
3 minute read
Berlin - Königin der Sponge Cities

(BU) Wenn Starkregen auf die asphaltierten Straßen einer Großstadt trifft, führt das nicht selten zu Überschwemmungen. Architekten legen Neubau-Viertel daher heute als Sponge Cities (übersetzt „Schwammstädte“, Anm. d. Red.) an, um das Hochwasserrisiko zu minimieren. In Deutschland gilt Berlin als beispielgebend, hier entsteht zurzeit das „Schumacher Quartier“, die größte Schwammstadt weltweit. Lesen Sie, mit welchen Maßnahmen dieses zukunftsweisende Immobilienprojekt auf veränderte Wetterbedingungen im Klimawandel vorbereitet wird und welche Pluspunkte Schwammstädte noch bieten.
Wenn ein Regenguss über einer Stadt niedergeht, wohin fließt das Wasser? Die üblichen Beton- und Asphaltoberflächen, die moderne Stadtbilder prägen, sind wasserundurchlässig, der Niederschlag wird an den Oberflächen entlang in Gullys geleitet. Durch unterirdische Rohrsysteme fließt das Wasser zu einem Kanal, See, Ozean oder zu einem Reservoir. Diese Systeme sind aber schnell überlastet. In der Folge begannen Stadtplaner, den Umgang mit Wasser neu zu überdenken. Kommunen investieren heute zunehmend in Maßnahmen, die Regenwasser nutzbar machen. Eine an den Klimawandel angepasste Stadt speichert Sturmwasser zur Bewässerung von Grünanlagen. Wird Wasser lokal bewirtschaftet, entlastet das die Kanalisation.
In Berlin entsteht die weltweit größte Schwammstadt
In Deutschland setzt die Stadt Berlin bei der Realisierung von Schwammstadt-Maßnahmen neue Maßstäbe. Bereits vor 25 Jahren entstand ein Musterprojekt im Ortsteil Adlershof, hier sorgen grüne Mulden zwischen Straßen und Gehwegen dafür, dass Regenwasser vor Ort versickern kann. Grünflächen liegen tiefer, und die Dächer der Gebäude sind begrünt, damit Wasser sich dort sammeln kann. In den 1990er-Jahren geplante Projekte in der Rummelsburger Bucht, am Potsdamer Platz und in Karow-Nord setzten ebenfalls auf die intelligente Nutzung von Regenwasser.

Für das im Bau befindliche Quartier „52° Nord“ in Grünau wenden die Planer gleich mehrere Schwammstadt-Maßnahmen an. Das nachhaltige Wohnviertel an der Dahme mit Hunderten Wohnungen und Reihenhäusern wurde um ein 6.000 m2 großes, künstlich angelegtes Wasserbecken gruppiert, das den optischen und ökologischen Mittelpunkt der Anlage bildet. Die drei Abschnitte des Reservoirs fangen


Regenwasser auf, das durch Uferpflanzen biologisch gereinigt wird. Fische und Wasservögel sollen dort einen Lebensraum finden. Bei Starkregen fließt das überschüssige Wasser in den Fluss. Die Fertigstellung ist für 2023 vorgesehen.
Leuchtturmprojekt „Schumacher Quartier“
Als Leuchtturmprojekt gilt das neue „Schumacher Quartier“ auf dem ehemaligen Gelände des Flughafens Tegel im Norden Berlins. Die größte Schwammstadt weltweit wird über 10.000 Menschen in rund 5.000 Wohnungen ein Zuhause bieten. Die „wassersensible Quartierentwicklung“, weitgehend verkehrsberuhigt geplant, nutzt Freiflächen nicht nur für die Freizeitgestaltung der Bewohner*innen, sondern auch zur Biotopentwicklung und dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Grünflächen werden mit Fotovoltaikelementen versehen. Bepflanzte Dächer sind als Verdunstungsflächen angelegt, Regenwasser wird im Kaskaden-Prinzip möglichst lange zurückgehalten. Begrünte Fassaden und die Vegetation in den Gärten reduzieren die Hitzeentwicklung im Sommer. Der erste Bauabschnitt soll 2027 fertiggestellt sein, das Quartier bis Mitte der 2030er-Jahre.
Mit gespeichertem Wasser durch trockene Sommer
Die Stadt Berlin verpflichtet Bauherren neuerdings zu modernem Wassermanagement, das gilt für Neubauprojekte ebenso wie für Sanierungen von Bestandsimmobilien. Regenwasser soll nicht mehr abgeleitet werden, sondern vor Ort bleiben. Die im Jahr 2018 gegründete Regenwasseragentur berät zu möglichen Maßnahmen, deren Ziel es ist, Sturmwasser von der Kanalisation abzukoppeln, denn hier entsteht bei Starkregen das gesundheitsschädliche Mischwasser.
Das Programm „1.000 Grüne Dächer“ fördert Dachbegrünungen mit Zuschüssen. Aktuell sind nur rund 5 % der Dachflächen in Berlin bepflanzt. Ein extensives Gründach ist pflegeleichter, als man meinen mag. Es wird durch Regen bewässert, nicht gemäht, nur einmal pro Jahr jätet man Unkraut. Diese Dächer halten die Hälfte des durchschnittlichen Jahresniederschlags zurück. Deutlich teurere und pflegeintensivere bewältigen die gesamte Menge.
In vielen Großstädten sind Flächen rar, in denen Wasser versickern kann. Indem man öffentliche Parkplätze entsiegelt, also Asphalt durch Schotterrasen oder Rasengittersteine ersetzt, wird das Mikroklima verbessert und die Hochwassergefahr minimiert. Die Berliner Wasserbetriebe legen unterirdische Abwasserparkplätze an, in denen überschüssiges Wasser nach Starkregen zwischengelagert werden kann, bevor es abgepumpt wird. Insgesamt sollen 300.000 m3 Stauraum geschaffen werden.
Und es gibt einen weiteren Grund, in nachhaltiges Wassermanagement zu investieren: Durch steigende Temperaturen und weniger Regen in den Sommermonaten registrieren Hydrologen auch in Deutschland zunehmende Dürreperioden. Da Wasser ein elementarer Grundstoff für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen ist, sollte mit dieser wertvollen Ressource so schonend und sparsam wie möglich umgegangen werden.