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Augsbürger
gsbürger
Rockpapst und Lebenskünstler »Simi« Symolka In der Serie »Augsbürger« stellt der Fotograf Fabian Schreyer Menschen aus unserer Stadt vor, die viele vom Sehen kennen, deren Namen aber meistens ebenso unbekannt bleiben wie ihre Geschichte.
Es sind vielleicht hundert Meter von unserem Treffpunkt bis zu seiner
Hose am Arsch und habe mich monatelang von Wurstsemmeln und Kek-
Haustüre. Michael G. Symolka atmet wie ein Blasebalg tief ein und aus,
sen ernährt.«
während sich immer mehr feuchte Flocken unter seine schneeweißen
Momentan wohnt der 64-Jährige in einer Zweier-WG auf Zeit. Nach wie
Haare mischen. Vier Jahrzehnte Raucherleben fordern ihren Tribut. Die
vor sind die Lebensumstände des Kunstförderpreisträgers prekär. »Simi«
Hybris der Unsterblichkeit ist seit dem Ausbruch einer schweren chroni-
sitzt inmitten seines Provisoriums und sucht nach Struktur. Um ihn her-
schen Lungenerkrankung gewichen.
um stapeln sich Umzugskartons, Schallplatten, verblichene Fotos, Kon-
»Aussteigen, Umsteigen, Einsteigen« beschreibt treffend das langjäh-
zertkarten und Mutters kleiner grüner Koffer – gefüllt mit Mahnungen.
rige Verhaltensmuster des rastlosen Berufwechslers: Musikkritiker,
»Ich trinke nicht, nehme keinerlei Drogen und rauche nicht mehr. Ich
Radiomoderator, Redakteur, DJ, freier Journalist, Literatur- und Stadt-
bin vielleicht einfach etwas lebensdoof und beruflich falle ich inzwi-
magazingründer,
TV-Musi-
schen in die Kategorie ’zu alt,
Medienreferent,
zu teuer, nicht mehr form-
Synchronspre-
bar’!« Der online wie offline
cher, Lyriker, Fachpädago-
gut vernetzte Van-Morrison-
ge, Dozent. Was sich wie das
Fan
Studienangebot einer Hoch-
Tonträger) wirkt nicht wie
schule für Medien liest, ist
ein Jammerlappen, eher wie
nur ein unvollständiger Aus-
ein selbstkritischer Analyst
zug aus dem Arbeitsleben
seiner derzeit bescheidenen
des Musikliebhabers, der im
Lebenslage.
letzten halben Jahrhundert
humorvoll und mit Bereit-
vom Aushilfs-DJ an der Seite
schaft
des Ex-Kneipiers und Sport-
Ein selbsternannter Idealist,
reporters »Waldi« Hartmann
Heimatsuchender, Kindskopf,
zum Verfasser des Hippie-
Gerechtigkeitsfanatiker und
Lexikons
»Anecker«, dessen biswei-
kexperte, Regisseur,
und
Augsburger
(zeitweilig
zur
über
480
Scharfsinnig, Selbstreflexion.
»Rockpapst« reifte.
len
Durch eine Aneinanderrei-
Ansichten über narzisstische
hung von Schicksalsschlägen
Tendenzen hinaus das echte
wurde
Lebenskünstler
Bedürfnis nach einer Ausei-
Symolka zuletzt zum Überle-
nandersetzung mit dem Zu-
benskünstler: Tod der Mut-
stand der Gesellschaft durch-
ter, Verlust der Arbeitsstelle
blicken lassen. Inspiration für
in einer Fachklinik für Such-
das eigene Schicksal liefert
terkrankungen,
Zwangsräu-
bisweilen auch die Fiktion,
mung seiner Bleibe in Fried-
aktuell in Form der US-Serie
berg,
Zwangsversteigerung
»Lost«. Wie es der Zufall will,
der eigenen Habseligkeiten,
auch hier thematisch im Fo-
Sozialhilfe, Depression: »Ich
kus: Überlebenskampf.
hatte
der
zeitweilig
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nur
provokante
politische
eine
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