstiegskandidat, daran ändert auch Namenssponsor Syntainics nichts. Die Anzahl der Abgänge ist lang und – für mitteldeutsche Verhältnisse – prominent. Von charakterlichen Schwächen einmal abgesehen, war Jovan Novak sicherlich einer der talentiertesten Wölfe-Spieler aller Zeiten. Auch die Abgänge von Strahinja Micovic, Tremmell Darden, Joey Dorsey und Andrew Warren hinterlassen Lücken. Lücken, welche mit gutem Scouting oder einem großen Budget

sicherlich zu stopfen wären, bloß scheint beim MBC gleich beides nicht vorhanden. Headcoach sowie Hoffnungsund Sympathieträger Silvano Poropat wird versuchen, mit einer weitgehend BBL-unerfahrenen Truppe über den Kampf genügend Siege für den Klassenerhalt zu sammeln. Nachverpflichtungen sind schon jetzt sehr wahrscheinlich. Crailsheim hat eine Bombensaison hinter sich, bis zum Ausbruch der Pandemie war die Stimmung in Schwaben entsprechend rosarot. Das schwache Abschneiden beim BBL-Finalturnier konnte daran noch nicht so viel ändern. Ein Blick auf den neuen Kader sollte aber bei allen objektiven Betrachtern für Ernüchterung sorgen: Sebastian Herrera spielt nach seinem kometenhaften Aufstieg nun bei den EWE Baskets Oldenburg, die Nordamerikaner DeWayne Russell, Jeremy Morgan und Aaron Jones verabschiedeten sich allesamt nach Südeuropa. Auch Topscorer Javontae Hawkins ist weg. Er sollte Ludwigsburg weiterbringen, verletzte sich aber in der Saisonvorbereitung am Kreuzband. Für ihre Neuzugänge erhalten die Merlins zumindest Kreativitätspunkte vorab: Aus Österreich, Finnland sowie Dänemark und Israel verpflichtete das Team von Headcoach Tuomas Iisalo neue Spieler, dazu Radii Caisin aus Ludwigsburg. Alles schön und gut, aber einen neuerlichen Crailsheimer PlayoffRun sollte ohne Herrera und die abgewanderten US-Amerikaner bis auf Weiteres niemand erwarten.

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WER IST ALS ERSTES ZAHLUNGSUNFÄHIG? „Wir sind gesund. Die Klubs sind gesund“, sagte dazu BBL-Geschäftsführer Holz beim Meeting zum Saisonauftakt – um drei Sätze später nach Staatshilfen zu rufen, um „die Klubs über den Winter zu bringen“. Die Ausgangslage ist widersprüchlich. DOSB-Präsident Alfons Hörmann erklärte dazu etwa in der „Sport Bild“: „Für die Lizenzierung in den Top-Ligen im Eishockey, Handball, Volleyball, Basketball und Fußball müssen die Vereine knallharte Verfahren durchlaufen, was auch richtig ist. Sie müssen nachweisen, dass sie keine Verluste machen, dass sie in jeder Hinsicht wirtschaftlich gut aufgestellt und existenzgesichert sind.“ Das Lizenzierungsverfahren haben laut Holz alle BBL-Klubs erfolgreich durchlaufen, wenngleich der ursprünglich vorgesehene Mindestetat von 3,0 Millionen Euro aufgrund der erschwerten Bedingungen ausgesetzt wurde. Um jedoch Anspruch auf die bis zu 800.000 Euro staatliche Soforthilfe zu haben, müssen die Vereine nicht nur jede Menge Papierkram erledigen, sondern ein völlig anderes Bild zeichnen. Dazu DOSB-Präsident Hörmann: „Dort müssen die Vereine dokumentieren, dass sie existenzbedroht sind, keine Rücklagen und keine Kredite von anderer Seite in Anspruch genommen haben.“ 200 Millionen Euro ist das Nothilfe-Programm für den Sport schwer, welches die Bundesregierung auf die Beine gestellt hat. Die beschlossene

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Nothilfe sieht vor, dass die in den Monaten April bis Dezember 2020 ausgebliebenen Ticketing-Einnahmen zu 80 Prozent erstattet werden. Die Höhe der Zuschüsse orientiert sich dabei an den Ticketverkäufen des Vorjahres. Maximal kann ein Klub damit eine Zuwendung von 800.000 Euro erhalten, wenn er zuletzt mehr als eine Million an Zuschauereinnahmen vorweisen konnte. „Die überwiegende Mehrheit der Klubs“, so Holz, werde die Anträge auf Soforthilfe einreichen. Welcher Mannschaft zuerst die finanzielle Puste ausgehen könnte, lässt sich ohne Einblick in die Bücher nicht seriös prognostizieren. Sicher ist nur, dass es nicht lange dauern kann, sollte sich das Infektionsgeschehen nicht bald abschwächen. „Das wird ein harter Winter“, sagte Holz bereits Mitte Oktober und stellte klar: „Am Ende brauchen wir die Zuschauer.“ Auch die Entwicklung der Etats macht deutlich, dass gespart wird: Vor Ausbruch der Pandemie und mit einer aus 17 Mannschaften bestehenden BBL hatten die Klubs für die Saison 2019/20 mit insgesamt 130 Millionen Euro geplant. Die Planungen für 2020/21 gehen nur noch von 100 Millionen Euro aus – verteilt auf nun 18 Mannschaften. „Das ist eine BBL auf dem Niveau von vor fünf, sechs Jahren“, so Holz. Sichtbar wird das nicht zuletzt bei den Spielerverpflichtungen, wo kein Klub größere finanzielle Risiken einging. Die Ausnahmesituation von unbekannter Dauer ist für viele Klubs mittelfristig ebenso existenzbedrohend,

wie sie dennoch kurzfristig sehr heterogen ist. Das fängt mit der Frage an, wo ein Team beheimatet ist, welche Einschränkungen dort jeweils gelten, welche Hilfen und Fördertöpfe zur Verfügung stehen. „Wir werden sehr unterschiedliche Situationen sehen und auch viele Geisterspiele erleben“, sagt Dr. Florian Kainzinger, Experte für Hygienekonzepte für ProfisportVeranstaltungen und mitverantwortlich für die Planung und den Ablauf des BBLFinalturniers, zum Regelungswirrwarr im föderalistischen Deutschland. Ebenso unterschiedlich ist, wie sehr die Klubs von Zuschauereinnahmen relativ zu Sponsoring und Merchandising abhängen. Allerdings ist klar, dass auf die Dauer kein Verein ohne möglichst viele zahlende Fans vor Ort überleben kann. Ein Zünglein an der Waage können auch Mäzene sein. Bei Vechtas Geschäftsführer Stefan Niemeyer erscheint es etwa vorstellbar, dass er – im absoluten Notfall und zur Überbrückung – aus eigener Tasche Mittel bereitstellt. Ebenso denkbar erscheint das bei den EWE Baskets in Oldenburg im Fall von Hermann Schüller. Auch die Bayern müssen sich aufgrund ihrer Einbettung ins Gesamtkonstrukt FC Bayern München keine ernsten Sorgen machen. An Standorten wie Weißenfels oder Chemnitz ist aber bisher niemand bekannt, der im Zweifel in die private Schatulle greifen würde, um die Zahlungsunfähigkeit der dortigen BBLKlubs abzuwenden.


WELCHER COACH MUSS FRÜH GEHEN? Silvano Poropat vom MBC. Seit Jahren dümpeln die Mitteldeutschen im Tabellenkeller herum, und obwohl inzwischen sogar ein Namenssponsor an Bord ist, konnte Weißenfels das untere Tabellenviertel noch nie nachhaltig verlassen. Auch in dieser Saison sollte sich daran nichts ändern. Dass der Klub Sympathieträger und Rückkehrer Poropat vor die Tür setzt, ist andererseits gar nicht so wahrscheinlich – mangels Alternativen. Aber womöglich bietet der 49-Jährige früh seinen Rücktritt an, sollte der MBC keine Fahrt aufnehmen. Auch Denis Wucherer wäre grundsätzlich ein Kandidat für die erste Entlassung, weil u.a. die Pandemie und ihre Folgen dafür sorgen, dass er in Würzburg mit dem wohl schwächsten Kader seiner Amtszeit arbeiten muss. Zugleich könnte gerade Corona dafür verantwortlich sein, dass er dort so lange wie möglich bleibt: Der Arbeitsmarkt in Bezug auf Coaches ist traditionell schwierig, sodass es vor dem Hintergrund der allgemeinen Verunsicherung durch die Pandemie ratsam sein dürfte, nicht proaktiv ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu beenden.

VERTEIDIGT BERLIN DEN TITEL? Knapp, aber ja. Mit Hermannsson, Nnoko und insbesondere Giedraitis fehlen drei letztjährige Leistungsträger. Aber bis es darauf ankommt, sind die Neuzugänge integriert und haben Aitos Ansätze verinnerlicht. Mit Maodo Lo gelang ein spektakulärer Transfer, mindestens ebenso wichtig sollte in einer etwaigen Finalserie gegen die Bayern Veteran Jayson Granger sein. Ausgehend von einem regulären Saisonverlauf und echten Playoffs ohne Bubble kann das Finale kaum anders lauten als Bayern gegen Berlin. Und dann setzen sich die Berliner (knapp) durch. München hat zwar einen spannenden Kader und Andrea Trinchieri, doch in der BBL wird sich das Fehlen von deutscher Qualität und Scoring (sorry, Paul Zipser) noch früh genug bitter rächen.

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AUF WEN DÜRFEN WIR UNS FREUEN? Auf das erneute Braunschweiger „Jugend forscht“ unter FIVE-Leser und Headcoach Pete Strobl. Der geläuterte Rückkehrer Kostja Mushidi, Karim Jallow, Gavin Schilling, Lukas Wank, Garai Zeeb, Luc van Slooten und Lukas Meisner – die Reihe junger deutscher Spieler, die reichlich Minuten und Verantwortung bekommen werden, ist länger als bei jedem anderen Erstligisten. Die besten Spieler der Vorsaison (Scott Eatherton, Thomas Klepeisz, Trevor Releford) sind allesamt weg, es warten also jede Menge Würfe und Gelegenheiten, um sich zu zeigen. Auf Chris Babb in Bonn. Der ehemalige Ulmer, Cousin von Neu-Bayer Nick Weiler-Babb, macht Spaß. Weil er Dreier aus acht Metern nimmt und trifft. Weil er Eier hat. Heiß laufen kann. Abgezockt ist. Nach einer durchwachsenen vergangenen Saison in Griechenland will (und soll!) er den Bonnern neues offensives Leben einhauchen. Wir glauben, dass Babb das kann – und freuen uns entsprechend auf vereinzelte Feuerwerke. Auf Andrea Trinchieri. Trink-ijeeeri … was schon klingt wie ein echter Maestro, beschreibt den Trainer recht treffend. Bereits seine selbstverliebtanalytisch-philosophischen Videos vor Saisonbeginn ließen einen mit der

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Zunge schnalzen. Sein Theater an der Seitenlinie ist noch um Längen besser – und so überzeugend, dass er selbst in einem Testspiel per Doppel-T die Halle verlassen musste. Und dann sind da ja noch die Bewegungen und Passstafetten seiner Teams, die Unterhaltung garantieren. Einer der besten, erfolgreichsten und innovativsten Coaches der jüngeren Vergangenheit in Europa ist zurück in der BBL! Das gilt es zu feiern und anerkennend in Richtung der BayernOberen zu nicken. Sollte es nicht von Anfang an laufen und es zu Reibereien mit der Geschäftsführung kommen, werden Hoeneß, Hainer und Co. schon noch merken, was für eine Diva sie sich ins Haus geholt haben. Mamma mia! Auf Malte Sigurd Jürgen Ziegenhagen. Der Chemnitzer Kapitän hat nicht nur einen wahnsinnig coolen Namen, er hat auch fesche Tattoos. Die Haare schön. Und lang. Aber vor allem: Er kann zocken und hat den Durchbruch in der BBL verdient. Ziegenhagen ist ein kämpferisch starker Glue Guy, der den Dreier trifft und spielt, um zu gewinnen. Ein aufrichtiger, smarter Typ ist er noch dazu. Selbst wenn sich Chemnitz nach einer Saison wieder in Richtung ProA verabschieden sollte – Malte Sigurd Jürgen ist gekommen, um zu bleiben. Auf Johann Roijakkers in Bamberg. In Göttingen weinen sie ihm wohl noch jahrelang hinterher – ihrem

nun Ex-Headcoach und -Sportdirektor in Personalunion, der den Göttinger Basketball seit 2012 geprägt hatte. Einem fantastischen Analytiker und harten Arbeiter. Ehrlich und häufig auch ein wenig selbstironisch. Was der Niederländer aus den klammen Budgets in Niedersachsen herausgeholt hat, nötigte ligaweit Respekt ab. In Bamberg darf er nun zeigen, was mit mehr Geld und besseren Strukturen möglich ist. Zwar hat Mäzen Michael Stoschek einen Sparkurs angeordnet, und die Zeiten, als P.J. Tucker, Marcus Slaughter oder Bostjan Nachbar durch die Brose Arena wirbelten, sind bis auf Weiteres vorbei. Zugleich betonte Neu-Geschäftsführer Philipp Galewski: „Der Mythos Brose Bamberg lebt noch“ – und kündigte eine kampfstarke Truppe mit Ambitionen an. Denn auch auf Sparflamme bieten die Franken Roijakkers ganz neue Möglichkeiten. Sein Kader schreit dank der Neuzugänge Bennet Hundt, Dominic Lockhart und Joanic Grüttner-Bacoul nur auf den ersten Blick Göttingen 2.0. Spieler wie Tyler Larson (Ex-Oldenburg), Kenneth Ogbe (Berlin) oder auch Chase Fieler (Patras), Michele Vitali (Sassari) und David Kravish (Manresa) hätte Roijakkers bei der BG74 nicht verpflichten können. Er hat in Bamberg die Chance zu zeigen, dass auf Champions-LeagueNiveau noch nicht Schluss für ihn als Cheftrainer sein muss.


WER MACHT DEN NÄCHSTEN SCHRITT? Gavin Schilling entwickelte sich in den beiden vergangenen Spielzeiten bei ratiopharm Ulm zu einem fähigen BBLBig-Man. 8,5 Punkte und 4,4 Rebounds bei mehr als 64 Prozent Trefferquote aus dem Feld brachte Schilling beim BBLFinalturnier in München. Der 2,06 Meter große Deutsche mit dem Körper eines NFL-Linebackers ist noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung. Mit noch mehr Verantwortung und Spielzeit in Braunschweig könnte Schilling zeigen, wieso er einst als eines der größten Talente im 1995er Jahrgang galt und an der Highschool gegen Spieler wie Jabari Parker und Andrew Wiggins randurfte. Sogar für die Nationalmannschaft könnte Schilling – zumindest für die FIBA-Fenster, sobald diese wieder stattfinden – damit ein Thema werden. Die bisherige Karriere von Filip Stanic ist ein stetiges Auf und Ab: In der Jugend flog der heute 22-Jährige im Programm von ALBA Berlin eher unter dem Radar. Doch bei der U20-EM im Jahr 2018 ging sein Stern auf. Er gewann mit Deutschland Bronze und sicherte sich einen Platz in der besten Fünf des Turniers. Denn mit 13,6 Punkten pro Spiel war Stanic bester deutscher Werfer und zugleich der effektivste Spieler in den Reihen des DBB. Optimisten diskutierten anschließend gar über eine mögliche Zukunft in der NBA für den 2,08 Meter großen und 120 Kilo schweren Stanic. Stattdessen ging es zum serbischen Ausbildungsverein Mega Leks, wo die Entwicklung des Bigs zu stagnieren schien. Ein Leihgeschäft brachte Stanic Ende Februar 2020 nach Oldenburg, wo er sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Zur Saison 2020/21 verpflichtete Aufsteiger NINERS Chemnitz ihn als ersten Spieler und sprach von einem „Paukenschlag“. Als Starting Center

könnte sich Stanic für Chemnitz als Volltreffer erweisen, wenngleich aufgrund seiner Unerfahrenheit zunächst weitere Höhen und Tiefen zu erwarten sind. Und noch ein Big Man: Johannes Thiemann (26 Jahre) ist zwar kein Talent mehr, hat aber im Sommer einen weiteren Schritt gemacht und soll bei ALBA den Stretch-Big geben. Trifft er den Dreier konstant, so hat er seinem körperbetonten, stabilen Spiel eine neue Dimension verliehen. Nicht nur Henrik Rödl würde das gefallen. Auch Thiemanns Teamkollege Jonas Mattisseck (20 Jahre) sollte weiter aufblühen und über die Rolle des Defensiv-Stoppers mit dem gelegentlichen Spotup-Dreier bei ALBA Berlin hinauswachsen können. Dass er mit Maodo Lo und Jayson Granger zwei sehr erfahrene neue Lehrmeister hat, dürfte nicht schaden. Gerade in der BBL ist von Mattisseck bereits einiges zu erwarten. Eine Ausleihe zu einem kleineren Klub? Unnötig, er schafft es direkt in Berlin. Jacob Patrick (16 Jahre) bestand seine Generalprobe beim BBLFinalturnier mit Bravour: Er wurde nicht nur zum viertjüngsten BBL-Debütanten aller Zeiten, sondern auch zum jüngsten Spieler, der jemals Punkte in der ersten Liga erzielte. Außerdem lieferte er engagierte Defense und viel Abgeklärtheit für einen 16-Jährigen. Ein „Coach’s Son“ eben … gut möglich, dass Jacob seinem Vater und Headcoach John Patrick bei den MHP RIESEN Ludwigsburg auch zu Saisonbeginn viel wird helfen müssen. Das Personalkarussell drehte sich kräftig, bevor auch nur eine BBL-Partie gespielt war. Für Jacob Patrick und alle Fans von jungen deutschen Spielern könnte das ein Grund zur Freude werden. Erfüllt Richard Freudenberg doch noch die hohen Erwartungen und wird den vielen Vorschusslorbeeren gerecht? 8,9 Punkte und 3,3 Rebounds im Schnitt bei 43,9 Prozent Dreierquote in mehr als 23 Minuten Spielzeit pro

Partie sind ein Anfang. Das waren die Werte des 22-Jährigen in der Hauptrunde 2019/20 für die Skyliners aus Frankfurt. Beim Finalturnier sackten Freudenbergs Leistungen zwar wieder leicht ab, dennoch etablierte sich „Richie“ zumindest als akzeptabler Starter. Zu leicht, zu soft, zu passiv, zu inkonstant. So oder so ähnlich lauteten die Einschätzungen von Freudenbergs Spiel in der BBL noch vor nicht allzu langer Zeit. Nach dominanten Auftritten in der NBBL und dem Weg ans College von St. John’s, wo Freudenberg das Fundament für eine Chance in der NBA zu legen hoffte, waren die Erwartungen bei der BBL-Rückkehr des Deutschen höher gewesen. Doch zuletzt ging Freudenberg endlich mit mehr Mumm zu Werke, spielte aggressiv, übernahm Verantwortung und produzierte sogar Poster. Die Skyliners hoffen auf seinen nachhaltigen Durchbruch, doch der kann nach seinem Fußbruch erst im neuen Jahr erfolgen. Nicht nur Gavin Schilling ist aus der Braunschweiger Gang zu nennen. Karim Jallow (13,2 PPG, 5,0 RPG, 0,9 SPG, 51,2 FG%) spielte eine tolle Saison 2019/20 und wird zum Kandidaten für einen Top-Klub, wenn er diese Leistungen bestätigen oder gar steigern kann. Ohne die abgewanderten Eatherthon und Klepeisz warten viele Würfe auf Jallow. Nicht nur körperlich erinnert er an den jungen Giannis Antetokounmpo … auf niedrigerem Niveau. Jallow ist nur einen zuverlässigen Sprungwurf – vor allem aus der Distanz – davon entfernt, zum Mismatch-Albtraum zu werden. Lukas Wank sucht sie noch … die Konstanz, die Stabilität, seine genaue Rolle bei den Basketball Löwen Braunschweig. Am Vertrauen von Pete Strobl wird es nicht scheitern, der Headcoach brachte gar einen Vergleich mit Euroleague-Superstar Nando de Colo ins Spiel. Wank, im vergangenen Jahr mit 3,6 Punkten und 2,1 Rebounds bei lausigen 34,9 Prozent aus dem Feld, könnte endlich explodieren. Er hat alle Voraussetzungen, ist aber auch schon 23 Jahre alt und scheint teilweise selbst sein härtester Gegner zu sein. Und dann ist da ja noch dieser Kostja Mushidi, einst als sicherer NBAKandidat gehandelt und mit 11,6 Punkten pro Partie für Braunschweig im Schnitt – bevor er im Dezember 2019 aufgrund von disziplinarischen Problemen gehen musste. Angeblich geläutert und mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattet, ist Mushidi jetzt zurück bei den Löwen. Langsam heißt es für ihn „Alles oder nichts“: Möglich, dass er Braunschweig mit rund 15 Punkten pro Partie in Richtung Playoffs schießt und dann in der ACB unterschreibt. Leider ebenso möglich, dass seine Laufbahn vorzeitig endet, falls er sich nicht im Griff hat. redaktion@fivemag.de

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HIMAR OJEDA interview

Himar

Ojeda

A L B A

ICH KENNE DEN PLAN B NICHT

B E R L I N

Garcia Reneses - zu viele. Denn sein spanischer Landsmann, Sportdirektor Himar Ojeda, hat

einen mindestens ebenso großen Anteil am Berliner Erfolg. FIVE hat mit dem 48-Jährigen über Spielerverpflichtungen als Wetten, kreatives Scouting und den coronabedingten Aufschwung von Basketball in Japan gesprochen. Interview: Peter Bieg 84

Fotos: TF-Images/Getty Images

Das Wiedererstarken von ALBA Berlin verbinden viele mit dem legendären Headcoach Aito


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interview

Himar

F

IVE: Himar Ojeda, kaum waren die ersten Spiele in der Euroleague absolviert, wurden Infektionen gemeldet. Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs etwa im Team von Barcelona, bei ZSKA und Khimki Moskau. Euroleague-Chef Jordi Bertomeo hat gesagt, dass er einen Plan B hat, falls der reguläre Spielbetrieb infolge der Pandemie zusammenbricht. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Saison 2020/21 in der Euroleague zu Ende gespielt werden kann? Und was wissen Sie über diesen Plan B? Himar Ojeda: Die einzige Hoffnung darauf, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann, ist, dass es einen Plan B gibt und dieser auch funktioniert. Nur dann können wir zuversichtlich sein. Nur der Plan A – eine Saison, wie wir sie bisher kennen –, das wäre schwierig, sogar unwahrscheinlich, wenn Sie mich fragen. Der Plan B? Ich kenne ihn nicht. Die Euroleague hält solche Informationen so lange wie möglich zurück. Es gehört dort zum Konzept, möglichst lange intern an Plänen zu arbeiten, und ich kann das verstehen. Ansonsten gibt es eine zu große Debatte, mit sehr vielen einzelnen Meinungen. Das ist nicht notwendigerweise schlecht, aber man muss sehen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um eine solche Debatte zu eröffnen. Zum vorgezogenen Ende der vergangenen Saison war es so, dass sich zahlreiche Klubs, Spieler und Autoritäten eingeschaltet hatten. Sie meinten, es wäre besser, die Spielzeit weiterzuführen, und es gab Missverständnisse. Nur Jordi Bertomeo kennt also wohl aktuell den Plan B. Natürlich kommt mir als Erstes eine Bubble als Möglichkeit in den Kopf. Aber ich weiß nicht, wie wir eine Bubble formen und gleichzeitig weiter in unseren nationalen Ligen spielen sollen. Die vergangene Euroleague-Saison wurde kurz vor dem Ende der Hauptrunde aufgrund der Pandemie abgebrochen. Wer hätte den Titel gewonnen? Ich denke, Efes war der Favorit. Sie haben sehr, sehr gut gespielt. Aber natürlich ist der Playoff-Modus sehr hart. Real Madrid, Barcelona, ZSKA, Fenerbahce … vielleicht wären sie in der Lage gewesen, eine Schippe draufzulegen. Aber wenn ich hätte wetten müssen, hätte ich mein Geld auf Efes gesetzt. Und wer sind dieses Jahr Ihre Favoriten abseits der offensichtlichen Anwärter? Mailand ist kein klarer Favorit, denn sie waren vom Titelrennen die vergangenen Jahre weit entfernt. Dennoch sind sie für mich ein Favorit oder zumindest ein Kandidat. Der Kader ist beeindruckend. Auch Valencia ist ziemlich stark, abseits der etablierten Euroleague-Spitzenteams. Lassen Sie uns darüber sprechen, wie Corona Ihren Arbeitsalltag verändert hat. Was war der große Unterschied zwischen

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der diesjährigen und der letztjährigen Offseason für Sie? Zunächst einmal der Rhythmus. Der war völlig anders. Während Mai und Juni kam alles zum Erliegen. Außer in Mailand. Mailand war das einzige Team, das Spieler verpflichtet hat. Ansonsten war der Markt fast komplett zum Stillstand gekommen. Im Juli ist dann alles explodiert! Es war einer der schwierigsten Sommer, die ich je erlebt habe. Eine sehr, sehr große Herausforderung. Das Schlimmste war, dass sich alles auf einen Monat konzentriert hat und man einfach nicht wusste, was passieren würde. Es ist sehr schwierig für einen Klub, in dieser Situation irgendwie ein Budget zu definieren. Wir waren in der glücklichen Lage, dass unser Eigentümer, Axel Schweizer von der ALBA Group, uns den Rücken gestärkt hat. Trotz aller Unsicherheiten. Er hat entschieden Position bezogen, wir sollten nach vorne schauen, weitermachen. Das hat er möglich gemacht, und jetzt müssen wir sehen, welche Resultate wir 2020/21 erzielen können. Glauben Sie, dass es Klubs gibt, die einfach das Beste hoffen und kalkuliert haben, als gäbe es keine Pandemie? Die meisten Vereine sind sich der Situation bewusst und entsprechend besorgt. Das gilt auch für Klubs, deren Budget nur wenig von Ticketing abhängig ist. Aber es ist Fakt: Wann auch immer die Euroleague die Einnahmen der Vereine veröffentlicht, dann gibt es Klubs, bei denen ein Großteil des Geldes von Eigentümern kommt. Und die Situation bei den Eigentümern ist natürlich von der Pandemie nicht unabhängig. Da kann es durchaus solche geben, die jetzt auch weniger Geld haben – oder auch nicht. Da werden geschäftliche Entscheidungen dann schnell auch mal zu persönlichen Entscheidungen, wenn es um die Unterstützung für Klubs geht. Da die Budgets der Klubs vielfach nahezu unverändert sind, besteht da womöglich ein gewisses Risiko. Marco Baldi hat in FIVE betont, dass der gesamte Markt massiv von der NBA abhängt. Nun spielt die NBA aber aktuell noch immer ihren Meister aus, die Saison ist nicht beendet. Wie hat das die Offseason geprägt? Commissioner Adam Silver hat gerade erstmals über die kommende Saison gesprochen. Darüber, dass die NBASpieler wohl nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen können, da sie dann ihre neue Saison spielen. Sie wollen den Start der Spielzeit nicht davon abhängig machen, dass die Olympischen Spiele maximale Aufmerksamkeit erhalten. Die NBA trifft ihre Entscheidungen, und alle anderen haben zu folgen oder zumindest mit den Folgen zu leben. Es gibt auch in der Euroleague Mannschaften, die jetzt Spieler verpflichten können, die auf den Start der neuen NBA-Saison warten.

Dragan Bender bei Maccabi Tel Aviv etwa. Er hat einen Drei-Monats-Vertrag unterschrieben, um danach – wenn die Free Agency beginnt – zu sehen, ob er Chancen in der NBA hat oder nicht (der 4. Pick der Draft 2016 spielte in der NBA zuletzt für die Golden State Warriors, Anm. d. Red.). Es wird also Spieler geben, die jetzt nach Europa kommen, weil wir startbereit sind. Aber genauso kann es sein, dass sie sich mitten in der Saison wieder verabschieden. Das beeinflusst natürlich den hiesigen Basketball. Ich beklage mich aber nicht und weine hier herum. Es ist, wie es ist. Und wenn jemand die Chance hat, einen NBA-Spieler zu verpflichten, warum nicht? Sie haben Dragan Bender angesprochen. Aber genauso gibt es Euroleague- oder sogar Eurocup-Spieler, die jetzt trotz allem auf ihre Chance in der NBA hoffen. Ich denke da etwa an Jock Landale (zuletzt Zalgiris Kaunas), Greg Whittington (Galatasaray Istanbul) oder Anthony Gill (Khimki Moskau). Sie haben Angebote in Europa abgelehnt und wollen in die NBA. Haben sie konkrete Versprechen von Teams, oder zocken sie? Ich denke, sie zocken. Aber die Fälle sind verschieden. Ein Spieler, der definitiv die Möglichkeit hatte, gute Verträge hier in Europa zu unterschreiben, aber auf eine Chance in der NBA hofft, ist Jock Landale. Natürlich habe ich die Vertragsangebote nicht gesehen, aber so schätze ich das ein. Und dann gibt es andere, die vielleicht gar keine sonderlich lukrativen Angebote erhalten haben – mit Gehältern, wie sie sich das vorstellen. Die denken dann: Okay, dann versuche ich es in der NBA. Bevor sie auf ein niedrigeres sportliches oder finanzielles Niveau wechseln, zocken sie lieber und setzen auf die Karte NBA. Das ist mein Gefühl. Die G-League der NBA ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen und wurde auf dem Spielermarkt zu einem noch ernsteren Konkurrenten für europäische Klubs. Wie denken Sie über die Entwicklung der G-League vor dem Hintergrund der Pandemie? Immer mehr Spieler sind zuletzt in der G-League geblieben. Und die G-League war nie besonders abhängig von Zuschauereinnahmen. Das sollte den Spielbetrieb dort also nicht sonderlich beeinflussen. Die NBA muss natürlich zunächst über die eigene Zukunft entscheiden, bevor es darum geht, eine G-League-Saison sicherzustellen. Aber ich bin mir sicher, dass sie das schaffen werden. Wahrscheinlich werden sie sich nach der NBA richten. Oder aber die NBA nutzt die G-League als Labor, um dort bestimmte Dinge auszuprobieren, Abläufe zu testen. Auch das wäre eine Möglichkeit. Bei manchen Spielern und Agenten hatte ich in den vergangenen Monaten


Fotos: Harry Langer/DeFodi Images via Getty Images

den Eindruck, dass sie panisch wurden. Sie haben in exotischen Ligen und bei kleinen Klubs unterschrieben. Gerade in Japan gab es jede Menge internationale Neuzugänge. Täuscht der Eindruck, oder ist da ein Trend zu erkennen? Der japanische Markt ist eine Neuentdeckung unter Spielern und Agenten. Die Arenen sind schon wieder voll, die Fans sind zurück, alles ist sehr gut organisiert, sie spielen regelmäßig. In dieser Liga haben sie in den vergangenen Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Japan hat sich stark verbessert, und sie zahlen dort auch sehr gute Gehälter. Japan ist aus meiner Sicht inzwischen die beste asiatische Liga! Natürlich haben wir noch die chinesische CBA, mit mehr Geld. Aber Japan überholt alle anderen ringsherum. Das ist ein Markt, der heutzutage für Spieler und Agenten natürlich ein Geschenk ist. Die Agenten sind sich dessen bewusst, haben viele Klienten ohne Job und gehen bewusst nach Japan. Das ist ein Segen. Gibt es noch mehr solcher Ligen, die durch die Pandemie sogar an Attraktivität gewinnen konnten?

„Im Jahr 1999 habe ich als Assistenztrainer angefangen. Ich musste Videos aus VHS-Kassetten zusammenschneiden. Das war ein Albtraum!“ -----------

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Generell sind die Leute offener dafür geworden, an verschiedensten Orten zu spielen. Aber ich weiß nicht, ob es noch ein anderes Land gibt, das die Situation so gut unter Kontrolle hat wie Japan. Bevor Sie im Jahr 2016 als Sportdirektor zu ALBA Berlin kamen, haben Sie im internationalen Scouting für die Atlanta Hawks gearbeitet. Warum haben Sie die NBA für Berlin verlassen? Der Hauptgrund war die Herausforderung. Marco Baldi kann sehr überzeugend sein, und ich wollte sehen, ob ich außerhalb

von Spanien als Sportdirektor erfolgreich sein könnte. Die Situation in der NBA ist speziell, sehr schnelllebig. Die Zeit bei den Hawks war sehr gut. Ich bin dort gewachsen und habe tolle Menschen kennengelernt. Aber bereits ein Jahr nach meinem Abschied sah dort schon wieder alles anders aus, und ich habe es nicht bereut, gegangen zu sein. Was können Sie uns über den Stellenwert von internationalem Scouting bei den verschiedenen Franchises berichten? Klubs wie die San Antonio Spurs haben sich da immer wieder hervorgetan, bei anderen Organisationen scheinen internationale Spieler dagegen nicht hoch im Kurs zu stehen. Ich stimme definitiv zu, dass es da extreme Unterschiede gibt. Da sind die Franchises, die deutlich mehr Wissen über und Respekt vor dem internationalen Basketball haben. Entsprechend ernsthaft ist der Ansatz, den diese Klubs im internationalen Scouting betreiben. Wie sie Spieler holen, an sie glauben, sie ausbilden. San Antonio ist das Paradebeispiel, und es passiert mehr und mehr. Aber immer noch gibt es Franchises, die das mehr als

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Pflichterfüllung sehen. Sie meinen, alles über die internationalen Prospects wissen zu müssen. Doch schlussendlich vertrauen sie den internationalen Spielern nicht, sie verpflichten sie nicht. Und wenn sie diese Spieler doch draften, dann glauben sie nicht an sie. Es gibt einige Teams, die nach wie vor nicht an die Idee von ausländischen Leistungsträgern glauben. Andere tun das dagegen umso mehr. Spieler wie Nikola Jokic sind das beste Beispiel. Giannis Antetokounmpo. Da gibt es jede Menge Beispiele. Luka Doncic … Luka Doncic, das ist das beste Beispiel! Sie hatten viele Zweifel, was ihn angeht. Ich habe mit vielen Entscheidern gesprochen, die mich wegen ihm angerufen haben. Sie hatten Zweifel. Er war MVP der Euroleague und zugleich bester Nachwuchsspieler. Er war Anführer der slowenischen Nationalmannschaft. Dafür brauche ich kein besonderes Auge. Er hat es auf jedem Level bewiesen, und es war klar, dass er ein Spieler für das höchste Niveau ist. Für einen solchen Spieler nicht offen zu sein, ist ein Fehler.

Fotos: Florian Pohl/City-Press via Getty Images

Als ehemaliger Scout: Wie schafft es ein Spieler, Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen? Das ist schwierig, da gibt es nicht den einen Prototypen von Spieler. Ich achte sehr stark auf Charakter. Außerdem hängt mein Blickwinkel immer vom jeweiligen Coach ab, für den ich arbeite. Ich muss den richtigen Spieler für den richtigen Coach aussuchen. Aber der IQ ist für mich das Wichtigste. Der Spieler muss das Spiel verstehen und alle Elemente zumindest ein bisschen beherrschen. Es ist eine Mischung aus dem persönlichen Gefühl, das ich habe, und diesem sichtbaren Basketball-IQ. Macht das Internet Ihren Job dabei einfacher oder schwerer? (Überlegt) Einfacher. Im Jahr 1999 habe ich als Assistenztrainer angefangen. Ich musste Videos aus VHS-Kassetten zusammenschneiden. Das war ein Albtraum! Aber natürlich ist der Job durch das Internet auch schwieriger geworden. Du hast überall Spieler. Talente. Agenten. Überall. Es reicht nicht mehr, die guten Ligen in Europa zu beobachten. Du musst auch nach Japan schauen – wie Sie eben gesagt haben! Wenn einer in Japan gut spielt, musst du das wissen. Du musst genauer denn je definieren, welche Spieler du suchst, sonst wirst du aufgrund der Masse verrückt. Der Pfad muss klar sein. Andererseits geht alles dank dieser spezialisierten Anwendungen besser denn je. Du bekommst einen besseren ersten Eindruck der Spieler, durch die ganzen Clips. Die Statistiken und die Clips, das ist für mich immer der erste Schritt. Und da helfen mir die ganzen Tools natürlich.

Lassen Sie uns über Ihre Neuentdeckungen sprechen – die neuen Spieler von ALBA, welche zuvor noch nicht in Deutschland aktiv waren. Fangen wir mit Ben Lammers an … Er ist eine dieser Wetten, die ich eingehen muss. Denn wir haben Landry Nnoko verloren, den wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Aufgrund unseres Budgets müssen wir eine Balance finden zwischen erfahrenen Spielern und den Wetten auf die Entwicklung von jüngeren Spielern. Ben ist für mich sehr vielversprechend. Er hat noch viel Raum für Verbesserung, ist eine Art Spätzünder. Jedes Jahr seit dem Ende seiner CollegeZeit hat er sich verbessert. Er ist ein athletischer Typ, nicht sehr stark, aber er spielt über Ringniveau. Außerdem kann er den Ball gut werfen. Das definiert sein Spiel aktuell. Aber wir hoffen, dass er noch besser im Lowpost agieren, physischer spielen, mit dem Gesicht zum Korb attackieren kann. Um gegen stärkere Gegenspieler im Lowpost zu bestehen, müssen ihm unsere Coaches noch ein paar Tricks beibringen.

kann uns in kritischen Phasen auch mit Punkten helfen. Jayson ist Luxus für uns. Mit ihm können wir deutlich aggressiver und physischer verteidigen.

Simone Fontecchio … Er ist ein guter Junge. Er wurde schon früh sehr hoch gehandelt, und die großen Klubs wollten ihn haben. So landete er bei Mailand, doch er war nicht bereit, und die Erwartungen waren zu hoch. Das ist eine schwierige Umgebung für solch junge Spieler, um sich zu beweisen. Er hat dann einen Schritt zurück gemacht und sich dort sehr gut entwickelt. Ich verfolge ihn seit einigen Jahren. Er hat einen Euroleague-Körper. Er ist stark, er kann springen, er reboundet den Ball an einem sehr hohen Punkt. Simone kann ein bisschen was von allem. Er kann werfen, er kann am Korb abschließen. Wir bringen ihm jetzt bei, mit dem Rücken zum Korb zu spielen, so wie wir es auch mit Niels Giffey gemacht haben. Wenn er das lernt, dann hat er großes Potenzial.

Letzte Frage: Headcoach Aito hat für ein weiteres Jahr verlängert, Israel Gonzalez rückt zum Associate Headcoach auf. Damit hat ALBA eine Doppelspitze auf der Trainerbank, was ungewöhnlich ist. Können Sie sich an einen Klub erinnern, der so etwas schon einmal versucht hat? Bei ALBA gab es das schon mal mit Henrik Rödl und Calvin Oldham, aber weit vor meiner Zeit. Ich wurde da von meiner Erfahrung in der NBA inspiriert. Als ich zu den Atlanta Hawks kam, kam eine Gruppe neuer Leute in die Organisation. Danny Ferry wurde neuer General Manager. Aber sie haben den alten Manager Rick Sund einfach behalten, als Berater. Das hat meine Aufmerksamkeit geweckt. Denn in Europa wirst du die Leute einfach los, oder sie gehen von selbst, wenn du nicht mehr auf sie zählst. Die Hawks hatten einen anderen Ansatz: Vielleicht würde Sund die Gruppe nicht mehr leiten, aber er könnte dennoch weiter ein Teil der Gruppe und hilfreich sein. In Europa müssen wir das auch vermehrt machen. Es gibt jetzt erste Headcoaches, die Jobs als Assistenten annehmen. Und das ist gut. Denn es gibt nicht immer Jobs für alle (lacht). Das ist eine gute Situation, um Menschen zu entwickeln, aber auch Wissen in der Organisation zu behalten. Aito ist ein Genie. Wir müssen ihn so lange wie möglich im Spiel halten. Er soll aber keinen Druck verspüren, das ganze Gewicht der täglichen Arbeit schultern zu müssen. Wir haben mit Israel Gonzalez jemanden, dem wir komplett vertrauen und der da viel übernehmen kann. Ich habe mit Aito schon vor zwei, drei Jahren über diese Idee gesprochen, und wir haben uns jetzt darauf verständigt, dass es die richtige Zeit ist, die Idee auszuprobieren. Und wir sind glücklich damit. redaktion@fivemag.de

Jayson Granger … Ich habe mit ihm schon gearbeitet, als er noch ein Teenager war, bei Estudiantes. Ich habe damals entschieden, ihn zum Starting Point Guard zu machen. Ich kenne ihn gut, er ist ein toller Typ. Er kommt aus einer schwierigen Situation, hatte drei Jahre mit vielen Problemen und Verletzungen. Er hat Basketball nicht mehr genossen und nach einer Situation gesucht, wo ihm das Spiel wieder Spaß macht und er zeigen kann, was er draufhat. Normalerweise wäre Jayson außerhalb unseres Budgets, weit außerhalb unserer Möglichkeiten. Aber sein Wunsch nach einer guten Situation und das, was wir hier aufgebaut haben, hat es möglich gemacht. Er ist ein sehr erfahrener Mann, ein guter Verteidiger und ein Teamspieler, der uns dabei helfen kann, den Ball zum richtigen Mann zu bringen. Er ist kein Super-Scorer, aber er

Sie sprechen diese Wetten an, die Sie immer wieder bei Verpflichtungen eingehen müssen. Sehen Sie weitere Klubs auf dem Top-Level, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen? Ich denke, dass wir das Team sind, welches die meisten Wetten abschließt. Auch mit unseren jungen Spielern. Wir sind immer stolz, wenn wir in Euroleague-Spielen vier Berliner zur gleichen Zeit auf dem Spielfeld haben. Wir wollen Potenziale entwickeln, Raum zur Spielerentwicklung geben. Aber es gibt auch andere Mannschaften, die Wetten auf das eigene Entwicklungspotenzial abschließen: Zalgiris Kaunas etwa. Sie haben vor einigen Jahren Spieler aus Ludwigsburg geholt (Thomas Walkup, Anm. d. Red.), jetzt aus Vechta (Steve Vasturia, Anm. d. Red.). Sie haben einen ähnlichen Ansatz, und mir gefällt das sehr gut.

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BBL

GOT

BBL-Talente

NEXT Beim Finalturnier der BBL in München machten Trainer und Spieler vor einigen Monaten aus der Not eine Tugend. Viele

Importspieler traten den Weg in die Münchener Bubble nicht an – und so nutzte der deutsche BasketballNachwuchs seine Chance und spielte sich in den Fokus. Notlösung oder nur ein Vorgeschmack auf das, was die Talente noch zu zeigen haben? Gemeinsam mit Rekordnationalspieler und U18Bundestrainer Patrick Femerling werfen wir einen Blick auf ein paar der interessantesten BBL-Spieler unter 20 Jahren. Wichtig: Dies ist keine Rangliste, und die Aufzählung Fotos: BBL/DBB

erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Überraschungen gibt es immer! Text: Tobias Feuerhahn 90

JUSTUS HOLLATZ Point Guard, 1,91 Meter Hamburg Towers Dass Justus Hollatz in entscheidenden Situationen durchaus schon Verantwortung übernehmen kann und zudem keine Angst vor großen Würfen hat, stellte der Point Guard spätestens im Finale der ProA-Saison 2018/19 unter Beweis. Gegen die Nürnberg Falcons netzte der heute 19-Jährige kurz vor dem Ende des Rückspiels staubtrocken von jenseits der Dreierlinie ein und bescherte den Towers mit dieser Aktion die Zweitliga-Meisterschaft. Seit diesem Heroenstück hat der 1,91 Meter große Aufbau Erfahrung in 18 Bundesliga-Spielen sammeln dürfen, in denen er im Schnitt rund 16,0 Minuten auf dem Feld stand und dabei 2,7 Punkte erzielte. „Justus bringt einen guten Speed mit. Er ist außerdem sehr kreativ und verfügt über eine sehr gute Übersicht. Er ist in Zukunft mit Sicherheit äußerst interessant für die Position eins“, bescheinigt U18Bundestrainer Patrick Femerling. Gegen Nürnberg jagte Hollatz den entscheidenden Dreier unaufgeregt durch die Reuse. Diese Sicherheit konnte er bislang aber nicht mit in die BBL retten. Von 23 seiner Versuche jenseits der 6,75 Meter fanden nur drei ihr Ziel. „An seinem Wurf muss Justus weiterhin arbeiten. Er muss Erfahrung sammeln. Gerade für einen Aufbauspieler, der das Spiel lenken muss, ist das enorm wichtig“, sagt Femerling. Hollatz’ 2,2 Assists pro Spiel dagegen belegen, dass er in Sachen Spielübersicht bereits auf einem guten Weg ist.

LUC VAN SLOOTEN Forward, 2,02 Meter Basketball Löwen Braunschweig Luc van Slooten ist erst 18 Jahre alt. Wer sich den Flügelspieler ansieht und nicht um diesen Umstand weiß, glaubt womöglich, er würde einem Scherz aufsitzen. Die breiten Schultern und das Gardemaß von 202 Zentimetern lassen kaum den Glauben zu, es könne sich um einen Teenager handeln. In der abgelaufenen BBL-Saison hatte das Talent bei Rasta Vechta nur wenige Möglichkeiten, sein Können unter Beweis zu stellen. Lediglich im Spiel um Platz neun des Finalturniers ließ Coach Pedro Calles seinen Youngster eine ordentliche Anzahl an Minuten gehen. Und der zeigte gleich, was in Zukunft von ihm zu erwarten sein könnte: Van Slooten erzielte elf Punkte in 23 Minuten, traf 42,9 Prozent seiner Dreier. Die Kombination aus Größe und feinem Gefühl für den Wurf erfüllt einen Teil der Grundkriterien, die heutzutage im Basketball wichtig sind. „Er ist ein moderner Basketballer. Luc ist groß, kann werfen und bringt einen guten Körper mit“, sagt Patrick Femerling. Im Sommer wechselte van Slooten auf der Suche nach mehr Spielzeit und einer größeren Rolle von Vechta nach Braunschweig. Wenn ihm Braunschweigs Trainer Pete Strobl diesen Wunsch erfüllt, wird sich der Forward vor allem auch defensiv beweisen müssen. Femerling: „Wenn er auf Small Forward aufläuft, wird er sehr athletische Spieler vor sich halten müssen. An die Geschwindigkeit und die Athletik seiner Gegenspieler wird er sich erst noch gewöhnen müssen.“


JACOB PATRICK Guard, 1,93 Meter RIESEN Ludwigsburg Der Point Guard dribbelt in die Zone, zieht die Verteidigung auf sich und passt den Ball schließlich in die Ecke auf einen seiner Schützen. Der zögert nicht, drückt ab – und trifft. Ein AllerweltsAngriff im Basketball? Nicht in Bezug auf dieses Beispiel. Denn in der Partie der RIESEN Ludwigsburg gegen die Skyliners Frankfurt ist der Schütze erst 16 Jahre alt und spielt gegen gestandene Profis. Jacob Patrick ist damit der jüngste Scorer der BBL-Geschichte seit der digitalen Datenerfassung. Der Sohn von Headcoach John Patrick war der Shootingstar des Finalturniers in München. In zehn Spielen traf er 45,8 Prozent seiner Würfe, sechs seiner 14 Dreier saßen – und alle feuerte er mit einer stoischen Ruhe ab, die sonst nur Veteranen vorbehalten ist. „Ein hohes Selbstvertrauen und seine Scorermentalität zeichnen Jacob aus“, unterstreicht Patrick Femerling. Wie geht es jetzt weiter für den Guard? Hat er einfach nur von den Umständen der BBLFinalturnier-Blase profitiert? Sicherlich kann niemand von einem 16-Jährigen erwarten, plötzlich Verantwortung auf Bundesliga-Niveau zu tragen, nur weil er in ein paar wenigen Partien auf sich aufmerksam gemacht hat. Das wird auch niemand. Und dennoch werden Gegenspieler künftig gewarnt sein, wenn der Shooter das Feld betritt. „Mal ganz davon abgesehen, dass er körperlich – wie sollte es auch anders sein in seinem Alter – noch zulegen muss: Die Gegner wissen jetzt, dass er werfen kann. Er wird mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn er auf dem Feld steht, und für ihn gilt es, diesen Eindruck zu bestätigen“, sagt Femerling.

LUKAS HERZOG Guard, 1,86 Meter RIESEN Ludwigsburg Ein anderer Ludwigsburger, der in der Schlussphase der Bundesliga-Saison von sich reden machte, war Lukas Herzog. Anders als Jacob Patrick aber zog der 18-Jährige vor allem die Aufmerksamkeit auf sich, wenn seine Mannschaft nicht im Ballbesitz war. Dem Guard ist die Ludwigsburger Defensiv-Mentalität wie auf den Leib geschneidert. „Du kannst dich darauf verlassen, dass Lukas alles auf dem Feld lassen wird“, sagt Patrick Femerling. Das werden nach dieser Saison auch BBLPoint-Guard-Größen bestätigen. Mit äußerst aggressiver Verteidigungsarbeit biss sich der 1,86 Meter große Herzog meist spätestens ab der Mittellinie an Aufbauspielern wie Peyton Siva fest. „Am defensiven Ende kämpft, verteidigt und trifft Lukas gute Entscheidungen“, so Femerling. Was er verbessern muss, um den nächsten Schritt in Richtung BBL zu gehen, spielt sich besonders in der Offensive ab. In der abgelaufenen BBL-Saison traf Herzog 23,1 Prozent seiner Dreier. In der Spielzeit 2018/19 waren es dagegen 42,3 Prozent – als Herzog beim Adidas Next Generation Tournament, dem U18Nachwuchsturnier der Euroleague, gegen Gleichaltrige antrat. Femerling: „Seinen Wurf hat er bereits verbessert, aber daran muss er natürlich weiter arbeiten. Lukas spielt gerne schnell. Was er vor allem lernen muss, ist, im Angriff gute Entscheidungen zu treffen.“ Um Herzog das richtige Handwerkszeug beizubringen, müsse deutlich werden, auf welcher Position er vorrangig zum Einsatz kommen soll. „Es muss klar werden, ob er eher als Aufbauspieler oder auf der Position zwei agieren soll“, meint Femerling.

LEN SCHOORMANN Guard, 1,93 Meter Skyliners Frankfurt Noch ein Guard, noch ein bissiger Verteidiger, noch ein Nachwuchstalent, das die Chance der besonderen Umstände beim BBL-Finalturnier in München genutzt hat, um auf sich aufmerksam zu machen. In der Gruppenphase durfte Schoormann in vier Spielen bereits knapp 13 Minuten pro Partie aufs Feld. Im Viertelfinale gegen Ulm erhöhte sich das Pensum des heute 18-Jährigen auf mehr als 21 Minuten. „Len ist ein sehr athletischer Spieler, der ein hohes Maß an Aggressivität mitbringt. Dadurch hat er einen guten Zug zum Korb, besonders aber helfen ihm diese Attribute in der Verteidigung“, so Patrick Femerling. Klar also, was Skyliners-Coach Sebastian Gleim von dem 1,93-Meter-Kraftpaket erwartete: Defense. Und die lieferte ihm Schoormann. Ähnlich wie Ludwigsburgs Lukas Herzog vermochte er es, den gegnerischen Spielaufbau früh und energisch zu stören. Die Offensive war eher zweitrangig – und hier liegt auch das größte Entwicklungspotenzial Schoormanns. Weder in der BBL noch in der ProB (in der Schoormann für die Skyliners Juniors aufläuft) oder in der NBBL knackte der Guard die 30-ProzentMarke bei den Dreiern. Wenn er punktet, dann vornehmlich beim Zug zum Korb. „Seinen Wurf muss er definitiv verbessern“, meint auch Femerling. „Außerdem ist auch in Bezug auf Len wichtig: Auf welcher Position soll er zukünftig spielen? Ich denke, er hat das Zeug zu einem guten Combo Guard.“

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BBL

BBL-Talente

KAY BRUHNKE Guard/Forward, 2,01 Meter medi Bayreuth

MALTE DELOW

Fotos: BBL/DBB

Guard, 1,99 Meter ALBA Berlin Wie kaum ein Zweiter versteht es Coach Aito Garcia Reneses, junge Talente in sein System einzubinden, sie zu formen – und dennoch auf höchstem Niveau erfolgreich zu sein. Von der Arbeit des ALBA-Headcoaches haben schon Jonas Mattisseck, Tim Schneider oder Franz Wagner profitiert. Alle sind schon in jungen Jahren wichtige Rotationsspieler der Berliner gewesen. Aitos Magie soll nun auch Malte Delow helfen. „Malte ist letzte Saison etwas unter dem Radar geflogen“, meint Patrick Femerling. In der vergangenen Spielzeit durfte der 19-Jährige dennoch in 14 BBL-Spielen aufs Parkett, vornehmlich als Shooting Guard. In der ProB dagegen lenkte Delow als Point Guard das Spiel von Lok Bernau. Malte Delow ist nicht – wie etwa Justus Hollatz – auf der Position eins aufgewachsen. Mit seiner Größe könnte er als Aufbau aber zum wandelnden Mismatch mutieren. „Bis zum letzten Sommer hat Malte wenig als Aufbauspieler gespielt. Wenn du aber einen knapp zwei Meter großen Point Guard haben kannst, dann nimmst du den natürlich“, so der U18Bundestrainer. Die Anlagen dafür bringt Delow laut Femerling mit: Er lasse den Ball bereitwillig los, sehe den besser postierten Mitspieler und verfüge bereits jetzt über eine gute Spielübersicht. Zudem helfe ihm sein „guter Riecher für den Ball“ auch in der Verteidigung weiter.

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„Kay hat ein echtes Seuchenjahr hinter sich“, umreißt Patrick Femerling die Umstände, mit denen der 19-Jährige jüngst zu kämpfen hatte. Während der Saison 2018/19 brach er sich im Training den Mittelfuß – die Saison war nach nur zehn Spielen gelaufen. Nach der Reha folgte der nächste Tiefschlag: ein erneuter Mittelfußbruch. In diesem Sommer nun wechselte Bruhnke aus dem Bamberger Nachwuchsprogramm nach Bayreuth, wo er einen neuen Anlauf wagen will. Dass er über das nötige Talent verfügt, um im Team von Raoul Korner in die Fußstapfen von Robin Amaize oder Lukas Meinser zu treten, stellte der 2,01 Meter große Flügelspieler bereits unter Beweis. Bruhnke war tragender Teil des Junioren-Nationalteams, das im Jahr 2018 den Titel beim AlbertSchweitzer-Turnier verteidigte und somit die inoffizielle U18-Weltmeisterschaft gewann. Zudem durfte er sein Können etwa beim Jordan Brand Classic zeigen. „Kay ist schon ein ScorerTyp. Er ist sehr kommunikativ auf dem Feld“, attestiert Patrick Femerling. „Er ist groß für seine Position und verfügt bereits über einen sehr ordentlichen Wurf.“ Die Zahlen, die Bruhnke vor seiner Verletzungsmisere auflegte, rechtfertigen dieses Lob. Beim Adidas Next Generation Tournament etwa markierte er bei einer Feldwurfquote von 44,4 Prozent 13 Punkte pro Partie. 40 Prozent seiner Dreier fanden ihr Ziel. Der wichtigste Faktor, um sein Potenzial schließlich ausschöpfen zu können, ist Zeit. „Die muss er sich nehmen“, weiß Femerling, „und die wird er nach der Verletzung auch brauchen.“

RADII CAISIN Forward, 1,95 Meter Crailsheim Merlins Und noch einer aus der „Jugend forscht“Abteilung der RIESEN Ludwigsburg. Auch Radii Caisin war Teil des Kaders, der am Ende der Saison 2019/20 die Vizemeisterschaft gewann. Beinahe acht Minuten lang ließ Headcoach John Patrick den Forward in sieben Spielen aufs Feld. Im Sommer zog es Caisin nun nach Crailsheim, um sich schlussendlich in der BBL zu etablieren. Und die Merlins werden wissen, was sie bekommen. „Radii lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Er spielt sehr emotional. Und je besser sein Gegner ist, desto motivierter ist er selbst“, sagt Patrick Femerling. Zugegeben, im Saisonfinale der BBL offenbarte Caisin aber auch, was ihm zu einem Bundesliga-Profi noch fehlt. Am defensiven Ende war er oftmals noch einen Schritt zu langsam für athletische Gegenspieler, hatte Probleme beim Timing auf der Helpside und bei der Pickand-Roll-Verteidigung. Aber all das ist normal für einen 19-Jährigen. „Er muss natürlich noch lernen, wann er wo an den Gegenspieler rangeht und wie stark er dann attackiert“, sagt Femerling. Er habe aber durchaus das Potenzial, „hinten alles wegzuverteidigen“. Besonders an seinem Wurf und an seinem Ballhandling müsse Caisin noch arbeiten, meint Femerling, dann stehe der BBL-Karriere nichts im Weg. Das belegen auch die Zahlen: Weder in der BBL noch beim Adidas Next Generation Tournament oder in der NBBL kam der 1,95-Meter-Mann über eine Dreierquote von 30 Prozent hinaus.


RALPH HOUNNOU MAXIMILIAN BEGUE

BRUNO VRCIC

Guard, 1,92 Meter Skyliners Frankfurt

Shooting Guard, 1,97 Meter Skyliners Frankfurt

In der Bundesliga hatte Maximilian Begue bislang nicht viele Chancen, sein Können unter Beweis zu stellen. Noch nicht. Ein genauer Blick auf die Anlagen des 19-Jährigen lässt kaum Zweifel daran, dass er seine Chance bekommen wird, auch über längere Strecken in Deutschlands Beletage anzugreifen. „Maximilian bringt eine Physis mit, die nicht jeder hat“, sagt Patrick Femerling über den kräftigen Guard. Auf Begues Körpergröße von 1,92 Meter verteilt sich ein Gewicht von 88 Kilogramm – das meiste davon in Form von Muskeln. Trotzdem ist Begue in der Lage, zügig über das Parkett zu wirbeln. Besonders im Open Court bescheinigt ihm U18-Bundestrainer Femerling große Stärken. Seine Wurfauswahl bestätigt, dass Begue sein Glück besonders beim Drive sucht. In 14 Spielen in der ProB feuerte er in der abgelaufenen Saison nicht mal einen Dreier pro Spiel ab – für einen Guard ein sehr niedriger Wert. Will er also vermeiden, dass die Verteidiger ihn außen einfach stehen lassen, um auf seinen Zug zum Korb vorbereitet zu sein, dann wartet hier noch einiges an Arbeit auf den Skyliner. „Er hat seinen Wurf schon extrem verbessert“, sagt Femerling, „aber klar, da muss er sich weiterhin noch steigern.“ Was die Defensive angeht, stellt der Rekordnationalspieler bereits jetzt ein gutes Zeugnis aus – womit wir wieder bei der ausgezeichneten Physis wären.

Selbes Team, völlig andere Grundvoraussetzungen. Anders als bei Maximilian Begue ist die Physis bzw. die Dynamik nicht unbedingt das, was Bruno Vrcic ausmacht. Der 19-Jährige ist ein Scorer – und verfügt über einen schon jetzt sehr guten Distanzwurf. In seinen sieben Bundesliga-Spielen warf Vrcic 13 Mal, sieben seiner Versuche segelten von jenseits der Dreierlinie in Richtung Korb – drei davon fielen durch die Reuse. Und auch für die Skyliners Juniors in der ProB zeigte er seinen Coaches, was sie von ihm bekommen können. 16,1 Punkte markierte Vrcic in der vergangenen Spielzeit im Schnitt. Er versenkte pro Spiel 2,2 seiner Dreier, bei einer Trefferquote von knapp 40 Prozent. Eine ähnliche Quote wies der 1,97-Meter-Mann in der Saison 2017/18 beim Adidas Next Generation Tournament auf. Zurück zum Vergleich mit seinem Mannschaftskollegen Maximilian Begue: Des einen Stärke scheint des anderen Baustelle zu sein – das passt in dieser Gegenüberstellung ganz gut. Denn: „Bruno Vrcic muss an seiner Physis arbeiten. Er muss noch stabiler werden“, meint Patrick Femerling. Andernfalls könnte der Shooting Guard auf BBLNiveau Probleme bekommen. Kräftigere Gegenspieler – und davon gibt es in der Bundesliga auf den Flügelpositionen reichlich – machen sich dieses Defizit sonst schnell zunutze und schubsen Vrcic über das Parkett.

Guard, 1,92 Meter RIESEN Ludwigsburg Ralph Hounnou ist eine Wundertüte. Eine Wundertüte, die reichlich Talent beinhaltet, wohlgemerkt. Der 1,92 Meter große Guard wechselte im Sommer aus Schwabing zu John Patricks Talentschmiede nach Ludwigsburg. Für die RIESEN ist das Kraftpaket dennoch kein Unbekannter. Beim Adidas Next Generation Tournament lief der 18-Jährige in der Saison 2019/20 bereits als Gastspieler für die Schwaben auf, erzielte in vier Partien 15,0 Punkte, 4,3 Rebounds und 1,8 Assists im Schnitt. Dabei traf er die Hälfte seiner zehn Versuche aus der Dreierdistanz. „Ralph ist ein extrem schneller Guard. Seine Geschwindigkeit in Kombination mit seiner Athletik macht ihn schon jetzt zu einem guten Verteidiger“, sagt Patrick Femerling. Wer einen Blick auf Hounnous kräftigen Körper wirft, erkennt schnell, dass er physisch bereits BBL-Reife mitbringt. Damit erfüllt er sämtliche Kriterien, um in John Patricks Guard-Terror-System eine Rolle finden zu können. „Sein Wurf ist ebenfalls schon gut, genauso wie seine Spielübersicht“, meint der Rekordnationalspieler. Doch warum lief der Youngster noch nie für die Nachwuchsteams des Deutschen Basketball Bundes (DBB) auf, obwohl er schon zu verschiedenen Lehrgängen eingeladen war? Ganz einfach: Ralph Hounnou ist zwar in Deutschland aufgewachsen, besitzt aber die Staatsbürgerschaft des Benin. Das soll sich in naher Zukunft ändern – die Trainer des DBB wird es freuen. redaktion@fivemag.de

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in-dre-ssant

NBA-Medienkompetenz

In-Dré-ssant Augen auf im Netz!

Sobald die Offseason in der NBA beginnt, haben Tradegerüchte im Netz wieder Hochkonjunktur. Doch wie bei so vielem im World Wide Web gilt: Augen auf! Text: André Voigt 94


I

m Internet muss es immer ganz schnell gehen. Na klar. Das geht uns doch allen so. Passiert irgendwo etwas auf der Welt, wollen wir so schnell wie möglich darüber Bescheid wissen. Vor allem auch im Sport. Obwohl … wenn es um die NBA geht, würden wir ehrlich gesagt gern schneller sein als die News selbst. Beispiel Kawhi Leonard. Wohin würde er im Sommer 2019 als Free Agent wechseln? Über Wochen wurde im medialen Kaffeesatz gewühlt, obwohl es ausgerechnet um Kawhi Leonard ging – den Eremiten der Association. Woher sollten all die Talking Heads und TwitterKommentatoren denn ihre Infos haben? Schlimmer ist es jedoch bei Trades. Wer wird von Team A zu Team B geschickt? Und warum? Die Saison nach der Saison ist mittlerweile größer als die NBA-Finals. Klar, hier kann jeder selbst General Manager spielen, auch wenn das eigene Fantasy-Team schon lange abgeschlagen in der Offseason ist.

Fotos: Ronald Cortes/Nathaniel S. Butler/Jesse D. Garrabrant/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

Erlaubt ist, was klickt

Dass die Offseason die Gemüter von allen 30 NBA-Fangemeinden erregt, während in den Playoffs das allgemeine Interesse mit jedem ausgeschiedenen Team schwindet (ja, klingt paradox, ist aber so), haben auch die Content Creators mitbekommen. CCs produzieren (in diesem Fall) Inhalte zum Thema NBA. Unter diesem Label lässt sich von der guten alten Tageszeitung über TV-Sender wie ESPN bis hin zu Instagram-Accounts wie nba.in_depth (119.000 Abonnenten) alles zusammenfassen, was Content zum Thema NBA kreiert. Was sie ebenfalls eint? Alle sind auf der Jagd nach Augäpfeln und Ohren. Mehr Leser, Zuschauer oder Hörer bedeuten mehr Geld von den Werbetreibenden bzw. Kooperationspartnern. Genau deshalb gilt vielerorts: Erlaubt ist, was klickt. Nun geht es natürlich nur um Basketball. Es tut niemandem weh, wenn irgendwo einfach ein Tradegerücht in die Welt gesetzt wird – auch wenn es noch so viel klickt. Trotzdem sollten Fans ein bisschen genauer hinschauen. Denn es gibt Unterschiede zwischen Gerüchten und Fantasie.

Trust the experts

Auch auf die Gefahr hin, dass hier in wenigen Sekunden crossmediale Vetternwirtschaft attestiert wird: Wenn etwas in den sozialen Medien steht, ist es in der Regel kein Gerücht, sondern eine Fantasie. Wenn zum Beispiel nba. in_depth darüber schreibt, dass die Golden State Warriors Andrew Wiggins, Eric Paschall sowie zwei Draftpicks für Giannis Antetokounmpo plus George Hill traden, dann muss verstanden werden, was da genau steht.

Adrian Wojnarowski

Hier liegt keine recherchierte Information aus der realen Welt zu Grunde. Es ist keine Meldung, keine Breaking News, nicht mal ein Gerücht. In der Regel behaupten Content Creators in den sozialen Medien das auch nicht. Fans verstehen es aber oft anders und verbreiten solche Posts weiter – oft mit Zusätzen wie „Guck mal das Gerücht“. Gerüchte, die in der realen Welt beheimatet sind, finden sich fast ausschließlich bei den Profis. Adrian Wojnarowski von ESPN (@wojespn) oder Shams Charania bei „The Athletic“ (@ShamsCharania) haben über Jahre Beziehungen zu den Entscheidern und Protagonisten der Association aufgebaut. Sie handeln professionell mit Informationen. Nicht jedes Gerücht, das sie irgendwo gesteckt bekommen, landet direkt auf Twitter. Damit würden sie sich ihr Business kaputtmachen. Infos sind nur dann etwas wert, solange sie nicht jeder hat. Und bevor sie eine Information öffentlich machen, wird eine zweite Quelle zur Bestätigung kontaktiert. Wenn also diese medialen Schwergewichte oder die nicht minder kompetenten Kollegen à la Marc Stein (@TheSteinLine) etwas schreiben, dann ist in aller Regel etwas dran – und es lohnt sich, darüber zu diskutieren.

Shams Charania

Marc Stein

Follow the leader

Es ist also mehr als sinnvoll, den einschlägigen NBA-Medienprofis in den sozialen Netzwerken zu folgen. Sie haben die News wirklich als Erste – „Woj“ spoilert ja sogar die Draftpicks der Teams, bevor Adam Silver sie offiziell verkündet … Es bietet sich zudem an, den sogenannten „Beatwritern“ des eigenen Teams zu folgen. Das sind Journalisten, die sich für ein Medium nur um eine Franchise kümmern und so entsprechend tief im Thema sind. Natürlich lohnen sich auch die Basketball-Influencer. Sie machen Spaß, vertreiben die Zeit. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. dre@fivemag.de

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ivan beslic

ivan beslic The Good, the Bad and the Ugly

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reunde, heute möchte ich euch die Story von Rick Barry erzählen – einem der besten, aber auch meistgehassten Baller der NBA-Geschichte. Doch fangen wir erst mal mit seiner guten Seite an …

The Good Rick wurde der Basketball schon früh in die Wiege gelegt. Sein Vater war Basketballcoach, und schon in jungen Jahren feilten die beiden an seinem Game. Dabei wurde die Offense zu Barrys Steckenpferd. Bereits am College sorgte er für Aufsehen, als er 37,4 Punkte pro Spiel bei den Miami Hurricanes auflegte. Von den San Francisco Warriors mit dem zweiten Pick der Draft 1965 gezogen, beeindruckte er schon als Neuling mit 25,7 Punkten und 10,6 Rebounds pro Spiel. Der „Rookie of the Year“ legte als Sophomore noch eine Schippe drauf, steigerte sich sogar auf kranke 35,6 Zähler pro Spiel und führte die Dubs bis in die Finals. Trotz seiner 40,8-Punktepro-Spiel-Gala musste er sich aber den 76ers samt deren Superstar Wilt Chamberlain mit 2-4 geschlagen geben. Der 2,01 Meter große Small Forward war unstoppable und wuchs über die Jahre zu einem Allrounder heran, was ihn 1975 im zweiten Anlauf zum NBA-Champion machte, natürlich samt Finals-MVP-Trophäe. Mit einem Karriereschnitt von 24,8 Punkten in 1.020 Spielen kann der zwölfmalige All Star auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. Der ehrgeizige Hall of Famer ist zudem der einzige Spieler, der es schaffte, in der NCAA, ABA und NBA den Scoringtitel zu holen, und seine Nummer 24 wurde von den Warriors und den Hurricanes retired. Als Ritterschlag wählte ihn die NBA sogar 1996 zu den 50 besten Basketballern aller Zeiten. #cremeDeLACreme Ein absoluter Superstar seiner Generation, und trotzdem galt er sein Leben lang als underrated. Aber warum?

The Bad Der Grund dafür war sein mieses Image. Er galt als humorlos und egoistisch. Seine

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Mitspieler hassten ihn regelrecht, und er war mit seiner arroganten Art mit Sicherheit nicht der Lieblingsspieler der Coaches. Nach seinem zweiten Jahr war er der Meinung, dass ihm mehr Geld zustehen würde, als es der Rookievertrag hergab. Deshalb wollte er aus seinem Deal mit den Warriors aussteigen, um in die konkurrierende ABA zu wechseln. Vertraglich war er aber noch für ein Jahr an die Dubs gebunden, alternativ drohte ihm eine einjährige Sperre. Der 23-jährige Sturkopf entschied sich freiwillig für die Sperre und brachte damit die NBA und die Fans gegen sich auf – was er aber als neuer Star der ABA nach seinem zwölfmonatigen Zwangsurlaub sicherlich unbekümmert wegsteckte. Motiviert vom bestdotierten Vertrag der Liga und trainiert vom Schwiegervater, führte er die Oakland Oaks direkt zur Meisterschaft. Der „Miami Greyhound“ war jeden Cent seines Vertrages wert! Doch er fiel immer wieder negativ auf. Finanzielle Probleme zwangen die Oaks, nach Virginia umzuziehen, wogegen Barry lautstark rebellierte, weil er nicht wollte, dass seine Kinder zu „Hillbillies“ (Hinterwäldlern) heranwuchsen. Mit seinen Mitspielern gab es ständig Beef, und bereits mit 29 Jahren veröffentlichte er seine Autobiografie „Life of a Gypsie“, in der er öffentlich zugab, eine Nonne geschlagen zu haben. #WTF Ein jahrelanger Gerichtsstreit führte 1972 dazu, dass Barry wieder bei der Franchise spielen musste, welche ihn ursprünglich gedraftet hatte. Zurück in Frisco kam es dann zu einem der weirdesten Momente der Sportgeschichte. Nach dem Titelgewinn im Jahr 1975 standen die Ws im Folgejahr wieder kurz vor dem Finals-Einzug. In den Conference-Finals lieferte man sich mit den Phoenix Suns einen wilden Schlagabtausch. Kurz nach Anpfiff des siebten Spiels kam es dann zu einer heftigen Hauerei zwischen Barry und Ricky Sobers von den Suns. Alles lief normal weiter, bis sich Barry beim Fernsehteam in der Halbzeitpause eine Wiederholung der Schlägerei ansah und feststellen musste, dass ihm keiner von seinen Mitspielern im Getümmel helfen wollte. Er nahm dies persönlich und weigerte sich, im restlichen Spiel auf den Korb zu werfen. Die Warriors verspielten somit ihre Führung, und die Suns feierten daraufhin ihre Finals-Teilnahme. #KeinerFüralleAlleFürKeinen

Sein damaliger Mitspieler Mike Dunleavy beschrieb ihn einst treffend mit den Worten: „He lacks diplomacy, if you send him to the United Nations, he would end up starting World War 3.“

The Ugly Doch Barry war nicht nur ein schwieriger Zeitgenosse, manchmal war er auch ein bisschen „strange“. Mit einem Karriereschnitt von 89,3 Prozent ist er bis heute einer der treffsichersten Freiwerfer aller Zeiten. In der Saison 1978/79 verwandelte er sogar kranke 94,7 Prozent seiner Würfe und verwarf insgesamt nur neunmal. Alles schön und gut … wäre da nicht die Art, wie er seine Freiwürfe verwandelte. Mit seinem unorthodoxen beidhändigen Wurf setzte er sich schon früh dem Gelächter der Kritiker aus. Es braucht schon ziemlich dicke Klöten, um sich in einer vollen Halle breitbeinig an die Freiwurflinie zu stellen und die Fluppe per Unterhand-Lupfer in den Korb zu bugsieren. Aber wer dadurch siebenmal als bester Freiwerfer des Jahres ausgezeichnet wird, der hat den Hatern das Maul gestopft. #BalldontLie Obwohl ich mit meinen Geheimratsecken selbst auch im Glashaus sitze, möchte ich euch die Story über Ricks Frisur nicht vorenthalten. In den Seventies trug man die Haare gerne etwas länger mit lässigem Seitenscheitel. Leider ist dieser Schnitt nicht so vorteilhaft, wenn man lichtes Haupthaar hat. So entschied sich Rick zur Saison 1974, in allen Games eine Perücke zu tragen. Und ich rede nicht von diesen dezenten Haarteilen, die einfach nur die Lücken füllen. Rick Barry hatte eine f***ing Bisamratte auf dem Kopf, eigentlich ein klarer Fall für die PETA. #rettetDieBisamratten Zwischen einem Genie und einem Wahnsinnigen gibt es oft keinen Unterschied. Rick Barry war beides, aber vor allen Dingen blieb er immer seinen Prinzipien treu. Auch wenn es nicht immer die besten Entscheidungen waren, gab ihm der Erfolg meistens recht. Freunde, es ist unehrenhaft, Frauen und besonders Nonnen zu schlagen! Und außerdem ist es schnurzpiepe, wie man beim Freiwurf aussieht. Hauptsache, die Frisur sitzt. Peace, Ivan


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