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Termin beim Chef

HEROSE

Dirk M. Zschalich

Im Rücken eine große gegossene Statue eines Eisengießers, vor ihm ein wohlgeordneter Schreibtisch. Wenn Dirk Zschalich den Blick hebt, schaut er in Richtung einer grünen Wiese, auf der er in seinem Kopf bereits die nächste Erweiterung seines Unternehmens plant. „Traditionsbewusstsein und Zukunftsgewandtheit gehen bei uns Hand in Hand“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter von HEROSE GmbH Armaturen und Metalle in Bad Oldesloe. Tatsächlich steht nächstes Jahr das 150-jährige Jubiläum des Herstellers von Industriearmaturen und Sicherheitsventilen für tiefkalte flüssige Gase an. 1873 in Hamburg gegründet, fusionierte die Th. Rose KG nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Hero Armaturenwerk GmbH zu HEROSE. Für Dirk Zschalich steht 2023 gleichzeitig das 20-jährige Firmenjubiläum an. Der in Norderstedt aufgewachsene und heute noch ansässige Jurist und Master of Business Engineering startete 2003 bei HEROSE als Assistent der Geschäftsleitung. Zschalich führte anfangs mit seinem Vater zusammen das Unternehmen, später übernahm er allein den Betrieb. Seit einigen Jahren steht ihm mit Dr. Jens Silligmüller ein zweiter Geschäftsführer zur Seite. „Als ich bei HEROSE anfing, beschäftigten wir 120 Mitarbeiter und erreichten 14 Millionen Euro Umsatz“, blickt Dirk Zschalich zurück und ergänzt dann nicht ohne Stolz: „Heute machen wir alleine am Standort Bad Oldesloe mit 395 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro. Und weltweit erwirtschaftet die HEROSE Gruppe mit rund 500 Menschen etwa 95 Millionen Euro.“ Egal ob Stickstoff, Sauerstoff, Argon, Xenon – alles regeln und sichern Armaturen und Ventile von HEROSE.

Dirk Zschalich, geschäftsführender Gesellschafter Herose, Bad Oldesloe

Foto: Christian Augustin

Traditionsbewusstsein und Zukunftsgewandtheit gehen bei uns Hand in.

Zschalich erklärt ein typisches Einsatzbeispiel: „Stellen Sie sich ein Krankenhaus in einem Mittelmeerland vor, mit einem großen Tank für flüssigen, minus 183 Grad kalten Sauerstoff. Dieser Tank erwärmt sich in der Sonne locker auf eine Oberflächentemperatur von 60 Grad. Jetzt kommt ein Tankwagen zum Nachfüllen. Er öffnet die Armaturen, füllt den Tank mit eiskaltem Sauerstoff auf und schließt anschließend die durch den Befüllvorgang vereisten Armaturen, die sich dann durch die hohe Außentemperatur schnell wieder erwärmen. Sie haben also massive Schrumpfungs- und Ausdehnungsmomente, aber die Armaturen und Ventile müssen zu jeder Zeit dicht sein. Da haben wir sicherlich ein gewisses Know-how, sowohl was metallische Werkstoffe als auch was Dichtungswerkstoffe angeht“, stapelt Zschalich tief. Mit diesen Kompetenzen ist HEROSE Marktführer in Europa und einer der führenden Anbieter weltweit geworden. Längst stehen nicht mehr nur klassische Industriegase im Fokus. Ein seit gut zehn Jahren stark wachsender Bereich ist LNG, also Liquefied Natural Gas. Das bei minus 161 Grad flüssige Erdgas sei aktuell vor allem in der Schiffsbetankung gefragt, um von Rohöl und Schiffsdiesel wegzukommen, berichtet Zschalich. „Für uns ist das LNG-Geschäft ein bisschen ‚back to the roots’, denn wir sind 1873 ja als Hersteller von Armaturen für den Schiffbau gegründet worden. In der Werftenkrise Mitte 1990er-Jahre haben wir uns vom Schiffbau komplett getrennt, nun sind wir dort wieder sehr aktiv.“ Während Zschalichs Unternehmen schnell auf Veränderungen reagiert, vermisst er dies bei der Politik des Öfteren. Er habe zusammen mit anderen Unternehmern seit Jahren den Aufbau von LNG-Terminals in Norddeutschland gefordert. Es sei gut, dass dies nun endlich als Chance begriffen und vorangetrieben werde, aber sehr unschön, dass dafür erst der Ukrainekrieg und die Embargo- Situation nötig gewesen sei. Seine klare Erwartung an die Politik: „Technologieoffenheit, denn zum Beispiel im Schiffbau ist noch keineswegs klar, welcher Treibstoff der nächste Energieträger sein wird.“ Neben Ammoniak, Methanol oder Methan kann dies für Zschalich auch gut Wasserstoff sein. „Wasserstoff hat für mich das Potenzial, ein absoluter Megatrend zu werden und massiv zu wachsen“, begeistert sich der dynamische Norddeutsche. Auf einem Block skizziert er in klarer Handschrift ein Wasserstoff-Wachstumsfeld, dessen Erfolg weit über die Antriebstechnik in Schiffen oder anderen Fahrzeugen hinausgeht. „Für mich wird es interessant, wenn in jedem verarbeitenden Prozess in der Industrie das Kohlenstoff-C durch H wie Wasserstoff ersetzt wird. Also die Dekarbonisierung der gesamten Produktion und letztlich unserer Gesellschaft.“ Hier leuchten die Augen des 47-jährigen genauso, wie wenn er vom Herumtoben mit seinen zwei kleinen Söhnen erzählt. „Da bekommt für mich das Thema Wasserstoff eine sehr reelle Bedeutung für die Zukunft, die Umwelt und unsere Gesellschaft. Und hier haben wir bei HEROSE mit unserer Kernkompetenz, der Tieftemperaturtechnik – und bei Wasserstoff reden wir über minus 253 Grad – hervorragende Chancen.“

Wasserstoff hat für mich das Potenzial, ein absoluter Megatrend zu werden und massiv zu wachsen.

Sein Unternehmen sieht der erfolgreiche Firmenlenker also gut gerüstet für die Zukunft und auch die aktuellen Krisen: Corona, gestörte Lieferketten, stark steigende Energiepreise – all das bewältigt der Mittelständler zwischen Hamburg und Lübeck erfolgreich. Flexibilität ist für Zschalich dabei wesentlich. „Nehmen Sie Corona: In der Hochphase haben wir mit unserem Betriebsrat vereinbart, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie nicht von zu Hause arbeiten konnten, zwischen sechs Uhr morgens und Mitternacht im Unternehmen arbeiten konnten, sehr flexibel und einfach in Absprache mit ihren Vorgesetzten und Kollegen. Das hat sehr gut geklappt und ist sehr positiv von allen aufgenommen worden.“ Das gute Arbeitsklima und die Sicherheit in einem Familienunternehmen würden auch bei der Fachkräftegewinnung helfen. HEROSE ist mehrfach als Arbeitgeber ausgezeichnet worden, Zschalich will sich auf diesen Lorbeeren aber nicht ausruhen. Insbesondere in die Ausbildung investiert der Geschäftsführer massiv und hat seine Ausbildungswerkstatt vor Kurzem auch für benachbarte Firmen geöffnet. „Schwierig ist es vor allem im gewerblichen Bereich. Deswegen gehen wir sehr frühzeitig proaktiv in die Schulen. Wir suchen den Austausch mit Lehrkräften, bieten Praktika für Schüler und Studierende, Verträge für Werkstudenten und duale Studienplätze an. Unsere Auszubildenden sind für uns als Ausbildungsbotschafter aktiv und betreuen eigenverantwortlich unseren Instagram-Kanal. Und all diese Maßnahmen zeigen tatsächlich Wirkung“, weiß Zschalich zu berichten. So schaut der HEROSE-Chef auf eigentlich allen Ebenen positiv in die Zukunft. Das große Firmenjubiläum im nächsten Jahr wird gebührend gefeiert werden können. Dann aber muss Dirk Zschalich das Standpunkte-Interview beenden und rasch nach Hause, denn auch dort gibt es etwas zu feiern: „Meine Frau und ich haben heute 15. Hochzeitstag.“ DJ

HEROSE

Auf 14.000 Quadratmetern produziert HEROSE in Bad Oldesloe mit fast 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jährlich mehr als 200.000 Sicherheitsventile und 200.000 Absperrarmaturen in den Größen DN 8 bis DN 200. Die Produkte für tiefkalt verflüssigte Gase sowie für Gase, Dämpfe und Flüssigkeiten in industriellen Anwendungen sichern Drücke bis zu 550 bar ab und funktionieren von -270°C bis zu +400°C. Gefertigt werden sie aus Edelstahl, Bronze, Messing, Grauguss oder Stahlguss. HEROSE hat Niederlassungen in Spanien, dem Vereinigten Königreich, Indien, China und Australien.

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