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Mit Energie in den Zieleinlauf

Wie Europa im Gebäudesektor bis 2050 klimaneutral werden soll

(KF) „Die Erde hat Fieber. Und das Fieber steigt“– so beschrieb Al Gore 2007 im Rahmen seiner Rede als Preisträger des Friedensnobelpreises den Zustand unserer Erde. Das Bewusstsein der Menschen für Arten- und Klimaschutz ist seither in vielen Teilen der Welt gestiegen. Trotzdem ist es fraglich, ob wir unsere Klimaziele erreichen werden, wenn wir nicht auf allen Ebenen des Alltags ansetzen, um unseren Ausstoß an Treibhausgasen zu minimieren.

Die EU hat Richtlinien aufgestellt, um das öffentliche und private Leben in den europäischen Ländern bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Das jüngste Strategiepapier wurde am 15. Dezember 2021 vorgestellt: ein Entwurf für eine neue Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD). Dieser sieht unter anderem Programme zur energetischen Sanierung von Bestandshäusern vor. Beim Lesen der Dokumente aus Brüssel wird schnell klar: Auf den Neubausektor kommt ebenfalls ein sportliches Programm zu.

Jedes Gebäude soll bis 2050 energieautark sein

Allein in Deutschland sind nach Aussagen der Brüsseler Behörde bislang nur 25 % des Gebäudebestands energetisch effizient. Für die Heizung und Kühlung unserer Gebäude verbrauchten wir 2020 laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz rund 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht 16 % der gesamten 739,5 Millionen Tonnen an TreibhausgasEmissionen in unserem Land. Somit belegt der Gebäudesektor hinter dem der Energiewirtschaft (220,5 Mio. Tonnen), der Industrie (178,1 Mio. Tonnen) und des Verkehrs (145,6 Mio. Tonnen) Platz 4 unter den Treibhausgas-Erzeugern.

Ein Blick auf die gesamte EU-Region zeigt, dass wir damit noch nicht mal so schlecht dastehen. 36 % der insgesamt erzeugten Treibhausgase und 40 % des Energieverbrauchs gehen europaweit auf den Gebäudesektor zurück. Die EU hat deshalb das Ziel aufgestellt, dass jedes Gebäude bis 2050 energieautark sein muss. Ein Neubauprojekt wird ab 2030 nur genehmigt, wenn es dank Bauweise und Ausstattung sowie mithilfe von erneuerbaren Energien wie etwa Fotovoltaik ein Minimum an Energie benötigt.

Öffentliche Gebäude im Neubau müssen sogar schon früher energieautark sein. Bei der Bauweise ist eine möglichst hohe Emissions-Reduktion gefragt. Der Fokus liegt auf Nachhaltigkeit und effizient genutzten Ressourcen im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Nachhaltige Materialien wie Holz – seit Corona ein teures Gut – sollen vermehrt zum Einsatz kommen.

Energetische Renovierung ist Pflicht

Für Bestandsbauten gelten nach dem neuen Entwurf der EU-Kommission ab 2035 energetische Mindeststandards. Was sich gerade nicht sehr aufregend liest, ist ein einschneidender Paradigmenwechsel in der Immobilienwirtschaft. Für Haus- und Wohnungseigentümer bedeutet diese bereits im Oktober 2020 vorbereitete „Renovierungswelle“ nämlich: Bis 2033 muss ausnahmslos jedes Haus energetisch angepasst sein – ob es sich um ein öffentliches oder privates Gebäude, ein Wohngebäude oder ein Nichtwohngebäude handelt, ob es vermietet oder selbst genutzt wird, aus der Jugendstilzeit stammt oder 2022 gebaut wurde. Nun sind üppige Förderprogramme gefragt, sonst wird Wohneigentum zur Belastung. Ein Paukenschlag: Gebäude, die am 1. Januar 2027 nicht die Energieklasse E und von 1. Januar 2033 an nicht die Energieklasse C erreichen, dürfen nicht vermietet oder verkauft werden. Nicht jedes Haus wird sanierungsfähig sein. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. beziffert in einer online veröffentlichten Stellungnahme vom 15. Dezember 2021 die Zahl der Häuser in

Deutschland, die den Kriterien an den beiden Stichtagen nicht mehr entsprechen werden, auf rund 3 Millionen. Europaweit seien 40 Millionen Gebäude betroffen.

Grüne Energie

Auch bei den Energiequellen setzt das Pro„Die gramm an. Erdgas und -öl sollen als Energielieferanten vom Markt verschwinden.

Erde Heizkessel, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, werden hat Fieber. Und das darum voraussichtlich ab 2027 nicht mehr gefördert. Bei Gas und Atomkraft ruderte die EU-Kommis-

Fieber sion allerdings zum Jahresanfang 2022 zurück und bestätigte am steigt“ 2. Februar eine Ausnahmeregelung. So stuft die EU-Kommission Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen und für eine feste Übergangszeit als klimafreundlich ein. Neue Atomkraftwerke – vor allem betrifft das sicher Anlagen aus Frankreich – sollen bis 2045 als „grün“ eingestuft werden, sofern sie neuesten technischen Standards entsprechen und ein Konzept vorliegt, das die Entsorgung des radioaktiven Abfalls ab spätestens 2050 regelt. Deutschland erhält als „Zuckerl“, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke bis 2030 u.a. dann ein grünes Etikett erhalten, wenn diese „schmutzigere“ Kraftwerke ersetzen und bis 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Auf der Website der EU gibt es eine Seite mit wichtigen Fragen und Antworten zur Überarbeitung der EPDB. Dort können Sie sich eingehender mit den neuen Plänen befassen. Darüber hinaus finden Sie dort einen Link zum englischsprachigen Entwurf der neuen EPBD.

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