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Schweiz

Den Projektionen zufolge wird die Wirtschaft 2023 um 0,6 % und 2024 um 1,2 % expandieren. Restriktivere finanzielle Bedingungen, ein eingetrübtes Wirtschaftsklima und die erhöhte Inflation dämpfen den Konsum der privaten Haushalte und die private Investitionstätigkeit. Geopolitische Spannungen und die gestiegene Unsicherheit beeinträchtigen den Außenhandel. Die Gesamtinflation wird 2023 oberhalb des Zielbands der Schweizerischen Nationalbank von 0–2 % verharren und erst gegen Jahresende nachgeben. Angespannte Finanzmärkte, Korrekturen am Wohnimmobilienmarkt und eine weitere Abschwächung der Exportnachfrage stellen wesentliche Abwärtsrisiken für die Konjunktur dar.

Die Geldpolitik muss weiter gestrafft werden, um sicherzustellen, dass die Inflation in den Zielkorridor zurückkehrt. Dabei gilt es, die Risiken für die Finanzstabilität genau im Auge zu behalten. Dass der Haushalt im Überschuss bleibt, ist sinnvoll, gezielte Maßnahmen zur Unterstützung der schwächsten Bevölkerungsteile sollten aber gewährleistet bleiben. Es bedarf strukturpolitischer Maßnahmen, um die Arbeitsmarktintegration unterrepräsentierter Gruppen zu erhöhen und um die Energieeffizienz im Interesse der Versorgungssicherheit und der ökologischen Nachhaltigkeit zu steigern.

Die Konjunktur ist schwach bei gleichzeitig erhöhter Inflation

Indikatoren lassen für die letzten Monate auf ein positives, aber schwaches Wachstum schließen. Angesichts der erhöhten Inflation und der restriktiveren finanziellen Bedingungen ist das Konsumklima weiterhin eingetrübt. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine drückt nach wie vor die globale Nachfrage und damit auch die Export- und Investitionstätigkeit. Der Arbeitsmarkt ist jedoch angespannt und die Arbeitslosenquote niedrig. Die Gesamtinflation lag im April 2023 bei 2,6 % und somit oberhalb des Zielbands von 0–2 % der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die mittelfristigen Inflationserwartungen der Unternehmen ebenso wie der Analyst*innen liegen jedoch weiterhin unter 2 %, also innerhalb des Zielkorridors.

Die Spannungen an den globalen Finanzmärkten gipfelten im März in der Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS, mit der die beiden global systemrelevanten Banken der Schweiz zusammengeschlossen wurden. Nach Jahren finanzieller Verluste und schlechten Risikomanagements erlitt die Crédit Suisse einen massiven Vertrauensverlust, der zu erheblichen Einlagenabflüssen führte. Dies veranlasste die Schweizer Regierung dazu, den Weg für diese Übernahme zu bereiten, die durch Liquiditätshilfen der Nationalbank und Garantien des Bundes unterstützt wurde. Dadurch konnte die Besorgnis über die Finanzstabilität erst einmal eingedämmt werden. In den Projektionen wird davon ausgegangen, dass die Spannungen im Finanzsektor im weiteren Jahresverlauf 2023 sowie 2024 unter Kontrolle bleiben. Anlass zur Sorge gibt erneut die Frage der Gasversorgung im nächsten Winter, da vor dem Krieg etwa die Hälfte des Schweizer Gasverbrauchs durch russische Importe gedeckt wurde. Die von staatlicher Seite ausgesprochenen Empfehlungen zur Senkung des Gasverbrauchs im letzten Winter wurden beherzigt:

Zwischen Oktober 2022 und März 2023 wurde der Gasverbrauch im Vergleich zum Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre um mehr als 15 % gedrosselt. Der Stromverbrauch sank indessen nur um 4 %. In den Projektionen wird nicht von wesentlichen Energieversorgungsstörungen im Winter 2023/2024 ausgegangen.

 1 OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE
LÄNDERNOTIZ SCHWEIZ © OECD 2023
2023/1:

Switzerland

1. GDP adjusted for the effects of major international sporting events. Such events can have a sizable impact on Swiss GDP, as international sporting organisations based in Switzerland receive revenues from television and branding rights. As the events do not occur every year, their impact on Swiss GDP complicates business cycle analysis.

Source: State Secretariat for Economic Affairs (SECO); and OECD Consumer Prices.

Switzerland: Demand, output and prices

StatLink2 https://stat.link/oyw5va

1. Contributions to changes in real GDP, actual amount in the first column.

2. Consumer price index excluding food and energy.

Source: OECD Economic Outlook 113 database.

StatLink2 https://stat.link/j38ihv

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AUSGABE 2023/1: LÄNDERNOTIZ SCHWEIZ © OECD 2023
2019 2020 2021 2022 2023 2024 Switzerland Current prices CHF billion GDP at market prices 717.3 -2.5 4.2 2.1 0.6 1.2 Private consumption 375.6 -4.2 1.7 4.0 1.4 0.9 Government consumption 81.4 3.5 3.5 -0.5 0.6 0.7 Gross fixed capital formation 190.8 -3.1 4.1 -0.8 1.1 0.0 Final domestic demand 647.8 -2.9 2.7 2.0 1.2 0.6 Stockbuilding¹ - 2.2 2.1 -3.2 -0.4 -0.3 0.0 Total domestic demand 645.5 -0.6 -0.8 1.5 0.8 0.6 Exports of goods and services 481.0 -5.5 12.2 5.8 4.2 3.1 Imports of goods and services 409.3 -3.0 4.9 5.7 5.3 2.6 Net exports¹ 71.7 -2.0 5.0 0.7 -0.1 0.7 Memorandum items GDP deflator _ -0.8 1.1 3.3 2.4 1.3 Consumer price index _ -0.7 0.6 2.8 2.4 1.2 Core inflation index² _ -0.3 0.3 1.7 2.2 1.4 Unemployment rate (% of labour force) _ 4.8 5.1 4.3 4.4 4.6 Household saving ratio, net (% of disposable income) _ 22.5 21.9 18.4 17.0 16.5 General government financial balance (% of GDP) _ -3.1 -0.5 1.0 0.1 0.4 General government gross debt (% of GDP) _ 43.8 41.2 41.3 41.8 41.9 Current account balance (% of GDP) _ 0.4 8.8 10.1 10.1 10.5 Percentage changes, volume (2015 prices)

Weitere

Zinserhöhungen sind nötig, damit die Inflation ins Zielband zurückkehrt

Die SNB hat die Geldpolitik seit letztem Jahr deutlich gestrafft. Nach der Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte im März 2023 liegt der Leitzins nun bei 1,5 %. Zugleich intervenierte die Nationalbank weiter an den Devisenmärkten, um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen. Da die Lage bei der Kerninflation immer noch angespannt ist und die Zinsen weltweit steigen, ist anzunehmen, dass der Leitzins weiter auf 2,25 % im dritten Quartal 2023 angehoben wird. Für den Rest des Projektionszeitraums wird unterstellt, dass er auf diesem Niveau bleibt. Die öffentlichen Haushalte verzeichneten 2022 einen über Erwarten hohen Überschuss, der 2023 aufgrund der ausbleibenden Gewinnausschüttungen der SNB sowie der Ausgaben für die nationale Sicherheit und für Geflüchtete auf 0,1 % des BIP zurückgehen dürfte. Der Bundesrat hat Schritte unternommen, um die Ausgaben ab 2024 zu drosseln, sodass für 2024 wieder ein Überschuss von 0,3 % des BIP erwartet wird.

In dem restriktiveren finanziellen Umfeld wird das BIP-Wachstum sinken

Aufgrund der strafferen Geldpolitik, die die Inlandsnachfrage bremst, und des schwachen Wachstums der globalen Nachfrage dürfte das Wachstum des realen BIP bis ins zweite Quartal 2024 unter der Potenzialrate bleiben. Aufgrund steigender Preise im Dienstleistungssektor und hoher Energiekosten wird die Gesamtinflation wohl noch bis Ende 2023 über dem Zielband der Nationalbank von 0–2 % liegen. Dieser Ausblick ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Größere Spannungen im Finanzsektor oder eine Preiskorrektur am Immobilienmarkt könnten die Finanzstabilität gefährden. Schwerwiegende Energieversorgungsstörungen könnten die Industrieproduktion beeinträchtigen und zugleich den Inflationsdruck erhöhen. Ein rasches und dauerhaftes Ende des Kriegs in der Ukraine würde hingegen dem globalen Wachstum wieder Auftrieb geben, das Konsumklima aufhellen und die Energiepreise sinken lassen.

Durch mehr Teilhabe und mehr Tempo bei der ökologischen Transformation könnte das Wachstum gesteigert werden

Der antizyklische Kapitalpuffer für Wohnliegenschaftshypotheken liegt auf dem – im Rahmen von Basel III vorgesehenen – Höchstniveau von 2,5 % und die Wohnimmobilienpreise steigen weiter. Daher gilt es, die Risiken im Zusammenhang mit den steigenden Zinsen und dem Immobilienmarkt genau im Auge zu behalten. Die Haushaltskonsolidierung ist sinnvoll, um reichlich fiskalischen Spielraum zu wahren, die Unterstützung sozial Schwacher und insbesondere Geflüchteter sollte jedoch gewährleistet bleiben. Wenn das Angebot an bezahlbarer Kinderbetreuung erhöht und die Fehlanreize für die Erwerbstätigkeit von Zweitverdienenden verringert würden, könnte die Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Kindern verbessert werden. Durch eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren für die Anerkennung ausländischer Qualifikationen und einen leichteren Zugang zu Weiterbildung könnte das Kompetenzangebot erhöht und die Erwerbsbeteiligung von Gruppen, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert sind, gesteigert werden. Weitere Investitionen in erneuerbare Energien würden die Abhängigkeit von den Ölund Gasmärkten verringern und die Energieversorgungssicherheit erhöhen.

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