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Beleuchtung | Es werde LED Berufsbild | K체mmerer oder Nervens채ge

2015

Firmeng채rten | Gemeinsam ackern

www.n-kompass.de

N-Kompass magazin Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand

Werbeartikel

Foto: PSI Messe

Klasse statt Masse

Der CO2-neutrale Versand mit der Deutschen Post


hon gute Vors辰tze f端r 2015? www.n-kompass.de

Der N-Kompass ist das neue Online-Werkzeug f端r die nachhaltige Unternehmensf端hrung im Mittelstand. www.n-kompass.de


Editorial

„Einiges, was heute eine lustige Idee ist, kann übermorgen ein wirtschaftliches Geschäftsmodell sein.“

Dr. Rüdiger Fox

Yvonne Buckesfeld, Dipl. Kauffrau (FH) Leiterin des Fachbereiches Nachhaltigkeit beim NWB Verlag und Produktverantwortliche für den N-Kompass.

Ein T-Shirt aus Holz, die Lenzing Group macht es möglich. Ihre Geschäftsidee: Eine nachhaltige Alternative zur Baumwollfaser, die keine intensive Bewässerung mehr erfordert. Auf Seite 16 erfahren Sie mehr über die Vorteile der umweltfreundlichen Textilfaser und ihre Einsatzgebiete. Auch bei Werbeartikeln liegen nachhaltige Textilien im Trend, wie z.B. Jacken aus recycelten PET-Flaschen. Aber dies ist nur ein Beispiel aus der bunten Werbeartikelwelt. Einzelheiten rund um die kleinen Unternehmensbotschafter finden Sie auf Seite 24. Neben den Nachhaltigkeitskriterien spielt auch die steuerliche Absetzbarkeit von Werbeartikeln eine zentrale Rolle. In unserem Exkurs auf Seite 28 erhalten Sie Tipps, um der Steuerfalle zu entgehen. „Es anders machen“, das gilt nicht nur für die Textil- und Werbemittelbranche, sondern auch für den Unternehmensberater Dr. Rüdiger Fox. Sein Konzept zeigt Unternehmern, dass man die intrinsische Motivation ganzheitlich und nachhaltig fördern kann. Im Interview auf Seite 36 erläutert er, wie das Königreich Bhutan ihn dabei inspiriert hat und warum Mitarbeitermotivation für ihn zwingend mit dem wirtschaftlichen Unternehmenserfolg verbunden ist. Kurt Ernsting kann dies bestätigen, denn seit seine Mitarbeiter im Grünen arbeiten dürfen, ist die Fehlerquote beachtlich gesunken. Lesen Sie auf Seite 8 mehr über den Trend der Firmengärten und ihren positiven Einfluss auf das Betriebsklima. Bereits 1962 erfand Dr. Holonyak die erste LED. Damals gab sie zwar nur rotes Licht ab, aber eine Idee war geboren. Auf Seite 12 erfahren Sie mehr über die heutigen Vorteile der energieeffizienten Beleuchtung, und ob sich ein Wechsel lohnt. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das neue Jahr und viel Freude bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe.

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Ihre Yvonne Buckesfeld

kontakt@n-kompass.de

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Gemeinsam ackern

Fotos: Nicole Siemers

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Fotos: Lenzing AG

Inhalt

Foto: Fotolia | mehmetcantürkei

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Kümmerer oder Nervensäge?

Radieschen ernten statt E-Mails checken. Weltweit boomen „Urban Gardening“-Projekte. Auch immer mehr Unternehmen entdecken, wie sich gemeinsames Gärtnern positiv auf das Betriebsklima auswirkt und legen Firmengärten an.

Sie zeigen Haltung statt bloß eine Rolle zu erfüllen. Nachhaltigkeitsmanager aus dem Mittelstand zeigen, dass es vor allem eine Typfrage ist, wie ein Unternehmen auf Nachhaltigkeitskurs gebracht werden kann.

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Es werde LED!

Titelthema: Sag’s mit Werbeartikeln

LEDs gelten als die Ressourcenschoner unter den Leuchtmitteln, mit denen sich u.a. Energiekosten senken lassen. Doch sind die Wunderleuchten auch schon in der unternehmerischen Praxis angekommen?

Werbeartikel sind Unternehmensbotschafter und Marketinginstrument zugleich. Eine Auswahl aus der Vielzahl an Angeboten zu treffen, ist nicht einfach, schon gar nicht, wenn Nachhaltigkeitskriterien mit im Spiel sind.

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Bäume statt Baumwolle

Im Kern nachhaltig. Die Lenzing Group in Österreich bietet mit ihren Fasern eine nachhaltige Alternative zur Baumwolle. Zwar wachsen die Fasern nicht – wie Wolle – auf Bäumen, dennoch spielt Holz eine zentrale Rolle.

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Am Ende vieler Beiträge finden Sie Hinweise auf unsere N-KompassDossiers in Form einer DokID – z.B. BAAAE-44044. Wenn Sie bei N-Kompass angemeldet sind, geben Sie die DokID in das Suchfeld ein und gelangen Sie so direkt zum Dossier. ÿ www.n-kompass.de

Exkurs: Werbung kann ungewollt (S)teuer werden

Wenn man die steuerrechtlichen Regeln nicht kennt, kann man bei Werbeartikeln schnell in die Steuerfalle tappen. Drei Knackpunkte gilt es daher in Bezug auf Werbeartikel zu beachten.

Es anders machen, als es üblich ist.

Dr. Rüdiger Fox erklärt im Interview, warum er davon überzeugt ist, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens maßgeblich von der Mitarbeitermotivation abhängt. Mit seinem „Gross Corporate Happiness“-Ansatz eröffnet er Firmen neue Perspektiven.

N-Kompass – nachhaltig wirtschaften mit Methode! Der N-Kompass ist das neue Online-Werkzeug für nachhaltiges Wirtschaften im Mittelstand. Damit bringen Sie Ihr Unternehmen selbstständig auf Nachhaltigkeitskurs. Das Werkzeug bietet Ihnen Analysen und sofort anwendbare Hilfen für die erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Soziales ebenso wie im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements.

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Luftverschmutzung

Foto: ESA/NASA

Kaum zu übersehen: Das Po-Tal, ein Hotspot für Luftverschmutzung in Europa!

Nebel oder Smog? Über dem Po-Tal in Norditalien hängt eine gewaltige Wolke. Doch handelt es sich hier um Nebel oder doch eher um Smog? Genau diese Frage stellte sich der 38-jährige Alexander Gerst als er am 30. Oktober 2014 dieses Bild schoss. Zu diesem Zeitpunkt lebte und arbeitete der deutsche Geophysiker als Astronaut auf der Internationalen Raumstation. Während seiner sechs Monate im All berichtete er auf Twitter und Co. über seinen Alltag, seine Experimente und vor allem seine Eindrücke, die er von hoch oben auf die Erde erhalten hat.

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Das NASA Earth Observatory hat die Frage „Fog oder Smog“ des Astronauten dem amerikanischen Atmosphärenforscher, Rudolf Husar, gestellt. Dieser kam zu dem Schluss, dass ein Entweder-oder in diesem Fall nicht zutrifft. Am ehesten handele es sich um eine Kombination aus vom Menschen verursachten Smog und natürlichem Nebel. Und da das Po-Tal eine der höchsten Bevölkerungsdichten Italiens aufweist, ist der Anteil des anthropogen verursachten Smogs sicher nicht unbedeutend. ◊

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Magazin

STANDARDS

Die Neue unter den ISO-Normen: Wasserverbrauch

Foto: Fotolia | robert

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Die Internationale Organisation für Normung (ISO) hat ihre Umweltmanagement-Normreihe um eine neue und lang erwartete Norm erweitert, die ISO 14046. Mit dem neuen internationalen ISO-Standard können Unternehmen künftig ihren Wasserfußabdruck systematisch erfassen. Dafür definiert die Norm konkrete Anforderungen und unterstützt mit auf der Lebenszyklusanalyse basierenden Leitlinien bei der Erstellung des Wasserfußabdrucks von Produkten, Prozessen und Unternehmen als Ganzes. Mit der ISO 14046 wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Wasser als Ressource knapper wird und ein künftig anhaltend hoher Wasserverbrauch die Wertschöpfungsketten zahlreicher Unternehmen gefährdet. Schätzungen zufolge soll eine eingeschränkte Wasserverfügbarkeit im Jahr 2003 die europäische Wirtschaft mehr als 8,2 Billionen Euro gekostet haben. Es ist daher nicht nur von ökologischer, sondern auch von wirtschaftlicher Bedeutung, dass Unterneh-

men sich durch die Erstellung ihres Wasserfußabdrucks über ihren direkten sowie indirekten Wasserverbrauch bewusst werden und entsprechend Verantwortung übernehmen. Die neue ISO-Norm unterstützt Unternehmen bei dieser Herausforderung und liefert Hilfestellung bei der Identifikation des individuellen Handlungsbedarfs und der entsprechenden Möglichkeiten bei der Effizienzsteigerung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wichtig ist die Norm auch für die Berichterstattung von wasserrelevanten Kennzahlen. Erhältlich ist das Regelwerk über den Beuth Verlag für rund 240 Euro. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.beuth.de/de/norm/ bs-iso-14046/222312696

NACHHALTIGKEITSKODEX

Aktualisiert und fit für Europa Der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) hat Ende 2014 seinen Nachhaltigkeitskodex in aktualisierter Form veröffentlicht. Anlass der Überarbeitung waren u.a. die Veröffentlichung des neuen GRI-Standards G4 sowie der EU-Richtlinie zur Berichterstattung nichtfinanzieller Informationen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex fördert auch in seiner aktualisierten Form die Transparenz und Vergleichbarkeit unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen. Mithilfe der weiterhin 20 Kriterien ermöglicht er über die Erstellung einer Entsprechungserklärung eine Berichterstattung und definiert für Unternehmen aller Größenklassen die relevanten Themen. Die Kriterien wurden jedoch inhaltlich an die Anforderungen der erwarteten EU-Richtlinie angepasst und entsprechend konkretisiert.

Weiterhin wurde vor allem das Indikatorenset überarbeitet: Statt der 19 EFFAS-Kriterien sind es jetzt nur noch 16. Dafür wurde ein weiterer GRI-Indikator ergänzt, sodass der Kodex insgesamt 28 Indikatoren beinhaltet. In der offiziellen Umstellungsphase erlaubt der Kodex bis zum 31.12.2015 für die Berichterstattung die Anwendung des GRI G3.1-Standards. Danach sind die neuen G4-Standards zu verwenden. Tipp: Mittelständischen Unternehmen bietet der RNE eine neue Anwendungshilfe als Leitfaden an, um ihnen den Einstieg in den Kodex zu vereinfachen. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de

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CROWDFUNDING

Mit dem Anspruch, die Welt ein Stück besser zu machen, ist Ende Oktober 2014 die neue Crowdfunding-Plattform „EcoCrowd“ online gegangen. Das Angebot der gemeinnützigen Deutschen Umweltstiftung bietet nachhaltigen Projekten und Start-ups die Möglichkeit, sich über Vorfinanzierung einer Masse von Endkunden („Crowd“) die Finanzierung von Produktinnovationen zu sichern. Das Besondere an EcoCrowd: Vor Freischaltung wird jedes Projekt mithilfe eigens entwickelter Leitlinien auf seine Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit hin geprüft. „Auf EcoCrowd kann niemand für unseriöse Projekte Geld sammeln. Wir prüfen und beraten jedes Projekt vorher intensiv – und stellen sicher, dass es auch wirklich nachhaltige Ziele verfolgt“, betont Ernst Ulrich von Weizsäcker, Vorsitzender des Club of Rome und Schirmherr der Plattform (s. N-Kompass 4/2014 S. 24). Zusätzlich können sogenannte Spendenaktionäre mit dem Kauf einer ideellen Aktie (100 Euro pro Aktie/pro Aktie eine Stimme) EcoCrowd beim Aufbau und der Weiterentwicklung der Plattform unterstützen. Das Team um Projektleiterin Jamila Mohme ist daher überzeugt, dass sich Nachhaltigkeit mithilfe von EcoCrowd zu einem erlebbaren Konzept entwickeln kann, das sinnhaft ist und Spaß macht. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.ecocrowd.de

VERANSTALTUNG

ENERGIEEFFIZIENZ

Save the Date – ZEIT-WISSEN-Preis

Neue Wege in neue Märkte

Es ist wieder soweit: Am 24. Februar 2015 werden die Träger des „ZEIT-WISSEN-Preises – Mut zur Nachhaltigkeit“ aus Wirtschaft und Wissenschaft in Hamburg für ihren besonderen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung ausgezeichnet. Neben der jährlichen Preisverleihung am Abend veranstaltet das Magazin „Zeit Wissen“ und die Initiative „Mut zur Nachhaltigkeit“ bereits zum dritten Mal tagsüber einen Nachhaltigkeitskongress u.a. mit Vorträgen des Risikoforschers Prof. Ortwin Renn und Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der OTTO Group. ◊

Foto: Fotolia | Marco2811

Weitere Informationen: ÿ www.zeit.de/nhp-anmeldung

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Die „Exportinitiative Energieeffizienz“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) hat ihre Förderprogramme um eine neue Online-Datenbank für energieeffiziente Produkte ergänzt. Auf der bewusst englischsprachig gehaltenen OnlineDatenbank können sich Unternehmen samt Produktangebot in einem individuellen Kurzprofil dem internationalen Markt präsentieren. „Wir registrieren in vielen Ländern eine wachsende Nachfrage nach energieeffizienten Technologien. Deutsche Unternehmen sind hier in vielen Bereichen führend und bieten herausragende Qualität“, erklärt Rainer Baake, Staatssekretär im BMWI. Daher soll die neue Datenbank vor allem kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland bei der internationalen Vermarktung genau dieser energieeffizienten Produktangebote unterstützen. Zielgruppen sind einerseits deutsche Produkt- und Dienstleistungsanbieter und andererseits ausländische Entscheider. Das ebenfalls von der Exportinitiative entwickelte Label „Energy Efficiency – made in Germany“ dient Unternehmern zudem als zentrales Qualitätsmerkmal, durch das ihre Angebote noch stärker wahrgenommen werden sollen. Und auch der Netzwerkgedanke ist bei der Datenbank von wesentlicher Bedeutung, wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos betont: „Mit der Online-Datenbank rund um das Thema Energieeffizienz vermitteln wir internationalen Interessenten die richtigen Ansprechpartner bei kompetenten deutschen Technologieanbietern und Dienstleistern.“ Damit könnte das Portal künftig zu einer der zentralen Anlaufstellen für die Suche nach Partnern oder Lieferanten aus Deutschland werden. Die Registrierung auf der Plattform dauert nur einige Minuten und ist kostenfrei. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.efficiency-from-germany.info

Foto: Christoph Ahrendt

EcoCrowd – neue Plattform


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Firmengärten

Weltweit wachsen die Städte und mit ihnen die Sehnsucht nach natürlichen Rückzugsräumen. „Urban Gardening“-Projekte sind ein globaler Trend. Auch immer mehr Unternehmen erkennen, dass gemeinsames Jäten, Gießen und Ernten gut für das Arbeitsklima ist. Zusammen mit ihren Mitarbeitern legen sie Firmengärten an. von Gaby Herzog

Gemeinsam

ackern

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n einer Viertelstunde ist das nächste Meeting angesetzt. Das Team von Susanne Heinrich trifft sich, um einen Kundenworkshop vorzubereiten. „Aber bevor wir die Konzepte diskutieren, wird geerntet“, sagt Heinrich „Head of Office Management“, klappt ihren Laptop zu und nimmt ihn zusammen mit dem Smartphone vom Schreibtisch. Auf dem Flur trifft sie ihren Kollegen Steffen Sachse. Der hat, neben Computer und Telefon, auch noch ein Schälmesser und eine weiße Porzellan-Schale dabei. „Die letzten Tomaten des Jahres, Mangold und ein paar Bohnen sind reif“, sagt er ganz selbstverständlich und geht die Treppe nach oben. Seit drei Jahren gehört Unkraut jäten, gießen und ernten bei „diffferent“ mit zum Büroalltag. 2011 ließ die Berliner Strategieagentur einen 100 Quadratmeter großen Dachgarten anlegen. Ziel war es, das Areal, das bislang nur von Rauchern benutzt wurde, zu beleben. Gleichzeitig sollte der neue Außenbereich das

kreative Image der Agentur unterstützen. Töpfe mit biederen Geranien, Fuchsien oder Männertreu kamen da nicht in Frage, genau so wenig wie eine Asia-Optik mit Bambus und Buddha-Statue. „Das hat ja jeder. Wir haben uns für einen Gemüsegarten entschieden“, sagt Executive Assistant Steffen Sachse. Der Terrassen-Boden ist mit Holzpaneelen ausgelegt, darauf stehen 88 Bäckerkörbe aus bordeauxrotem Plastik. Jeweils acht Kisten sind zu elf Hochbeeten zusammen geschoben. Darin wachsen Erbsen, Kohl, Tomaten, Kürbisse, Zucchini, Chili, Zitronenverbene, Schnittlauch, Basilikum, Salat, Kresse und Erdbeeren. In Großmutters altem Bauerngarten hat es nicht mehr Artenvielfalt gegeben.

Die grüne Visitenkarte

Weitere Beispiele für Firmengärten Ernstings family: Durch die Neuplanung der Firmenzentrale in Coesfeld-Lette ist Seniorchef, Kurt Ernsting, davon überzeugt, dass seitdem die Arbeit seiner Mitarbeiter effizienter und fehlerfreier ist: „Die Fehlerquote der Mitarbeiter hat sich deutlich verringert, seit sie in dem grünen Umfeld arbeiten.“

Kommunikationsagentur Scholz & Volkmer: „Wir buddeln als Team“ ist die Devise der Medienagentur in Wiesbaden. Statt mittags in die Kantinen auszuströmen, gehen die Mitarbeiter der Agentur lieber in den firmeneigenen Garten. Dort wird Gemüse angepflanzt und die frische Luft genossen: „Manchmal finden hier auch Firmenbesprechungen statt. Im Grünen kommen einem richtig gute Ideen“, so die Personalmanagerin Alexandra Haibach.

„Ich bin der klassische Großstadtmensch“, sagt Steffen Sachse. Eigentlich habe er sich nie sonderlich für „Grünzeug“ interessiert. „Aber die Geschäftsführung hat sich ausdrücklich gewünscht, dass alle beim Gartenprojekt mitmachen und sich einbringen. Ich musste erst lernen, wie die Pflanzen heißen, ob sie viel oder wenig Wasser brauchen, die Sonne lieben oder doch eher den Schatten. Jetzt bin ich stolz auf mein Wissen und habe sogar meinen Balkon zu Hause begrünt.“ 15.000 Euro hat die Anlage des Firmengartens bei „diffferent“ gekostet. Hinzu kommen jedes Jahr 4.000 Euro für die Betreuung durch eine Landschaftsgärtnerin, die ein bis zwei Mal in der Woche vorbei schaut. Im ersten Moment mag es verwundern, dass ausgerechnet eine angesagte Strategieagentur, in der das Durchschnittsalter der 75 Mitarbeiter bei knapp über 30 Jahren liegt, Spaß am Gärtnern findet. Doch wer sich in Berlin und anderen Metropolen weltweit umsieht, weiß, dass „Urban Gardening“ eine globale Bewegung ist, die sich in immer mehr Bereichen des städtischen Lebens ausdehnt und zunehmend auch von Unternehmen entdeckt wird. N-Kompass Magazin

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Fotos: Schubkarre: Fotolia | sven; Gartenuntensilien: Fotolia | pinkyone; Kr채uter: Fotolia |exclusive-design

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Der Prinzessinnengarten in Berlin Kreuzberg lädt mit seinen Hochbeeten zum Gärtnern und im Sommer zum Verweilen ein.

Christa Müller, Soziologin

„So ein Stadtgarten ist ein Prestigeobjekt, eine Art grüne Visitenkarte, mit der auch die Kunden beeindruckt werden können“, sagt die Münchener Soziologin Christa Müller, die seit vielen Jahren über nachhaltige Lebensstile und neue Wohlstandsmodelle forscht. Vor allem trendige Agenturen hätten das erkannt und gehörten zu den Vorreitern. Doch auch über das positive Image hinaus, wirkt sich ein Garten in vielerlei Hinsicht auf das Arbeitsklima aus. „Ein reiner Ziergarten kann ein schöner Erholungsort sein, aber ein Gemüsegarten lädt zu Interaktion und zum tieferen Gespräch ein“, so Müller. Auch wenn – wie etwa bei „diffferent“ – zusätzlich ein professioneller Gärtner für die wichtigsten Arbeiten engagiert wird, sind die Mitarbeiter aufgefordert, ihren Garten selber zu gestalten. Im Frühjahr entscheiden sie, welches Gemüse angepflanzt wird und sehen, wie es wächst. Die Ernte ist ein gemeinsames Erfolgserlebnis.

Keim der Bewegung „Wir sitzen im Grunde den ganzen Tag am Schreibtisch und jonglieren im Kopf mit Ideen und Konzepten“, sagt Susanne Heinrich von „diffferent“. „Das ist alles sehr abstrakt.“ Da tut es gut, gelegentlich raus zu gehen, mit allen Sinnen den Duft des Gartens und das Aroma von frischen Tomaten zu genießen. „Außerdem sitzen wir jetzt oft auch noch nach Feierabend zusammen und genießen das üppige Grün um uns herum“, ergänzt Sachse. „Das ist ein ganz neues Gemeinschaftserlebnis.“ Die Wurzeln des „Urban Gardenings“ sind mehr als 30 Jahre alt. In New York liefen damals sogenannte „Guerilla-Gärtner“ durch die Straßen und warfen heimlich „Saat-Bomben“ aus Erde und Samen über die Zäune in sterile Parks und verwilderte Brachen in der Stadt. Auch in Deutschland zogen immer mehr Menschen mit Hacke und Schaufel los, um die Erde auf Verkehrsinseln und rund um Bäume zu bepflanzen. Nicht selten mussten sie ihre Stadtverschönerung nachts betreiben. Misstrauischen Mitbürgern war das uneigennützige Engagement unheimlich.

Sie riefen die Polizei oder das Ordnungsamt, denn streng genommen ist öffentliches Gärtnern ohne behördliche Genehmigung verboten. Spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends ist „Urban Gardening“ auch hierzulande ein echter Trend. Allein in Berlin werden heute mehr als 200 Projekte gezählt: Zum Beispiel auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof, auf dem Dach zweier Parkhäuser in Neukölln und in Wedding sowie im ehemaligen Grenzstreifen am Prenzlauer Berg.

Ruheoase im immer komplexeren Lebensumfeld Zu den bekanntesten Projekten gehört der Prinzessinnengarten auf dem Moritzplatz in Berlin Kreuzberg. An einem Kreisverkehr zwischen einer Tankstelle, einem Discounter und einem Parkplatz liegt das 5.600 Quadratmeter große Areal, das man durch ein unscheinbares Tor betritt. Ausgediente Kisten, Plastiksäcke, Flaschen und Dachrinnen sind mit Erde gefüllt und mit Kräutern und Gemüse bepflanzt. In einem kleinen Birkenhain sitzen Besucher auf Klappstühlen an runden Tischen. Die Bar ist in einem alten Container untergebracht, in einer kleinen Hütte werden das selbst angebaute Gemüse, Samen und Setzlinge verkauft. Eine Ruheoase mitten in einem Stadtteil, der für seine sozialen Probleme bekannt ist. 2009 räumten damals hunderte Freiwillige den Müll von der zubetonierten Fläche und fingen an, mithilfe von Spendengeldern, die ersten Hochbeete anzulegen. Getragen wird der Garten bis heute von der gemeinnützigen GmbH Nomadisch Grün. Mit den Überschüssen aus Gartengastronomie, Gartenbau, Beratungen, Führungen, Vorträgen und Buchverkäufen tragen ihre eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten wesentlich dazu bei, den Garten und seine zahlreichen Bildungsangebote zu finanzieren. Den großen Erfolg von „Urban Gardening“ erklärt Trendforscherin Dr. Silke Borgstedt vom Heidelberger Sinus Institut: Sie spricht von „Re-Grounding“, dem Wunsch nach neuer Erdung in einem immer komplizierter werdenden Lebensumfeld. Die ganze Welt verstehen zu wollen, ist aussichtslos, da besinnt man sich auf alte Werte und konzentriert sich lieber auf das Naheliegende wie die Grünfläche vor der Haustür. Und das ist erst der Anfang. Stadtplaner sind sich sicher, dass das städtische Gärtnern keine kurzlebige Mode ist. Im Gegenteil: Die Zukunft der Millionenmetropolen ist grün, prophezeien sie. 2050 werden fast 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Und diese Megacities können nur funktionieren, N-Kompass Magazin

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Fotos: Tomaten: Fotolia | Bony Nguyen; oben links: Marco Clausen / Prinzessinnengarten; Foto oben rechts: Lotte Letschert

„So ein Stadtgarten ist ein Prestigeobjekt, eine Art grüne Visitenkarte, mit der auch die Kunden beeindruckt werden können.“


Interview

„Man sollte bereit sein, Zeit zu investieren.“ Robert Shaw, früher Regisseur und Videokünstler, ist Mitbegründer der Prinzessinnengärten in Berlin Kreuzberg. Der 37-Jährige zählt zu den Pionieren des „Urban Gardening“ in Deutschland.

Herr Shaw, zusammen mit Ihrem Gärtnerteam haben Sie schon zahlreiche Stadt- und Firmengärten in der ganzen Republik angelegt. Wer zählt hier zu Ihren Kunden? Das sind Werbeagenturen, Wohnungsbaugesellschaften, Schulen, Kitas, kulturelle Einrichtungen und Galerien von München bis Hamburg. Wie teuer ist so ein Garten? Die Preise sind sehr variabel. Es kommt darauf an, wo die zu begrünende Fläche liegt, ob die Erde mit dem Lkw oder von Hand mit Schubkarren oder Eimern angeliefert wird, und ob die Mitarbeiter der Firma selber mit anpacken. Die Materialkosten pro Quadratmeter Beet liegen bei etwa 100 Euro. In Urban Gardening-Projekten wird Gemüse in Töpfen, Säcken oder Kisten angepflanzt – warum gräbt man nicht den vorhandenen Boden um oder schüttet Mutterboden auf? Es gibt in der Stadt nur sehr wenig unversiegelten Grund. Die wenigen vorhandenen Flächen sind oft mit Schwermetallen belastet, solche Böden sind zum Gärtnern nicht geeignet. Der Komplettaustausch der gesamten Erde wäre extrem kostspielig. Wir verwenden alte Säcke und Kisten, weil die Gedanken von Recycling und Nachhaltigkeit Teil unseres Konzeptes sind. Ein weiterer Vorteil der Hochbeete ist, dass die Kästen leicht versetzt werden können und die Fläche – etwa bei einer Betriebsfeier oder einem Firmenevent – noch anderweitig genutzt werden kann. wenn der Natur wieder mehr Raum gegeben wird. In Anbetracht von hohen Energiekosten und zunehmender Wasserknappheit fordern Wissenschaftler in einem Report der Vereinigten Nationen und der Weltbank den Ausbau kleinbäuerlicher Strukturen in den Ballungsgebieten. Die Nahrung soll wieder dort produziert werden, wo sie gebraucht wird. Es gibt zahlreiche Pläne für Pflanz-Hochhäuser, in denen auf mehr als 20 Etagen Obst und Gemüse in Hydrokulturen angebaut werden sollen. Steffen Sachse und Susanne Heinrich haben geerntet. Neben Tomaten und Mangold haben sie zwei Zucchini und einen Gewürzkürbis entdeckt. „Ganz klar, ein Fall für Gert“, sagt Heinrich und lächelt. Während sich das Kreativ-Team den Kopf über die neue Kampagne zerbricht, wird der Hausmeister aus dem Gemüse sein köstliches Ratatouille kochen. „Nach so einem Mittagessen kommen einem die besten Ideen!“ ◊ 01.2015

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Wie wird so ein Hochbeet angelegt? Wir stellen zwei Kisten oder Holzrahmen übereinander. In den unteren Teil der Kästen wird organischer Müll eingefüllt: erst Strauchschnitt, dann Garten- und Küchenabfälle wie Kaffeefilter und Teebeutel. Oben drauf kommt eine 20 bis 30 Zentimeter dicke Schicht aus Gartenerde. Die Mikroorganismen zersetzen den Kompost, der seine Nährstoffe als Dünger an das Gemüse abgibt. Nach vier bis fünf Jahren ist der gesamte organische Müll verrottet und zu feiner Erde geworden. Gibt es eine Mindestgröße für einen Firmengarten? Damit der Garten wirken kann, sollte man mindestens zehn Quadratmeter zur Verfügung haben. Doch egal wie groß oder klein das Areal ist, wichtig ist, dass auch die Geschäftsführung das Projekt aktiv unterstützt. Sinnvoll ist es, jedem Mitarbeiter eine symbolische Stundenzahl zum Gärtnern zur Verfügung zu stellen. Niemand engagiert sich, wenn er Sorge haben muss, dass die Kollegen über ihn lästern, wenn er im Garten Unkraut zupft, statt eifrig an seinem Schreibtisch zu sitzen. Gibt es Pflanzen, die besonders robust und somit für Gartenneulinge zu empfehlen sind? Pfefferminze gedeiht eigentlich immer. Aber das ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz. Man muss bereit sein, den Garten zu pflegen und Zeit zu investieren. Wer keine Lust hat, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, der sollte lieber Geranien pflanzen. ◊

Kompass Dossier Flächenmanagement im Unternehmen Erfahren Sie in diesem Dossier, wie Sie Ihre betriebseigenen Flächen im Hinblick auf Ökosystemleistungen aufwerten und Ihren Flächenverbrauch entlang von Nachhaltigkeitskriterien optimieren können. DokID: PAAAE-44009

Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit Schaffen Sie durch flache Hierarchien und einer Anerkennungsund Lobkultur ebenso wie mit gelebter Vielfalt eine positive Führungs- und Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen. DokID: VAAAE-44020

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Beleuchtung

Es werde LED! Lichtemittierende Dioden (LED) gelten als die neuen Wunderleuchten. Sie sehen hübsch aus, besitzen einen gewissen Glamourfaktor und sparen zudem im Vergleich zu anderen Leuchtmitteln Energie. Doch sind sie wirklich eine ressourcenschonende Alternative zu herkömmlichen Beleuchtungstechnologien? Anwender berichten aus der Unternehmenspraxis. von Klara Walk

W

er abends kurz vor Ladenschluss Gemüse kaufen will, hat es nicht leicht. Erstens ist kaum noch etwas da. Zweitens ist das, was noch in der Auslage liegt, nicht mehr allzu appetitlich anzuschauen. Nicht nur weil die Ware seit Stunden herumliegt, sondern weil das Gemüse meist von Halogenlampen angestrahlt wird. Und die geben nicht nur Licht ab, sondern auch Wärme. Die Folge: Das Gemüse schrumpelt schneller, wird faltig und verliert Wasser. Mit LED-Beleuchtung würde das nicht passieren. Denn LEDs strahlen nach vorn hauptsächlich Licht ab, keine Wärme. Über LEDs hört man noch mehr Gutes. Die leuchtenden Dioden sollen deutlich länger wartungsfrei laufen als andere N-Kompass Magazin

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Geschätztes jährliches Einsparpotenzial mit LED-Lampen in der EU Nach ausgewählten Bereichen in Mrd. € 10

9,8

8 6 4 2,2

2,2

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0,9

0 Haushalte

Büros

Industrie

Öffentliche Beleuchtung

Nach ausgewählten Bereichen in Mio. Tonnen CO2 25 23 20 15

Die Beleuchtung mit LEDs ist

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8 3,5

5 0 Haushalte

Büros

Industrie

Öffentliche Beleuchtung

Quelle: © Statista 2014

-mal günstiger als mit Glühlampen. Leuchtmittel. Dabei verbrauchen sie weniger Energie, sind in der Entsorgung umweltfreundlicher als Energiesparlampen und lassen sich in fast jeder Lichtfarbe einsetzen. LEDs scheinen also wahre Wunderleuchten zu sein. Ist das alles nur Werbung der Beleuchtungsindustrie? Oder sind LED-Leuchtmittel tatsächlich so gut? Und lohnt es sich auch wirtschaftlich, auf die junge Beleuchtungstechnologie umzusteigen?

Beleuchtung ist ein Kostenfaktor Klaus-Dieter Jeddamowski ist überzeugt: „Es lohnt sich.“ Jeddamowski ist Technischer Leiter der Firmengruppe Michael Brücken Kaufpark und für das Energiesparen verantwortlich. Die mittelständische Supermarktkette, die zur REWE-Gruppe gehört, hat im Jahr 2012 einen der ersten Green-Building-zertifizierten Lebensmittelmärkte in Deutschland eröffnet. Der ressourceneffiziente Kaufpark steht in Iserlohn und gilt als der deutschlandweit erste Supermarkt, der sowohl im Innen- als auch im Außenbereich nur auf LEDs setzt. „Das war für uns logisch, obwohl es keine Grundvoraussetzung für die Green-Buil01.2015

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ding-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist“, sagt Jeddamowski. Gerade im Einzelhandel haben die Kosten für die Beleuchtung einen großen Anteil an den gesamten Energiekosten. Kälteerzeugung sei im Lebensmittelhandel der größte Stromfresser, berichtet Jeddamowski, danach komme gleich das Licht. Etwa 41 Prozent des Stromverbrauchs gehen laut AG Energiebilanzen e.V. im Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf die Beleuchtung zurück. Beeindruckendes Ergebnis des LED-Einsatzes im neuen Green-Building-Supermarkt: Die Beleuchtungskosten konnten um 27 Prozent gesenkt werden. Thomas Reichelt hat sich mit seinem Ingenieurbüro LEDlution.de auf die Lichtplanung mit LED-Technologie spezialisiert. Er weiß, wo die Einspareffekte herkommen: Die Dioden verbrauchen nicht nur weniger Energie als andere Leuchtmittel – man kann sie auch deutlich unkomplizierter bedarfsabhängig steuern. Der Elektroingenieur gibt ein Beispiel: Der weitaus größte Teil der Unternehmen in Deutschland verwendet heute noch Leuchtstoffröhren. Diese Leuchtmittel haben einen großen Nachteil, denn ihr Licht ist erst mit Verzögerung verfügbar. „Jeder kennt das“, sagt Reichelt: „Die Neonröhren flackern nach

Foto: Fotolia | mehmetcantürkei

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Beleuchtung

Zahlen & Fakten rund um die Birne

Leuchtmittel im Kostenvergleich Glühlampe Energiesparlampe LED-Lampe Leistung Lebensdauer Anschaffungskosten Stromkosten pro Jahr (Brenndauer 1.000 Std., Strompreis 26 ct/kWh)

60 W 1.000 W 1€

18 W 10.000 Std. 8€

10 W 20.000 Std. 20 €

15,60 €

4,68 €

2,60 €

16,60 €

5,48 €

3,60 €

Im ressourceneffizienten Kaufpark in Iserlohn wird kein Gemüse mehr schrumpelig. LED sei Dank.

Gesamtkosten pro Jahr

dem Einschalten erst einmal eine Weile, und je älter sie sind, desto länger dauert das Geflacker.“ Einleuchtend, dass das für Lagerräume oder Kellergänge, in denen nur zeitweise Licht benötigt wird, nicht praktisch ist. Deshalb lassen viele Unternehmen das Licht in diesen Räumen dauerhaft brennen. Das ist bequem, erhöht aber den Stromverbrauch gewaltig. LEDs hingegen sind nach dem Einschalten sofort hell. Es macht ihnen auch nichts aus, immer wieder ein- und ausgeschaltet zu werden. Deshalb eignen sie sich besonders gut für tageslicht- oder präsenzabhängige Lichtsteuerungssysteme, berichtet der Fachmann. Lampen, die bedarfsgerecht gesteuert werden können, verbrauchen weniger Energie als solche, die ständig brennen. Die Rechnung scheint einfach.

durch eine LED mit 10-Watt-Energieverbrauch ersetzt wird. Nimmt man an, dass die LED an fünf Tagen pro Woche acht Stunden lang in Betrieb ist, so ergibt sich laut Buschmann bei einem Strompreis von 25 Cent pro Kilowattstunde die Ersparnis von 20 Euro. Hochgerechnet auf einen ganzen Verkaufsraum können so ansehnliche Einsparsummen zustande kommen. Die Investitionskosten von zehn Euro pro LED hätten sich unter diesen Umständen bereits nach einem Jahr amortisiert.

Kostenaufwand vs. Einsparpotenzial Warum hat dann noch nicht jedes Unternehmen die leuchtenden Dioden im Einsatz? Weil qualitativ hochwertige LEDs noch sehr teuer sind. Experte Reichelt empfiehlt den Verbrauchern trotzdem, auf die Qualität zu achten. Zwar sind die Produkte von renommierten Herstellern gerne um den Faktor 2 teurer als Billigprodukte aus Asien, halten aber auch 3 bis 5 mal länger. Ob sich ein solcher Kostenaufwand lohnt, hängt von vielen einzelnen Faktoren ab. Die wichtigsten sind in jedem Fall die durchschnittliche Brenndauer der Lampen und welches Leuchtmittel man bisher verwendet hat. Die Energieersparnis kann dann im laufenden Betrieb zwischen 5 und 80 Prozent liegen. Besonders hoch ist das Einsparpotenzial dort, wo Halogenstrahler eingesetzt werden, oder wo Leuchtstoffröhren lange brennen, weiß Jörg Buschmann von der EnergieAgentur.NRW. Ersteres trifft vor allem auf Einzelhandelsverkaufsflächen zu, letzteres ist besonders in der Industrieproduktion ein Thema. Buschmann geht davon aus, dass bei einem Wechsel von Halogenstrahlern -facher auf LEDs eine Ersparnis von bis Preis bei LEDs zu 20 Euro im Jahr – pro umgerüstete Lampe – möglich ist. Diese Berechnung gilt für einen Halogenstrahler mal mit einem 50-Wattlänger haltbar Energieverbrauch, der

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=

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Quelle: Umweltinstitut München e.V.

Brenndauer als wichtiger Faktor Um Leuchtstoffröhren durch LED-Röhren zu ersetzen, müssen Unternehmer noch tiefer in die Tasche greifen als wenn sie Halogenstrahler ersetzen, da LED-Röhren teurer sind. Die billigsten Angebote für die Leuchtröhren mit LED liegen bei 25 Euro, höherwertige Produkte kosten etwa 60 Euro. Nimmt man die gleiche Ersparnis an wie beim Halogen-Beispiel, dann ist hier die Amortisationszeit mit drei Jahren deutlich länger. Buschmann weist darauf hin, dass es bei dieser Rechnung ganz explizit auf die Brenndauer der LED-Röhren ankomme: Produktionsstätten, die Licht im Zwei- oder Drei-Schicht-Betrieb 16 oder 24 Stunden am Tag benötigen, können die Investitionskosten durch die lange Brenndauer schneller wieder hereinholen als Unternehmen, in denen das Licht weniger lange brennt. In der Druckerei Koopmanndruck im niedersächsischen Stuhr arbeiten Mitarbeiter und Maschinen 24 Stunden lang im Drei-Schicht-Betrieb. Seit 2012 mit LED-Beleuchtung. Der Mittelständler ist vollauf begeistert von der Technologie: „Wir würden jederzeit wieder umrüsten – und haben es auch schon getan“, sagt Folker Neetzow, Betriebsleiter für Technik und Produktion. Nachdem die Produktionshalle mit LEDs ausgerüstet war, äußerten sich die Mitarbeiter so begeistert über das neue Licht, dass Koopmanndruck auch die Beleuchtung in den Lagerräumen umrüsten ließ. Die Druckerei bemüht sich, ihre Druckerzeugnisse möglichst klimaneutral herzustellen. Daher ist Neetzow als Betriebsleiter nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen immer auf der Suche nach neuen Technologien, die helfen können, den Energieverbrauch zu senken. Als Lieferant habe man bei vielen potenziellen Kunden heute keine Chance mehr, wenn man nicht ökologisch bewusst produziere, erklärt Neetzow. Eine Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Hannover hatte Neetzow auf den Gedanken gebracht, dass LEDs auch für seinen Betrieb eine lohnende Investition sein könnten. N-Kompass Magazin

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Foto: Kaufpark Iserlohn; Glüh- und Energiesparlampe: Fotolia | vector icon

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Beleuchtung

Stromkosten sparen durch moderne Bürobeleuchtung Der Austausch alter Beleuchtungsanlagen zugunsten moderner Lichtsysteme mit geringerem Stromverbrauch ist wirtschaftlich sinnvoll. Das Rechenbeispiel legt eine Bürofläche von 1.000 m2 und einen Strompreis von 16 Cent/kWh zugrunde.

Anlagenleistung in Watt/m2

24,0 21,0

6.864 € (Jahr)

5.634 € (Jahr)

3.187 € (Jahr)

1.961 € (Jahr) Einsparpotenzial Vergleichswert moderne Anlage

15,5 13,0 8,5 0 Anlage älter als 25 Jahre

Anlage bis 25 Jahre alt

Anlage bis 15 Jahre alt

Anlage bis 10 Jahre alt

Quelle: Initiative Energieeffizienz der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena), Stand: 11/2013

„Im Gegensatz zu Energiesparlampen, die wegen ihres Quecksilbergehalts in den Sondermüll gehören, kann man LEDs wie Elektroschrott entsorgen.“ Thomas Reichelt, Ingenieurbüro LEDlution.de

„Man vermutet die Stromkosten ja gar nicht so sehr in der Beleuchtung“, sagt er und erzählt, wie er einen Umstieg auf LEDs durchrechnen ließ. Etwa 100.000 Euro hat sich die Druckerei die Umrüstung im Jahr 2012 kosten lassen. Weil sie mittlerweile pro Jahr 27.000 Euro an Beleuchtungskosten spart, amortisiert sich die Investition in etwa dreieinhalb Jahren. Neetzow betont, bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung habe man nur die Stromkosten berücksichtigt. Die Arbeits- und Materialkosten, die durch die lange Lebensdauer der LEDs gespart werden, haben die Planer bei Koopmanndruck gar nicht in die Rechnung einbezogen.

Foto: Koopmanndruck Druckerei GmbH; LED-Lampen: Fotolia | Roman Sotola

Ökobilanz der Wunderleuchte Sind LEDs also wirklich die Wunderleuchten mit der perfekten Verbindung von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit? Zumindest haben sie einige Vorteile zu bieten: Wer sich die derzeit noch hohen Investitionskosten leisten kann, der wird im Nachgang eine Menge Geld sparen, da gute LEDs mit einem geringeren Stromverbrauch eine ähnlich hohe Lichtausbeute erreichen wie herkömmliche Leuchtmittel. Dank ihrer hohen Lebensdauer – Hersteller geben bis zu 50.000 Stunden an – erzeugen sie zudem einen geringeren Wartungsaufwand. LEDs sind im Vergleich zu herkömmlichen Leuchten unempfindlicher gegen Erschütterungen und Kälte. Häufiges Ein- und Ausschalten macht ihnen nichts aus. Und das alles soll ohne ökologischen Nachteil funktionieren? Laut dem Münchener Umweltinstitut existieren bisher keine unabhängigen Studien zur Ökobilanz der LED-Technologie. Der Beleuchtungsindustrie zufolge entfallen über 90 Prozent des Energieverbrauchs von Leuchtdioden auf die tatsächliche Anwendung, die restlichen 10 Prozent auf Produktion, Transport und Recycling. Auch die Automobilindustrie hat die Vorteile der LED-Technologie längst für sich entdeckt. Hersteller nutzen Leuchtdioden als energiesparende und leistungsfähige Alternative zu Glüh01.2015

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In der Produktionshalle der Druckerei Koopmannsdruck wurde auf LED umgerüstet. Die Belegschaft ist begeistert.

lampen in der Innen- und Außenbeleuchtung ihrer Fahrzeuge. Aber nicht nur dort: Audi zum Beispiel nutzt die Vorteile der LEDTechnologie am Standort Neckarsulm auch in der Produktion. Dort zeigt man bereits seit Mitte der 90er-Jahre mit dem Umweltmanagementsystem EMAS ökologisches Bewusstsein und arbeitet daran, im Zuge der vom Mutterkonzern Volkswagen ausgegebenen Strategie den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken. Energieeffizientere Beleuchtung ist nur eine Maßnahme unter vielen. Dr. Achim Diehlmann ist Leiter der betrieblichen Umweltschutzabteilung am Standort Neckarsulm und prüft regelmäßig gemeinsam mit den Fachabteilungen, ob neue Technologien dem Werk einen ökologischen und wirtschaftlichen Mehrwert bringen können. Bei der LED-Technologie fiel diese Prüfung positiv aus. „Uns hat einfach die Tatsache überzeugt, dass LEDs bei einem geringeren Energieverbrauch das gleiche Licht erzeugen können wie herkömmliche Leuchten und eine längere Lebensdauer haben“, referiert er das beste Argument für die Leuchtdioden. Der Anteil der Beleuchtungskosten am gesamten Stromverbrauch hält sich bei einem energieintensiven Produktionsbetrieb, wie dem des Autoherstellers, mit etwa 6 bis 7 Prozent zwar in Grenzen, trotzdem lohnte es sich, die neuen Hallen für Montage und Karosseriebau von Anfang an mit LED-Technologie auszustatten und die gesamte Außenbeleuchtung auf dem Werksgelände umzurüsten. Bleibt noch die Frage, wohin ausgemusterte LEDs kommen. Immerhin sind in den Dioden u.a. Seltene Erden verbaut. Beim Thema Entsorgung kann Lichtplaner Thomas Reichelt das ökologische Gewissen beruhigen: „Im Gegensatz zu Energiesparlampen, die wegen ihres Quecksilbergehalts in den Sondermüll gehören, kann man LEDs wie Elektroschrott entsorgen.“ Das bedeutet, man kann ausgediente LED-Leuchtmittel zum Wertstoffhof bringen, wo sie einem Recyclingkreislauf zugeführt werden. ◊

Kompass Dossier Energieeffizienz im Unternehmen Warum Energieeffizienz ein erster wichtiger Hebel zur Reduzierung von Emissionen ist und wie Sie Energieeffizienzprozesse in den verschiedenen Bereichen Ihres Unternehmens verankern können, wird Ihnen in diesem Dossier erläutert. DokID: BAAAE-43996

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Zahlen Relative Umweltbelastung je Tonne Faser * 2,00

0

4,00

6,00

8,00

10,00

Baumwolle (USA & China) Polyester (Westeuropa) Polypropylen (Westeuropa) Lenzing Gruppe Durchschnitt

Quelle: Li Shen, Martin Patel

12,00 10,00

0,92

0,73 0,57

Lenzing-Fasern verschmutzen im Vergleich zur Baumwolle nur einen Bruchteil an Wasser und Bodenflächen.

Globale Erderwärmung Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen: Mineralien, fossile Brennstoffe Auswirkung auf die menschliche Gesundheit Wasserverschmutzung Bodenverschmutzung Luftverschmutzung „summer smog“ Schädigung der Ozonschicht Übersäuerung von Luft, Wasser und Boden Überdüngung der Gewässer *) Bei allen Zahlenangaben handelt es sich um Relativwerte, die auf den Summenwert von Baumwolle normiert wurden. Der mengengewichtete Mittelwert von Viscose-, Modalund TENCEL®-Fasern der oben genannten Standorte wird als Durchschnittswert der Lenzing Gruppe ausgewiesen.

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Nachhaltige Faserproduktion

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Bäume statt Baumwolle Die Nachfrage nach Alternativen zu Textilfasern aus Baumwolle wächst. Die Lenzing Group in Österreich setzt auf Holz als Basis für die Faserproduktion. Nachhaltiges Wirtschaften ist somit bereits durch den genutzten Rohstoff Bestandteil der Unternehmensphilosophie und wird im gesamten Konzern konsequent gelebt. von Annika Janßen

Weltweit wurden

A

ls der österreichische Star-Kletterer Kilian Fischhuber im Jahr 2010 beim Saisonauftakt im seillosen Kletterstil „Bouldern“ haushoch gewann, trug er ein blaues T-Shirt – aus Holz. Denn Ausrüster und Sponsor des österreichischen Kletterverbandes, für den auch Fischhuber ins Rennen ging, war die Lenzing Group. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Lenzing in Österreich stellt in einem umweltfreundlichen Verfahren Textilfasern aus Zellulose her. Diese wiederum ist im Rohstoff Holz enthalten. Das Besondere am Herstellungsverfahren der Fasern ist die Nachhaltigkeit: Nahezu alle chemischen Stoffe, die notwendig sind, werden in einem Kreislaufverfahren zurückgeführt und wiederverwendet. Nicht nur beim Produktionsprozess achtet man bei der Lenzing Group auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit. Nachhaltiges Wirtschaften wird im Konzern auf allen Ebenen konsequent gelebt.

Fotos: Lenzing AG

Die Faser aus Holz Die Lenzing Group setzt schon lange auf die Produktion hochwertiger Zellulosefasern als Alternative zu Baumwolle und zählt auf diesem Gebiet zu den Weltmarktführern. Die Geschichte des Unternehmens lässt sich bis ins vorletzte Jahrhundert zurückverfolgen: Im Jahr 1892 begann der Industrielle Emil Hamburger im österreichischen Lenzing damit, eine Papierfabrik zu betreiben. Knapp 50 Jahre später, im Jahr 1938, erfolgte die Gründung der Zellwolle Lenzing AG – und gleichzeitig der Produktionsbeginn von Zellstoff und Viskosefasern. Ausgangsrohstoff dieser Fasern, die im sogenannten Viskoseverfahren gewonnen werden, ist Zellulose in Form von Holzzellstoff. In einem chemischen Verfahren lassen sich dabei Fasern gewinnen, die der Beschaffenheit von Baumwolle stark ähneln. Mittlerweile ist das Unternehmen auf die Herstellung umweltverträglicherer Zellulosefasern umgeschwenkt – für deren Produktion sind weniger Chemikalien erforderlich als beim Viskoseverfahren. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 6.600 Mitarbeiter, der Konzern unterhält Standorte in Österreich und anderen europäischen Ländern sowie in Asien und den USA. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz rund 1,91 Milliarden Euro. Allein am Standort Lenzing werden täglich 2.000 Tonnen Rotbuchenholz kleingehackt, um daraus Zellulose zu gewinnen. An asiatischen Standorten, wo es diese Baumart nicht gibt, nutzt der Konzern Pflanzen wie Eukalyptus und Kiefer zur Faserproduktion. Holz ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, dennoch entsteht ein großer 01.2015

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85,4

Land- und Wasserverbrauch. Entsprechend oft wird das UnternehMio. men mit der Frage konfrontiert, wie Tonnen Fasern nachhaltig sein Geschäftsmodell verkauft. wirklich ist. „Dass für die Gewinnung (2013) von Zellulose Bäume gefällt werden müssen, ist natürlich ein wichtiger Punkt“, sagt Kommunikationschefin Angelika Guldt. Hinsichtlich des Wasser- und Landverbrauchs schnitten LenzingFasern im Vergleich zur Baumwolle allerdings deutlich besser ab. „Und wir zertifizieren uns, wo wir können“, sagt Guldt. Das Unternehmen bezieht Holz und Zellstoff nur von zertifizierten Forstbetrieben und Zellstofflieferanten. Zudem werde kein illegal geschlagenes Holz verwendet. Mehr als die Hälfte des am Standort Lenzing eingesetzten Holzes stammt aus Österreich und wird international nur aus Wäldern bezogen, die dem jeweiligen Forstgesetz entsprechend nachhaltig bewirtschaftet werden.

Marktentwicklung mit zunehmendem Trend Immer mehr Hersteller von Bekleidung und anderen Textilprodukten, aber auch von Hygieneartikeln, suchen für die Herstellung ihrer Produkte nach Alternativen zu Baumwolle. Ein Grund dafür ist die steigende Nachfrage nach Kleidung. Die Weltbevölkerung wächst, der Wohlstand in einigen bislang armen Ländern steigt und die Mode in reichen Industrieländern wird immer schnelllebiger. Zudem verbraucht der Anbau und Gewinn von Baumwolle als Textilrohstoff knappe Ressourcen wie Ackerfläche und Wasser. Und nicht zuletzt steigt auch seitens der Kunden die Nachfrage nach nachhaltig und umweltschonend produzierten Produkten. Ersatzkunststoffe wie Polyester auf der Haut zu tragen, finden viele unangenehm. Das macht Fasern aus Naturstoffen wie Holz bei Herstellern von Textilprodukten begehrt. Noch ist der Anteil sogenannter Man-made-Zellulosefasern, also industriell gefertigter Zellulosefasern, am globalen Fasermarkt gering. Der Weltmarkt für Fasern hatte 2013 ein Volumen von rund 85,4 Millionen Tonnen, den größten Anteil daran hatten mit rund 62 Prozent auf Erdöl basierende Synthesefasern. Man-made-Zellulosefasern, wie sie die Lenzing Group herstellt, nahmen lediglich 6 Prozent ein. In den nächsten Jahren könnten es mehr werden: Während Experten für den globalen Fasermarkt bis zum Jahr 2020 ein jährliches Wachstum von


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Nachhaltige Faserproduktion ÿ

Zellulose-Fasern sind gleitfähig, geschmeidig und biologisch abbaubar – eine wahre Alternative zur Baumwolle.

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Die während der Produktion entstandene Viskose-Lösung wird später zu feinen aber resistenten Fasern.

Mithilfe chemischer und technologischer Verfahren wird Zellulose aus dem Rohstoff Holz herausgelöst.

2,9 Prozent prognostizieren, erwarten sie bei Man-made-Zellulosefasern einen Anstieg von 9,1 Prozent. Mittlerweile gibt es aus Zellulose gewonnene Lenzing-Fasern in verschiedenen Ausführungen, im Unternehmen nennt man sie „Generationen“: Seit 100 Jahren produziert das Unternehmen Viskose-, seit 50 Jahren Modal- und seit 20 Jahren Tencel-Fasern. Der Ausgangsrohstoff Holz ist bei allen Fasergenerationen der Gleiche, nur das Produktionsverfahren ist unterschiedlich – und ist im Laufe der Jahrzehnte immer umweltfreundlicher und nachhaltiger geworden. „Dank laufender Technologieentwicklungen sind wir heute weltweit der einzige Produzent, der alle drei Generationen von industriell hergestellten Zellulosefasern global anbietet“, sagt Kommunikationschefin Angelika Guldt. Aus Lenzing-Fasern lassen sich verschiedenste Produkte herstellen, unter anderem Socken, Tampons, Babyfeuchttücher oder T-Shirts. Das T-Shirt von Kletterer Fischhuber etwa war aus der Lenzing-Faser Tencel gewebt, die jüngste der drei Faser-Generationen – und die innovativste. Tencel ist mittlerweile eine einge-

Zahlen Wasserverbrauch 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 263

Lenzing Viscose® Asien

319

Lenzing Viscose® Österreich

445

Lenzing Modal® Österreich

472

Baumwolle USA & China

Wasserverbrauch in m3 pro Tonne

TENCEL® Österreich

5.730

Über 5.000 m3 Wasser werden durch den Wegfall intensiver Bewässerung bei Fasern eingespart. Quelle: Li Shen, Martin Patel

Nutzwasser Kühlwasser

Bewässerung: Oberflächenwasser Bewässerung: Grundwasser

tragene Marke der Lenzing Group. Die Fasern können besonders viel Feuchtigkeit aufnehmen und eignen sich deshalb ideal für die Weiterverarbeitung zu Sportbekleidung. „Tencel bietet interessante Eigenschaften für Sportbekleidung, Beispiele dafür sind etwa Golfbekleidung oder Klettersport“, sagt Guldt. So transportiere der aus Tencel-Fasern gewebte Stoff Feuchtigkeit nicht nur schnell an die Oberfläche, sondern vermindere auch das Bakterienwachstum auf dem Stoff und schütze ausgezeichnet vor Sonnenlicht.

Kreislaufführung im Produktionsprozess Zwar ist das Herstellungsverfahren für alle drei Faser-Generationen ein technologischer Prozess, doch am weitesten entwickelt und somit am umweltfreundlichsten ist das Herstellungsverfahren der jüngsten Fasergeneration Tencel. Die ersten Schritte in der Entwicklung der Tencel-Faser ging das Unternehmen bereits in den achtziger Jahren. „Die Motivation war damals, eine neue Fasertechnologie zu finden, deren Herstellung deutlich umweltschonender als die Produktion von Viskose- und Modalfasern sein sollte“, so Guldt. Für den Herstellungsprozess der Tencel-Fasern benötige man nun keine Natronlauge mehr und es gebe keinen Schwefelausstoß. Damit sei in der Produktion eine nahezu vollständige Kreislaufführung des Lösungsmittels möglich. Im Jahr 2000 zeichnete die Europäische Union den Herstellungsprozess für Tencel-Zellulosefasern mit dem Europäischen Umweltpreis aus, der „Eco Responsibility Award“ der Internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode (ISPO) folgte im Jahr 2010. Bei der Herstellung von Tencel durchläuft der Faserrohstoff Holz einen komplizierten chemischen Prozess: Zunächst löst man die Zellulose aus dem Holz heraus. Üblicherweise enthält Holz etwa 40 Prozent Zellulose. Danach lässt sich der so gewonnene Zellstoff in konzentriertem, wässrigem Lösungsmittel verteilen und das überschüssige Wasser verdampft. „Dieser Lösungsprozess ist wie die Auflösung von Zucker im Tee“, erklärt die Kommunikationschefin. Die so entstandene Viskose-Lösung wird gefiltert und anschließend durch feine Düsen in ein wässriges „Spinnbad“ gepresst. Dort bildet sich die Zellulose mithilfe verschiedener Chemikalien zu Fasern aus. Auf diese wiederum werden Avivagen aufgebracht. Das sind fetthaltige Stoffe, die die Fasern vor der Weiterverarbeitung gleitfähiger und geschmeidiger machen. „Die verwendeten Avivagen sind vollständig biologisch N-Kompass Magazin

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Fotos: Lenzing AG

Nachhaltige Faserproduktion

Kompakt verpackt können die umweltschonenden Fasern ihren Weg zu den verschiedenen Abnehmern antreten.

Nur

263

m3

Wasser

abbaubar“, sagt Guldt. Am Ende lässt sich das duktion, um Energie zu erzeugen. Im Jahr 1995 pro Tonne für den Produktionsprozess benutzte Lösungshat das Unternehmen gemeinsam mit einem AbTencel-Faser. mittel vollständig zurückführen und das Spinnbad fallbeseitigungsunternehmen ein Konzept entwilässt sich nach gründlicher Reinigung wieder verckelt, um am Standort Lenzing auch Verpackungsmawenden. Im Endeffekt lassen sich so mehr als 99 Prozent terial, Siebreste, Altholz und Klärschlamm thermisch zu des Lösungsmittels erneut benutzen. verwerten. Mittlerweile ist die Reststoffverwertung Lenzing RVL Im Anschluss an den Produktionsprozess gehen die Tencelein eigenes Energieerzeugungsunternehmen. Fasern zu zwei Dritteln an Textilhersteller, aber auch Produzenten In den neunziger Jahren begann der Konzern als erstes Unvon Hygiene- und Kosmetikartikeln zählen zu den Abnehmern ternehmen seiner Branche damit, die Effektivität seiner Umweltder weichen Fasern. Die meisten der primären Lenzing-Kunden schutzmaßnahmen messen und bewerten zu lassen. Gemeinsind Mittelstandsunternehmen. Parallel dazu spreche man auch sam mit der Universität Utrecht in den Niederlanden erstellte mit großen Einzelhändlern wie beispielsweise Ikea, H&M oder die Lenzing Group im Anschluss die weltweit erste LebenszyklusWalmart. analyse für Fasern. „Inzwischen ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Fasern aus Lenzing zu den umweltfreundlichsten Faserprodukten überhaupt zählen“, sagt Kommunikationschefin Nachhaltigkeit als Teil des Geschäftsmodells Guldt nicht ohne Stolz. Fasern aus Holz können also durchaus Tencel-Fasern sind biologisch abbaubar – laut Guldt ist das ein nachhaltiger sein als Baumwolle – sofern eine durchdachte und wichtiges Kriterium für den Absatzmarkt. Bislang produziert übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie dahintersteht. Lenzing die Tencel-Fasern weltweit an vier Standorten: Im öster◊ reichischen Heiligenkreuz, in Grimsby in Großbritannien sowie am Standort Mobile in den USA. Die jüngste Produktionsanlage in Lenzing ist seit Juli 2014 in Betrieb. Das Unternehmen hat insLenzing AG gesamt 150 Millionen Euro in die neue Anlage investiert. Gegründet: 1938 Investieren im Sinne von Nachhaltigkeit und Innovation ist Hauptsitz: Lenzing (Österreich) seit jeher ein Bestandteil des Geschäftsmodells der Lenzing Mitarbeiter: rund 6.675 Group. Bereits in den siebziger und achtziger Jahren des verganGeschäftsführer: Peter Untersperger Produkte: Zellulosefasern u.a. für die Textilindustrie genen Jahrhunderts war die Verringerung von SchadstoffemissiUmsatz: ca. 1,91 Milliarden Euro (2013) onen bei der Zellstoffproduktion in der globalen Textilindustrie Homepage: www.lenzing.com ein großes Thema. Damals stellte man Textilfasern noch mithilfe von Chlor her. Bei Lenzing ersetzte man ab Ende der siebziger Jahre Chlor durch Sauerstoff, arbeitete aber weiter an umweltKompass Dossier freundlicheren Verfahren zum Herauslösen von Zellulosefasern Ressourcenschonende Produkte aus Holz. Letztendlich gelang es dem Unternehmen durch imRessourceneffizienz spielt gerade bei der Produktentwicklung und mer neue chemische und technologische Verfahren, die Chemi-produktion eine immer bedeutendere Rolle. Wie Sie ressourcenschonende Produkte strategisch in Ihr Nachhaltigkeitsprogramm kalienkreisläufe zu schließen. „Das klingt heute einfacher, als es integrieren, erfahren Sie in diesem Dossier. in der Praxis ist“, sagt Kommunikationschefin Guldt. „Für die DokID: HAAAE-44003 Umsetzung der Technologie waren erhebliche EntwicklungsarUmsatz mit nachhaltigen Produkten beiten und detaillierte Kenntnisse der chemischen Prozesse in Lesen Sie in diesem Dossier, wie Sie mithilfe von nachhaltigen den Produktionsabläufen notwendig.“ Produkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette profitabel Der Herstellungsprozess von Zellulosefasern ist energieaufökologische Ressourcen schonen und einen sozialen Mehrwert wendig. Um ihn noch umweltfreundlicher zu gestalten, nutzt schaffen können. die Lenzing Group mittlerweile Reststoffe aus der ZellstoffproDokID: YAAAE-44032 01.2015

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Kümmerer oder Nervensäge?

Nachhaltigkeitsmanager in mittelständischen Unternehmen haben eine schwierige Aufgabe: Sie müssen häufig mit alten Gewohnheiten brechen. Dabei gehen sie unterschiedliche Wege, um diese Rolle erfolgreich auszufüllen. von Marvin Milatz

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Berufsbild

B

isher bieten in Deutschland nur vereinzelt Universitäten Nachhaltigkeitsmanagement als Studienfach an. Die Folge: Jeder, der heute in diesem Bereich arbeitet, hat eine andere Ausbildung, kam auf unterschiedlichen Wegen zum Thema Nachhaltigkeit – und setzt deshalb unterschiedliche Strategien ein, um seinen Job zu machen. Allerdings eint alle dasselbe Ziel: Ihr Unternehmen auf einen nachhaltigeren Kurs zu bringen. Wer Neues durchsetzen möchte, muss mit alten Gewohnheiten, jahrelang praktizierten Arbeitsweisen und Methoden der Mitarbeiter brechen. Oft sorgen solche Änderungen, die tief in ihren Alltag eingreifen, für Frust. Etwa wenn Angestellte mehr

Papierkram erledigen müssen, um neue Umweltschutzauflagen zu erfüllen, oder der Einkauf darauf achten muss, holzfreie Bleistifte zu kaufen. In der Belegschaft gelten Nachhaltigkeitsmanager oft als Nervensägen, die mit erhobenem Zeigefinger ermahnen. Wie sehen das Nachhaltigkeitsmanager aus kleinen und mittelständischen Unternehmen? Wie ticken sie? Welche Erfolgsstrategien und welches Selbstverständnis haben sie? Im Gespräch mit drei Nachhaltigkeitsmanagern aus dem Mittelstand stellt sich heraus, dass sie jeweils einen sehr eigenen Typen verkörpern.

Der Dirigent Ein Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, das erfordert Durchsetzungsvermögen gepaart mit Überzeugung, meint RALF HELLMANN, Geschäftsführer des Textilunternehmens Dibella aus Bocholt mit 27 Angestellten. Deshalb ist Nachhaltigkeit in seinem Unternehmen Chefsache – wie auch in vielen anderen kleinen Unternehmen in Deutschland, die sich zum Ziel setzen, nachhaltiger zu werden. Hellmann ist der Typ Nachhaltigkeitsmanager, der sagt, wo es langgeht. Er hat für den Kurs des Unternehmens eine klare Vision, die er durchsetzen möchte.

Kopf | Fotolia: mrswilkins; Pflanze | Fotolia: Happy Art; Säge | Fotolia: motorama; Foto: Michael Deutz

Als Chef im Vorteil Damit Hellmann sein Ziel weiter verfolgen kann, entwickelte er in seinem Unternehmen nach und nach ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagement. Anstatt eine eigene CSR-Abteilung zu gründen, sind bei Dibella mehrere Angestellte mit nachhaltigen Projekten betraut. Der Chef delegiert Aufgaben, behält dabei selbst die Fäden in der Hand und gibt den Takt vor: Eine Angestellte arbeitet an den Umweltberichten mit, eine Kollegin aus dem Einkauf und eine weitere aus der Logistik kümmern sich um ein neues CSR-Projekt in Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule in Berlin. Mit der Hochschule entwickeln die Mitarbeiterinnen ein Unternehmensleitbild und integrieren gesundheitsfördernde Maßnahmen im Unternehmen. Hellmann bildet seine Mitarbeiter so zu eigenständigen Nachhaltigkeitsmanagern aus, sensibilisiert sie für den Umweltschutz und kontrolliert, dass sich die Aufgabenfelder der einzelnen Mitarbeiter nicht überschneiden. Er vermeidet, dass Arbeiten doppelt gemacht werden, etwa ein Nachhaltigkeitsbeauftragter und ein CSR-Experte im Unternehmen die gleichen Aufgaben bewältigen, ohne voneinander zu wissen. Durch die Aufgabenteilung entlastet Hellman sich selbst: „Denn Chef und Nachhaltigkeitsmanager in Personalunion zu sein, ist ziemlich anstrengend“, sagt Hellmann über seine Rolle im Unternehmen. Als Chef sieht sich Ralf Hellmann allerdings im Vorteil: „Nachhaltigkeitsmanager müssen ihre Kollegen durchaus belehren dürfen“, sagt er – und das falle ihm leichter als Mitarbeitern untereinander. „Als Chef kann man sich leichter durchsetzen“, meint Hellmann. Ein Nachhaltigkeitsmanager braucht diese Befehlsgewalt. Und eine klare Strategie. Die heißt bei ihm: Um sein Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, muss Hellmann mit 01.2015

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den Gewohnheiten seiner Mitarbeiter brechen. Das merkt er etwa, wenn er eine Mitarbeiterin bittet, sie solle keine gebleichten Kaffeefilter mehr kaufen, oder wenn er Vertriebler zu überzeugen versucht, zum Kundentermin mit der Bahn statt mit dem Auto zu fahren. Es sind oft Kleinigkeiten, aber gerade diese zu ändern, ist bereits eine Herausforderung. Dabei muss der durchsetzungsfähige Nachhaltigkeitsmanager auch auf der Hut sein, nicht zu weit zu gehen. Denn Mitarbeiter könnten sich leicht gegängelt fühlen.

Penetranz gehört dazu Nachhaltigkeitschef Hellmann versucht, den Wandel einfühlsam zu vermitteln. Dazu geht er mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie eine nachhaltigere Lebensweise funktioniert. Auf langen Strecken nimmt auch der Chef die Bahn – und seinen 5er BMW tauschte er kürzlich gegen ein Elektroauto von Opel. Zugleich attestiert der Geschäftsführer sich selbst eine gewisse Penetranz: „Ich kann auch mal eine Nervensäge sein, wenn es darum geht, das Unternehmen nachhaltiger zu gestalten.“ Sein jüngster Triumph im Auftrag der Nachhaltigkeit: „Die Kollegin kauft jetzt auch privat keine gebleichten Kaffeefilter mehr.“

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Berufsbild

Studie Der Mittelstand scheut harte Methoden Eine Studie der Leuphana Universität in Lüneburg aus dem vergangenen Jahr liefert womöglich eine Erklärung für den seichten Ansatz vieler Nachhaltigkeitsbeauftragter aus dem Mittelstand: Nachhaltigkeitsmanager aus dem Mittelstand nutzen selten die Methoden, mit denen sie ihre Mitarbeiter so richtig piesacken können. Die Forscher verglichen dazu die Methoden, die Großunternehmen für ihr Nachhaltigkeitsmanagement nutzen, mit denen von KMU. Die Studie zeigt: Bei KMU kommen überwiegend weiche Nachhaltigkeitsmethoden wie Weiterbildungsmaßnahmen und Qualitätsmanagement zum Einsatz. Instrumente, bei denen man härter durchgreifen muss und die kontroverse Ergebnisse erzielen können, wie etwa das Sammeln von Umweltkennzahlen und Erstellen von Umweltberichten, kommen im Mittelstand nur selten

vor. Ganz im Gegensatz zu Großunternehmen. Dort sind laut Studie die härteren Praktiken deutlich häufiger vertreten. Die Forscher beurteilen die Diskrepanz so: KMU seien in der Regel weniger öffentlich exponiert als Großunternehmen und unterlägen damit einem geringeren Kontrolldruck ihrer Interessengruppen. Mit dem geringeren Anspruch geht auch ein anderes Rollenverständnis einher: Nachhaltigkeitsmanager im Mittelstand zeigen eher Haltung, statt bloß eine Funktion auszuüben. Ob sie Nervensägen sind, hängt so von zwei Faktoren ab: Wie hoch ein Unternehmen seine Umweltziele steckt, wie streng also kontrolliert und verändert wird, und wie viel Idealismus die Manager selbst an den Tag legen.

Der Pädagoge

Wer mit DIETER EBERT spricht, der bekommt schnell einen väterlichen Rat. Ebert holt beim Erzählen weit aus, lässt sich Zeit, denkt immer wieder nach. „Um eine Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen durchzusetzen, braucht es gute Argumente und Glaubwürdigkeit“, sagt er. Dafür zu sorgen, ist Eberts Rolle. Er ist Qualitätsund Umweltbeauftragter im Druckhaus Berlin-Mitte, einer mittelständischen Druckerei mit 63 Mitarbeitern.

Motivation als Schlüssel zum Erfolg Wie die Druckerei sind viele größere mittelständische Unternehmen dabei, ihr Geschäft nachhaltiger zu gestalten. Dafür berufen die Unternehmen oft einen erfahrenen Mitarbeiter zum Nachhaltigkeitsmanager – so wie im Druckhaus Berlin-Mitte: Ebert ist bereits seit dem Jahr 1997 im Unternehmen, kümmert sich seit 2002 um das Umwelt- und Qualitätsmanagement der Firma. „Ich kenne die Mitarbeiter und die Mitarbeiter kennen mich“, sagt Ebert. „Das ist ein großer Vertrauensbonus, der sich positiv auswirkt.“

Ebert will mehr Nachhaltigkeit durch stete Motivation erreichen. Er ist ein Kümmerer: Bei der Veröffentlichung der Ökobilanz informiert er alljährlich darüber, ob die Kollegen ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen konnten. „In diesem Jahr haben wir unsere anspruchsvollen Ziele im Wesentlichen erreicht“, sagt Ebert. Aber die Mitarbeiter erreichten eben nicht alle Ziele, die der Nachhaltigkeitsmanager ihnen setzte. So schafften es etwa Verwaltung und Vertrieb nicht, den Bürodrucker weniger zu bemühen. Das Ziel, den Papierverbrauch im Büro um 2 Prozent zu senken, konnten sie nicht erreichen. Auch gelang es nicht, die Aufwendungen für Nacharbeit und Neuproduktion unter 0,6 Prozent des Gesamtjahresumsatzes zu senken. Das Unternehmen verfehlte die gesetzte Marke mit 0,71 Prozent immerhin nur knapp.

Der Weg ist das Ziel Eigentlich müsste das den Nachhaltigkeitsmanager der Druckerei ärgern. Schließlich haben er und sein Team diese Ziele als realistisch empfunden, als sie diese im vergangenen Jahr aufstellten. Aber es ärgert Ebert nicht. Hier zeigt sich sein pädagogischer Ansatz: „Manchmal muss man eben mehr als einmal Anlauf nehmen, um nachhaltige Ergebnisse zu erreichen“, resümiert er. Ist das zu behutsam? Nehmen die Kollegen ihren Nachhaltigkeitsmanager ernst? Ebert sieht das so: „Beim Thema Nachhaltigkeit geht man mitunter auch gegen gewachsene Strukturen und Gewohnheiten an.“ Und die ändern sich eben nicht sofort. Ebert hilft es sehr bei seiner Arbeit, pädagogisch vorzugehen und immer wieder persönliche Gespräche zu führen. N-Kompass Magazin

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Berufsbild

ROBERT WITTIG hat schon seine Mechaniker-Ausbildung in dem Unternehmen gemacht, in dem er sich heute um das Thema Nachhaltigkeit kümmert. „Ich bin im Unternehmen sehr gut vernetzt“, sagt Wittig. Das hilft dem Projektleiter für Energie- und Umweltmanagement bei seiner Arbeit in der Bauer Unternehmensgruppe aus dem bayerischen Weilheim, einem mittelständischen Familienunternehmen mit 225 Mitarbeitern. Das Unternehmen hat sich auf Maschinenbau, Motoreninstandsetzung und KFZ-Ersatzteilbau spezialisiert. Wittig ist ein typischer Netzwerker: „Beim Nachhaltigkeitsmanagement nutze ich den kurzen Draht zu den Kollegen.“ Geht Wittig über den Betriebshof, steckt sein Notizblock immer in der Hemdtasche. Er möchte ein offenes Ohr für die Bedürfnisse seiner Kollegen

haben. Der kurze Dienstweg hilft Wittig, Ideen aus der Belegschaft zum Thema Nachhaltigkeit aufzunehmen und dann Geschäftsführer Klaus Bauer vorzustellen. Als Umweltbeauftragter ist Wittig bis in die Chefetage gut vernetzt. Die Geschäftsführung steht hinter seinen Ideen und denen, die aus der Belegschaft kommen. Als Teil des integrierten Managementsystems, in dem auch das Qualitätsmanagement angesiedelt ist, trifft sich Wittig alle zwei Monate mit seinen Kollegen und dem Geschäftsführer. Dann diskutieren sie gemeinsam, wie sie Nachhaltigkeits-, Qualitäts- und Energiemanagement weiter optimieren können. Nachhaltigkeit ist bei Bauer so Teil eines engmaschigen Netzwerks.

Aufklärung durch Kommunikation Derzeit führt Wittig das Managementsystem der Bayerischen Staatsregierung für mehr Gesundheit bei der Arbeit und Sicherheit technischer Anlagen ein. Stößt er bei seiner Arbeit auf Kritik, nimmt auch er sich Zeit, zu erklären – ganz so wie Nachhaltigkeitsmanager Dieter Ebert vom Druckhaus Berlin-Mitte. Laut Wittig verstehen die Kollegen oft zunächst nicht, worin die Vorteile des Nachhaltigkeitsmanagements liegen. Sie hätten in ihrem Alltag schließlich nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Wittig setzt deshalb auf Aufklärung und berichtet der Belegschaft regelmäßig in Newslettern und bei Infoveranstaltungen von seiner Arbeit. Wittig ist das Sprachrohr seines Netzwerks.

Der Netzwerker

Fazit:

Foto links: Andreas Schoelzel; Foto rechts: Robert Wittig

Spricht man mit Nachhaltigkeitsmanagern aus kleineren und mittelständischen Betrieben, merkt man: Eine einheitliche Definition des Nachhaltigkeitsbeauftragten gibt es nicht. Viele Wege führen zum Ziel. Um ein wirkungsvoller Nachhaltigkeitsmanager zu sein, nutzen Nachhaltigkeitsmanager aus dem Mittelstand in der Regel den direkten Draht zu den Kollegen, ziehen verständnisvolle Ansätze vor, betreiben Erziehung statt Schelte, leben Zusammenhalt statt strenge Regeln. Von Nachhaltigkeitsmanagern, die mit der Strenge eines Compliance-Beauftragten vorgehen, die drohen und Kollegen abmahnen, hört man im Mittelstand nur selten. ◊

Kompass Dossier Rollen und Organisation Spezialisierte Nachhaltigkeitsrollen können schnell mit bereits existierenden Rollen im Unternehmen konkurrieren. Lesen Sie in diesem Dossier, welche Rollen Sie einführen bzw. anpassen sollten, um Nachhaltigkeit in Ihrer Organisation zu verankern. DokID: LAAAE-40280

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Grüne Geschenke

Sag’s mit Werbeartikeln Aus der unternehmerischen Praxis sind Werbegeschenke kaum wegzudenken. Als kleine Botschafter sollen sie dem Kunden eine Gedächtnisstütze und Entscheidungshilfe sein. Doch worauf fällt die Wahl, wenn die Werbeträger nicht nur wirksam, sondern auch nachhaltig sein sollen? von Till Mansmann

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as Internet ist der Abräumer in der Werbewelt: Es ist gerade zwei Jahrzehnte her, dass die ersten Internet-Werbebanner verkauft wurden, und trotzdem sind die Umsätze mit Online-Werbung inzwischen ähnlich hoch wie zum Beispiel bei den traditionsreichen Publikumszeitschriften. So schnell hat sich noch kein neues Medium etabliert – bei Radio und Fernsehen, den neuen Medien in der Mitte des 20. Jahrhunderts, dauerten ähnliche Entwicklungen noch etwa doppelt so lange. Doch eines haben alle diese elektronischen Werbeträger gemein: Sie sind flüchtig, virtuell, sie bieten nichts zum Anfassen. Deswegen spielen Werbeartikel als handfeste Ergänzung bei der Werbung von Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Der Mittelstand investiert in die kleinen Geschenke immerhin bereits rund 10 Prozent des durchschnittlichen Werbebudgets. Derzeitige Trends in der Branche zeigen, dass u.a. technische Produkte aus dem Elektronik-Zubehör wie USB-Sticks einen weiterhin hohen Stellenwert haben. Doch auch die „Klassiker“ wie kreative Schlüsselanhänger oder Schreibgeräte rühmen sich anhaltender Beliebtheit. Werbeartikel wirken gerade so gut, weil sie gezielt übergeben werden können. Durch diesen Mensch-zuMensch-Kontakt wird eine Werbebotschaft beträchtlich verstärkt. Viele Werbetreibende sind daher überzeugt davon, dass die kleinen Präsente mit Werbeaufdruck ein wertvolles Mittel sind, mit dem Unternehmen gezielt ihre Botschaft vermitteln und so in verschiedener Hinsicht bei ihren Kunden „nachhaltig“ Eindruck machen können.

Ist Plastik passé? Wer heute mit nachhaltigen Werbegeschenken punkten will, muss sich etwas Originelles einfallen lassen. Je anspruchsvoller die Kundenansprache, desto hochwertiger werden oft die Werbeartikel. Voraussetzungen für ein gelungenes Geschenk sind ein gewisser Nutzwert für den Kunden sowie eine sorgfältige Auswahl und Gestaltung des Artikels. Ein Unternehmer, der in seiner Firma eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt, sollte gerade die vermeintlich kleinen Werbeartikel davon nicht ausnehmen. Wegwerffeuerzeug, Plastikkugelschreiber oder billige Schlüsselbändchen sind für ein Unternehmen, das Nachhal-

tigkeit als zentrale Botschaft hat, geradezu AntiWerbung. Denn ein reiner Plastik-Wegwerfartikel kann das Image eines ernsthaft nachhaltig aufgestellten Unternehmens schlicht nicht transportieren. Zudem erhöht ein nachhaltiges, also auf Hochwertigkeit und Dauerhaftigkeit ausgelegtes Geschenk, die Attraktivität und die Nutzungsdauer des Gegenstands und damit auch die Werbewirkung. Hier gibt es durchaus Alternativen: Zum Beispiel der Solar-Taschenrechner aus Bambus. Bambusholz ist robust, hat eine hohe Haltbarkeit, sieht hochwertig aus und ist umweltschonend, weil es sich leicht anbauen lässt und schnell wächst. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, herkömmliches Plastik zu vermeiden: Verschiedene Hersteller führen mittlerweile Produkte in ihrem Sortiment, die aus umweltfreundlichem Biokunststoff gefertigt sind. Bei Green Promotion in Heilbronn haben sogar Biokunststoffe Vorrang, die aus Abfallprodukten beispielsweise der Papier- oder Holzindustrie und nicht aus Mais- oder Kartoffelstärke produziert werden. Eine weitere Anregung liefert folgendes Beispiel: Ein ökologischer Fertighausanbieter zum Beispiel schenkt seinem Kunden ein faltbares Vogelhäuschen mit Aufdruck für den Garten. Werbeartikel, die sich schnell abbauen, sprich verzehren lassen, und damit nicht unnötig Schubladen verstopfen, sind weitere erfolgsversprechende Werbeträger: Ein Buchhändler zum Beispiel beglückt seine Kunden mit einem „Schokobuch“ aus edler Bio-Schokolade, dessen Verpackung mit einer literarischen Passage bedruckt ist. Ein Dienstleister hinterlässt nachhaltig Eindruck mit der kompostierbaren iPad-Hülle von Papernomad, die die Unternehmensbotschaft der Nachhaltigkeit in den Alltag des Kunden trägt. Es ist sinnvoll, nicht auf schiere Menge zu setzen, sondern bei der Auswahl der Werbeartikel auf Hochwertigkeit und Nachhaltigkeit des Materials zu achten.

Qualität, Standards und Preise Der ganzheitliche Anspruch der Nachhaltigkeit an ein Produkt ist komplex und zudem zentral: Neben dem Material spielen die N-Kompass Magazin

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Foto: Xindao B.V.

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Grüne Geschenke

Produktsicherheit

Zutaten für einen perfekten Werbeartikel

Bezug des Werbeartikels zur Werbebotschaft Qualität der Werbeanbringung Ansprechende Verpackung Produktqualität Auf die Zielgruppe abgestimmt

Nachhaltig kann auch modern sein. Die Jacken von XD-Apparel z.B. sind aus recycelten PET-Flaschen gefertigt.

Hoher Nutzwert

Warum Unternehmen Give-Aways einsetzen ” Kundenbindung ” Bekanntheitsgrad des Unternehmens steigern ” Präsenz im Alltag des Kunden ” Wiedererkennungswert ” Verbesserung des Images ” Erinnerung an Marke/Unternehmen ” Aufmerksamkeit für Marke/Unternehmen ” Nachhaltigkeit der Artikel ” Preis-Effekt-Verhältnis ” Verbreitung des Firmenlogos

94 %

aller Deutschen haben Werbeartikel im direkten Umfeld.

76 %

freuen sich über Werbegeschenke.

Quellen: www.gww.de/studien/wa-monitor.html www.bwg-verband.de/files/werbewirkung_von_werbeartikel-1.pdf

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70 %

finden Untenehmen symphatisch, die Werbeartikel einsetzen.

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Grüne Geschenke

Produktionsbedingungen, die Wiederverwertbarkeit und die Transportwege eine immer wichtigere Rolle. Verschiffte Güter zum Beispiel verbrauchen deutlich weniger Ressourcen als Luftfrachtgüter. Wer hier nur Teilaspekte berücksichtigt, erweckt schnell den Eindruck von mehr Schein als Sein. Doch all diese auf die Wertschöpfungs- und Lieferkette bezogenen Qualitätskriterien haben auch immer Einfluss auf den Produktpreis. Gerade der Nachweis über Zertifikate und Label kann hier eine Verteuerung nach sich ziehen. Es kann vorkommen, dass das Verhältnis des Mehraufwands zum Produktwert am Ende nicht mehr in einem sinnvollen Rahmen liegt. Darüber hinaus herrscht in der produzierenden Wirtschaft ein enormer Wettbewerbsdruck, der es gerade bei Massenartikeln zusätzlich erschwert, Bedingungen zu fordern, die über die ohnehin meist schon hohen gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Auch wenn Zertifizierungen wie die ISO 9000, BSCI, bluesign, Ökotex und Co. maßgeblich bei der Unterscheidung von „scheinbar nachhaltigen“ Artikeln und seriösen Angeboten helfen, sollte man genauer hinter die Kulissen schauen: Welche Labels garantieren tatsächlich eine umfassende Betrachtung der relevanten Nachhaltigkeitsaspekte und welche widmen sich lediglich einzelnen Aspekten?

„Die Nachfrage nach nachhaltigen Werbeartikeln steigt leicht an und viele Kunden fragen danach.“ Wolfgang Link, Einkaufschef SCHÄFER SHOP GmbH

Ein klar sichtbares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit kann somit ein Wettbewerbsvorteil sein: Auf der diesjährigen Werbeartikelmesse PSI sind textile Werbeträger ein wichtiger Trend, wie auch die Messe-Organisatoren und Hersteller bestätigen. Textilien gelten vor allem wegen ihres hohen Wasserverbrauchs bei der Herstellung als ökologisch problematisch. Mit ressourcenschonenden Produktionsverfahren wird gerade für nachhaltige Kleidung, Taschen oder andere Textilprodukte ein interessanter Markt geschaffen. Auch die Jacken und Thermowesten der Firma Xindao gehören zu den nachhaltigen Alternativen: Die XD-Apparel-Jacken des Unternehmens werden aus recyceltem Polyester hergestellt, der aus PET-Flaschen gewonnen wird. Die Kleidungsstücke tragen das bluesign-Label und sind damit als umweltfreundlich zertifiziert. Wer sich für zertifizierte Textilien als Werbeträger entscheidet, kann zum einen sicher sein, dass sie von hoher Qualität und unbedenklich für die Gesundheit sind, und zum anderen, dass im Produktionsprozess Nachhaltigkeitskriterien eingehalten wurden.

geräte wie den „FSC Textmarker Holz“ hat Green Promotion in seinem Programm. Das Holz stammt aus „nachhaltiger und vorbildlicher Forstwirtschaft“ und möglichst aus heimischen Wäldern. Über sein gesamtes Werbegeschenksortiment gerechnet, kosten laut Klett nachhaltige Werbeartikel im Schnitt etwa 30 bis 100 Prozent mehr als konventionelle Werbeartikel. Ist es den Unternehmen und Agenturen, die auf jeden Cent schauen müssen, das wert? „Es läuft gut. Aber ich habe natürlich vor allem auch Kunden, die schon von ihrem Profil her nachhaltige Werbeartikel einsetzen müssen“, erklärt Klett. Einkaufschef Link vom Schäfer Shop sieht auf Unternehmensseite immer noch eine starke Wirkung des Einkaufspreises: „Die Nachfrage nach nachhaltigen Werbeartikeln steigt leicht an und viele Kunden fragen danach. Letztendlich kaufen sie dann aber doch konventionell, weil das günstiger ist.“ Dass ein nachhaltiger Werbeartikel jedoch nicht immer teurer als sein konventionelles Pendant sein muss, betont Oleksandr Shcherbina, Inhaber des auf Lebensmittel spezialisierten Versenders MyFitmix in Kelkheim. „Unser Bio-Studentenfutter ist billiger als bei der konventionell produzierenden Konkurrenz“, erklärt er selbstbewusst und natürlich schmecke es auch besser. Der Versender zählt Greenpeace und die GLS Bank zu seinen Kunden, also Unternehmen, bei denen Nachhaltigkeit auch Organisationszweck ist. Aber auch Konzerne wie Roche, Novartis, Daimler, Lufthansa oder die AOK bestellen bei ihm. „Als wir vor sieben Jahren angefangen haben, mussten wir jedem einzelnen noch erklären, warum nachhaltige Werbeartikel besser sind. Mittlerweile hat sich die Denkweise geändert, vor allem, wenn das jeweilige Unternehmen selbst teure, hochwertige Produkte verkauft“, ist Shcherbina überzeugt. Es lohnt sich, etwas Mühe in die Suche nach geeigneten Werbeartikeln zu stecken, den Markt zu prüfen und sich sinnvolle Ideen zu holen, bevor kartonweise das Falsche bestellt wird. Im sogenannten „Werbemix“, also in der Gesamtbetrachtung aller Werbemaßnahmen, gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen haben sich Werbeartikel einen festen Platz erobert: Mit ihnen können Kunden und Geschäftspartner überrascht oder handfest überzeugt werden. Gerade der materielle Charakter macht Werbeartikel zur idealen Ergänzung von Anzeigen oder Internet-Werbung: Denn da weiß man, was man in der Hand hat. ◊

Und wie ist die Realität? Für was sich ein Unternehmen entscheidet, hängt von dessen Zielsetzung, aber auch von dessen Budget ab. „Am meisten nachgefragt werden Stofftaschen und Schreibgeräte“, erklärt Peter Klett, Inhaber von Green Promotion. Allein 16 verschiedene nachhaltig produzierte Kugelschreiber und 9 weitere Schreib-

Beliebtheitsskala der Werbeartikel (%-Anteil an WerbeartikelVerkäufen)

Textilien & Caps 30,9 %

Taschen 8,7 %

Schreibgeräte 8,1 %

Quelle: http://www.asipublications.com/Counselor/Research/ content.aspx?id=804

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Foto: Illustration T-Shirt: Fotolia | JiSign; Heimat Deluxe auf www.dekoop.de

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Interview

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„Werbeartikel führen längst kein Nischendasein mehr.“

Was ist es, worauf es ankommt: Auf den Nutzwert, auf das Material oder auf das Design? In der Tat steht die Funktionalität im Vordergrund: Es muss für den Kunden nützlich sein, damit er es behalten möchte. Werbeartikel erzeugen über lange Zeit positiv belegte Werbekontakte. Das schafft kein anderes Werbemittel in diesem Ausmaß. Studien belegen: 87 Prozent der Leute, die einen Werbeartikel besitzen, können sich, ohne Erinnerungshilfe, an das Unternehmen erinnern, von dem sie es haben. In gestützter Erinnerung sind es sogar 95 Prozent. Diese Werte erreicht kein anderes Medium. Im Werbemix führen Geschenkartikel eher ein Nischendasein: Oft werden sie nicht direkt ins Werbebudget eingestellt. Wird sich das künftig ändern? Da muss ich Ihnen widersprechen: Werbeartikel führen längst kein Nischendasein mehr, sondern spielen bei den Top-Werbeträgern mit. Wir sind mit einem Volumen von 3,44 Milliarden Euro im Jahr einer der wichtigsten Werbemittel, und im Gegensatz zu vielen anderen Werbeformen haben wir noch großes Wachstumspotenzial. Aus diesem Grund ist es uns auch gelungen, seit 2014 bei der ZAW-Statistik als eigenes Medium mit entsprechender Kommunikationsleistung statistisch erfasst zu werden. Das ist wichtig, damit eben der falsche Eindruck des Nischendaseins korrigiert wird. Diese Statistiken helfen wiederrum den Unternehmen bei ihrer Entscheidung.

Wer Werbung macht, will gerne wissen, was sie bringt. Wie können Unternehmen die Wirkung bei Werbeartikeln prüfen und langfristig steigern? Ich würde systematisch von der Idee, d.h. dem Artikel ausgehen: Der Unternehmer muss wissen, was er haben möchte. Danach sollte er sich einen Händler suchen, der genau diesen Werbeartikel besorgt oder fertigen lässt. In den letzten Jahren werden Artikel vermehrt speziell auf die Kundenwünsche hin gefertigt, zum Beispiel Süßigkeiten in Form des Firmenlogos. Ein weiterer Trend ist die Personalisierung, also das individuelle Zuschneiden auf einzelne Kunden. Damit lässt sich die ohnehin kräftige Wirkung dieses Mediums zusätzlich steigern. Werbeartikel müssen individuell geplant und eingesetzt werden – mit groben Rastern, wie sie manchmal bei anderen Werbeformen zur Planung eingesetzt werden, kommt man da nicht weit. Aber gerade kleinere und mittlere Unternehmen haben damit ein starkes Instrument in der Hand, das sie laut Budget-Analysen auch verstärkt nutzen. Haben Sie ein paar Ideen für ein paar innovative, einprägsame und nachhaltige Werbegeschenke? In jeder Produktkategorie finden Sie auch nachhaltige Artikel, aus Recyclingstoffen. Nehmen wir nachhaltig hergestellte Textilien, etwa für Taschen oder Kleidung: Wir haben hochmoderne Stoffe im Angebot, von Herstellern, die die gesamte Produktionskette nachvollziehbar nachhaltig gestalten. Wir sprechen von „Cradle to Cradle“ also Materialien aus einer zyklischen Ressourcennutzung. Auf diese Weise kann man Nutzen und Nachhaltigkeit durchaus mit Mode verbinden, die ja definitionsgemäß eher kurzlebig ist. „Grüne“ Produkte zu benutzen heißt heute, bezogen auf Kleidung, nicht mehr, dass man in alternativen Jute-Säcken herumlaufen muss. Das geht heute auch modisch und modern. Und das gilt für praktisch alle nachhaltigen Werbeartikel. Das Gespräch führte Till Mansmann

Michael Freter, Geschäftsführer, PSI Promotional Product Service Institut

Becher & Gläser 6%

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Büro-Accessoires 4,2 %

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Kalender 3%

IT-Accessoires 2,2 %

Lebensmittel 2,2 %

USB-Sticks 1,8 %

Foto: PSI

Herr Freter, Naturholzbleistift statt Plastikkugelschreiber, Umweltpapier statt Frischfaserpapier: Kommen Werbegeschenke mit Nachhaltigkeitsbotschaft besser bei den Kunden an als die gewohnte Massenware? Absolut! Wir beobachten diesen Trend schon seit einigen Jahren. Nachhaltigkeit gehört bei vielen Unternehmen inzwischen zur Unternehmenskultur, die von den Endkunden geschätzt wird. Dabei muss man eigentlich auf nichts mehr verzichten: Praktisch alle Materialien, Farben und Formen gibt es auch aus nachhaltiger Produktion. Das ist vielleicht etwas teurer, aber es kann die Botschaft verstärken: Nachhaltige Materialien vermitteln oft einen höherwertigen Eindruck als herkömmliche Plastikartikel. Immer noch kommt sehr viel aus China, aber auch dort gibt es inzwischen eine Vielzahl glaubwürdig nachhaltiger Angebote.


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Exkurs

Werbung kann ungewollt (S)teuer werden Nicht nur Compliance-Themen und die Einhaltung von freiwilligen Kodizes spielen beim Thema Werbeartikel eine immer größere Rolle, auch die steuerliche Absetzbarkeit ist und bleibt ein zentrales Thema. Das Problem: Für den Unternehmer sind Werbeartikel WERBUNG und für den Fiskus grundsätzlich GESCHENKE – schließlich muss der Empfänger nichts dafür bezahlen. Geschenke können aber nur eingeschränkt als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Außerdem kann es passieren, dass Vater Staat für die „Bereicherung“ auf Seiten der Beschenkten extra Steuern verlangt. Steuerberaterin Jutta Liess setzt sich seit Jahren intensiv mit der Problematik auseinander. In N-Kompass zeigt sie, wie man vermeidet, dass diese effektive Art der Werbung ungewollt (S)teuer wird. von Jutta Liess

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Steuerfalle Werbeartikel

Wer die steuerrechtlichen Regelungen bei Werbeartikeln kennt, schützt sein Unternehmen und die Empfänger der Werbegeschenke vor ungewollten Kosten. Das trägt nachhaltig zum ungetrübten Erfolg der Werbung bei.

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ie konkreten steuerlichen Folgen, die Werbeartikel auslösen können, hängen hauptsächlich von drei Faktoren ab: Der Art des Werbeartikels, dem Empfänger und dem Grund für die Überreichung. Bevor ich auf diese Details eingehe, möchte ich Ihnen klar machen, welche drei grundsätzlichen Problembereiche Werbeartikel haben:

WERBEARTIKEL

Abb. 1: Drei steuerliche Problemkreise bei Werbeartikeln

Keine Betriebsausgaben beim Schenker wegen Betragsüberschreitung oder Aufzeichnungsfehlern

Beschenkter muss eventuell Einkommensteuer zahlen oder Schenker kann Pauschalsteuer übernehmen

Schenker muss eventuell Umsatzsteuer auf die Schenkung zahlen oder kann Vorsteuer aus der Anschaffung nicht abziehen

KNACKPUNKT 1: Steuerliches Abzugsverbot

Betriebliche Veranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG) VORAUSSETZUNGEN für den steuerlichen Abzug von Werbegeschenken Abb. 2: Dreifache Prüfung für den steuerlichen Abzug von Werbeartikeln

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Maximal 35 € pro Jahr pro Empfänger (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG)

Besondere Aufzeichnungspflichten (§ 4 Abs. 7 EStG)

Foto links: Bruno Alder; Foto rechts: Fotolia | K.-U. Häßler

Da Werbeartikel in der Regel unentgeltlich zugewendet werden, fallen sie unter die steuerliche Definition eines betrieblich veranlassten GESCHENKS. Will ein Unternehmen Werbegeschenke als Betriebsausgabe abziehen, muss es drei Voraussetzungen erfüllen:

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Exkurs

Voraussetzung 1: Betriebliche Veranlassung Werbung dient per se der Anbahnung oder Pflege von Geschäftskontakten und ist deshalb grundsätzlich betrieblich veranlasst. Allerdings kann das Finanzamt die betriebliche Veranlassung insbesondere dann versagen, wenn nicht potenzielle oder bestehende Kunden, sondern private Freunde oder Familienmitglieder Werbegeschenke erhalten. Dann muss der beim Einkauf der Werbegeschenke verbuchte Aufwand über eine so genannte Privatentnahme neutralisiert werden.

Voraussetzung 2: Wertgrenze von 35 € Der Fiskus lässt nur „angemessene“ Werbegeschenke zum Abzug zu. Die fixe Grenze von 35 € rechtfertigt er mit einer Steuervereinfachung, damit nicht bei jedem einzelnen Werbeartikel untersucht werden muss, ob er betrieblich noch angemessen ist oder die persönliche Bereicherung des Beschenkten überwiegt. Bei der magischen Grenze von 35 € müssen Sie folgende Besonderheiten beachten: ALLE GESCHENKE AN EINE PERSON IN EINEM JAHR Die 35 € gelten pro Empfänger, nicht pro Geschenk! Bei mehreren Geschenken innerhalb eines Geschäftsjahrs an ein und denselben Empfänger darf der Wert insgesamt nicht überschritten werden. Erhält ein Kunde beispielsweise zwei Geschenke zu einem Einkaufswert von 30 €, sind beide Geschenke steuerlich nicht absetzbar. Auch Geschenke an Angehörige des Geschäftspartners zählen bei dessen Grenze mit. Nur wenn die „nahe stehende Person“ selbst ein Geschäftspartner ist, hat sie einen eigenen Grenzwert. Im Einzelfall kann auch mehreren Arbeitnehmern eines Geschäftspartners jeweils ein Geschenk bis 35 € überreicht werden, wenn dafür eine betriebliche Veranlassung besteht. DIE FREIGRENZE GILT BETRIEBSBEZOGEN Bei mehreren Betriebsteilen ist zu unterscheiden: Für Kunden von selbständigen Gewinnermittlungseinheiten ist sie mehrmals zu gewähren. Innerhalb unselbständiger Betriebsstätten gilt die Grenze insgesamt nur einmal. BEI ÜBERSCHREITUNG WIRD GESAMTBETRAG KORRIGIERT Die 35 € sind kein Freibetrag, sondern eine Freigrenze. Eine Überschreitung schließt den Abzug insgesamt aus, nicht nur für den zu hohen Betrag. Beispiele: • Kunde A erhält einen Werbeartikel mit einem Wert von 40 €. Der steuerliche Gewinn muss um diese 40 € erhöht werden und nicht nur um 5 €. • Kunde B erhält zum Geburtstag im Mai ein Geschenk im Wert von 30 €. Zu Weihnachten erhält er wie alle anderen Kunden ein Geschenk im Wert von 10 €. Nicht nur das Weihnachtsgeschenk fällt unter die Nichtabziehbarkeit, sondern auch das Geburtsgeschenk vom Mai, das bisher als abziehbares Geschenk verbucht wurde, muss als nicht abziehbares Geschenk umgebucht werden.

MASSGEBLICH SIND ANSCHAFFUNGS- BZW. HERSTELLUNGSKOSTEN Folgende Übersicht zeigt, was im Detail in die 35 €-Grenze einzurechnen ist (+) und was nicht (−):

Diese Aufwendungen zählen (nicht) zur 35 €-Grenze +

Netto-Warenwert

Skonti, Rabatte und sonstige Preisnachlässe (auch wenn sie nachträglich gewährt werden)

Verpackungskosten (soweit es sich um die normale Transportverpackung handelt)

+

! Achtung Gehört die Verpackung mit zum Werbeartikel, ist sie mitzurechnen (beispielsweise eine Geschenkbox).

Vertriebs- bzw. Versandkosten (eigentlich Anschaffungsnebenkosten, aber von der Wertgrenze ausdrücklich ausgenommen nach R 4.10 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStR)

+

Kosten für die Anbringung eines Werbehinweises (Bedruckung oder ähnliches)

Umsatzsteuer, soweit sie als Vorsteuer abgezogen werden kann (§ 9b EStG)

+

Umsatzsteuer zählt mit, soweit sie nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann. Das betrifft insbesondere Unternehmer, die umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, wie Ärzte oder Versicherungsvertreter. Unternehmer mit gemischten Ausgangsleistungen müssen die Vorsteuer anteilig nach dem Verhältnis steuerfreie / steuerpflichtige Umsätzen einrechnen.

Eventuell übernommene Pauschalsteuer von 30 Prozent (§ 37b EStG)

Abb. 3: Einzelne Kosten der 35 €-Grenze

TIPP Bei der Rechnungsstellung sollten Sie darauf achten, dass nur die „notwendigen“ Kosten für den Werbeartikel ausgewiesen werden und für eventuell anfallende sonstige Kosten eine separate Rechnung erstellt wird. Das macht jedenfalls dann Sinn, wenn der Wert des Werbeartikels knapp an der 35 €-Grenze liegt. Auf alle Fälle sollten bei größeren Projekten Vorlaufkosten etwa für die Beratung, Planung und Konzeptionierung eines geeigneten Werbeartikels gesondert abgerechnet werden. In der Praxis empfiehlt sich das Ausstellen von zwei gesonderten Rechnungen: Rechnung 1: Werbeartikel „pur“ inklusive Werbeanbringung und eventuell Geschenkbox. Rechnung 2: Sonstige Kosten wie Konzeption, Ideenfindung, Beratung, Bemusterung, Layout, Logoerstellung, Prototypen, Werbeanbringungstest, Verpackung, Versand.

Ob die in der Rechnung ausgewiesene Vorsteuer in der Wertgrenze zu berücksichtigen ist, hängt von der Vorsteuerabzugsberechtigung des Unternehmens ab (§ 9b Abs. 1 EStG):

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Steuerfalle Werbeartikel

Beispiel zur Berücksichtigung der Vorsteuer in der Wertgrenze: Ein Werbeartikel kostet 41 €. Darin ist eine Vorsteuer enthalten in Höhe von 6,55 €. • Unternehmen A ist ein Beratungsunternehmen mit regulärer Umsatzbesteuerung. Für ihn ist die Wertgrenze von 35 € eingehalten, da er die Vorsteuer in Höhe von 6,55 € abziehen kann und der netto Aufwand nur 34,45 € beträgt • Unternehmer B ist ein Versicherungsmakler mit steuerfreien Umsätzen (§ 4 Nr. 11 UStG). Er kann die Vorsteuer nicht abziehen (§ 15 Abs. 2 UStG ohne Rückausnahme in § 15 Abs. 3 UStG). Damit überschreitet bei ihm der Werbeartikel mit seinem Bruttowert von 41 € die Wertgrenze in Höhe von 35 € und ist damit nicht von der Steuer absetzbar.

Voraussetzung 3: Aufzeichnungspflichten Selbst wenn die 35 €-Grenze eingehalten und ein Werbeartikel der Höhe nach abziehbar ist, hängt die steuerliche Berücksichtigung von einer weiteren Hürde ab: Die Aufwendungen für Werbeartikel müssen einzeln und getrennt auf einem eigenen Konto buchtechnisch erfasst werden. Eine Vermischung mit anderen Betriebsausgaben muss unbedingt vermieden werden. Werden die strengen Aufzeichnungspflichten nicht eingehalten, scheitert unabhängig von der Höhe des verursachten Aufwands jeglicher Abzug von Werbeartikeln! Beachten Sie deshalb unbedingt folgende Details in Ihrer Buchhaltung: VON ANFANG AN KORREKT ZUORDNEN Bereits bei der Anschaffung des Werbeartikels ist in der laufenden Buchhaltung eine korrekte Zuordnung zum passenden Konto sicherzustellen. Alle gängigen Buchhaltungsprogramme bieten entsprechende Positionen an, die bereits unterscheiden nach „Geschenke abzugsfähig (bis 35 €)“, „Geschenke nicht abzugsfähig“, „Geschenke ausschließlich betrieblich genutzt“, „Aufmerksamkeiten“ und „Streuartikel“. „Zuwendungen an Arbeitnehmer“ sollten extra verbucht werden. Wird der Werbeartikel nicht „einfach so“ verschenkt, sondern einer Lieferung oder Leistung beigelegt, sollte das Konto „Zugaben“ genutzt werden. Die vom Steuerrecht geforderten strengen Aufzeichnungspflichten gelten nämlich nur für das Konto „Geschenke abzugsfähig“, deshalb ist eine korrekte Abgrenzung sehr wichtig. ZEITNAH ERFASSEN Wichtig ist eine laufende und zeitnahe Erfassung. Eine getrennte Aufzeichnung erst nach Ablauf des Geschäftsjahrs genügt im Prüfungsfall nicht. NACHVOLLZIEHBARKEIT SICHERSTELLEN Nicht zufrieden ist das Finanzamt, wenn der Aufwand für Werbegeschenke zunächst auf gemischten Konten als Zahlungsvorgang erfasst und von dort aus auf getrennte Konten umgebucht wird. Falls bei der Beschaffung der Werbeartikel die genauen Empfänger noch nicht bekannt sind, weil eine größere Menge auf Vorrat angeschafft wird, ist der Zugang bei Einhaltung des 35 €-Wert auf die abziehbaren Geschenke zu verbuchen und später bei der entsprechenden Verwendung die Empfänger auf den zugehörigen Belegen oder durch einen Nachtrag zur Buchung zu vermerken (handschriftlich genügt). Eventuell ist bei

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der tatsächlichen Verwendung eine Umbuchung zu veranlassen (wenn beispielsweise „Geschenke abziehbar“ später als „Zugabe“ beigelegt werden). Wichtig ist, dass das Finanzamt die Buchungen und Zuordnungen zweifelsfrei nachvollziehen und den Empfänger des Geschenks eindeutig ermitteln kann. Deutlichkeit und Genauigkeit zahlen sich hier aus. STREUWERBUNG OHNE EMPFÄNGERANGABEN Für die Aufzeichnungspflicht an sich gibt es keine Bagatellgrenze, sie gilt für jegliches Werbegeschenk, so gering seine Kosten auch sind. Allerdings gibt es für „gleichartige geringwertige Geschenke“ eine Befreiung von dem grundsätzlichen Erfordernis der namentlichen Einzelaufzeichnung (R 4.11 Absatz 2 Einkommensteuer-Richtlinien). Allgemein gesprochen gilt dies für Streuartikel, bei denen aufgrund ihres üblicherweise geringen Werts keine Zweifel bestehen, dass die 35 €-Grenze eingehalten ist. Konkret legt aber leider bislang niemand von Seiten der Finanzverwaltung die Grenzen dieser Geringwertigkeit fest.

PROBLEM Wertgrenze für die Lockerung der Aufzeichnungspflichten bei Streuwerbung Es gibt keine eindeutigen steuerrechtlichen Regelungen, bis zu welchem Wert auf die Einzelauflistung der Empfänger verzichtet wird. Untersuchungen bei rund 100 Finanzämtern und Oberfinanzdirektionen zufolge gibt es keine allgemeingültige Verwaltungspraxis. Im Endeffekt liegt es im Ermessen des zuständigen Veranlagungsbeamten oder Betriebsprüfers, bis zu welchem Einzelwert er die 35 €-Grenze auch ohne Empfängernachweis für nicht überschritten hält. Meistens gibt es bei Streuwerbung bis zu 10 € keine Probleme mit dem Finanzamt. Manche Beamte erkennen sogar Artikel mit einem Wert von 30 € als Streuwerbung an.

TIPP Bei allen Werbeartikeln empfiehlt sich grundsätzlich die Aufzeichnung der Empfängerdaten. Zur zweifelsfreien Identifizierung verlangen die Finanzbehörden in der Regel den vollständigen Namen mit Anschrift, wobei es genügt, wenn sich die genaue Adresse aus den Buchhaltungsdaten ergibt. Wird eine hohe Anzahl an geringwertigen Streuartikeln oder Warenproben an einen unbestimmten Kreis von Konsumenten verteilt, sollten Sie vorab vom Finanzamt eine verbindliche Auskunft einholen, ob der Aufwand auch ohne Details zu den Empfängern anerkannt wird. Im Antrag muss genau begründet werden, warum auch ohne Einzelnachweis davon ausgegangen werden kann, dass die 35 €-Grenze pro Empfänger nicht überschritten wird. Diese Vorgehensweise ist die einzige Garantie für die Sicherung der Anerkennung der Betriebsausgaben ohne detaillierte Empfängerangaben. Für die Erteilung der Auskunft verlangt das Finanzamt – anders als bei einer Anfrage in Bezug auf die Übernahme der Pauschalsteuer des § 37b EStG, die über § 42e EStG läuft – zwar nach § 89 Abgabenordnung eine Gebühr. Diese kann sich je nach der Relation zum Werbeaufwand aber durchaus lohnen.

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PRÜFEN SIE EINEN UNEINGESCHRÄNKTEN ABZUG Das Steuerrecht schränkt den Betriebsausgabenabzug bei Geschenken und auch Werbeartikel nur ein, wenn diese unentgeltlich sind. Liegt hingegen Entgeltlichkeit vor, können Werbeartikel selbst dann abgezogen werden, wenn sie teurer als 35 € sind – auch die strengen Aufzeichnungspflichten gelten dann nicht. In folgenden Einzelfällen greift die steuerliche Abzugsbegrenzung nicht:

Wann Werbeartikel nicht „geschenkt“, sondern entgeltlich sind: Werbeprämie

Zugabe zu gekauftem Produkt

Erhält ein Bestandskunde einen Werbeartikel als Prämie für eine Neukundenwerbung, handelt es sich um eine Gegenleistung für die Vermittlungstätigkeit. Wird ein Werbeartikel in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang zum Kauf einer Ware oder Bezug einer Dienstleistung gegeben, liegt eine Zugabe vor. Typisches Beispiel: Zum Biereinkauf gibt es Bierkrüge.

Preisprämie bei (Preis-) Ausschreibung

Dienen Werbeartikel als Prämie, stellen sie eine konkrete Gegenleistung für die Teilnahme an der Ausschreibung dar und sind uneingeschränkt abziehbar. Hingegen stellen Preise bei einer Tombola oder einem Turnier Geschenke dar, die unter die Abzugsbegrenzung fallen.

Betriebliches Zubehör

Ist eine private Nutzungsmöglichkeit beim Empfänger so gut wie ausgeschlossen, gelten die steuerlichen Einschränkungen nicht, weil dann eine persönliche Bereicherung beim Empfänger fehlt. Beispiele: Ein Pharmaunternehmen überlässt Ärzten oder Apothekern medizinische Produkte, eine Brauerei Gastwirtschaften die Gläserausstattung, Fachbücher werden „verschenkt“.

Boni

Incentive-Reise

Nach einem Bonussystem hingegebene Sachwerte sind wie Rabatte und Skonti leistungsbezogen und damit nicht unentgeltlich, auch wenn sie rückwirkend je nach Umsatz im abgelaufenen Wirtschaftsjahr gewährt werden. Die bloße Behauptung, das Werbegeschenk sei Belohnung für Kundentreue, genügt allerdings nicht, um die Abzugsbegrenzung auszuschließen. Hier ist zu unterscheiden: Wird einem Geschäftspartner eine Reise im Zusammenhang mit einem konkreten Geschäftsabschluss abgeboten, liegt eine voll abziehbare Gegenleistung vor. Dient die Reise nur zur Anbahnung oder Verbesserung der Geschäftsbeziehung, fällt sie unter die steuerlichen Einschränkungen.

Abb. 4: Abgrenzung Werbegeschenk

TIPP Präsente können unter bestimmten Voraussetzungen uneingeschränkt abziehbar sein.

TIPP Die Abgrenzung zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit kann in der Praxis Schwierigkeiten bereiten. Im Zweifel sollten Sie insbesondere bei größeren Summen vorab einen Steuerberater einschalten. Vermeiden Sie größere Werbegeschenke mit der Absicht, den Geschäftspartner zu einem bestimmten Vertragsabschluss zu bewegen, sonst kommt dem Finanzamt der Vorwurf der „Bestechung“ in den Sinn. Dann scheitert der Abzug aufgrund der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG. Außerdem droht eine strafrechtliche Ahndung.

KNACKPUNKT 2: Die Frage nach der Umsatzsteuer Werbeartikel bergen auch eine umsatzsteuerliche Problematik in sich. Das betrifft zum einen die Frage, ob aus der Anschaffung des Werbeartikels ein Vorsteuerabzug möglich ist. Dieser hängt davon ab, ob der Werbeartikel bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als abziehbare Betriebsausgabe behandelt wird. Demnach ist zu unterscheiden:

Abziehbare Geschenke ÿ Vorsteuer

ÿ Keine Vorsteuer

Nicht abziehbare Geschenke

Bei abziehbaren Geschenken unter 35 € pro Jahr und Empfänger, bei denen die gesonderten Aufzeichnungspflichten erfüllt sind, ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich möglich. Außer bei Unternehmern wie etwa Ärzten oder Versicherungsvertretern, die nur steuerfreie Umsätze tätigen – sie können keine Vorsteuer abziehen. Unternehmer mit teils umsatzsteuerpflichtigen und teils umsatzsteuerfreien Umsätzen können die Vorsteuer nur anteilig abziehen.

Unabhängig davon, ob der ertragsteuerliche Betriebsausgabenabzug an der Höhe der Aufwendungen – über 35 € – oder an Mängeln bei den Aufzeichnungspflichten scheitert, gibt es aus der Anschaffung nicht abziehbarer Geschenke keinen Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1a UStG). Wird der Betriebsausgabenabzug nachträglich versagt, beispielsweise im Rahmen einer Betriebsprüfung, ist die Vorsteuer zu korrigieren und ans Finanzamt zurückzuzahlen.

ÿ In der Regel gibt es die Vorsteuer nur für ertragsteuerlich abziehbare Werbeartikel zurück

Abb. 5: Vorsteuerabzug aus der Anschaffung von Werbeartikeln

! HINWEISE Es gibt zwei wichtige Grundvoraussetzungen für jeglichen Vorsteuerabzug: Die Leistung muss für das Unternehmen bezogen werden mit der Absicht, sie für entgeltliche Umsätze zu nutzen. Insofern berechtigen Anschaffungen nicht zum Vorsteuerabzug, bei denen von vorne herein eine private Weiterschenkung beabsichtigt ist. Das hat der Bundesfinanzhof in mehreren Urteilen klar gemacht. Werbeartikel zur Kundenpflege erfüllen allerdings die Voraussetzungen der unternehmerischen Nutzung, auch wenn sie meist unentgeltlich sind. Es muss eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis vorliegen. Zudem muss die Rechnung sämtliche Angaben im Sinne des § 14 Absatz 4 UStG enthalten. Für Rechnungsbeträge unter 150 € gibt es Vereinfachungen (§ 33 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung).

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Steuerfalle Werbeartikel

Zum anderen stellt sich im Umsatzsteuerrecht die weitere Frage, ob die unentgeltliche Schenkung des Werbeartikels der Umsatzsteuer unterliegt. Diese Antwort hängt grundsätzlich vom vorherigen Vorsteuerabzug ab (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG):

Schenkung abziehbarer Geschenke

Schenkung nicht abziehbarer Geschenke

Prinzipiell würde Umsatzsteuer entstehen (Abschnitt 3.3 Abs. 10 Umsatzsteuer-Anwendungserlass [UStAE]) mit dem Ergebnis, dass sich der vorherige Vorsteuerabzug ausgleicht. Allerdings nimmt das Umsatzsteuerrecht „Geschenke von geringem Wert“ und „Warenmuster“ explizit von der Steuerpflicht aus (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG). Hier gilt die 35 €-Grenze (Abschnitt 3.3 Abs. 11 UStAE; zu Warenmustern siehe Absatz 13.

War die Vorsteuer gar nicht abziehbar oder ist sie später zu korrigieren, ist kein Ausgleich über eine Versteuerung der unentgeltlichen Schenkung notwendig. Auf nicht abziehbare Werbegeschenke entsteht damit keine Umsatzsteuer (Abschnitt 3.3 Abs. 12 UStAE).

ÿ In der Regel fällt keine Umsatzsteuer auf Werbegeschenke an Abb. 6: Umsatzsteuer auf Werbegeschenke

KNACKPUNT 3: Zusätzliche Pauschalsteuern in Höhe von 30 % Auch wenn Sie den Betriebsausgabenabzug für die Werbegeschenke sichern konnten, verursachen diese ein weiteres Problem: Der geldwerte Vorteil, den der Empfänger mit dem Werbegeschenk erhält, kann bei diesem der Besteuerung unterliegen. Das betrifft zumindest Geschäftskunden, die selbst einen Betrieb haben. Sie müssen den Vorteil aus der „Bereicherung“ eigentlich im Rahmen ihres Betriebs als Einnahme erfassen. Das ist für Ihren Kunden alles andere als angenehm und außerdem schwierig, da er den Wert nicht kennt. Er muss nachfragen oder Sie teilen zusammen mit der Übergabe des Geschenks den Wert gleich schriftlich mit – was doch etwas unhöflich wirkt. Damit das Geschenk für den Empfänger wirklich „kostenlos“ bleibt und Schwierigkeiten vermieden werden, können Sie als „Schenker“ die Steuer darauf übernehmen. Durch eine Pauschalsteuer in Höhe von 30 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) entfällt die Verpflichtung des Geschenkempfängers, den Werbeartikel als geldwerten und steuerpflichtigen Vorteil in seiner Gewinnermittlung anzugeben.

TIPP Es stimmt, dass Lohnsteueraußenprüfer auch den Geschenkaufwand an Nicht-Arbeitnehmer unter die Lupe nehmen dürfen, weil die Pauschalsteuer über die Lohnsteuer anzumelden und abzuführen ist. Es stimmt aber nicht, dass die Prüfer die Pauschalsteuer ohne weiteres aufschlagen dürfen. Gerne „drohen“ sie mit Kontrollmitteilungen an die Finanzämter der Geschenkempfänger, damit diese die Versteuerung beim Empfänger überprüfen. Und bieten an, davon abzusehen, wenn das schenkende Unternehmen die Pauschalsteuer nachentrichtet und damit den Geschenkempfänger von der weiteren Versteuerung freistellt. Viele Unternehmen knicken dann ein, um den Empfängern unangenehme Peinlichkeiten zu ersparen. Zu diesen kommt es aber nicht in jedem Fall. Lohnsteuerprüfer haben nämlich die interne Anweisung, Kontrollmitteilungen nur bei „Feststellungen von einigem Gewicht“ zu fertigen. Bei Geschenken bis zu 35 € sollen die Lohnsteuerprüfer nicht eingreifen. Insofern empfiehlt sich bei den steuerlich abziehbaren (Werbe-)Geschenken die freiwillige Übernahme der Pauschalsteuer eigentlich nicht.

VORSICHT Wird die Steuer für höherwertige Geschenke übernommen, werden auch die geringwertigeren, steuerlich abziehbaren davon erfasst!

EINHEITLICHE AUSÜBUNG Das Wahlrecht muss für alle in einem Jahr getätigten Sachzuwendungen grundsätzlich einheitlich ausgeübt werden. Dabei gelten aber zwei getrennte Empfängerkreise: Arbeitnehmer und Nicht-Arbeitnehmer. Das heißt, dass für Sachzuwendungen an Arbeitnehmer die Pauschalbesteuerung gewählt werden kann und für Zuwendungen an Dritte wie Geschäftsfreunde und Kunden einschließlich deren Arbeitnehmer nicht. FÜR ALLE SACHZUWENDUNGEN AN DRITTE Die Beschränkung der Pauschalbesteuerung auf bestimmte Zuwendungen an einzelne Kunden oder Geschäftsfreunde ist nicht möglich. Darin liegt ein Fehlerpotenzial, auf das sich Steuerprüfer gerne stürzen: Wird auch nur für eine einzige Zuwendung oder für eine bestimmte Gruppe die Pauschalsteuer übernommen, greift sie für fast alle anderen Sachzuwendungen auch, inklusive Werbegeschenke! Dann kann es zu hohen Steuernachzahlungen kommen, weil die Prüfer sie auf alle Geschenke aufschlagen, unabhängig davon, ob sie beim Empfänger im Rahmen einer Einkunftsart oder „privat“ zufließen.

Foto: Fotolia | K.-U. Häßler

Hier erfahren Sie die wichtigsten Fakten zur Pauschalbesteuerung nach § 37b EStG: FREIWILLIGES WAHLRECHT Die Übernahme der Steuer auf Sachzuwendungen ist als freiwilliges Wahlrecht ausgestaltet. Die in der Presse geschürten Gerüchte, dass die „Geschenkesteuer“ im Rahmen von Steuerprüfungen nachgezahlt werden „muss“, stimmen so nicht, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Die „Geschenkesteuer“ kann richtig teuer werden.

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Exkurs

VORSICHT Die Rechtslage zur Pauschalsteuer nach § 37b EStG ist derzeit unklar. Der Bundesfinanzhof hatte im Oktober 2013 in mehreren Urteilen entschieden, dass die Zusatzsteuer nur auf Zuwendungen entstehen kann, die beim Empfänger der Besteuerung unterliegen. Geschenke an private Kunden oder Kunden im Ausland dürften hingegen nicht von der Pauschalierung erfasst werden. Die Finanzverwaltung wendet diese günstige Rechtsprechung allerdings glattweg nicht an und macht selbst dann von der Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch, wenn die Zuwendung beim Empfänger nicht zu Einkünften führt! Es droht eine gesetzliche Neuregelung im Sinne eines Nichtanwendungserlasses. Dagegen wettern die Verbände der deutschen Wirtschaft. Im August 2014 haben sie beim Finanzministerium eine Eingabe zur Umsetzung der Rechtsprechung eingereicht. Bis zur Klärung sollten Sie auf alle Fälle Einspruch gegen Lohnsteuerbescheide einlegen, die eine Pauschalsteuer nach § 37b EStG auf Werbeartikel festsetzen, und das Ruhen des Verfahrens mit Hinweis auf die Rechtsprechung beantragen.

KEINE PROBLEME BEI EINZELWERT UNTER 10 EURO Geringwertige Streuwerbeartikel und Warenproben sind eigentlich von der Pauschalbesteuerung ausgenommen. Hier gibt es derzeit noch einen verlässlichen, bundeseinheitlichen Grenzwert von netto 10 € (Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 29.4.2008 – IV B 2 - S 2297-b/07/0001, Randziffer 10). Insofern sollten Sie auf eine „günstige“ Rechnungsstellung mit den notwendigsten Kosten achten (siehe Abbildung 3).

VORSICHT Auch hier ist die Rechtslage unklar. Auf diesem Gebiet ist allerdings die Auffassung der Verwaltung günstiger als die des Bundesfinanzhofs. Dieser hält auch Streuwerbeartikel für pauschalierbar, wohingegen die Verwaltung noch an ihrer Auffassung festhält, dass für Artikel bis zu einem Anschaffungswert von 10 € – netto, soweit die Vorsteuer abziehbar ist – grundsätzlich keine Zusatzsteuer entsteht.

TIPP Bei Give-Aways in größerem Stil sollten Sie vorab beim Finanzamt eine Auskunft einholen, ob diese unter die Pauschalsteuer im Sinne des § 37b EStG fallen. Diese Auskunft ist – im Unterschied zur Anfrage über die notwendigen Empfängerangaben – kostenfrei (§ 42e EStG).

BESCHRÄNKUNG Sehr hohe Zuwendungen können nicht pauschal versteuert werden. Der jährliche Grenzwert von 10.000 € (immer brutto) pro Zuwendung bzw. pro Empfänger dürfte mit Werbegeschenken allerdings nicht erreicht werden. 30 % AUF BRUTTOWERT + SOLI + KIRCHENSTEUER Entscheiden Sie sich zur Übernahme der Pauschalsteuer, müssen Sie 30 % auf die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für das jeweilige Werbegeschenk einschließlich Umsatzsteuer aufschlagen. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag von 5,5 % und Kirchensteuer. Diese kann entweder nur für die tatsächlich kirchensteuerpflichtigen Empfänger mit dem jeweils gültigen all-

gemeinen Kirchensteuersatz berechnet werden – wozu eine konkrete Erklärung des Empfängers nötig ist. Nach der praktikableren Vereinfachungsregel gilt für sämtliche Empfänger der Sachzuwendungen ein ermäßigter Kirchensteuersatz. Dieser trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht alle Empfänger kirchensteuerpflichtig sind. Je nach Bundesland liegt der ermäßigte Satz zwischen 4 und 7 %, der reguläre Satz kann bis zu 9 % betragen. Beachten Sie: Bei dem am häufigsten vorkommenden pauschalen Kirchensteuersatz von 7 % (u.a. in NordrheinWestfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz) müssten Sie bei Übernahme der Pauschalsteuer insgesamt weitere 33,75 % in den Geschenkaufwand einkalkulieren. ANMELDUNG UND ZAHLUNG ÜBER DIE LOHNSTEUER Die Pauschalbesteuerung läuft über das Lohnsteuerverfahren – auch für die Zuwendungen an Nicht-Arbeitnehmer. Das Wahlrecht muss nicht sofort im Zeitpunkt der Zuwendung ausgeübt werden, sondern kann solange nachgeholt werden, wie noch kein endgültiger Lohnsteuerbescheid ergangen ist. Ist die Lohnsteuer durch endgültigen Bescheid festgesetzt, ist ein Widerruf nicht mehr möglich. AUS BUCHHALTUNG ERSICHTLICH Eine zusätzliche Aufzeichnungspflicht für pauschal besteuerte Zuwendungen sieht das Steuerrecht nicht explizit vor. Allerdings müssen die Buchhaltungsdaten ergeben, dass im Falle der Wahlrechtsausübung alle Zuwendungen pauschal versteuert wurden und der Höchstbetrag von 10.000 € pro Empfänger nicht überschritten wurde. Wovon die Finanzverwaltung der Einfachheit halber auch ohne detaillierte Empfängerdaten ausgeht, wenn die Einzelzuwendungen nicht mehr als 40 € betragen. Beachten Sie: Um den Betriebsausgabenabzug für abziehbare (Werbe-)Geschenke unter 35 € zu bewahren, sollten Sie dennoch auf die bereits dargestellte Einzelaufzeichnungspflicht achten. HINWEISPFLICHT Sie müssen den Geschenkempfänger von der Übernahme der Besteuerung unterrichten. Der Betrag des (Werbe-)Geschenks muss dabei nicht angegeben werden. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz nicht vor, allerdings empfiehlt sich aus Nachweisgründen die Schriftform. Beispielhaft kann folgende Formulierung verwendet werden: „Die Besteuerung der übergebenen Zuwendung (alternativ genaue Bezeichnung) wurde nach § 37b EStG durch den Zuwendenden (alternativ eigene Firmenbezeichnung) übernommen.“ ABZIEHBARKEIT DER PAUSCHALSTEUER Die Abziehbarkeit der übernommenen Pauschalsteuer hängt von der Abziehbarkeit des Geschenksaufwands ab, für den die Steuer entstanden ist. Wird die Steuer für Geschenke unter 35 € übernommen und sind auch die Aufzeichnungspflichten erfüllt, kann die Pauschalsteuer als Betriebsausgabe abgezogen werden. Pauschalsteuerbeträge auf nicht abziehbare Geschenke sind auch nicht abziehbar. N-Kompass Magazin

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Steuerfalle Werbeartikel

Abschließende Checkliste: Darauf sollten Sie beim Verschenken von Werbeartikeln achten Verbuchen Sie Werbeartikel am besten gleich beim Einkauf richtig:

” „Geschenke bis 35 €“ (abziehbar mit Aufzeichnungspflichten)

” „Geschenke über 35 €“ (nicht abziehbar) ” „Streuartikel“ (abziehbar ohne Empfängerangaben, Betrag mit Finanzamt abklären)

” „Nur betrieblich nutzbare Geschenke“ oder „Zugaben“

(abziehbar ohne Empfängerangaben, Betrag unbegrenzt)

Prüfen Sie bei Geschenken knapp an der 35 €-Grenze die Anschaffungskosten. Verlangen Sie eventuell gesonderte Rechnungen bei höheren Vorlauf- und Zusatzleistungen. Pro Kunde dürfen Sie pro Jahr nicht mehr als 35 € ausgeben. Mehrere Geschenke an einen Empfänger müssen Sie zusammenrechnen. Prüfen Sie den Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung. Sind Werbeartikel bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe abziehbar (unter 35 €, Aufzeichnungspflichten erfüllt), erhalten Sie die Vorsteuer vom Finanzamt zurück. Umsatzsteuer fällt auf die Schenkung von Werbeartikel nicht an, wenn die 35 €-Grenze eingehalten ist. Verbuchen Sie die Weitergabe von Werbegeschenken an Arbeitnehmer oder Freunde bzw. Angehörige extra. Stellen Sie sicher, dass sich die Empfängerdaten aus den Buchhaltungsunterlagen oder sonstigen Geschäftsakten ersehen lassen (beispielsweise aus Versandlisten, Gästelisten bei Veranstaltungen, Kundendateien).

Westen aus recyceltem Material sehen nicht nur gut aus, sondern tragen sich auch bequem.

Stimmen Sie bei „Streuwerbung“ im größeren Umfang mit dem Finanzamt den Grenzwert ab, bis zu dem auf detaillierte Empfängerdaten verzichtet wird. Die 10€-Grenze ist kein garantierter Wert! Weisen Sie bei nicht nur geringfügigen Werbegeschenken an Geschäftskunden den Empfänger darauf hin, dass er es als Betriebseinnahme erfassen und versteuern müsste.

! HINWEISE Die Pauschalversteuerung selbst hängt nicht davon ab, ob der zugrunde liegende Geschenkaufwand steuerlich abziehbar ist oder nicht. Sie entsteht unabhängig von der Absetzbarkeit des Werbeartikels.

Foto: Xindao B.V.

TIPP Gegen diese Auffassung, dass die Pauschalsteuer nach § 37b EStG auf nicht abziehbare Geschenke nicht abziehbar sei, ist ein Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig (Az. IV R 13/14). Unter Berufung darauf können Sie gegen Bescheide des Finanzamts, in denen die übernommene Pauschalsteuer nicht als Betriebsausgabe anerkannt wurde, Einspruch einlegen.

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Für Werbegeschenke an Geschäftskunden können Sie dessen Steuer pauschal übernehmen. Das kostet etwas mehr als 30 % extra. Prüfen Sie diese Entscheidung sorgfältig, sie gilt für sämtliche Werbeartikel und Geschenke und kann nicht beschränkt werden. Sprechen Sie Ihren Steuerberater darauf an, dass er die aktuellen Rechtsentwicklungen bei der Pauschalsteuer für Sie im Auge behält und Sie bei Neuerungen informiert. Weisen Sie bei Übernahme der Pauschalsteuer den Empfänger schriftlich darauf hin. Die Übernahme kann dann nicht mehr widerrufen werden. Werbegeschenke an private Empfänger lösen bei diesen in der Regel keine steuerlichen Folgen bzw. Pflichten aus. Weitere Informationen zum Steuer- und Wirtschaftsrecht:

ÿ www.nwb.de

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„Die Marktzwänge werden die, die heute schon nachhaltig wirtschaften, irgendwann belohnen.“ Dr. Rüdiger Fox, Partner bei SecondMuse

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Interview

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Es anders machen, … Fernöstliche Weisheit und die konkrete Führung von Unternehmen in unserem abendländischen Deutschland scheinen zwei völlig verschiedene Welten zu sein. Der Unternehmer, Manager und Berater Dr. Rüdiger Fox sieht hier fruchtbare Verbindungen: Er findet, dass wir durchaus auch von dem anderen, fernöstlichen Blickwinkel lernen können – um damit dann auf ganz westliche Art Erfolg zu haben. Der Gedanke der Nachhaltigkeit spielt dabei eine zentrale Rolle.

Fotos: Nicole Siemers

Herr Fox, Sie beraten Unternehmen. Die europäische Art zu wirtschaften haben wir in die ganze Welt exportiert. Sie haben den fernen Osten bereist, zum Beispiel das Königreich Bhutan, und nutzen Ihre Erkenntnisse von dort bei Ihrer Arbeit. Was sollten wir von dort an Ideen nach Europa importieren? Da treffen Sie den Kern meiner Leidenschaft. Das Faszinierende an der Politik von Bhutan ist, dass das Land per Regierungserklärung einen ausgeglichenen ökologischen Fußabdruck anstrebt. Wir wirtschaften oft so, als gäbe es unendlich viele Ressourcen. Bhutan hingegen stellt das Glück der Menschen in Relation zu ihrem Verbrauch: Der „Happy Planet Index“ dividiert die Anzahl der glücklichen Lebensjahre der Bevölkerung durch den nationalen „Footprint“. Bhutan ist für viele kein wirtschaftliches Vorbild, da das Leben dort sehr unterschiedlich zu unserem ist. Dennoch hat das Königreich für seine Entwicklung einen höchst wirtschaftlichen Ansatz gewählt, der davon ausgeht, dass man langfristig nicht mehr Ressourcen verwenden kann, als vorhanden sind. In dieser Hinsicht sind sie uns voraus. Das ist der volkswirtschaftliche Aspekt – wie sieht es betriebswirtschaftlich aus? Was können Unternehmer bei uns davon lernen? Unsere Betriebswirtschaft basiert heute im Grunde auf Regeln, die etwa zweieinhalb Jahrhunderte alt sind. Sie wurden damals aus der der Physik abgeleitet. Darunter zählen Denkweisen wie das Hebelgesetz, das man auf Angebot und Nachfrage angewandt hat. Oder das Strömungsgesetz, das besagt, dass bei einem erhöhten Druck auf einer Leitung mehr Wasser fließt. Später wurde es auf Warenströme, aber auch auf Menschen angewandt. Diese Denkweise war lange sehr erfolgreich, daher hat sie sich über die Welt verbreitet. 01.2015

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Aber wir sehen heute, dass Wirtschaft mehr ist: Wir sehen, wie sich Verbraucherinteressen verschieben, und dass das entwickelte Instrumentarium vielleicht gar nicht mehr so gut geeignet ist. Andere Fragen sind nun zu beantworten: Welche Bedürfnisse haben meine Kunden morgen? In welche Richtung verschieben sich die Prioritäten? Denn die Welt zwingt uns dazu, Prioritäten zu verschieben. Wir verbrauchen mehr Ressourcen, als wir haben, und das kann so nicht weitergehen. In unserer europäischen Wirtschaftssprache ausgedrückt: Wir zehren unser Kapital auf. Können Sie uns Beispiele für die Verschiebung von Prioritäten bei den Ansprüchen von Kunden geben? Für lange Zeit war eine Limousine ein wichtiges Statussymbol. Immer mehr Menschen weltweit wohnen aber in Städten, in denen das zunehmend unpraktisch wird. Heute schon geht es vielen jungen Leuten mehr um andere Dinge, wie ihr Handy. Als Hersteller von Luxusautos muss ich mir also überlegen, was ich verkaufen will: Sind es einfach Autos oder nicht viel eher Mobilitätskonzepte für eine komplexer werdende Welt? Und wie sieht dann meine Produktpalette von morgen aus? Das sind Fragen, deren Antworten weit in die Wertschöpfungskette hineinreichen. Das betrifft nicht nur einzelne Firmen, sondern große Teile unserer Wirtschaft. Daher geht es auch um gesellschaftliche Entwicklungen. Hier können wir von Bhutan einiges lernen: Das Königreich hat entschieden, in die Betrachtung der Zukunftsplanung schon jetzt Aspekte zu integrieren, die erst in einigen Jahren wirklich zwingend werden. Das ist für mich eine sinnvolle, ehrliche und weitblickende Form eines Generationenvertrags. Was wir als solchen bezeichnen, ist verglichen damit extrem kurz gesprungen!


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Interview

… als es

üblich ist.

Sie haben sich auch mit der Sanierung von Unternehmen beschäftigt. Ist so eine Denkweise nicht schädlich für die Rettung eines Unternehmens in wirtschaftlicher Schieflage? Muss man solche Themen dann nicht eher zurückstellen? Eine spannende Frage! Wir denken beim Einsatz von Ressourcen immer zuerst an das Material, das eingekauft werden muss. Und es ist sicherlich richtig, dass der Aufwand bei nachhaltig erzeugtem Material zunächst oft etwas höher ist. Ich bin aber überzeugt, dass der Unterschied gar nicht so groß ist und auch dauerhaft keinen Bestand haben wird: Die Marktzwänge werden die, die heute schon nachhaltig wirtschaften, irgendwann belohnen. Aber für den Anfang ist es sicherlich eine zusätzliche Investition. Das liegt meines Erachtens vor allem daran, dass man sich bei nachhaltigen Werkstoffen beim Preis nicht in die Tasche lügt,

indem man tatsächliche Kosten zukünftiger Generationen ausblendet. Aber der Punkt, der mir hier besonders wichtig ist: Bei den Sanierungen, die ich bislang begleitet habe, standen ganz andere Fragen im Vordergrund. In den meisten Unternehmen schlummert ein enormes wirtschaftliches Potenzial – und zwar in den Mitarbeitern! Ihr Wissen und ihre Motivation werden bei uns nicht einmal bilanziert. Nur bei Fußballunternehmen stehen die einzelnen Spieler mit ihrem Wert in der Bilanz. Ansonsten sind Menschen ein Posten, der nur unter „Kosten“ aufgeführt wird. Aber genau dieses Potenzial ist der Schlüssel zu jeder erfolgreichen Sanierung. Es geht um die Motivation der Mitarbeiter. Wir freuen uns, wenn wir den Krankheitsstand um 0,1 Prozentpunkte senken können – dabei ist der Schaden, der entsteht, wenn Mitarbeiter am Arbeitsplatz anwesend sind, dort aber Minderleistung erbringen, um ein Vielfaches höher. Für die USA kann man diesen Schaden auf einen Wert von ca. 550 Milliarden Dollar pro Jahr beziffern. Um diese enorme Summe könnte die Gesellschaft reicher sein, wenn das Potenzial der Belegschaften vollständig aktiviert werden könnte. Ich gehe davon aus, dass in den meisten Firmen eine Steigerung um bis zu 30 Prozent möglich ist. Und wie kann man dieses Potenzial heben? Es ist ein Fehler, zu glauben, man könnte die Menschen nur mit Geld und Strafe motivieren: Wir hängen ihnen eine Karotte vor die Nase und hauen mit einer Peitsche drauf. Wenn uns die Leistung missfällt, intensivieren wir die Kontrolle und machen die Karotte oder die Peitsche größer. Viel mehr könnte man erreichen, wenn man das Unternehmen so gestaltet, dass die verschiedenen Typen von Menschen, die dort arbeiten, mit ihrer ganzen Kraft und ihren Stärken voll anpacken können. Die Sinnfrage hierbei ist: „Für was ist dieses Unternehmen eigentlich da? Und was kann ich als Mitarbeiter tun, um dabei zu helfen, dieses Ziel zu erreichen?“ Dabei geht es nicht nur um das Hier und Jetzt, sondern um die Herausforderungen der Zukunft. Jeder muss sich fragen, wo er selbst dabei steht. Das klingt auf den ersten Blick humanistisch, ist aber auch eine knallharte wirtschaftliche Frage. Zukünf-

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Interview

Zur Person: DR. RÜDIGER FOX hat an der Universität in Stuttgart Luftund Raumfahrttechnik sowie via Fernstudium Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Im Verlauf seiner bisherigen Karriere war er Geschäftsführer mehrerer mittlerer und großer Unternehmen aus der Automobil-, Luftfahrt- und Telekommunikationsbranche. Seit September 2013 ist er Partner bei SecondMuse. Seinen Doktor hat Rüdiger Fox 2014 an der Europäischen Universität Viadrina in Frankfurt (a. O.) erlangt. In seiner täglichen Arbeit als Berater nutzt er den „Gross Corporate Happiness“-Ansatz, der bereits Gegenstand seiner Dissertation war, um Unternehmen, die in eine Existenzkrise geraten sind, neue Perspektiven zu eröffnen.

tige Geschäftsmodelle entstehen bei Veränderung von volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel gesellschaftlicher Haltung zu Besitz und Nutzung von Gütern oder um Fragen der Mobilität sowie Energieerzeugung und -effizienz. Einiges, was heute eine lustige Idee ist, kann übermorgen ein wirtschaftliches Geschäftsmodell sein. Unsere Wirtschaft passt sich doch schon seit Jahrzehnten schnell an solche Trends an. Ja – die erfolgreichen Unternehmen machen das. Und wenn sie genau hinschauen, ist das so, weil dort in der Vergangenheit meist schon so entschieden wurde, wie ich es beschreibe. Erstaunlich, dass das bei der Beratung so selten beachtet wird und der Fokus nur auf der Optimierung des Status quo liegt. Wir haben manchmal ein falsches Bild davon, wie diese Veränderungen ablaufen: Es ist meist nicht das Ergebnis einer langen Evolution, sondern das Resultat schneller Entwicklungen. Das kann auch große Unternehmen oft rasch aus dem Fahrwasser bringen. Wenn ein Sanierungsberater in ein Unternehmen kommt, haben die Leute Angst. Alle fürchten um ihren Kopf, jeden kann es erwischen. Wie reagieren die Leute, wenn dann jemand als Berater ins Unternehmen kommt und von Nachhaltigkeit spricht? Üblicherweise betrachten Berater den Umsatz und die Kosten. Die Strategie ist dann meist, die Kosten zu senken, um bei gleichem Umsatz den Gewinn zu erhöhen. Das erhöht den Druck. Wenn ich Menschen damit konfrontiere, versuchen sie, auszuweichen. Meine Rechnung ist daher anders: Mitarbeitermotivation treibt die Innovationsleistung, durch die man den Umsatz erhöhen kann. Gleichzeitig hält man durch gesteigerte Effizienz die Kosten, das Unternehmen wächst profitabel. Denn der Markt ist keine Konstante – die meisten Produkte haben eine große Preistoleranz und Kaufentscheidungen fallen oft nicht nur über den Preis, sondern auch über das gute Gefühl, das der Käufer dabei hat.

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Was müssen Berater anders machen, wenn sie das erreichen wollen? Sie müssen sich auf die Menschen einlassen. Meistens packen sie die Belegschaft in eine Excel-Tabelle – das funktioniert aber nicht. In ein Schema lassen sich Menschen nicht pressen. Sie müssen die Menschen einbinden. Da sind sie nämlich an der Quelle der Wertschöpfung: Als Berater hat man selten eine detaillierte Ahnung von dem Geschäft, das irgendeine Firma betreibt. Dieses Branchenwissen haben die Mitarbeiter und mit diesen muss man es herausarbeiten und fruchtbar machen. Die Tätigkeit des Beraters ist dann nicht mehr, Angst über das Unternehmen zu verteilen, sondern den Sinn – die Unternehmensseele – mit den Mitarbeitern zu identifizieren und zu reaktivieren. Die Seele eines Autoherstellers sind nicht die Autos, es ist die Mobilität, die Freiheit und die Art und Weise, das den Kunden zu vermitteln und nachhaltig zu realisieren. Wir treffen uns hier in Hamburg-Altona in einem „Shared Working-Space“, weil Sie Ihr eigenes Büro abgeschafft haben. Ihre Art zu arbeiten scheint so ungewöhnlich wie Ihr Beratungsansatz. Was macht Ihren Arbeitsalltag noch aus? Innerdeutsch fahre ich seit Jahren mit der Bahn. Von Hamburg nach München brauche ich sechs Stunden. Ich fahre von Stadtzentrum zu Stadtzentrum, muss den Ort nicht wechseln, habe einen Tisch, Strom für den Laptop. Ich kann also die ganze Zeit konzentriert arbeiten. Wenn ich fliege, brauche ich zwar nur knapp vier Stunden, aber ich werde zwischendurch mehrmals unterbrochen und muss mir immer neue Arbeitsplätze suchen. Wenn ich Glück habe, kann ich eine oder eineinhalb Stunden nutzen. Der Rest ist verlorene Zeit. Ich halte daher das Zugfahren für eine absolut wirtschaftliche Entscheidung. Und genauso mache ich es mit dem „Shared Office-Space“ oder dem Carsharing. Das bedeutet für mich weniger Ballast, weniger Fixkosten: Eine Plastikkarte statt Reifenwechsel, Inspektion und Parkplatzsuche. Primär ist es wirtschaftlich sinnvoll, sekundär ist es auch nachhaltig. Ich brauche, um Nachhaltigkeit in Unternehmen zu erklären, nicht den erhobenen Zeigefinger. Bei mir ist das schlicht das Ergebnis rationaler Betrachtung. Und wie kommt das in der Praxis an? Die Leute wundern sich gelegentlich – aber das hat genau deswegen Wirkung. Manchmal sagt man mir: „Sie können doch nicht mit einem Leihfahrrad vom Bahnhof zu einem Meeting fahren.“ Dann antworte ich: „Doch, ich kann, schauen Sie mal aus dem Fenster – dort steht es.“ Mein Unternehmen wurde vor ein paar Jahren mit einem Umweltpreis ausgezeichnet. Der Bundesumweltminister wurde in der Limousine vor den Eingang chauffiert. Ich bin mit dem Fahrrad vorgefahren. Das war für uns beide eine Frage des Prestiges und so auch mal eine Frage der Provokation. Und dazu gehört auch ein Lebensgefühl: Dinge auszuprobieren, die nicht „normal“ sind. Es anders zu machen, als es üblich ist. Ich mache Urlaub mit Airbnb, auch wenn ich mir ein Hotelzimmer leisten kann. Ich fahre Bus statt Auto. Das ist das Leben, als Mensch unter Menschen: Das macht einen Riesenspaß und gibt immer wieder neue Ideen! Das Gespräch führte Till Mansmann

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N-Kompass Relaunch

Es weht ein frischer Wind! Seit einem Jahr begleitet der N-Kompass als webbasiertes Management-Tool mittelständische Unternehmen mit seiner Nachhaltigkeits-Analyse und diversen Umsetzungshilfen auf ihrem Weg zum nachhaltigen Wirtschaften. Das rege Feedback aus der Praxis hat uns über das Jahr hinweg eine Vielzahl an Impulsen zur Optimierung und Weiterentwicklung des N-Kompass gegeben. Zum Jahreswechsel stellen wir Ihnen daher die optimierte Detail-Analyse und Auswertung vor.

Detail-Analyse Systematischer: Nachhaltigkeit hat Einfluss auf verschiedene Unternehmensbereiche und nicht immer kann man sofort auf alle Fragen eine Antwort geben. Die neue Detail-Analyse des N-Kompass ermöglicht deshalb jetzt die Beantwortung von nur einzelnen Teilen des Fragebogens. Arbeiten Sie sich so von Handlungsfeld zu Handlungsfeld vor und erfahren Sie Schritt für Schritt, wie nachhaltig Ihr Unternehmen ist. Branchenspezifischer: In die fragebogengestützte Detail-Analyse fließen weiterhin sowohl Ihre eigenen Angaben als auch branchenspezifische Faktoren ein. Die Befragung schließt nun auch eine Abfrage der von Ihnen genutzten Standards und/oder Labels mit ein. Zudem konkretisieren branchenspezifische Beispiele den Fragenkatalog und ermöglichen Ihnen einen schnelleren Einstieg in die Analyse. Übersichtlicher: Das neue Layout zeigt Ihnen auf den ersten Blick, welchen Fragebogenteil Sie zu welchem Handlungsfeld bereits vollständig beantwortet haben. Sind Angaben unvollständig, können Sie von hier direkt in den Fragebogen navigieren.

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N-Kompass intern

Auswertung Effizienter: Der N-Kompass zeigt Ihnen jetzt im Zuge der neuen Auswertung, wo bei Ihnen der größte Handlungsdruck besteht. Mithilfe einer Punkteskala von 1 bis 10 erkennen Sie zudem auf einem Blick, welche Ihre auf Basis der Wesentlichkeit zu priorisierenden Handlungsfelder sind. Darüber hinaus können Sie sich hier Teilauswertungen anzeigen lassen, sobald Sie den Fragebogen zu einem Handlungsfeld vollständig ausgefüllt haben. Erhalten Sie so schneller erste Ergebnisse und arbeiten Sie sich dann weiter vor. Zum tieferen Verständnis können Sie sich zu jedem Handlungsfeld die Detailauswertung ausdrucken. Fokussierter: Für Sie ist z.B. „Klima“ ein priorisiertes Handlungsfeld, bei dem ein hoher Handlungsdruck besteht? Dann zeigt Ihnen der N-Kompass jetzt auf Basis Ihrer Auswertung nur hierzu, welche Maßnahmen Sie zuerst umsetzen sollten. Pro Handlungsfeld können Sie zudem bei der Gewichtung der vorgeschlagenen Maßnahmen eigene Schwerpunkte auf Quickwins, Kosten, Umsatz, Image oder soziale Faktoren setzen. Praxistauglicher: Der N-Kompass stellt Ihnen pro Maßnahme alle relevanten Umsetzungshilfen auf einer Dashboard-Seite zusammen. Hier erhalten Sie u.a. einen ersten Einblick in das Dossier, das Ihnen die Umsetzung der Maßnahme beschreibt. Darüber hinaus finden Sie auf dieser Seite die Kennzahlen, die zur Erfolgsmessung vorgeschlagen werden, sowie weiterführende Literatur in Form von Hintergrunddossiers und Fallstudien. ◊

Und es geht weiter… Unterstützen Sie uns auch künftig mit Ihrem Feedback bei der Weiterentwicklung des N-Kompass!

Infos & Kontakt Sie haben Fragen oder Anregungen zum N-Kompass? Dann schauen Sie auf www.n-kompass.de Oder kontaktieren Sie das N-Kompass-Team: kontakt@n-kompass.de · 02323-141 900

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Schlusspunkt

TIPP Energieeffizienz ist der Schlüssel zum Erfolg – sowohl für die nationale Energiewende als auch für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Dem Mittelstand, als wirtschaftliches Rückgrat, kommt hier eine bedeutende Rolle zu.

Foto: Fotolia| C Claudia

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Betriebliche Energieeffizienz

Förderprogramme auf einen Blick

Energie zu sparen bzw. den Energieverbrauch zu senken, ist nicht nur der Umwelt zur Liebe sinnvoll. Unternehmen können durch das systematische Analysieren und Optimieren der betrieblichen Energie- und Stoffströme maßgeblich an der Kostenschraube drehen: Je nach Industrie können durch gezielte Energieeffizienzmaßnahmen zwischen 20 und 50 Prozent der Energiekosten eingespart werden. Das gleiche gilt für den damit verbundenen CO2-Ausstoß. Betriebliche Maßnahmen können dabei entweder auf die verbesserte Verbrauchssteuerung (z.B. Smart Meter) oder auf die Nutzung effizienterer Technologien (z.B. LED für die Beleuchtung) abzielen. Letztere sind häufig mit höheren Investitionen verbunden und rechnen sich erst über einen längeren Zeitraum. ◊

Für die Umsetzung von Effizienzprojekten können Fördermittel beantragt werden. Die Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz hilft, indem sie alle relevanten Förderprogramme auf ihrer Plattform zentral zusammenträgt. Das BMWi z.B. bietet über das Beratungsmodul „go-effizient“ Gutscheine an, mit denen KMU bis zu 50 Prozent ihrer Kosten für externe Beratung erstattet bekommen. Zum 1. Januar 2015 ist zudem die neue Richtlinie „Energieberatung im Mittelstand“ in Kraft getreten, durch die der Förderhöchstbetrag für die Energieberatung auf 8.000 Euro erhöht wurde. Erstmals können mit dieser Richtlinie auch vom Energieberater vorgeschlagene Maßnahmen für ein Unternehmen bezuschusst werden. ◊

ÿ www.mittelstand-energiewende.de/foerderprogramme

Impressum N-Kompass Magazin Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand Erscheinungsweise: Sie erhalten das Magazin 4-mal im Jahr kostenlos im Rahmen des Abonnements N-Kompass NWB Verlag GmbH & Co. KG AG Bochum HRA 5124 Geschäftsführer Dr. Ludger Kleyboldt Eschstraße 22 44629 Herne Fon 02323.141-900 Fax 02323.141-123 Internet: www.nwb.de Bankverbindung: Postbank Dortmund IBAN DE69 4401 0046 0064 0694 67 BIC PBNKDEFF

Redaktion: Dipl.-Kffr. (FH) Yvonne Buckesfeld (verantwortlich) Marie-Lucie Linde, M.A. RWTH Dipl.-Phys. Till Mansmann E-Mail: kontakt@n-kompass.de Verantwortlich für Anzeigen: Andreas Reimann E-Mail: anzeigen@nwb.de Druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm Empfohlene Zitierweise: N-Kompass 1/2015, S. 16 Einzelbezugspreis: € 7,90 (D)

rechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages unzulässig. Produktion: Für das N-Kompass Magazin verwenden wir die Druckfarben Novabord C 990 PROTECT BIO (mineralölfrei, Bindemittel ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen). Der eingesetzte Dispersionslack entspricht den Vorgaben der Spielzeugnorm EN71-3 (Sicherheit von Spielzeug). Das N-Kompass Magazin wird klimaneutral gedruckt auf Circlesilk Premium white, einem Recyclingpapier aus 100 % Altpapier, das FSC® zertifiziert und mit dem EU Eco Label ausgezeichnet ist.

Manuskripte: Annahme nur von Originalaufsätzen, die ausschließlich dem Verlag zur Alleinverwertung in allen Medien (einschließlich Datenbanken und Online-Nutzung) angeboten werden. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheber-

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