Osterreich-economic-outlook-oecd-note-june-2023

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Österreich

Die Wirtschaftstätigkeit wird sich den Projektionen zufolge langsam von dem gegenwärtigen Konjunkturabschwung erholen, und das BIP wird unter dem Einfluss der stärkeren Inlandsnachfrage 2023 um 0,2 % und 2024 um 1,6 % steigen. Die Gesamtinflation wird allmählich zurückgehen, und steigende Reallöhne werden die Haushaltseinkommen ab der zweiten Jahreshälfte 2023 stützen. Die Anspannung am Arbeitsmarkt wird im Projektionszeitraum etwas abnehmen, was mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit einhergeht. Die Unternehmensinvestitionen werden durch die hohen Zinsen und Arbeitskosten gedämpft.

Der fiskalpolitische Kurs wird im Verlauf des Projektionszeitraums restriktiver, da die pandemiebedingten Hilfen 2023 und die Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung 2024 auslaufen. Einige dieser Maßnahmen werden durch begrüßenswerte strukturelle steuerliche Änderungen ersetzt, die das Wachstum durch eine Senkung der Arbeitskosten ankurbeln sollen. Andere befristete Maßnahmen zum Ausgleich der hohen Energiepreise, die in den nächsten zwei Jahren noch in Kraft sind, müssen zielgenauer ausgerichtet werden, um eine Schwächung der Preissignale zu verhindern und den Inflationsdruck zu reduzieren. Die Mobilisierung bestehender Arbeitskräftereserven würde helfen, die anhaltenden Personalengpässe abzubauen.

Das Wirtschaftswachstum hat sich abgeschwächt

Der im vierten Quartal 2022 verzeichnete Rückgang des BIP um 0,1% wurde im ersten Quartal 2023 wettgemacht. Hochfrequente Indikatoren deuten darauf hin, dass das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion bis ins zweite Halbjahr 2023 schwach bleibt. Die hohe Inflation belastet den privaten Konsum. Die gestiegene Unsicherheit und restriktivere finanzielle Bedingungen haben die privaten Investitionen gebremst. Die Gesamtinflation sank im ersten Quartal auf 9,5 % (Stand: April 2023). Die Kerninflation stieg jedoch weiter, was in erster Linie auf die Entwicklungen in den Dienstleistungsbranchen zurückzuführen war. Die Lage am Arbeitsmarkt ist angespannt, hat sich aber zu entspannen begonnen: Die Arbeitslosenquote erhöht sich geringfügig ausgehend von einem niedrigen Niveau und die Vakanzquote ist seit dem dritten Quartal 2022 tendenziell rückläufig.

Die österreichische Wirtschaft ist anfällig für eine weitere Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen. Höhere Zinsen werden aufgrund der großen Zahl variabel verzinster Kredite rasch an Unternehmen und private Haushalte weitergegeben. Dies zeigt sich im Wohnimmobiliensektor: Die Neuvergabe von Wohnungsbaukrediten halbierte sich im zweiten Halbjahr 2022 und die Wohnimmobilienpreise sinken mittlerweile. Österreich ist nach wie vor der Gefahr weiterer Gasversorgungsstörungen ausgesetzt, auch wenn das Land seine Abhängigkeit von russischen Gasimporten verringert hat und die Gasreserven Anfang Mai 2023 72 % des durchschnittlichen Jahresverbrauchs betrugen.

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Austria

1. Harmonised index of consumer prices excluding food, energy, alcohol and tobacco.

2. The job vacancy rate is the number of vacancies divided by the number of occupied posts plus the number of vacancies.

Source: OECD Main Economic Indicators database; and Eurostat. StatLink2 https://stat.link/pq2b5g

Austria: Demand, output and prices

* Based on seasonal and working-day adjusted quarterly data; may differ from official non-working-day adjusted annual data.

1. Contributions to changes in real GDP, actual amount in the first column.

2. Harmonised index of consumer prices excluding food, energy, alcohol and tobacco.

3. The Maastricht definition of general government debt includes only loans, debt securities, and currency and deposits, with debt at face value rather than market value.

Source: OECD Economic Outlook 113 database.

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StatLink2 https://stat.link/6nc0wq 2019 2020 2021 2022 2023 2024 Austria Current prices EUR billion GDP at market prices* 397.0 -6.5 4.7 4.9 0.2 1.6 Private consumption 204.7 -7.9 3.4 4.9 -0.2 2.3 Government consumption 77.2 -0.5 7.9 3.6 -0.2 0.6 Gross fixed capital formation 98.5 -5.0 8.8 0.4 0.3 1.1 Final domestic demand 380.5 -5.6 5.7 3.4 -0.1 1.7 Stockbuilding¹ 1.4 0.1 0.7 -0.9 0.0 0.0 Total domestic demand 381.9 -5.5 6.4 2.5 -0.1 1.6 Exports of goods and services 222.0 -11.4 10.2 13.0 3.2 2.7 Imports of goods and services 207.0 -9.2 13.5 7.8 2.8 2.7 Net exports¹ 15.1 -1.6 -1.4 2.9 0.3 0.0 Memorandum items GDP deflator _ 2.5 2.0 4.9 7.5 3.5 Harmonised index of consumer prices _ 1.4 2.8 8.6 8.0 3.9 Harmonised index of core inflation² 2.0 2.3 5.1 7.7 4.2 Unemployment rate (% of labour force) _ 5.4 6.2 4.7 5.0 5.1 Household saving ratio, net (% of disposable income) _ 13.3 12.0 8.8 8.3 7.7 General government financial balance (% of GDP) _ -8.0 -5.8 -3.2 -3.2 -1.6 General government gross debt (% of GDP) _ 111.6 105.3 86.4 86.3 85.6 General government debt, Maastricht definition³ (% of GDP) _ 83.1 82.3 78.5 78.3 77.7 Current account balance (% of GDP) _ 3.0 0.4 0.7 1.4 1.3 Percentage changes, volume (2015 prices)

Die fiskalischen Stützungsmaßnahmen werden stetig zurückgehen

Das Haushaltsdefizit dürfte sich im Verlauf des Projektionszeitraums von 3,2 % auf 1,6 % des BIP verringern. Die krisenbedingten Hilfen, einschließlich der meisten Ausgabenposten, die sich 2022 auf 3,9 % des BIP beliefen, werden weitgehend wegfallen. Zugleich werden die Einkommensteuern gesenkt, und die Zinsausgaben werden voraussichtlich steigen. Die verbleibenden pandemiebedingten Ausgaben, die 2022 etwa 1,7 % des BIP betrugen, werden in den kommenden zwei Jahren nach und nach abgebaut. Die diskretionären fiskalischen Stützungsmaßnahmen zur Abfederung der hohen Teuerung machten 2022 rd. 1,5 % des BIP aus. Diese Unterstützungsleistungen werden größtenteils bis 2023 und teilweise bis 2024 gewährt, insbesondere durch eine Stromkostenbremse. Der fiskalische Effekt wird nach Auslaufen dieser Maßnahmen z. T. durch strukturelle Maßnahmen wie die Inflationsindexierung der Tarifstufen in der Einkommensteuer und die ökosoziale Steuerreform erreicht. Letztere wird das Defizit im Zeitraum 2022–2024 um 0,5 Prozentpunkte des jährlichen BIP erhöhen. Höhere Einnahmen aus der CO2Bepreisung werden dazu beitragen, die Einkommensteuer zu senken und die Einkommen durch den regional gestaffelten Klimabonus zu stützen. Mit Zuschüssen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Union werden im Zeitraum 2022–2024 Investitionen in erneuerbare Energien und Digitalisierung in Höhe von 0,2 % des jährlichen BIP finanziert.

Die Wirtschaft wird allmählich wachsen

Die Wirtschaftsleistung wird sich allmählich erholen und 2023 um 0,2 % sowie 2024 um 1,6 % wachsen. Die hohe Inflation, die restriktiveren finanziellen Bedingungen und die Rücknahme von pandemiebedingten Ausgaben werden die Inlandsnachfrage 2023 belasten, während die Wachstumsabschwächung bei den Handelspartnern das Exportwachstum dämpfen wird. Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt wird sich nur langsam entspannen und die Arbeitslosigkeit wird leicht steigen. Höhere Nominallöhne und ein Rückgang der Inflation werden den privaten Konsum 2024 stützen. Die höheren Zinsen werden die Investitionstätigkeit im Jahr 2023 zwar belasten, das Wachstum wird 2024 aber wieder anziehen. Die Inflation hat ihren Höchststand überschritten und wird stetig zurückgehen. Sie wird im Projektionszeitraum allerdings auf hohem Niveau verharren, da die Teuerung bei den Kerndienstleistungen hartnäckiger ist. Die Risiken, mit denen diese Projektionen behaftet sind, liegen überwiegend im negativen Bereich. Als kleine offene Volkswirtschaft ist Österreich besonders anfällig für eine Abschwächung der weltweiten Nachfrage oder weitere Versorgungsstörungen.

Strukturreformen könnten ein nachhaltiges und inklusives Wachstum fördern

Der Abbau regulatorischer Hindernisse in bestimmten Dienstleistungsbranchen, die vom Wettbewerb abgeschottet sind, und weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Digitalisierung könnten die Produktivität steigern. Ein breiterer Zugang zum Arbeitsmarkt und ein Abbau der Kompetenzdefizite würden inklusives Wachstum ebenfalls fördern. Verbesserungen bei der Verfügbarkeit und Qualität des Kinderbetreuungsund Altenpflegeangebots sowie die Förderung einer ausgewogenen Inanspruchnahme der Elternteilzeit würden die geringe Vollzeitbeschäftigung von Frauen adressieren. Bessere Anreize für ein späteres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und gute Arbeitsbedingungen würden die Erwerbstätigkeit älterer Arbeitskräfte begünstigen. Eine weitere Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit im Rahmen des Entlastungspakets zur Abfederung der hohen Teuerung und der ökosozialen Steuerreform würde dazu beitragen, die Beschäftigung geringqualifizierter Arbeitskräfte zu erhöhen. Die Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der hohen Inflation müssen zielgenauer gestaltet werden: Sie müssen die Energiesparanreize erhalten und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen angesichts des wachsenden langfristigen Ausgabendrucks, der durch die Bevölkerungsalterung und den Klimawandel bedingt ist, sichern.

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