Ademola Okulaja - Zurück im nächsten Leben

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Ademola Okulaja

Zurückimnächsten leben

Ademola Okulaja hat den Krebs vorerst besiegt. Nun fragen sich alle, ob es mit seiner Profikarriere weitergeht. Nur er selbst ist bei dem thema entspannt. FÜNF besuchte den Nationalspieler in seiner Heimatstadt Berlin. Text: Sven Simon

Foto: Camera 4

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Am achten Juli bekommt okulaja die Krebsdiagnose, am neunten erzählt er es seiner hochschwangeren Frau, am zehnten wird er 33 Jahre alt, am elften wird der Tumor entfernt. „Alles Gute zum Geburtstag“, denkt er damals. 88

demola Okulaja grinst. Er grinst schon, während er die große Pranke zur Begrüßung ausstreckt. Sein typisches Ademola-Grinsen. Das ganze Gesicht ist beteiligt. „Alles klar bei dir?“, fragt er. Welch eine Ironie, dass er, der kürzlich noch schwer gezeichnet war vom Kampf gegen den Krebs, sein Gegenüber nach dem Befinden fragt. „Wieso nicht?“, sagt er. „Mir geht es doch wieder gut.“ So sieht er auch aus. Vital. Gesund. Der Körper in Form. Eigentlich genau wie ein Profisportler. Nur die Umgebung scheint die falsche für einen wie ihn. BerlinKreuzberg, in einem der Hinterhöfe am Osthafen. Viele alte Gebäude, direkt am Spreeufer, hier und da von einem wahrscheinlich bekannten Architekten veredelt – selbstredend mit einem extrem innovativen Überbau. In der Hauptstadt die neueste Lieblingsheimat der Kreativen. Die bekannten Klischees: Junge Menschen und solche, die sich jung geben, betont leger gekleidet, sitzen vor silbernen Apple-Computern, trinken Bionade – und abends bleiben sowohl Licht als auch Grill lange an. Am anderen Ufer haben die Universal Studios ihren Glaspalast platziert, ein Stück weiter links residieren neuerdings MTV und VIVA. „Mediaspree“ ist der Name des umstrittenen Projekts. Die Gentrifizierung eines sozialen Brennpunkts durch die Agenturklientel nimmt immer schneller Fahrt auf. In einem der alten Gebäude sitzt Okulajas Firma Streetlife Entertainment. Die gründete er vor fünf Jahren mit seinem Freund Nader Korayeim. Die Firma arrangiert in Europa vor allem Auftritte für Rapper wie Busta Rhymes, DMX, Missy Elliott und 50 Cent, produziert auch selbst Musik. Bisher regelte Korayeim alles, Okulaja war stiller Teilhaber. Nun steigt er mit ein. „Da gibt es verdammt viele Sachen, die ich lernen muss“, sagt er. „Aber ich sehe das als gute Investition für die nächsten Schritte meiner beruflichen Karriere.“ Kürzlich hat er ein Fernstudium für Sportmarketing und Kommunikation über sechs Monate an der Universität von Venedig abgeschlossen. An seinem zur Abschlussprüfung eingereichten Konzept zur besseren Vermarktung von Basketball in Europa zeigt die Euroleague großes Interesse. Wenn er vor seinem Schreibtisch stehend davon erzählt, erinnert kaum etwas an Okulaja, den Basketballprofi. Außer natürlich hinten links im Büro der lebensgroße Pappaufsteller von sich selbst als Nationalspieler … verdammter Angeber! „Das ist doch nur, damit ich immer anwesend bin, quasi immer am Arbeiten“, erklärt er und grinst. „Lass uns nach vorne ins Café gehen.“

Ademola, der Geschäftsmann

Draußen auf der Straße zeigt sich, dass die Gegend doch gut zu ihm passt. Es herrscht urbanes Treiben. Schillernd und dreckig zugleich. Kreuzberger Allerlei. In der Vielfalt und dem Grundchaos einmalig in Deutschland. Türkisch und Englisch als gleichberechtigte Sprachen neben Deutsch. Mit seiner Frau Michaela und den Söhnen Adeisaiya und Adenoah wohnt er wie einige andere Nationalspieler auch im gepflegten Wilmersdorf, aber Kreuzberg passt irgendwie besser zum Kosmopoliten Okulaja. Zu ihm, der mit drei Jahren aus dem nigerianischen Lagos nach Berlin kommt und über den Streetball zum Profisport findet. Der an der deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule in Berlin neben Botschafterkindern erst sein Highschool-Diplom, dann sein Abitur macht und später zudem noch fließend Spanisch spricht. Der über seine 20-jährige Karriere hinweg außer in Deutschland in den USA, Spanien, Italien und Russland aktiv war.

Vor ihm auf dem Tisch liegen Dutzende Fotos aus seiner Karriere. Er im Trikot des F.C. Barcelona. An der Seitenlinie, wie er Dean Smith, der Trainerlegende aus North Carolina, zuhört. 1995 als 19-jähriger Jüngling bei Alba Berlin, wie er den Korac Cup küsst. „Mann, guck mal: Da habe ich sogar noch Haare“, brüllt er und lacht. „Lass das bloß meine Frau nicht sehen.“ Die letzten Fotos, die für die FÜNF von ihm geschossen wurden, zeigen Mallorca als Hintergrund. 2007 war das, während der Vorbereitung mit der Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft in Spanien. Bei einem Fotoshooting offenbart sich viel vom Wesen des 2,06 Meter großen Modellathleten. Während andere Profis bei solch einer Anfrage als Erstes wissen möchten, wie lange es dauern wird, fängt er sofort Feuer. „Klar, können wir machen, und ich habe da auch ein paar gute Ideen“, sagt er damals bereits am Telefon. „Wir können doch etwas im Hallendurchgang machen, so im Halbdunkel oder was im Swimmingpool vom Hotel, wie ich gerade so aus dem Wasser auftauche mit ausgestreckten Armen.“

Ademola, der Kosmopolit

Okulaja ist einer, der in den Raum tritt und da ist. Es ist ein natürlicher Teil seines einnehmenden Wesens, im Mittelpunkt zu stehen. Schon immer gerne ein Showman, ohne als zwanghafte Rampensau negativ aufzufallen. Im Sprüchedrücken macht ihm so schnell keiner was vor. Er ist der, der im Training unartikuliert rumbrüllt, wenn etwas misslingt. Die Mitspieler drehen sich nicht mal um … Ademola halt. Seine Lautstärke und seine extrovertierte Art muss man lieben. Von der anderen Seite des Feldes aus ist das nicht einfach. Er ist nicht immer leicht. Einer, der vor niemandem kuscht. Kommt er in Fahrt, redet er manchmal und denkt danach erst darüber nach, ob es hilfreich war. Diplomatie ist sein Ding nicht, Ehrlichkeit schon. 2002 gerät er in Braunschweig mit seinem alten Trainer Svetislav Pesic aneinander. Die Deutschen haben gerade nach zwei Verlängerungen mit einem Punkt gegen den späteren Weltmeister Serbien verloren. Bei der Pressekonferenz treffen die beiden aufeinander. Bei Alba hatten sie sich oft aneinander gerieben. Mit ein Grund, warum das Verhältnis zwischen Okulaja und seinem Heimatklub nicht immer störungsfrei war. Er ist das junge Übertalent, das sehr schnell aus Pesic’ Philosophie von Rangordnung und Teamplay rauswächst. Okulaja ist erst in Braunschweig zur Nationalmannschaft gestoßen, weil er in der Summer League der NBA seinem großen Traum von der stärksten Liga der Welt nachlief. „Oho, NBA! Ganz wichtig“, stichelt Pesic. „Viel wichtiger als das Nationalteam. Da kann schließlich nicht jeder spielen.“ Okulaja könnte es einfach übergehen, aber das ist nicht seine Art. „Ganz genau, da kann nicht jeder spielen“, giftet er vor den Medienvertretern zurück. „Ich kann es, du nicht.“

Ademola, der Lautsprecher

2008 ist er wieder auf Mallorca. Die Qualifikation für Peking steht an. Der große Traum von den Olympischen Spielen. Dann kommen die Rückenschmerzen. Im Jahr zuvor hatte er sich bei den weichen Matratzen im Hotel über Nacht einen Nerv im Rücken eingeklemmt. „Nicht schon wieder“, denkt er. Sorgen hat er keine. Im Training ignoriert er die Schmerzen. Es hat schon seinen Grund, dass er „Warrior“ genannt wird. Aber als die Physiotherapeuten des DBB

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