N-Kompass

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Medienunternehmen | Ein mittelständischer Verlag setzt auf Nachhaltigkeit Traditionsunternehmen | Warum der Zwieback von Brandt kleiner werden musste Vorzeigeunternehmen | Die Brüder Schmalz sind Überzeugungstäter

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N-Kompass magazin Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand

Interview mit Stefan Schulze-Hausmann

„Viele haben das Thema Nachhaltigkeit schon satt.“

Der CO2-neutrale Versand mit der Deutschen Post


Ökologie

Ökonomie

Soziales

KOMPASS

Nachhaltig wirtschaften


Editorial

Dr. Ludger Kleyboldt Inhaber und Geschäftsführer des NWB Verlages und Initiator des N-Kompass-Projekts

„Heute nicht auf Kosten von Morgen, hier nicht auf Kosten von Anderswo und nie auf Kosten von Anderen.“ Martin Kleene

Diese Grundideen prägen die Ausrichtung nachhaltigen Wirtschaftens. Wir in Deutschland und gerade im Mittelstand orientieren uns schon seit Jahren daran. Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Generation später gefragt werden wird, was wir denn für die Nachhaltigkeit getan haben. Dabei ist festzuhalten, dass nachhaltiges Wirtschaften eine extrem komplexe Materie ist. Weil sie das gesamte Wirtschaften umfasst. Weil es nicht eine richtige Antwort gibt. Weil wir nicht alles auf einmal umsetzen und erreichen können. Und weil es kein „perfektes nachhaltiges Wirtschaften“ gibt. Wir alle wissen aber, dass viele Ressourcen endlich sind, dass viele Umweltschäden irreparabel sind und dass in vielen Ländern Menschen unter unwürdigen oder gefährlichen Bedingungen Produkte für uns fertigen. Auch bei uns gehen Unternehmen nicht immer offen und ehrlich mit ihren Kunden und Mitarbeitern um – kurzfristiger Gewinn ist oft wichtiger als langfristiger Erfolg. Der N-Kompass macht das komplexe Thema Nachhaltigkeit begreifbar und praktisch beherrschbar, indem er konkret Mittel und Wege zum nachhaltigen Wirtschaften aufzeigt. Mit dem N-Kompass kann jedes Unternehmen seine individuelle Nachhaltigkeitsstrategie erarbeiten und auch selbst umsetzen. Unser neues N-Kompass Magazin soll Ihnen wertvolle Anregungen, Tipps und Ideen liefern, wie Sie Ihr Unternehmen nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich ausrichten können. Viermal im Jahr zeigen wir Ihnen, wie andere Unternehmen arbeiten, welche Erfahrungen sie gemacht haben und welche Strategien sich in der Praxis bewährt haben. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und freue mich auf Ihr Feedback.

Hier geht’s direkt zum N-Kompass.

Ihr Ludger Kleyboldt

kontakt@n-kompass.de

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Kleine Veränderung, große Wirkung

Nur wenige Produkte haben in Deutschland eine solche Bekanntheit erreicht wie der Zwieback der Firma Brandt. Als vor einigen Jahren die Maße des Zwiebacks geändert werden mussten, entstand ein ganz neues Werk.

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„Es ist ein langer Weg.“

Dr. Ludger Kleyboldt ist Inhaber eines mittelständischen Verlages und überzeugt, dass wir in Zukunft nur erfolgreich sein können, wenn wir nachhaltig handeln. Als er begann, das eigene Unternehmen neu auszurichten, wurde ihm klar, wie komplex das Thema und wie schwierig die Umsetzung von der Theorie in die Praxis ist. Am Ende stand der N-Kompass.

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Foto: Claas Beckmann

Foto: KWS

Foto: Stefan Kuhn

Inhalt

Generationenvertrag mit der Natur

Der Mittelständler KWS aus Einbeck beliefert Landwirte weltweit mit Saatgut für den ökologischen Pflanzenanbau und ermöglicht mit modernsten Züchtungsmethoden eine ressourcenschonende und nachhaltige Landwirtschaft. KWS nutzt dafür auch Gentechnik.

Corporate Volunteering – bringt das was?

Und ob. Viele Unternehmen haben den Wert des gesellschaftlichen Engagements ihrer Mitarbeiter erkannt und fördern ihn. Denn beim sogenannten Corporate Volunteering profitieren alle – das Unternehmen, der Mitarbeiter und die Gesellschaft.

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Überzeugungstäter

Die Brüder Kurt und Wolfgang Schmalz entwickeln und produzieren seit mehr als 100 Jahren innovative Greifsysteme für Produktionsmaschinen in der ganzen Welt. Dabei achten sie darauf, dass alles, was sie tun, nachhaltig und verantwortlich ist. Dafür gibt es viel Lob und jede Menge Auszeichnungen.

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Titelthema „Viele haben das Thema Nachhaltigkeit schon satt.“

Stefan Schulze-Hausmann erklärt im Interview, warum er trotzdem weitermacht und jedes Jahr den Nachhaltigkeitspreis an Menschen vergibt, die Besonderes leisten.

Am Ende vieler Beiträge in diesem Magazin finden Sie Hinweise auf unsere N-Kompass-Dossiers in Form einer DokID – z. B. BAAAE-44044. Wenn Sie bei N-Kompass angemeldet sind, geben Sie bitte die entsprechende DokID in das Suchfeld ein und Sie gelangen direkt zum richtigen Dossier.

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N-Kompass – Nachhaltig wirtschaften mit Methode.

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ÖKO N

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N-Kompass ist das neue Online-Werkzeug für nachhaltiges Wirtschaften im Mittelstand. Damit bringen Sie Ihr Unternehmen selbstständig auf Nachhaltigkeitskurs. Das Werkzeug bietet Ihnen Analysen und sofort anwendbare Hilfen für die erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Dimensionen Ökologie, Ökonomie, Soziales ebenso wie im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements.

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SOZIALES

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Foto: flickr

Smart, Responsive and Fair

Mit 325 Euro ist das Fairphone bezahlbar – ein gutes Gewissen bekommt man gratis dazu.

www.fairphone.com

Smartphone mal anders Wir identifizieren uns mit der Marke unseres Handys, genau wie bei unserer Kleidung oder beim Auto. Doch was, wenn das eigene Smartphone sich unter Nachhaltigkeitskriterien als Quelle des schlechten Gewissens erweist? Hat man als Smartphone-User eine Alternative? Ja, seit kurzem: Denn mit dem „Fairphone“ hat ein niederländisches Start-Up ein Smartphone auf den Markt gebracht, das Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht werden soll. Als Rohstoffe werden laut Hersteller, soweit möglich, „konfliktfreie“ Mineralien verwendet. Durch einen

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eigens eingerichteten Fond werden im Werk in Fernost „faire“ Löhne sichergestellt. Hauptlieferanten, Produktionspartner und Kosten für einzelne Teile werden transparent kommuniziert. Auch der Kaufpreis von 325 Euro wird für den Käufer nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Einzelteile, wie Akkus, sind austauschbar und machen das Smartphone selbst nach Jahren noch für den Gebrauchtmarkt attraktiv, was die Lebensdauer des Fairphones deutlich verlängert. Auch bei der Vertriebsform ist das Unternehmen ungewöhnliche Wege gegangen: Mit dem sogenannten „Crowdfunding“

sind die Kunden durch Zahlung ihres Fairphones in Vorleistung getreten. Mittlerweile hat das Unternehmen 25.000 Fairphones verkauft und seit Dezember 2013 mit der Auslieferung begonnen. Mit seinem Anspruch „fair“ zu sein und mit einem nachhaltigen Lösungsansatz, setzt es sich von der Konkurrenz ab. Es ist somit eine erwägenswerte Alternative für alle, die nicht auf ein Smartphone – aber auch nicht auf ein gutes Gewissen – verzichten wollen.


SPORTARTIKEL

Puma eröffnet in Indien ersten nachhaltigen Laden Der Sportartikelhersteller Puma hat die erste nachhaltige Verkaufsstelle in Indien eröffnet: Das 800 Quadratmeter große Gebäude wurde von ortsansässigen Unternehmen in Niedrigenergie-Bauweise aus Materialien gebaut, die in der Region produziert wurden. Im Obergeschoss des Stores soll im Laufe des Jahres ein „Puma Social Club“ als Café und Bar für Kunden eröffnet werden. Verkauft werden Kleider aus Bio-Baumwolle, auch die Puma-Kollektion „Wilderness Collection“ gehört zum Sortiment. Diese Kollektion wird vor allem in Afrika aus nachhaltig erzeugten Waren hergestellt. Gleichzeitig wird in Indien das global ausgerichtete RecyclingProgramm von Puma, „Bring Me Back“, eingeführt: Die Kunden können ausgetragene Schuhe, Textilien und Accessoires aller Hersteller im Laden abgeben. ◊

BUNDESFINANZMINISTERIUM

Lebensmittelspenden für Tafeln neu geregelt Von dem Bäcker Roland Ermer aus Bernsdorf in Sachsen verlangte das Finanzamt zwischen 700 und 1.000 Euro pro Jahr, weil er regelmäßig Brötchen an eine Tafel für Bedürftige gespendet hatte. Das deutsche Steuerrecht, bekannt für seine Undurchschaubarkeit und Komplexität, treibt oft seltsame Blüten: So besteht die Gefahr, dass es für Unternehmen steuerlich nachteilig ist, Waren für einen guten Zweck zu verschenken – während das Wegwerfen der Waren steuerneutral ist. Grund ist das Umsatzsteuerrecht: Beim Schenken setzt das Finanzamt einen Wert für die Ware an und ermittelt den Anteil, den das Unternehmen im Vorsteuerabzug dabei geltend gemacht hat. In der Regel wird der Wert auf die Hälfte des Ladenpreises geschätzt. Und das mit Rückwirkung. So summierte sich die Steuerlast bei Ermer nach einer Betriebsprüfung 2008 auf rund 5.000 Euro. Der Fall ging bundesweit durch die Presse. Das Finanzministerium hat reagiert: Die bisherige Lösung sei unlogisch, daher solle nun in einer neuen Verwaltungsanweisung geregelt werden, dass „Lebensmittelspenden steuerneutral gespendet werden können.“ In der Zwischenzeit hatte sich das Handwerk allerdings selbst geholfen: Matthias Lefarth, Leiter der Abteilung Steuerund Finanzpolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks, hatte seinen Mitgliedern bereits vor dem Einlenken des Bundesfinanzministeriums einen Weg aufgezeigt, die Steuerzahlungen zu vermeiden: Die Hilfe solle nicht als Spende, sondern als Verkauf zu einem symbolischen Preis von 1 Euro geleistet werden. Bemessungsgrundlage für die Steuer sind dann nicht die Herstellungskosten, sondern der Verkaufspreis von 1 Euro. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.tafel.de

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Magazin

PROJEKTARBEIT

Qualitätssiegel „Werkstatt N“ Der Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung (RNE) prämiert Projekte mit dem Innovations- und Qualitätssiegel „Werkstatt N“: 100 Projekte („Werkstatt-N-Projekte“) oder Ideen („Werkstatt-N-Impulse“) erhalten jährlich diese Auszeichnung, die dann auch für ein Jahr gültig ist – derzeit läuft die Ausschreibung bereits im vierten Jahr. Prämierte können die Auszeichnung im Folgejahr erneut beantragen, wenn ein klarer Fortschritt dargestellt werden kann. Ausgezeichnet werden sollen die besten Nachhaltigkeitsansätze mit Vorbildcharakter.

Das Siegel hat dabei vor allem Kommunikationswirkung: Die ausgezeichneten Projekte und Ideen werden in die Gästeliste der Jahreskonferenz aufgenommen und werden online vom RNE präsentiert. Letztes Jahr haben immerhin über 1.200 Gäste an der Jahreskonferenz teilgenommen. Bewerben können sich Privatpersonen, gemeinnützige oder öffentliche Organisationen sowie Kommunen und Unternehmen der Privatwirtschaft mit einer Adresse in Deutschland – die Projekte oder Ideen hingegen sind nicht auf die Bundesrepublik beschränkt, sondern dürfen weltweit wirken. Den Zeitpunkt für die nächste Bewerbungsrunde finden Sie in Kürze auf der Website der Werkstatt N. ◊ Weitere Informationen:

ÿ www.werkstatt-n.de

MOBILITÄT

Wege zum klimaneutralen Fuhrpark Die Project Climate GmbH, München, unterstützt Unternehmen bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes von Firmen-Fuhrparks. Bestätigt wird die nachhaltige Wirkung der Maßnahmen durch eine Klimaplakette von Project Climate. Und das ist der Ansatz: Project Climate ermittelt für alle Fahrzeuge des zu prüfenden Fuhrparks die jährlichen CO2-Emissionen und gleicht den Ausstoß durch Unterstützung von Klimaprojekten bzw. durch den Kauf und die anschließende Löschung von sogenannten Emissionszertifikaten wieder aus. Die Zertifizierung und Überwachung der Plaketten-Vergabe erfolgt über den TÜV SÜD. Gleichzeitig müssen sich die Teilnehmer verpflichten, Emissionen generell möglichst zu vermeiden oder zu reduzieren. Bei Nichteinhaltung droht der Verlust der Plakette. Die Kosten variieren dabei je nach unterstütztem Klimaprojekt. Folgende Rechnung soll helfen, die Kosten einzuschätzen: Bei einer Fahrzeugflotte mit 100 Autos (realer Durchschnittsverbrauch: 7 Liter / 100 Kilometer, durchschnittliche Jahreskilometerleistung: 20.000 Kilometer) schätzt Project Climate die jährlichen Kosten auf etwa 65 Euro pro Fahrzeug. Geschäftsführer von Project Climate ist Felix von Zwehl, der damit „klimafreundliche Mobilität“ anstrebt. 01.2014

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NOVOTEL

Internationales Nachhaltigkeits-Projekt Die Hotelkette Novotel lässt ihre Hotels in Deutschland von EarthCheck-Auditoren prüfen: Ziel ist es, Abläufe zu optimieren und die Umweltbelastung zu reduzieren. Alle Novotel-Hotels in Deutschland sollen das EarthCheck-Zertifikat bekommen. EarthCheck ist ein weltweit tätiges Benchmarking- und Zertifizierungsprogramm für nachhaltiges Reisen. Es überprüft und bewertet die Leistungen eines Unternehmens in acht verschiedenen Bereichen: Umsetzung einer Strategie zur nachhaltigen Entwicklung, Wasser- und Energieverbrauch, Abfallmanagement, Papierverbrauch, Einsatz von Pestiziden sowie Verwendung von Reinigungs- und Hygieneprodukten und dem Engagement gegenüber der örtlichen Bevölkerung. Auf dieser Grundlage werden ein Aktionsplan und Vorschläge erarbeitet, um Schwachpunkte zu verbessern und die von EarthCheck festgelegten Ziele zu erreichen. Alle zwei Jahre überprüfen die Auditoren die nachhaltige Entwicklung und die Einhaltung der Ziele durch externe Audits. Die Umweltzertifizierung EarthCheck ist Bestandteil des neuen Nachhaltigkeitsprogramms „Planet 21“, das Accor im April 2012 vorgestellt hat. Auch das Umweltmanagementsystem ISO 14001 (ibis) fällt darunter. Planet 21 enthält 21 konkrete Maßnahmen von der Förderung einer ausgewogenen Ernährung und der Verwendung von Produkten mit Öko-Label über die Senkung des Wasser- und Energieverbrauchs bis hin zu Mitarbeiterschulungen zum Thema Kinderschutz. Dabei werden auch die Hotelgäste einbezogen: Zahlreiche Botschaften regen die Gäste dazu an, sich aktiv an den Maßnahmen zu beteiligen. Auch international setzt Novotel auf EarthCheck: Bereits über die Hälfte des weltweiten Novotel-Netzwerks nimmt am EarthCheck-Programm teil, über 100 Hotels haben die Zertifizierung bereits erhalten. ◊ Weitere Informationen: ÿ www.novotel.de | www.earthcheck.org

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Portrait

„Es ist ein langer Weg.“ „Auf meinen Reisen ist mir klar geworden, dass wir in Europa viele Probleme in andere Bereiche der Welt verlagern – wir selbst sehen oft gar nicht, welche Folgen unser Tun hat, aber andere Teile der Welt müssen darunter leiden“, sagt Dr. Kleyboldt – promovierter Jurist und geschäftsführender Gesellschafter der NWB Verlag GmbH & Co. KG in Herne. von Till Mansmann

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ielleicht waren es diese Eindrücke, die der heute 42-jährige Kleyboldt von seinen Reisen in der Studentenzeit mitbrachte, die ihn dazu veranlassten, mehr über Nachhaltigkeit nachzudenken und in letzter Konsequenz auch sein eigenes Unternehmen neu aufzustellen. Auch den Strukturwandel in Deutschlands größtem Industrie-Revier hat er miterlebt. Auch das hat ihn geprägt und für Veränderungen sensibel gemacht: „2009 habe ich bei NWB die erste Präsentation zum Thema Nachhaltigkeit gehalten. Ich wollte das Unternehmen systematisch nach nachhaltigen Grundsätzen und Überzeugungen ausrichten. Und ich war überrascht: Die eigentliche Botschaft haben zwar alle verstanden. Aber es ist ein langer Weg, bis dies in allen Bereichen auch umgesetzt wird“, bekennt er heute. Die meisten Mitarbeiter im Unternehmen stehen hinter dem Thema Nachhaltigkeit, auch wenn sie nicht jede Maßnahme begrüßen. Aber dass sich der Verlag um Nachhaltigkeit bemüht, weiß hier jetzt jeder. Und dass diese Nachhaltigkeit nicht einfach ein Öko-Fimmel ist, der für graues, kratziges Toilettenpapier steht, sondern ein Gesamtkonzept, das neben ökologischen auch soziale und wirtschaftliche Aspekte einschließt, wie zum Beispiel familienverträgliche Arbeitszeit- und Arbeitsplatz-Modelle oder langfristige finanzielle Unabhängigkeit. Einiges davon ist natürlich auch hier und da unbequem: Wer mit dem Auto kommt, muss sich nun mit dem CO2-Ausstoß seines Fahrzeugs auseinandersetzen. Die begehrten Parkplätze nahe am Gebäude sind für die sparsamen Modelle reserviert. Wer mehr verbraucht, muss jeden Tag morgens und abends ein paar Schritte mehr gehen. Auch bei der Dienstwagenregelung gibt es eine CO2-Obergrenze. „Wir haben in unserem eigenen Unternehmen viele Maßnahmen umgesetzt. Aber wir haben – außer Beratern – keine Lösung am Markt gefunden, die uns bei der Priorisierung der für uns sinnvollen Maßnahmen und der anschließenden Umsetzung geholfen hätte. 2010 haben wir dann gesagt: Dann müssen wir selbst eine solche Lösung bauen!“ Von den Erfahrungen, die im eigenen mittelständischen Unternehmen gesammelt wurden, sollten auch andere profitieren können. „Es muss ja nicht jeder das Rad für sich selbst nochmal neu erfinden“, sagt Kleyboldt. „Zu lesen gibt es bei diesem Thema genug, aber das allermeiste davon ist abstrakt oder praxisfern. Was noch gefehlt hat, war ein Produkt, das nach einer Analyse zielgerichtet Maßnahmen vorschlägt und gerade mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung praxisnah unterstützt.

Und womit man auch mal sehen kann, wo man beim Thema Nachhaltigkeit eigentlich steht.“ Und das haben Kleyboldt und NWB dann geschaffen: Den N-Kompass. „Er ist eine zentrale Anlaufstelle rund um das Thema nachhaltige Unternehmensführung. Damit bieten wir mittelständischen Unternehmern eine Priorisierung der Handlungsfelder und praktikable Schritt-fürSchritt-Anleitungen für die eigene Umsetzung.“

„Für viele ist Nachhaltigkeit immer noch mit Bildern von Latzhosen und BirkenstockSandalen verbunden.“ Und warum für den Mittelstand? Sicherlich auch, weil hier die eigenen Wurzeln liegen, und weil der Verlag in diesem Bereich über große Erfahrung verfügt. Aber auch das zählt: „Der Mittelstand hat in Deutschland in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle: Zum Beispiel bei der Ausbildung oder bei Innovationen“, sagt Kleyboldt. „Große Unternehmen versuchen nicht selten, solche allmählichen Änderungen auszusitzen, wie sie Nachhaltigkeitsthemen auszeichnen. Mittelständler handeln meistens schneller.“ Dabei soll N-Kompass aber frei von ideologischen Grundsätzen oder dem erhobenen Zeigefinger sein: „Für viele ist Nachhaltigkeit oder Ökologie noch mit Bildern von Latzhosen und Birkenstock-Sandalen verbunden. Uns ist wichtig, das Thema aus der ideologischen Ecke herauszuholen und auf größere Zusammenhänge anzuwenden“, davon ist Kleyboldt überzeugt. Für ihn ist Nachhaltigkeit kein Selbstzweck: Die Unternehmen könnten Nachhaltigkeit durchaus wirtschaftlich nutzen, zum Beispiel im Marketing, als Unterscheidungsmerkmal von Produkten oder zur Mitarbeiterbindung, weil sich die Arbeitnehmer damit identifizieren können. Nicht-nachhaltiges Wirtschaften werde so immer mehr zum Nachteil der Unternehmen, die sich nicht für ein Umsteuern entscheiden.

Zur Person Dr. Ludger Kleyboldt – Jahrgang 1971. Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und München. Steuerrechtliche Promotion in ErlangenNürnberg, Rechtsreferendariat in Hamburg. Verlagstätigkeiten in New York, London und Frankfurt. Ab Oktober 2002 Leiter der Abteilung „Elektronisches Publizieren“ beim NWB Verlag in Herne. Seit Anfang 2004 Geschäftsführer, als Nachfolger seines Vaters Ernst-Otto Kleyboldt.

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Nachhaltiges Wirtschaften ist heute ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor – gerade im Mittelstand.

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Portrait Historische Wurzeln: Bevor das Gebäude zum Verlagshaus umgebaut wurde, war dort die erste Ölmühle in Herne untergebracht, die mit einer Dampfmaschine angetrieben wurde. Mit der erzeugten Abwärme wurde eine Wäscherei betrieben, die schon sehr früh sozial ausgerichtet war.

Foto: Maximilian Meisse

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Es sind viele persönliche Erfahrungen, die Kleyboldt geprägt haben – nicht nur als reisender Student, auch im Beruf. Als Rechtsreferendar in der Jugendstaatsanwaltschaft vertrat er einmal den Staat in einem Prozess, in dem ein 15-Jähriger angeklagt war, weil er zusammen mit einem weiteren jugendlichen Angeklagten einen Kiosk-Besitzer erstochen haben soll – wegen 50 D-Mark. Der geständige Angeklagte erzählte vor Gericht von sich – und von seinem Wunsch, für das ungeborene Kind seiner ebenfalls minderjährigen Freundin ein guter Vater sein und einfach ein normales Leben führen zu wollen. Noch heute ist Kleyboldt die Erschütterung anzumerken: „Es ist sehr schwer, sich vorzustellen, wie solch ein 15-Jähriger wieder in die Gesellschaft integriert werden kann.“ Jugendlichen schon früh bei ersten Schwierigkeiten beizustehen, sie in die Gesellschaft zu führen, ohne bei Problemen wegzuschauen, ist daher heute für Kleyboldts Engagement sehr wichtig. Deswegen setzt sich nicht nur der Verlag, sondern auch er selbst bei Jugendprojekten wie dem Circus Schnick-Schnack persönlich ein. Auch viele Mitarbeiter des Verlages helfen dabei in ihrer Freizeit mit.

„Die meisten Mitarbeiter schätzen den Einsatz des Unternehmens für Nachhaltigkeit.“ Yvonne Buckesfeld, Verantwortliche für N-Kompass.

Daraus ist auch die „Für Euch-Stiftung“ entstanden, die Kinder und Jugendliche in der Region fördern soll: Ein Urvertrauen in die sie umgebenden Menschen soll erreicht werden, weil das eine für ihre Einbindung in die Gesellschaft notwendige Voraussetzung ist. In Veranstaltungen und Projekten soll ihnen Selbstvertrauen gegeben werden und es werden ihnen Erfolgserlebnisse ermöglicht. Dazu gehören Kochkurse, Förderung handwerklichen Geschicks oder Erlebnisse in der Natur. Auch die wissenschaftliche Arbeit wird von der Stiftung unterstützt. Im Unternehmen kümmert sich Yvonne Buckesfeld um den N-Kompass: Sie baut die Kontakte auf und stellt die Informationen zusammen, die für das Produkt wichtig sind, und sorgt für die Erstellung der Dossiers, die dem N-Kompass-Kunden bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen helfen. Außerdem betreut sie das neue N-Kompass Magazin, das Sie gerade lesen. „Die meisten NWB-Mitarbeiter schätzen den Einsatz des Unternehmens für Nachhaltigkeit und soziale Aspekte wie die Famili-

enfreundlichkeit, für die der Verlag schon mehrfach ausgezeichnet wurde“, sagt Yvonne Buckesfeld. Der N-Kompass ist die logische Fortentwicklung dieses Engagements. Da der N-Kompass sich an alle mittelständischen Unternehmen richtet, ist er natürlich auch für die Zielgruppe des Verlages interessant, die unter anderem aus Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern besteht. Steuerberater sind nah an den Unternehmen und nah am Mittelstand. Sie begleiten die Entwicklungen ihrer Mandanten, oft über viele Jahre, und stoßen so früher oder später auch auf das Thema Nachhaltigkeit. Der N-Kompass passt damit gut zu NWB und zu den Themen des Verlages.“ Das sieht auch Dr. Kleyboldt so. Er ist aufs Land gezogen – in einem alten Bauernhof fühlt er sich mit seiner Familie am wohlsten. „Dadurch muss ich im Jahr rund 20.000 Kilometer pendeln. Der ländliche Wohnraum ist halt abgelegen. Ich versuche aber dies ökologisch zu kompensieren, indem ich ein mit Ökostrom betriebenes Elektroauto fahre.“ Mit dem pendelt er nach Herne, mitten im Ruhrgebiet, wo früher Fabrikgebäude mit Hochöfen und Schornsteinen aufragten, deren Abgase den Himmel verdunkelten. Heute scheint auch hier die Sonne auf Solarzellen: Auf dem Flachdach des neuen Verlagshauses, das im Gegensatz zum denkmalgeschützten Mühlengebäude als „Neubau“ bezeichnet wird, steht eine Photovoltaikanlage. Da oben kann sie niemand sehen. Aber unten im Hof stehen die sonnengelben „Stromer“: Mit seiner Leistung von 47 kW bietet der Mitsubishi „iMIEV“ ein ganz besonderes Fahrerlebnis, und der Opel Ampera verfügt sogar über flotte 111 kW. Der Elektromotor spricht sofort und leise an: Hier kann man die Zukunft direkt fühlen. Die „Stromer“ werden überwiegend für Botenfahrten eingesetzt. Damit sie immer einsatzbereit sind, gibt es im Hof des Verlages eine eigene „Zapfsäule“. Und die Leistung der Stromerzeuger auf dem Dach wird im Eingangsbereich angezeigt. Wer das Unternehmen heute besucht, kann die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Es sind Zeichen für ein ernsthaftes Bemühen um Nachhaltigkeit. Nicht nur für Steuerberater, sondern in Zukunft auch für den ganzen Mittelstand. ◊ Kompass Dossier Nachhaltigkeitsanalyse und -strategie Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie mithilfe einer Analyse Ihren Handlungsbedarf bestimmen und mit einer angepassten Strategie, Nachhaltigkeit strategisch in Ihrem Kerngeschäft verankern können. DokID: BAAAE-44044

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Der NWB Verlag in Herne Gegründet: Standort: Geschäftsführer: Mitarbeiter: Jahresumsatz:

1947 Herne Dr. Ludger Kleyboldt ca. 250 ca. 32 Mio. Euro

Produkte: Zeitschriften, Bücher, elektronische Produkte und Datenbanken rund um das Thema Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Bilanz- und Rechnungswesen. Außerdem bietet der Verlag zahlreiche Seminare an.

Der NWB Verlag – ein Familienunternehmen aus dem Ruhrgebiet – gehört zu den führenden Fachverlagen für Steuer- und Wirtschaftsrecht in Deutschland. Die rund 250 Mitarbeiter versorgen insbesondere Steuerberater über eine breite Produktpalette mit gezielten Informationen und Lösungen. Mit mehr als 600 Autoren – u.a. Steuerberatern und Richtern an Finanzgerichten – liefert der NWB Verlag zuverlässige und praxisnahe Antworten, die die tägliche Arbeit seiner Kunden erleichtert. www.nwb.de

Fotos: Stefan Kuhn

Dr. Ludger Kleyboldt und Yvonne Buckesfeld, die an der Entwicklung des N-Kompass maßgeblich beteiligt ist, an der Strom-Tankstelle des Verlages.

Begehrte Plätze am Eingang: Wo früher meist große Limousinen standen, stehen heute nur noch Kompaktund Mittelklassewagen.

Auf dem Firmenparkplatz dürfen nur CO2-sparsame Autos parken. Wer einen Motor mit einem Verbrauch von mehr als 140 Gramm pro Kilometer hat, muss sich einen Parkplatz außerhalb suchen.

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Erfahrungsbericht

Kleine Veränderung, große Wirkung Die orangefarbene Packung mit dem drallen Kindergesicht, das Rascheln beim Herausnehmen einer Scheibe, das knusprige Gebäck, gesund und leicht süß … Nur wenige Produkte haben in Deutschland eine solche Bekanntheit erreicht wie der Zwieback der Firma Brandt aus Hagen in Westfalen. Vor wenigen Jahren hat sich aber etwas geändert: die Maße des Zwiebacks. von Claas Beckmann

Fotos: Brandt

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ine goldene Banderole prangt auf den Zwieback-Packungen: „100 Jahre“ verkündet der Schriftzug darauf. Schon 1912 verließen die ersten Zwiebäcke die „Märkische Zwieback- und Keksfabrik“ mit dem Pferdefuhrwerk. Der Duft von Butter und Backwerk aus dem Werk im Stadtteil Haspe gehörte seither zum Heimatgefühl der Hagener. Und für Kunden in ganz Deutschland verbinden sich mit dem Zwieback Kindheitserinnerungen: Der Zwieback zum Frühstück oder als magenverträglicher Energielieferant bei Krankheit. Das Rascheln der Tüte, deren oberes Ende nach dem ersten Öffnen aufgerollt wurde … Aber spätestens in den 90ern wurde mit jedem Lkw voller Zwiebäcke, der den Hof verließ, für den Hersteller ein Problem offensichtlicher: eine Lücke, in der Geld verschwand und die die Schwächen der Produktion offenbarte. Eine Europalette hat eine Fläche von 1,2 x 0,8 Meter. Eisenbahn- und Lkw-Laderäume sind auf dieses Maß abgestimmt. Längs nehmen sie drei Paletten auf, quer passen zwei nebeneinander. 33 Paletten passen auf die Ladefläche. Sind die Paletten nach dem sogenannten CCG1-Maß bestückt, also bis zu einer Höhe von 1,05 Meter, dann ist noch Raum für eine zweite Etage Paletten, macht insgesamt 66 Paletten pro Fuhre. Mit den Zwieback-Tüten war das nicht zu erreichen. Auf eine Palette passten 288 Tüten mit je 225 Gramm Zwieback. Das entspricht einer Flächenausnutzung von 67 Prozent. Zudem ließen sich die Tüten auch nicht besonders hoch stapeln, die weiche Hülle aus Pergamin-Papier und Alufolie bot keinen Schutz gegen Last – und an zwei Paletten übereinander war schon gar nicht zu denken. Mit jeder Fuhre wurden 33 Paletten mit insgesamt 9.504 Packungen Zwieback transportiert – und eine Menge Luft. Durch die Handbreit Platz konnte die Ware bei einer Vollbremsung sogar verrutschen, was zu Bruch in der Ladung führte und damit zur Unverkäuflichkeit der Ware.

Das Problem war schnell erkannt, die Lösung sollte sich aber als äußert komplex erweisen. Wenn die Fläche auf der Europalette vollständig ausgenutzt werden sollte, dann müsste sich die Packungsgröße ändern. Und wenn der Laderaum eines Lkw voll ausgenutzt werden sollte, dann müsste auch das Packungsmaterial geändert werden. Also weg von der Tüte hin zur Faltschachtel aus Pappe mit konstantem Maß und einer höheren Stabilität und Belastbarkeit beim Stapeln. Doch schon kam das nächste Problem. Wenn die Zwiebäcke zuverlässig in die Schachtel passen sollten, dann durfte es keine Größenschwankungen mehr durch den Backprozess geben. Eine Tüte nimmt große und kleine Zwiebäcke auf, eine Schachtel nur Zwiebäcke bis zu einer gewissen Größe. Also musste der Backprozess künftig ein einheitliches Maß gewährleisten. Und gleich die nächste Herausforderung: Wenn bei dieser Umstellung die Menge Zwieback pro Packung gleich bleiben sollte, musste sich auch die Zwiebackform ändern. Wenn sich aber die Zwiebackform ändert, muss der gesamte Herstellungsprozess angepasst werden. Und damit stellte sich schließlich die Frage, ob das ökonomisch mit dem alten Werk überhaupt zu leisten wäre. Heute passen 480 Faltschachteln randlos auf eine Europalette. Die glatte Oberfläche und Belastbarkeit der Packungen erlauben nun auch das Stapeln der Paletten in zwei Etagen. In jeder Fuhre stecken nun 31.680 Packungen mit Zwieback und kein ungenutzter Raum mehr. Die Einsparungen bei der Logistik sind enorm. Weniger Lkw, weniger Fahrten, weniger Benzinverbrauch, weniger Emissionen, weniger Bruch. Und nicht zuletzt: weniger Maut. „Wir haben von der Palette rückwärts gerechnet“, sagt Lindner. Die Palette war der eine maßgebende Faktor, der andere die Menge Zwieback. Es sollten 225 Gramm in einer Schachtel sein. Deshalb musste sich die Form des Zwiebacks dem Packungsdiktat fügen. Der neue Zwieback ist etwas brei-

„Die Europalette ist das Maß der Dinge im Handel und in der Logistik. Wir mussten unseren Zwieback anpassen oder wir wären gescheitert.“ Hartmut Lindner, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb .

Wenn der Zwieback im Supermarkt ankam, gingen die Probleme weiter. Unsere Handelspartner hatten alle Abläufe an die Europalette angepasst. Die Zwieback-Tüte passte da einfach nicht dazu. Weder füllten sie den Platz auf den Gitterwagen aus, mit denen die Ware vom Lkw zum Verkaufsregal befördert wird, noch entsprachen sie der Modulgröße, nach denen die Verkaufsregale konstruiert sind. Und wieder war klar: Weiche Tüten ließen sich schlecht stapeln, schnell sah das Fach im Regal unordentlich aus. Der Handel wünschte sich aber genau das Gegenteil, ein schönes Regal-Facing – wie der Fachausdruck lautet – und Packungen die während des eiligen Bestückens der Regale keine weiteren Handgriffe erfordern. 01.2014

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ter und weniger hoch. Damit der Zwieback bei der Herstellung nicht über die Packungshöhe hinauswächst, werden neue Backformen verwendet: Waren bisher offene Backformen für den Kuchen verwendet worden, sind es nun welche mit Deckel. Doch die eigentliche Herausforderung kam noch. „Wie bekommen wir den Zwieback so hin, dass der Kunde ihn auch wiedererkennt? Da hätten wir uns fast die Zähne dran ausgebissen“. Anfangs war der Zwieback zu fest, beim Reinbeißen hatte man das Gefühl, sich im Mund verletzen zu können. Es war kein Problem, den Zwieback lockerer zu backen. Aber ihn genau so locker zu machen, dass das Gefühl im Mund wieder


Erfahrungsbericht

stimmt und der Zwieback gleichzeitig nicht zu locker ist, das er beim Transport bricht – dieser Prozess hat mehr als zwei Jahre gedauert. Auch die Farbzonen, die durch das Rösten entstehen und dem Zwieback seinen charakteristischen Farbverlauf geben, mussten mittels langer Versuchsreihen mühsam wiederhergestellt werden. Heute hat der Zwieback beides: eine neue Form und seine alte Beschaffenheit. Die Lkw rollen nahtlos bestückt vom Hof, aber nicht mehr in Hagen, sondern im thüringischen Ohrdruf, wo 2002 das neue Zwieback-Werk eröffnet worden war. Für die Hagener war die Schließung des Traditionswerks ein Schock. „Das haben die Hagener persönlich genommen“, sagt Lindner. „Zeitgleich hat auch Varta ein Werk in Hagen geschlossen, das ging ohne viel Emotionen vonstatten. Aber mit Brandt haben sich die Hagener voll identifiziert.“

„1998 haben wir uns keine Gedanken über Nachhaltigkeit oder CO2-Footprints gemacht“ Hartmut Lindner

Wir hatten aber keine andere Wahl. „Das Werk in Hagen war uralt und in vielen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagt Lindner. In Hagen waren 20 Öfen am Glühen, um den Zwieback zu backen und zu rösten. Im neuen Werk sind nur drei Öfen in Betrieb. In Hagen waren viele ungelernte Kräfte allein mit der Verpackung der Zwiebäcke beschäftigt. In Ohrdruf läuft die Verpackung weitgehend maschinell. Der neue Zwieback hat keine Größentoleranzen mehr und ist somit besser für eine maschinelle Verarbeitung geeignet. In Hagen arbeiteten 430 Angestellte im Werk, in Ohrdruf arbeiten noch 152. „Wir mussten auf der grünen Wiese neu anfangen und ein Werk schaffen, in das auf der einen Seite die Rohstoffe rein kommen und auf der anderen Seite die Zwiebäcke heraus“, berichtet Lindner. In Hagen war das mit dem alten Werk nahe der Innenstadt nicht zu machen. Solche Einschränkungen gibt es in Ohrdruf nicht. „Für uns ist die Änderung aus Gründen der Logistik, des Handels, des Regal-Facings, des Marketings gut, aber wir haben nicht auf uns geguckt“, sagt Lindner. Besonders die ökologischen Folgen der Werksverlagerung wurden dem Unternehmen erst während des Prozesses bewusst. Es war auch noch nicht abzusehen, dass eine Maut eingeführt und die Benzinpreise auf Re-

kordpreise klettern würden. Doch diese Entwicklung hat den ökologischen Aspekt enger mit dem ökonomischen verknüpft und die Aufmerksamkeit des Unternehmens auf diesen Zusammenhang gelenkt. Brandt arbeitet seither eng mit dem Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke zusammen. Nachhaltiges Wirtschaften wurde zum anerkannten Unternehmensziel erhoben. Für das Werk in Ohrdruf wird derzeit eine Standortklimabilanz erstellt und der gesamte CO2-Ausstoß auf den einzelnen Zwieback heruntergerechnet. Die sozialen Lücken durch die Werksverlagerung klaffen noch, aber ökonomisch wie ökologisch wurden die Lücken geschlossen. Bei der Verbesserung seiner Klimabilanz stößt Brandt jetzt an Grenzen, die es nicht selbst beeinflussen kann – wie bei den Gigalinern. Der Brandt-Zwieback hat sich in seiner Form dem Quadrat angenähert. Das Unternehmen hat die Umwälzungen bewältigt und konnte 2012 das 100-jährige Firmenjubiläum feiern – und das 10-jährige Werksjubiläum in Ohrdruf. „Wir haben mit dieser Umstellung – ohne es damals vollständig zu wissen – viel langfristig richtig gemacht“, sagt Lindner. ◊

Brandt Zwieback-Schokoladen GmbH & Co. KG Gegründet: Hauptsitz: Geschäftsführer: Standorte: Mitarbeiter: Jahresumsatz: Produkte:

1912 Hagen Carl-Jürgen Brandt, Georg Delahaye, Christopher Ferkinghoff, Hartmut Lindner Ohrdruf, Landshut 817, darunter 40 Auszubildende 191,5 Mio. Euro (2012/2013) Zwieback, Schokolade, Snacks und Knäcke

Kompass Dossier Verpackung Vermeiden, verhindern, recyceln – Lesen Sie, wie Sie Ihre Produktund Trägerverpackungen ressourceneffizient und/oder mit Einsatz von nachhaltigen Materialien gestalten können. DokID: RAAAE-44004

Ressourceneffizienz im Unternehmen In diesem Dossier finden Sie die wichtigsten Informationen darüber, wie Sie Ihren Ressourcenverbrauch in Ihrem Unternehmen systematisch reduzieren können. DokID: XAAAE-44002

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Fotos: Claas Beckmann

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Heute können wir 480 Packungen Zwieback auf einer Palette unterbringen. Hartmut Lindner

Im Gegensatz zu früher mit 9.504 Zwieback-Packungen, kann Brandt heute mit 31.680 Packungen 70% mehr Zwieback pro Lkw transportieren. Das bedeutet, es rollen weniger Lkw auf den Straßen, was die Spritkosten und die CO2-Emissionen deutlich reduziert.

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Unternehmen

Generationenvertrag Der Mittelständler KWS aus Einbeck beliefert Landwirte weltweit mit Saatgut für Nutzpflanzen. Das Unternehmen hat sich auf den ökologischen Pflanzenanbau eingestellt und ermöglicht mit modernsten Züchtungsmethoden eine ressourcenschonende und nachhaltige Landwirtschaft. KWS nutzt dafür auch Gentechnik. Die Niedersachsen sind davon überzeugt: Auch eine gezielte Züchtung mithilfe der Gentechnik diene der Nachhaltigkeit.

Von Sibylle Schikora

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ür Dr. Jutta Zeddies ist das Kerngeschäft des Saatgutherstellers KWS zwingend mit dem Thema Nachhaltigkeit verbunden. Das Geschäftsziel des Unternehmens: Mit dem Saatgut aus Niedersachsen sollen Landwirte ressourcen- und umweltschonend Landbau betreiben können. Der Anspruch ist hoch. Und das Geschäft wird maßgeblich von einem Faktor beeinflusst: der Natur. „Wir haben einen Generationenvertrag mit der Natur geschlossen“, sagt Zeddies, Beauftragte für Umweltschutz bei KWS. „Unser Ziel ist es, Sorten zu züchten und den Landwirten Saatgut zur Verfügung zu stellen, mit dem auch künftigen Generationen ausreichend Nahrungsmittel und pflanzliche Rohstoffe zur Verfügung stehen.“ Saatgut von KWS soll nicht nur heute ertragreich und widerstandsfähig sein. Wenn Pflanzen Raubbau an den Böden betreiben, könnte in fünf, zehn oder fünfzig Jahren die Fruchtbarkeit des Bodens nicht mehr ausreichen, um die Welt zu ernähren. Deshalb entwickelt KWS Saatgut, das nachhaltig Erträge bringt. Das Unternehmen ist eines der weltweit führenden Pflanzenzüchtungsunternehmen. Die Niedersachsen sind in rund 70 Ländern mit Tochter- und Beteiligungsgesellschaften und Zuchtstationen vertreten. Im Sortiment finden Kunden Saatgut für landwirtschaftliche Nutzpflanzen wie Zuckerrüben, Mais, Getreide, Ölsaaten wie Raps oder Sonnenblumen sowie

Kartoffelpflanzgut. KWS produziert aber auch Energiepflanzen, also Mais-, Zuckerrüben- und Sorghumsorten, die zur Energiegewinnung in Biomassekraftwerken zum Einsatz kommen. Rund 986 Millionen Euro Umsatz hat das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftet. Mehr als 3.800 Angestellte arbeiten weltweit für den Pflanzenzüchter. Sie produzieren und vertreiben Saatgut. Vor allem aber entwickeln sie neue Sorten der Nutzpflanzen, die den immer höheren Anforderungen der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft entsprechen. Mit den modernsten Züchtungsmethoden. Auch mithilfe der Gentechnik. Um den Generationenvertrag mit der Natur zu erfüllen, investieren die Vorstandsmitglieder Philip von dem Bussche, Dr. Hagen Duenbostel, Dr. Léon Broers und Eva Kienle vor allem in die Weiterentwicklung von Saatgut. Das Zuchtziel des Unternehmens: Jedes Jahr soll der Ertrag der Pflanzen um ein bis zwei Prozent steigen. Um das zu erreichen, arbeiten allein 1.500 Mitarbeiter in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung und auf sogenannten Versuchsfeldern. Das sind Anbaugebiete, auf denen KWS neue Getreide-, Mais- oder Zuckerrübensorten züchtet und testet. Im vergangenen Geschäftsjahr lag das Forschungsbudget bei rund 127 Millionen Euro. „Ohne intensive und kontinuierliche Forschung und Entwicklung lässt sich keine Pflanzenzüchtung betreiben“, ist Frau Zeddies überzeugt. N-Kompass Magazin

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Fotos: KWS

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Um den „Generationenvertrag mit der Natur“ zu erfüllen, hat die Saatgutfirma KWS sich zum Ziel gesetzt, den Ertrag der Pflanzen jedes Jahr um ein bis zwei Prozent zu erhöhen.

mit der Natur Das Unternehmen stellt hohe Ansprüche an seine Produkte: Mais, Zuckerrüben und Co. sollen hohe Erträge bringen, widerstandsfähig gegen Krankheiten und Schädlinge sein, eine hohe Qualität und Quantität der Inhaltsstoffe besitzen und beim Wachsen möglichst wenig Wasser und Düngemittel benötigen. Diese Anforderungen stellt nicht nur KWS. Die Natur bestimmt, welche Ziele sich das Unternehmen stecken muss. Sie verlangt Nachhaltigkeit. Weil mit den bestehenden Anbauflächen weltweit immer mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden müssen. Weil Energieträger wie Rohöl knapp werden. Und weil Bauern in manchen Regionen mit dem Klimawandel vor neuen Herausforderungen in der Landwirtschaft stehen. Zehn bis zwölf Jahre benötigt das Unternehmen, um eine neue Sorte Saatgut auf den Markt zu bringen. Zuvor haben Pflanzenzüchter, darunter Biologen, Chemiker und Molekularbiologen die gezüchteten Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften im Labor und im Freiland entwickelt und getestet. An 70 Standorten weltweit betreibt KWS Versuchsfelder. Die sind meist viele Hektar groß, unterteilt in tausende kleine Parzellen. Auf ihnen werden Pflanzen angebaut und beobachtet. „Wir testen, wie sich die Pflanzen unter verschiedenen Klimabedingungen, in verschiedenen Jahren und an mehreren Standorten verhalten und welche Erträge sich daraus entwickeln“. Seit dem Jahr 2002 bewirtschaftet KWS einen besonderen Versuchsbetrieb. Im niedersächsischen Klostergut Wiebrechtshausen betreibt das Unternehmen auf einer Fläche von 480 Hektar nach den ökologischen Richtlinien von Naturland Landwirtschaft. Der Verband gibt nicht nur Biobauern vor, wie sie Pflanzen anbauen und Tiere halten sollen. Auch das Saatgut, das im ökologischen Landbau zum Einsatz kommt, muss den Kriterien von Naturland entsprechen. Der wesentliche Unterschied zum klassischen Saatgut: Ökologische Produkte sind ungebeizt, 01.2014

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den Keimen wird also kein chemisch-synthetisches Pflanzenschutzmittel beigefügt. Trotzdem sollen die ökologisch angebauten Pflanzen toleranter oder sogar resistent gegen Krankheiten sein als ursprüngliche Sorten. Diese Aufgabe übernehmen die Entwickler von KWS. Ihre Kollegen auf dem ökologischen Versuchsgut testen dagegen, wie Landwirte die Pflanzen anbauen sollten, um einen möglichst hohen Ertrag zu erreichen. KWS-Be-

„Mit Hilfe der Gentechnik können wir unser Saatgut gezielt optimieren.“ Dr. Jutta Zeddies, Umweltschutzbeauftragte .

rater geben Kunden nämlich Tipps für die Bearbeitung des Bodens, wie Landwirte Unkraut ökologisch bekämpfen und welche Pflanzensorten sich auch zur Mulchsaat zur Vorbeugung gegen Erosion und Verschlämmung des Bodens eignen. „Bisher ist die Nachfrage nach ökologischem Saatgut noch zurückhaltend. Wir machen nur einen Bruchteil unseres Umsatzes mit den speziellen Produkten für diese Form der Landwirtschaft“. Deutlich erfolgreicher ist KWS mit einem anderen Produkt, das für eine bessere Umweltbilanz auf der Welt sorgt. Das Unternehmen züchtet und vertreibt sogenannte Energiepflanzen. Dahinter verbergen sich Mais- und Getreidesorten, aus denen Biogashersteller Biomasse gewinnen. Mittlerweile erwirtschaftet KWS 17 Prozent des Jahresumsatzes mit solchen Energiepflanzen. Und das, obwohl der Markt für Biomasse vor zehn Jahren noch in den Kinderschuhen steckte. „Wir werden den Um-


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Unternehmen

In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Biogasanlagen vervierfacht.

satz mit Energiepflanzen in den kommenden Jahren weiter erhöhen“, ist Zeddies überzeugt. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl der Biogasanlagen in Deutschland von 1.600 auf 7.521 gestiegen. Das belegen Zahlen von Statista. Die Energieproduktion mit nachwachsendem Rohstoff stößt aber auch auf Kritik. Umweltschützer sprechen von einer „Vermaisung“ der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Tatsächlich haben Landwirte in Deutschland im vergangenen Jahr 2,526 Millionen Hektar zum Anbau von Energiepflanzen genutzt, ergeben Zahlen der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR). Mais gilt als die häufigste Pflanzenart. Mit der kritischen Auseinandersetzung zur Nutzung von Biomasse aus Pflanzen beschäftigt sich auch KWS. „Wir stellen uns der Diskussion“, sagt Zeddies. Der Beitrag des Unternehmens gegen eine Vermaisung: KWS bietet Landwirten nicht nur Saatgut für Mais, sondern auch für Getreide und Raps als Energiepflanzensorte an. Das Unternehmen forscht außerdem daran, eine Zuckerrübensorte zu entwickeln, die ebenso zur Biogasherstellung dienen soll. „Mit den verschiedenen Pflanzenarten können Landwirte unterschiedliche Fruchtfolgen auf ihren Flächen über die Jahre anbauen, mit der die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten bleibt“. Bei einem anderen Thema muss KWS mit einer noch heftigeren Kritik umgehen. Das Unternehmen nutzt nicht nur das klassische Handwerkszeug der Pflanzenzüchtung zur Weiterentwicklung des Saatguts. Neben dem Kreuzen, der Auslese und der Arbeit mit Zell- und Gewebekulturen, setzt KWS auch auf die DNA-Diagnostik, Gentechnik und Genomforschung. Mit der sogenannten grünen Gentechnik ermittelt das Unternehmen Genotypen bestimmter Eigenschaften und kann diese in eine Pflanze übertragen. „Die Gentechnik ist eine von vielen Methoden. Mit ihrer Hilfe können wir unser Saatgut aber gezielt optimieren“, sagt Zeddies. Rund 50.000 Gene habe etwa eine Zuckerrübe. Diese kreuzen sich bei der Fortpflanzung von Mutterund Vaterpflanze. Mithilfe der Gentechnik können wir ein gewünschtes Gen, dessen Eigenschaft wir kennen, gezielt zu den 50.000 hinzufügen. Die grüne Gentechnik findet in der EU nur in Laboren, Gewächshäusern und Klimakammern statt. Anders als in den USA

oder Südamerika erlaubt die Politik weder Freilandversuche noch den kommerziellen Anbau von genveränderten Pflanzen. Die Bedenken der Gegner nimmt KWS ernst. Seit 20 Jahren veranstaltet das Unternehmen deshalb das „Kuratorium Pflanzenzüchtung“. Ein bis zwei Mal im Jahr organisiert KWS den Austausch zwischen Wissenschaftlern, Theologen und Landwirten. Der Austausch mit Experten über aktuelle Themen der Landwirtschaft wie der Einsatz der grünen Gentechnik in der Pflanzenzüchtung helfe, für Transparenz zu sorgen. „Wir bekommen neue Denkanstöße und werden auf andere Sichtweisen aufmerksam gemacht, mit denen wir uns dann intensiver beschäftigen“, sagt Zeddies. Sie hofft, dass dieser Austausch langfristig dazu führt, dass die Bevölkerung die grüne Gentechnik als Züchtungsmethode langfristig anerkennt. Aktuell regt sich allerdings vielmehr Wiederstand gegen die grüne Gentechnik: Die neue rot-grüne Regierung Niedersachsens will laut Koalitionsvertrag „Niedersachsen gentechnikfrei halten“ und setzte bereits ein Zeichen mit der Entscheidung, die Förderung eines GentechnikProjekts in Hannoveraner Schulen zu streichen. „Dabei brauchen wir neue Methoden in der Pflanzenzüchtung, etwa die Gentechnik, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden“, betont Zeddies. ◊ KWS Saat AG Hauptsitz: Vorstand:

Einbeck, 70 Standorte und Versuchsfelder weltweit Philip von dem Bussche, Dr. Hagen Duenbostel, Dr. Léon Broers, Eva Kienle Mitarbeiter: 3.800 weltweit Jahresumsatz: 986 Mio. Euro weltweit Forschungsbudget 159 Mio. Euro (2014) Produkte: Saatgut für landwirtschaftliche Nutz- und Energiepflanzen

Kompass Dossier Rohstoffe und Ressourcen Sie interessieren sich für die Verfügbarkeit, Preisentstehung und Umweltverträglichkeit von Rohstoffen und Ressourcen? Dann sollten Sie dieses Hintergrunddossier lesen. DokID: AAAAE-50037

Fallstudie „Biomethan Zittau“ Wie Sie eine Biomethan-Anlage zur Erhöhung Ihrer Rohstoffsicherheit realisieren können und welche Herausforderungen dies mit sich bringen kann, zeigt Ihnen das Fallbeispiel der Biomethan Zittau. DokID: DAAAE-44000

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Interview Wachstum von Biogasanlagen in Deutschland Jahr 2002 2003 2004 2005 2006

Verfügbare Ackerfläche pro Kopf

Biogasanlagen 1600

2050

1750

2.000 m2

uuuuuuuuu 9,0 Mrd.

2050 2680 3500

2007

2000 2.700 m2

3711

2008

uuuuuu 6,0 Mrd.

3891

2009

4984

2010

5905

2011

7215

1950

7521

2012

5.100 m2

uuu 2,8 Mrd.

Quelle: FAO

Quelle: Statistisches Bundesamt

Pro & Contra Gentechnik

Interview mit Prof. Stefan Schaltegger Herr Prof. Schaltegger, ein Anliegen von biologisch-dynamischem Landbau ist, die Belastung der Böden durch Chemikalien zu reduzieren. Gleichzeitig ist es gerade in Afrika und Asien wichtig, einen hohen Ertrag in der Ackerfläche zu erzielen. Ist Gentechnik da nicht ein erfolgversprechender Weg? Da ich kein Agrar- sondern ein Nachhaltigkeitsexperte bin, beurteile ich die Argumente, die verschiedene Gruppen vorbringen, an den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung. Die Gentechnik kann wie jede andere Technologie aus Nachhaltigkeitssicht diskutiert werden. Dabei ist eine höhere Flächenproduktivität an sich sinnvoll (z.B. um den Druck zu reduzieren, Regenwald zu fällen usw.), wenn dies nicht mit großen negativen Begleiteffekten einhergeht. Ein besonderes Gewicht in der Diskussion von Nebeneffekten, die aus Nachhaltigkeitssicht unerwünscht sind, erhält zum Beispiel die wirtschaftliche Abhängigkeit von Samenproduzenten, die Patentierung von Lebewesen und die Reduktion der genetischen Vielfalt durch die Verdrängung hochproduktiver Sorten. Auch ist bisher die direkte Produktivitätssteigerung auf der Fläche oft mit einem hohen vorgelagerten Ressourceneinsatz in der Lieferkette verbunden. So liegt der Fokus der bisher stark verbreiteten GVO-Pflanzen primär bei der Pestizidoptimierung der Pflanzen, also der Sicherstellung, dass die Pflanzen entsprechende Mengen an Pestiziden gut vertragen. Sieht man Nachhaltigkeit als eine Orientierung am Vorsorgeprinzip und als einen Ansatz, biologische und kulturelle Diversität zu pflegen, so wird man die bisherigen gentechnischen Entwicklungen kritisch bewerten. Viel wesentlicher als diese üblicherweise vorgebrachten Argumente erscheint mir jedoch, dass die Agrarproduktivität auch mit Gentechnik nicht unendlich gesteigert werden kann. Deshalb muss dem Wachstum der Weltbevölkerung als zugrundeliegendes Kernproblem auf anderen Wegen begegnet werden. Der Begriff der Bevölkerungspolitik ist heute verpönt, aber insbesondere eine Stärkung der Bildung und gesellschaftlichen Rolle von Frauen kann wesentlich dazu beitragen, dass der Druck, immer mehr Nahrungsmittel produzieren zu müssen, sinkt. Nachhaltiges Denken und Gentechnik sind für viele in der Branche Widersprüche, die Lager scheinen sich unversöhnlich gegenüberzustehen. Hätten Sie jeweils eine Botschaft an die beiden Seiten, die helfen könnte, den Widerspruch aufzulösen oder wenigstens abzumildern? Im Prinzip ist eine Landwirtschaft ohne Pestizide und Kunstdünger mit transgenen Pflanzen denkbar. Das wäre allerdings noch kein Biolandbau, da dieser Ansatz keine Antwort auf Gefahren gibt, die z.B. mit der möglichen Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen einherge-

Prof. Dr. Stefan Schaltegger ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere NachhaltigkeitsManagement an der Leuphana Universität Lüneburg. Er leitet das Centre for Sustainability Management und hat 2003 den weltweit ersten MBA Sustainability Management eingeführt. hen können. Derzeit fahren beiden Seiten eine Konfrontationslinie, was hohe Kosten für alle zur Folge hat. Es wird keine Sieger aus diesem Kampf geben. Während die einen möglichst versuchen, Tatsachen durch die rasche Verbreitung transgener Pflanzen zu schaffen, verursachen die anderen durch Widerstand hohe Kosten in etlichen Märkten. Zur Überwindung dieses Konfliktes müssten Stakeholder unterschiedlichster Positionen in die Entwicklung verstärkt involviert und ein breiter Konsens entwickelt werden. Open-Innovation-Ansätze zeigen in etlichen Fällen, dass eine breite Stakeholder-Einbindung durchaus innovations- und akzeptanzfördernd sein kann. Biologisch-dynamischer Landbau ohne Gentechnik hat einen deutlich geringeren Ertrag als konventionelle Landwirtschaft. Ist Nachhaltigkeit vor diesem Hintergrund nicht ein Luxus, den sich nur Europa und vielleicht Nordamerika wegen ihrer klimatischen Lage und der demographischen Strukturen leisten können? Wenn der Wald gerodet und zehn Jahre Landwirtschaft betrieben wird, mit dem Effekt, dass eine erodierte Fläche übrig bleibt, dann wird Agrarkapital zerstört: Das ist eine Überlebens- und keine Luxusfrage. Die sogenannten hochproduktiven Produktionsweisen sind häufig ja nur kurzbis mittelfristig so produktiv und erreichen längerfristig deutlich tiefere Erträge. Die weitverbreitete Ansicht, dass die Biolandwirtschaft (und hier insbesondere die biologisch-dynamische Landwirtschaft) weniger produktiv sei als die konventionelle, ist in dieser generellen Form nicht korrekt, da Zeit, Folgekosten und Nebeneffekte mitberücksichtigt werden müssen. Gerade in tropischen Regionen sind unsere landwirtschaftlichen Methoden häufig nicht langfristig überzeugend. Zwischen einer auf gentechnisch veränderten Pflanzen basierenden, aber sonst konventionellen Intensivlandwirtschaft und diversen Formen der Biolandwirtschaft gibt es ein großes Spektrum. Angesichts der großen Bodenund Klimaunterschiede sowie wesentlicher Faktoren wie Bildung, politische Rahmenbedingungen, Kapitalverfügbarkeit usw. sind viel differenziertere Ansätze erforderlich, die ohne eine Einbindung und Stärkung gesellschaftlicher Gruppen selten zu guten Nachhaltigkeitsergebnissen führen. Weitere Informationen: ÿ www.leuphana.de/institut/csm

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Corporate Volunteering

Bringt das was? Und ob. Viele Unternehmen haben den Wert des gesellschaftlichen Engagements ihrer Mitarbeiter erkannt und fördern ihn. Denn beim sogenannten Corporate Volunteering profitieren alle – das Unternehmen, der Mitarbeiter und die Gesellschaft. Wie das funktioniert und was man erreichen kann, erklärt der folgende Beitrag. von Claas Beckmann

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Motivation

Fotos: Claas Beckmann

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r. Reinhard Lang ist Geschäftsführer von UPJ · Partner der Jugend. Der Berliner Verein agiert als bundesweites Netzwerk, bringt interessierte Unternehmen und Hilfsorganisationen zusammen und unterstützt diese unter anderem mit Info- und Fortbildungsveranstaltungen. Lang sieht Corporate Volunteering auf dem aufsteigenden Ast – und zwar bei Unternehmen aller Größenordnungen. „Es kommt weniger auf den Etat an als auf die dahinterstehende Überzeugung“, sagt Lang. „Anpacken kann jeder“. Ob die Belegschaft einer Firma vereinte Muskelkraft zum Aufbau eines Spielplatzes einsetzt oder ob Fachkräfte ihre Expertise kostenlos für gemeinnützige Projekte einbringen. Lang konstatiert kleinen und mittleren Firmen sogar einen gewissen Vorteil gegenüber dem Engagement größe-

Unter Corporate Volunteering versteht man betriebliche Freiwilligenprogramme, die Förderung des Mitarbeiterengagements oder den Einsatz von Humanressourcen eines Unternehmens für gemeinnützige Zwecke. Corporate Volunteering Projekte werden genutzt, um Unternehmenswerte und -kultur zu entwickeln oder Mitarbeiter im Rahmen von Personalentwicklung fortzubilden. Dadurch erringen Unternehmen Marketingvorteile – das Ansehen des Unternehmens steigt sowohl bei den Beschäftigten als auch in der Öffentlichkeit.

che Unterstützung von Henkel“, sagt Nadine Frey, verantwortlich für Corporate Volunteering bei Henkel.

Henkel AG Mit bis zu 10.000 Euro Produktspenden oder bis zu fünf Tagen bezahlten Urlaubs fördert das Unternehmen das ehrenamtliche Engagement seiner Mitarbeiter und Pensionäre. Der Konsumgüter-Hersteller gehört zu den Veteranen des Corporate Volunteering: 1998 gründete das Unternehmen die Initiative „MIT – Miteinander im Team“. Mitarbeiter bringen sich für ehrenamtliche Projekte in Form von Arbeitsleistung und Geldspenden ein, ihr Arbeitgeber fördert das durch Geld- und Sachspenden, Produktspenden und fachliche Beratung sowie bezahlten Urlaub. In den vergangenen 14 Jahren haben sich mehr als 4.000 Mitarbeiter und Pensionäre in mehr als 9.000 Projekten weltweit eingesetzt. Mit 1.238 bezahlten Arbeitstagen hat das Unternehmen dieses Engagement seither unterstützt. Allein im vergangenen Jahr hat Henkel sechs Millionen Euro an Geld- und Sachspenden geleistet, die Hälfte dafür für MIT-Projekte. Ehrenamtliche Arbeit ist kein Zeitfresser, der in Konkurrenz zur Arbeitszeit steht, sondern ein stark motivierender Faktor, der zusätzliche Kräfte freisetzt. Das berichtet Nadine Frey über Corporate Volunteering bei Henkel. „Die meisten in ihrem Ehrenamt geförderten Mitarbeiter sind auch am Arbeitsplatz hoch motiviert und bringen ihre Sozialkompetenz und ihren Enthusiasmus in ihren Job mit ein“, sagt sie. „Als ‚Botschafter‘ des Unternehmens und der Unternehmenskultur sind die Mitarbeiter ein wichtiges Bindeglied zwischen Henkel und dem lokalen Umfeld.“

RWE rer Unternehmen: „Regional verankerte Firmen wissen oft besser, was in ihrem Umfeld passiert oder fehlt und können sich dank kürzerer Entscheidungswege schneller anpassen.“ Beispiele gibt es genug.

Dr. Ausbüttel & Co. Die Wittener Firma Dr. Ausbüttel & Co. GmbH vertreibt Materialien zur Wundversorgung. Seit mehr als zehn Jahren baut die Firma ihr soziales Engagement konsequent aus. So kooperiert sie unter anderem mit der internationalen Hilfsorganisation „German Doctors e.V.”, beauftragt Behindertenwerkstätten und versorgt Obdachlosenprojekte kostenlos mit Produkten. Geschäftsführer Stephan Kohorst geht es aber nicht allein um Spenden, sondern auch darum, soziales Gedankengut in den Köpfen zu verankern – und die gewonnene Sozialkompetenz im Berufsalltag zu nutzen. Die Belegschaft setzt sich seit Jahren an einem sozialen Tag bei gemeinnützigen Projekten ein. Führungskräfte hospitieren zum Beispiel bei der Bahnhofsmission oder in Einrichtungen für Suchtkranke. Über die Verwendung eines Spendenvolumens von 10.000 Euro entscheidet bei der Firma seit 2010 ein Kinderbeirat. Die Kinder lernen dabei die Nöte Gleichaltriger kennen, suchen nach Lösungsansätzen und werden so für soziales Denken sensibilisiert. Auch große Unternehmen haben Corporate Volunteering für sich entdeckt und betreiben seit Jahren mit großem Ressourceneinsatz engagierte Projekte. „Je größer das ehrenamtliche Engagement, desto höher die mögli01.2014

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Der Energieversorger RWE hat für das gesellschaftliche Engagement seiner Mitarbeiter eine eigene Dachorganisation geschaffen: RWE Companius. Sie fördert ehrenamtliche Projekte durch Geldspenden, sofern die Mitarbeiter sich persönlich in diesem Projekt einsetzen. Gleichzeitig ist Companius auch die Anlaufstelle für Hilfsorganisationen, die Unterstützung suchen. Geboren wurde die Idee im Kreise der RWE-Mitarbeiter. Seit 2007 steht ihnen konzernweit Companius zur Seite. Mehr als 1.500 Mitarbeiter haben sich seither in rund 7.700 Projekten eingesetzt. In der Regel werden die Projekte mit 500 bis 2.000 Euro gefördert – wenn die Voraussetzungen erfüllt sind: ehrenamtliches Engagement für einen gesellschaftlichen Zweck, persönlicher Einsatz der Mitarbeiter, nachvollziehbare und dokumentierbare Ergebnisse und die Einhaltung geltender Gesetze.

Dres. Moser und Kremer Der Kölner Chirurg Dr. Karl-Heinz Moser nutzt sein Umfeld, um Spenden für seinen ehrenamtlichen Arbeitseinsatz in Afrika aufzutreiben. Sein Kollege Dr. Andreas Kremer spielt mit seiner Band auf Benefiz-Konzerten weitere Gelder ein. 2010 reisten die beiden als Teil eines Ärzteteams nach Ghana, um dort vor allem Patienten mit Leistenbrüchen medizinisch zu versorgen. Während in Deutschland ein Leistenbruch mit einem Routine-Eingriff schnell aus der Welt geschafft ist, ist die Arztdichte in Ghana zu gering, um vor allem auf dem Land Patienten von diesem Leid zu befreien.

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rubrik

Deutsche Post DHL

Kanzlei Dr. Wehberg und Partner

Seit 2008 organisiert die Deutsche Post DHL den sogenannten Volunteer Day – den Tag der freiwilligen Arbeit für gesellschaftliche Anliegen. So haben Post-Mitarbeiter in Nürnberg zusammen mit einer lokalen Hilfsorganisation einen Zoobesuch für 60 Kindergartenkinder organisiert. In Ratingen haben Freiwillige die Gemeinschaftsanlagen eines Mehrgenerationenhauses renoviert. Und in Dresden bescherten DHL-Mitarbeiter 50 weißrussischen Kindern aus einem Kinderkurheim einen Tag voller sportlicher Aktivitäten.

„Unsere Mitarbeiter bekommen frei, wenn ihr Engagement mal einen Einsatz während der Arbeitszeit erfordert“, sagt Prof. Dr. Robert Gröning, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Dr. Wehberg und Partner in Hagen, Westfalen. Feste Vorgaben gibt es dabei nicht. „Alles, was das Gemeinwohl fördert, kann nur sinnvoll sein.“ Auch die Partner der 65 Kopf starken Kanzlei sind freiwillig in gemeinnützige Projekte involviert, sei es im Elternverein der Schule oder des Kindergartens, im Beirat eines Krankenhauses, als Kirchenvorstand oder im Stadtrat. „Ehrenamtliches Engagement soll dazu gehören, auch wenn hier in der Kanzlei selbstverständlich die Arbeit im Vordergrund steht.“ Deshalb sei es auch kein Problem, wenn jemand mal während der Arbeitszeit ein Protokoll schreibt oder Einladungen formuliert.

Von Argentinien bis Russland, von Serbien bis Singapur haben sich etwa 60.000 Mitarbeiter in 600 Projekten engagiert: Baumpflanzungen, Blutspende- und Impfaktionen, Schulrenovierungen und Sportprogramme standen unter anderem auf dem Programm. Ziel des Volunteer Day ist es, dass sich rund ein Viertel der 470.000 Beschäftigten weltweit an gemeinnützigen Aktionen beteiligt. Auch Geschäftspartner und Kunden des Konzerns sind aufgerufen, an den Aktionen mitzuwirken. Die Post unterstützt das ehrenamtliche Engagement der Mitarbeiter auch finanziell. Sie können sich beim Living Responsibility Fund um finanzielle Spenden für ihr Projekt bewerben. Je stärker das Engagement, desto höher die Spende: Die Anzahl der ehrenamtlich erbrachten Stunden der Mitarbeiter im Jahr der Bewerbung bestimmt die Höhe der Fördersumme, die als Spende unmittelbar an die beteiligten gemeinnützigen Partnerorganisationen überwiesen wird. So wurden im vergangenen Jahr in 46 Ländern insgesamt 108 Projekte gefördert, in denen sich rund 15.000 Mitarbeiter eingesetzt hatten. Zur Zielkontrolle – und auch im Sinne der Nachhaltigkeit – werden bereits bei der Bewerbung der erwartete Betrag, das unmittelbare Ergebnis und die langfristigen Effekte in der Zielgruppe und der Gesellschaft vermerkt und in der Folge gemessen. Großunternehmen und Konzerne können das Engagement ihrer Mitarbeiter organisatorisch stark unterstützen. Finanzielle wie personelle Ressourcen werden bereitgestellt und zu guter Letzt kümmert sich die Pressestelle um die PR-mäßige Ausschlachtung der guten Sache. Das bedeutet aber nicht, dass kleinen und mittleren Unternehmen der Weg verstellt ist, Ähnliches auf die Beine zu stellen. Denn im Kern geht es von den Mitarbeitern aus und deren Hilfsbereitschaft zu fördern, ist gerade im Mittelstand oft unkompliziert möglich.

Die Kanzlei profitiert von dieser unkomplizierten Haltung gegenüber freiwilligem Engagement, davon ist Gröning überzeugt. „Unsere enge Zusammenarbeit macht ein gutes Klima nötig“, sagt er. „Wir kommen als Partner gern zur Arbeit und das soll bei den Mitarbeitern auch so sein.“ Die Mitarbeiter wissen ihre Anliegen unterstützt und halten der Kanzlei die Treue, die Personalfluktuation ist äußerst gering. „Mitarbeiter, die sich engagieren und auch über den Tellerrand gucken, das sind meistens auch die, mit denen man besonders gut klarkommt.“

Gottwald Christin Derer ist die Umweltbeauftragte der Firma Gottwald in Bremen Oslebshausen. Die Firma verkauft und wartet Hydraulik-, Dichtungstechnik und Industriebedarf. Als sie von der Aktion „Bremen räumt auf“ hörte, meldete sie sich nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung kurzerhand mit zwei Auszubildenden dazu an. Einen Tag lang halfen die drei, Müll aus öffentlichen Anlagen und dem Straßenbild zu entfernen. „Als Familienunternehmen sehen wir natürlich auch unsere regionale Verantwortung gegenüber der Gemeinde, da ein Großteil unserer Belegschaft in Bremen und in Oslebshausen wohnt“, sagt Norbert Brothun, Geschäftsführer des 75 Mitarbeiter starken Betriebs. „Unsere Firmenphilosophie beinhaltet neben wirtschaftlichen auch umweltbezogene Aspekte. Wir setzen uns lokal für die Entwicklung unseres Ortsteils, sowohl verkehrs- und wirtschaftspolitisch, als auch unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der regionalen Lebensqualität ein.“ N-Kompass Magazin

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¯¯ Der Chirurg Dr. Karl-Heinz Moser aus Köln operiert in Afrika Leistenbrüche bei Patienten, die sich einen solchen Eingriff nie leisten könnten – bezahlt wird das von den deutschen Patienten Mosers. ¯ Beschäftigte der DHL Volunteer Crew.

Zur Person Dr. Reinhard Lang ist Geschäftsführer des Berliner Vereins UPJ, der Unternehmen und Hilfsorganisationen zusammenbringt und durch frühzeitige Planung damit auch Risiken eingrenzt – zum Beispiel durch eine unerwartete Mehrwertsteuerpflicht.

Üblicherweise sind es Kindergärten und Schulklassen, die sich an dem Aufräumtag beteiligen. Daher wurde das Engagement der Firma von den Veranstaltern besonders positiv aufgenommen. Christin Derer hat geistesgegenwärtig dafür gesorgt, dass dieser Einsatz auch von Zuschauern und Passanten wahrgenommen wurde und extra Sweatshirts mit Firmenaufdruck herstellen lassen. „Beim Mittelstand herrschte früher oft die Haltung vor ‚Das macht man einfach, aber man redet nicht darüber‘. Viele Unternehmen fürchteten eine falsche Aufmerksamkeit oder eine Flut von Bittgesuchen. Inzwischen sehen das aber viele Mittelständler glücklicherweise anders. Es geht nicht nur um PR, sondern auch darum, solche Aktionsmöglichkeiten bekannter zu machen und ein gutes Beispiel zu geben“, sagt Lang.

Anlaufstellen UPJ ist ein bundesweit agierender Verein, der über gemeinnütziges Engagement informiert und Kontakte herstellt. Darüber hinaus unterstützt UPJ unternehmerische Projekte mit Fortbildungen, Hotlines und Workshops. In vielen Städten sind regionale Mittlerorganisationen tätig und leisten ähnliche Dienste: e Freiwilligenagenturen e „Zentrum aktiver Bürger“ | www.iska-nuernberg.de/zab. e „Marktplatz gute Geschäfte“ | www.gute-geschaefte.org. Der „Deutsche Engagementpreis“ zeichnet jährlich Projekte aus verschiedenen Kategorien öffentlichkeitswirksam aus. ¯ Weitere Informationen: ÿ www.deutscher-engagementpreis.de

Kompass Dossier Mitarbeiter und ihr gesellschaftliches Engagement Finden Sie heraus, wie Sie Ihre Mitarbeiter gezielt in ihrem gesellschaftlichen Engagement unterstützen und wie Sie als Unternehmen selbst Verantwortung übernehmen können. DokID: NAAAE-44027

Interview mit Dr. Reinhard Lang, Geschäftsführer UPJ Herr Dr. Lang, welche Effekte hat Corporate Volunteering für die beteiligten Unternehmen? Corporate Volunteering stärkt die Mitarbeiterbindung ganz erheblich. Inzwischen achten Mitarbeiter darauf, ob sich die Firma für die sie arbeiten, sozial engagiert. Jeder arbeitet lieber bei einem Arbeitgeber mit einem guten Ruf, auf den man stolz sein kann. Viele Firmen setzen CV für Aus- und Weiterbildung oder zum Team-Building ein, weil es die soziale Kompetenz stärkt: Teamfähigkeit, Empathie, Eigeninitiative, spontanes Einstellen auf ungewohnte Situationen – solche Fähigkeiten werden gestärkt. Was sollte ich beachten, wenn ich für meine Firma ein CV-Projekt plane? Legen Sie fest, welche inner- und außerbetrieblichen Ziele mit dem ehrenamtlichen Einsatz erreicht werden sollen. Entscheiden Sie, welche Ressourcen Ihr Unternehmen einbringen kann: Mitarbeiter, Geld, Zeit, Expertise des Unternehmens oder einfach Muskelkraft? Damit es nicht bei einem einmaligen Event bleibt, sollten vorab auch die Intervalle festgelegt werden. Wie oft sollen solche Projekte laufen? Dann geht es an die Verteilung der Zuständigkeiten: Wer organisiert was – von der Verpflegung am Aktionstag bis zur Nachbereitung? Welche organisatorischen Stolperfallen sollen Unternehmen beachten, wenn sie ein CV-Projekt planen? Wir raten den Unternehmen, vor dem Projekt mit ihrer Berufsgenossenschaft zu reden und sich bei ihren Haftpflicht- und Unfallversicherungen zu erkundigen, ob Versicherungsschutz besteht. Außerdem raten wir, mit dem Leistungsempfänger eine Vereinbarung zu treffen und den Leistungserbringer von der Haftung für das Ergebnis freizustellen. Wichtig ist auch, dass stets vom betrieblichen, freiwilligen Engagement gesprochen wird, nicht von Gefälligkeiten oder Pro-bono-Aktivitäten, die eine Umsatzsteuerpflicht auslösen können.

Fallstudie „Lufthansa HelpAlliance“ Erhalten Sie einen Einblick in die Strukturen und die Arbeit der Lufthansa HelpAlliance als ein Corporate Volunteering Projekt und erfahren Sie mehr über die Herausforderungen bei der Gestaltung und Durchführung eines solchen Projekts. DokID: EAAAE-44030

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Vielen Dank für diese konkreten Tipps und Anregungen. Interessierte Leser können sich auf der Website von UPJ · Partner der Jugend weiter informieren. ÿ www.upj.de


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Rubrik

Dr. Kurt Schmalz

Wolfgang Schmalz

Auszeichnungen und Preise 2012 Deutschlands beste Arbeitgeber 2011 Beste Montage-Idee 2010 VR-Innovationspreis für den Schmalz Wafergreifer 2010 Axia-Award, Personalmanagement 2009 Deutschlands beste Arbeitgeber 2009 Exzellente Wissensorganisation 2009 Ort im Land der Ideen 2008 Sozial engagiert 2007 Europäischer Solarpreis 2006 Dr.-Rudolf-Eberle-Preis - Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg 2005 Ethics in Business 2004 Deutschlands beste Arbeitgeber 2004 Ökomanager des Jahres 2004 European Business Award, Environment 2004 BDI Umweltpreis 2000 Umweltpreis für Unternehmen im Bereich Industrie

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Best Practice

Alle Fotos: J. Schmalz GmbH

Überzeugungstäter Nistplätze für Fledermäuse und Greifvögel, begrünte Dächer und Ausgleichsbecken für die vorbeifließende Glatt. Der Firmensitz des Vakuum-Greifarm-Spezialisten Schmalz aus dem Schwarzwald könnte als Naherholungsgebiet für bedrohte Tierarten durchgehen. Wären da nicht Windkrafträder, Photovoltaikanlagen und eine Wasserkraftanlage. Tatsächlich produzieren die Gebrüder Kurt und Wolfgang Schmalz seit mehr als 100 Jahren innovative Greifsysteme für Produktionsmaschinen in der ganzen Welt.

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ur ganz wenige Unternehmen in Deutschland haben die Idee der grünen Produktion so konsequent vorangetrieben wie die Gebrüder Schmalz. Allein die beiden firmeneigenen Windkraftanlagen erzeugen pro Jahr 2,5 Millionen Kilowatt Strom. Insgesamt produziert das Unternehmen mehr regenerativen Strom, als es selbst braucht. Den Wärmebedarf in Produktion und Verwaltung decken zum größten Teil eine Hackschnitzel- und eine Solaranlage. Mitarbeiter bindet das Unternehmen über Erfolgsbeteiligung und Prämienmodelle, den wirtschaftlichen Erfolg soll ein konsequentes Verbesserungsmanagement sichern. Für uns ist Nachhaltigkeit eine grundlegende Unternehmensphilosophie und keine Modeerscheinung, sagt Kurt Schmalz. Er hat die Unternehmensführung im Jahr 1984 vom Vater übernommen, seit 1990 steht er gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang an der Spitze des Unternehmens, beide treiben die Nachhaltigkeit im Unternehmen gemeinsam voran. Wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsstrategie ist der Einsatz erneuerbarer Energien. Wenn jedes Unternehmen seinen Strom selbst produzieren würde, wäre das eine Revolution. Ich halte die dezentrale Stromversorgung für den richtigen Weg, auch wenn das die Stromkonzerne sicherlich anders sehen, ist Wolfgang Schmalz überzeugt. Ganz ohne Stromnetz kommt auch das Unternehmen Schmalz bislang nicht aus. Das Speichern des Stroms ist noch immer eine technische Hürde. Der produzierte Strom wird daher komplett eingespeist, seinen Strom bezieht das Unternehmen von einem Ökostromanbieter. Die beste Kilowattstunde ist allerdings die, die man gar nicht erst verbraucht hat, sagt Wolfgang Schmalz. Das Unternehmen erstellt deshalb jedes Jahr eine Energiebilanz und versucht laufend, den Verbrauch zu senken. Im laufenden Jahr zum Beispiel will Schmalz vier Prozent weniger Strom verbrauchen als im Vorjahr. Zuletzt hat das Unternehmen sein Hochregallager mit 23.000 Lagerplätzen umgerüstet. Mehrere Geräte flitzen vollautomatisch durch die drei Gassen des Lagers und holen aus den 16 Meter hohen Regalen Pakete. Zugleich dienen sie als Mini-Stromproduzenten: Die beim Bremsen frei werdende Energie wird in Strom umgewandelt und ins Netz eingespeist. Die einzig verbliebene Ölheizung produziert Wärme für eine Lackieranlage, den sonstigen Heizbedarf deckt Schmalz mit einer Biomasse-Heizung, die

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Von André Schmidt-Carré

Holzhackschnitzel aus dem Schwarzwald verbrennt. Öl ist zum Heizen viel zu schade, meint Wolfgang Schmalz und sein Bruder ergänzt: Außerdem sind wir in Deutschland doch mit anderen Energiequellen gesegnet. Holz etwa verbrennt CO2-neutral, obendrein bleibt die Kaufkraft im Land. Den Unternehmer-Brüdern reicht es nicht, selbst die Umwelt zu schonen. Das Unternehmen will Vorbild sein, auf einem sogenannten Öko-Lehrpfad demonstriert Schmalz seine Technik. Schulklassen, Seniorengruppen und Gemeindeverwaltungen buchen regelmäßig die Öko-Tour durchs Unternehmen. Eine Gemeinde hat daraufhin in einem Rathaus eine HolzpelletHeizung angeschafft, das hat die Brüder natürlich sehr gefreut. Mittlerweile ist das Unternehmen über die Region hinaus für sein Engagement bekannt, sogar Studenten aus den USA waren schon zu Besuch. Das schärft auch den Blick der eigenen Mitarbeiter, und seine Auszubildenden lässt das Unternehmen auch schon mal mit Plastiksäcken und Gummistiefeln die dicht am Unternehmen vorbeifließende Glatt säubern. Die Chefs sehen sich aber nur bedingt als Öko-Wohltäter, denn sie schauen auch auf die Kosten. Beim Einkauf des Ökostroms zahlen wir einen kleinen Aufpreis, da sind wir schon ein bisschen Idealisten, sagt Wolfgang Schmalz. Die regenerativen Energien hingegen rentieren sich dank des Einspeisevergütungsgesetzes schon heute. In einigen Fällen rechnet sich Nachhaltigkeit schon heute ohne staatliche Hilfe, nennt sein Bruder Kurt Schmalz die Hackschnitzel-Heizung als Beispiel: Die Anschaffung war deutlich teurer, als wenn wir einen herkömmlichen Ölbrenner gekauft hätten. Dafür liegen die laufenden Kosten für den Brennstoff aber nur bei einem Drittel. Nach sieben Jahren soll sich die Anlage amortisiert haben. Über eine Laufzeit der Anlage von 15 Jahre liegt sie weit im Plus. Und die gesellschaftliche Rechnung sieht noch einmal ganz anders aus, denn das Holz verbrennt CO2-neutral und verursacht damit keine Umweltschäden. Das Problem ist, dass die Verursacher bislang nur selten zur Kasse gebeten werden und die Umweltzerstörung viel zu billig ist, gemessen an den Kosten, die sie verursacht, ergänzt sein Bruder Wolfgang. Die beiden Chefs betreiben in der Nähe des Firmensitzes auch eine Forstwirtschaft. Die Versauerung des

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Bodens dort ist ein echtes Problem. In bestimmten Zeitabständen muss der Wald per Hubschrauber gekalkt werden. Die Kosten dafür übernehmen die Gesellschaft und der Waldbesitzer. Und nicht die Verursacher des sauren Regens. Nachhaltiges Wirtschaften ist für die Brüder nicht erst seit kurzem ein Thema, sondern Kern der Unternehmensphilosophie. So hatte ihr Großvater, Firmengründer Johannes Schmalz, Anfang des 20. Jahrhunderts den Unternehmensstandort ausgewählt, weil es dort eine Wasserkraftanlage gab. Das sind unsere Wurzeln und keine Modeerscheinung, sagt Kurt Schmalz, und sein Kompagnon ergänzt: Wir sind ein Familienunternehmen und denken in Generationen statt in Quartalsberichten. Unsere Gesellschaft verbraucht heute fossile Ressourcen in atemberaubender Geschwindigkeit. Das wird unseren Kindern und Enkeln nicht mehr möglich sein. Auch bei den Mitarbeitern plant das Unternehmen langfristig. Fast jeder achte Mitarbeiter ist Auszubildender, deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt. Das kostet zunächst einmal mehr Geld, als fertig gelernte Fachkräfte einzustellen, aber zum einen ist es ein Wert an sich, jungen Menschen eine Ausbildung zu geben, das gehört zur unternehmerischen Verantwortung dazu. Zum anderen gehen die Chefs davon aus, dass sich ihr Engagement langfristig auch finanziell lohnt. Wir sind hier im Schwarzwald nicht gerade mit Fachkräften gesegnet, meint Kurt Schmalz. Deshalb müssen sie einiges tun, um junge Leute zu gewinnen. Je mehr sie selbst ausbilden, desto weniger Probleme macht ihnen der absehbare Fachkräftemangel in Deutschland. Auch hier denken und handeln die Schmalz-Brüder nachhaltig. 150 Schulungen organisiert Schmalz pro Jahr im eigenen Unternehmen für seine Mitarbeiter, vom Excel-Kurs bis zum Führungskräftetraining. Um gute Mitarbeiter zu halten, hat das Unternehmen mehrere Programme gestartet. Neben einer jährlichen Gewinnbeteiligung gibt es Prämien für besonders engagierte Mitarbeiter. Hinzu kommen kleine Aufmerksamkeiten. Das Unternehmen fördert sportliche Aktivitäten etwa mit einem Volleyballplatz auf dem Betriebsgelände und jährlich bekommen die Mitarbeiter auf Wunsch eine Grippeschutzimpfung spendiert. Und jeden Tag einen Apfel auf den Tisch, lacht Wolfgang Schmalz. Das sind natürlich Kleinigkeiten, aber die Mitarbeiter spüren, dass man sich um sie kümmert.

Das ökologische und menschliche Engagement nützt aber alles nichts, wenn das Unternehmen am Markt keinen Erfolg hat. Das wissen auch die beiden Chefs: Das Wichtigste ist, Dinge herzustellen, für die es Bedarf gibt, betont Kurt Schmalz. Das schafft das Unternehmen mittlerweile seit mehr als 100 Jahren. Als die Erfindung des Elektrorasierers das Geschäft mit Rasierklingen in den 1930er Jahren bedrohte, sattelte Unternehmensgründer Johannes Schmalz auf Transportanhänger für die zunehmend motorisierte Landwirtschaft um. In den 1980er Jahren war es Kurt Schmalz, der das Unternehmen einmal mehr neu ausrichtete. Auf einer Messe beklagte ein großes Schreinerunternehmen, das es keine vernünftige Haltetechnik zum Bearbeiten von Türen gebe. Schmalz entwickelte daraufhin einen Vakuumgreifer und erkannte auch das Potenzial dieser Technik. Heute baut das Unternehmen komplette Systeme für viele Branchen von der Automobilindustrie über Holzverarbeitung bis zu Herstellern von Windkraftanlagen. Mittlerweile gehört der Wandel zum Geschäftsprinzip: Wir haben ein Wertschöpfungssystem eingeführt, mit dem wir uns permanent verbessern, sagt Wolfgang Schmalz. Als der Ingenieur 1990 aus seinem Job beim Autobauer Mercedes-Benz ausstieg und ins Familienunternehmen eintrat, führte er ein Vorschlagswesen ein und entwickelte es ständig weiter. Im vergangenen Jahr machten seine Mitarbeiter 3.500 Verbesserungsvorschläge. Wird ein Vorschlag nicht umgesetzt, gibt es eine qualifizierte Absage vom Teamleiter. Kleine Ideen bringen Punkte aufs Sammelkonto der Abteilung für Betriebsfeiern und Spenden, zudem wird eine Rangfolge der Abteilungen in der Firmenzeitung kommuniziert. Für bereichsübergreifende Vorschläge gibt es Geldprämien. Auch hier stand Unternehmensgründer Johannes Schmalz Pate. Er hatte als Mechaniker in einer Fabrik eine Maschine zur Produktion von Rasierklingen entwickelt. Die von seinem damaligen Chef versprochene Belohnung blieb jedoch aus. Schmalz machte sich selbstständig und baute seine eigene erfolgreiche Rasierklingenproduktion auf. Auch wenn das Unternehmen heute in vielen Bereichen vorbildlich aufgestellt ist, zufrieden geben wollen sich die Brüder Schmalz dennoch nicht. Vor allem der Fuhrpark der Firma passt nicht in ihr konsequentes Nachhaltigkeitskonzept, die Verkäufer sind noch mit Autos mit Dieselmotor unterwegs und das ist keine nachhaltige Mobilität. Wir würden ja anfangen, auf N-Kompass Magazin

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1 Wasserkraftanlage mit Elektro-Tankstelle für Fahrzeuge aus dem Fuhrpark, von Mitarbeitern oder der Öffentlichkeit 2 Rundweg des Schmalz-Ökolehrpfades 3 Naturnahe Biotopanlage mit Einlaufbauwerk zur Wasserkraftanlage 4 Regenwasser-Rückhaltebecken 5 Holzhackschnitzel-Heizanlage zur Raumwärmeversorgung über Nahwärmenetz 6 Windkraftanlagen in 3 und in 26 km Entfernung 7 Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung 8 Hallenbelüftung mit Wärmerückgewinnung 9 Nordlicht-Sheddächer zur Reduzierung der thermischen Belastung 10 Solaranlage zur Warmwassererzeugung 11 Parkplätze mit Rasengittersteinen zur Reduzierung der Oberflächenversiegelung 12 Zisternen zur Regenwassernutzung 13 Dachbegrünung

Elektroautos umzusteigen. Aber ich würde gerne die inländischen Hersteller unterstützen, und von denen gibt es bislang nichts zu kaufen, meint Wolfgang Schmalz. Ganz tatenlos wollen die Gebrüder freilich nicht bleiben. Das Sommerfest nutzten die Chefs letztes Jahr für eine Elektromobilitäts-Show, auf der ihre Mitarbeiter sich Modelle wie den Elektro-Sportwagenpionier Tesla anschauen und Pedelecs, Fahrräder mit Elektromotor, zur Probe fahren konnten – auch wenn man natürlich weiß, dass das für die Vertriebsmannschaft keine ernsthafte Alternative ist. ◊

J. Schmalz GmbH Gegründet Mitarbeiter Niederlassungen Vertriebspartner Geschäftsleitung

1910 durch Johannes Schmalz 750 weltweit in 15 Ländern weltweit in über 40 Ländern weltweit Dr. Dipl.-Ing. Kurt Schmalz Dipl.-Ing. Wolfgang Schmalz

Branche

führender Anbieter von Vakuum-Technologie in der Automatisierungs-, Handhabungsund Aufspanntechnik Vakuum-Produkte Quote in Deutschland rund 14 % rund 350 angemeldete und erteilte Schutzrechte 8,5 % vom Umsatz

Produkte Ausbildung Innovationen F&E

Kompass Dossier Erneuerbare Energien Lernen Sie, wie Sie den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix Ihres Unternehmens durch Nutzung von Ökostrom oder eigener Anlagen erhöhen und dabei gegebenenfalls Kosten sparen können. DokID: LAAAE-43997

Unternehmenskultur und Zufriedenheit Schaffen Sie durch flache Hierarchien und eine Anerkennungsund Lobkultur ebenso wie mit gelebter Vielfalt eine positive Führungs- und Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen. DokID: VAAAE-44020

Mitarbeitereinbindung Machen Sie Ihre Mitarbeiter zu aktiven Gestaltern Ihres Nachhaltigkeitsprogramms, indem Sie diese in Ihre Unternehmensaktivitäten gezielt mit einbinden. Wie Sie dies umsetzen können, zeigt Ihnen dieses Dossier. DokID: DAAAE-40287

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Der Schmalz-Ökolehrpfad Nachhaltigkeit ist kein Teilaspekt eines Unternehmens – es betrifft es immer als Ganzes. Bei der Firma Schmalz können interessierte Gruppen das auf dem „Ökolehrpfad“ erleben. Nach einer halbstündigen Präsentation über die Erzeugung regenerativer Energie und Maßnahmen zum betrieblichen Umweltschutz folgt ein Rundgang durch die Firma, bei dem der praktische Einsatz verschiedenster Techniken und Maßnahmen gezeigt wird. In Modellen und auf Infotafeln erfährt man mehr über umweltfreundliche Produkte, Solarenergie, Biomasseheizung, Wertstofftrennung, Regenwassernutzung und Wärmedämmung sowie Wärmerückgewinnung. Zu all diesen Aspekten des nachhaltigen Wirtschaftens gibt es technische Lösungen, die in dem Unternehmen erprobt wurden. Bereits seit 1851 wird zum Beispiel die Wasserkraft des Flüsschens Glatt genutzt – die Firma Schmalz hat 1910 begonnen, Maschinen über Transmission mit Wasserkraft anzutreiben, seit den 1920erJahren auch zur Stromerzeugung. In unserem Bild oben ist die moderne Wasserkraftanlage an den Wegpunkten 1 (Elektro-Tankstelle) und 4 (Regenwasser-Rückhaltebecken) zu erkennen. Hier wurde beispielsweise eine Fischtreppe angelegt, um die Tiere vor der WasserkraftTurbine zu schützen, und auf dem Firmengelände ein Biotop angelegt. Aber auch andere Tiere nutzen dieses Biotop, wie die Vogelarten Eisvogel, Neuntöter oder Zaunkönig. Konkret bietet die Firma Nisthilfen für Mauersegler und Mehlschwalben. Das Regenwasser-Rückhaltebecken ist künstlich zur Energiegewinnung angelegt. Es ist aber so ausgestaltet, dass an seinem Ufer neue Biotope entstehen können. Hier gedeihen Blutweiderich, gelbe Schwertlilie, Sumpfdotterblumen und andere Pflanzen. Einige Arten, die natürlich in Nasswiesen vorkommen, wurden ganz gezielt hier wieder angesiedelt. Heutzutage haben auch andere Energieformen wirtschaftliche Bedeutung, wie die Solarenergie. Die Abwärme der Firmenhallen, die durch hohe Dämmstandards im Gebäude gehalten wird, wird durch einen Wärmetauscher für andere Zwecke benutzt, um den Energiebedarf im Ganzen zu senken. Gerichtet ist das Angebot des Ökolehrpfades zum Beispiel an Schulklassen und Vereine. Immer wieder holen sich hier auch andere Unternehmer, politische Gruppen oder Journalisten Anregungen für ihre Arbeit. Geführt wird die Tour von Mitarbeitern der Firma Schmalz. Auf Anfrage ist auch der Besuch einer der firmeneigenen Windkraftanlagen möglich, die einige Kilometer vom Firmenstandort entfernt liegen. Weitere Informationen und einen Überblick über die einzelnen Stationen des Ökolehrpfades gibt es auf der Website des Unternehmens. Weitere Informationen: ÿ de.schmalz.com/unternehmen/nachhaltigkeit/oekologie/00552


Interview Fotos: Bernd Hoff

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Stefan Schulze-Hausmann spricht …

„Viele haben das Thema Nachhaltigkeit schon satt.“ Das Interview führte Till Mansmann in Düsseldorf

Kaum ein Begriff wird seit Jahren so inflationär verwendet, wie der Begriff Nachhaltigkeit. Besonders Politiker sprechen gerne von nachhaltig, wenn sie über ihre eigenen Leistungen sprechen. Wirtschaftsbosse missbrauchen den Begriff, wenn sie Lohnerhöhungen abwehren wollen. Stefan Schulze-Hausmann, Initiator des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, meint: „Alle reden von Nachhaltigkeit, aber jeder meint was anderes.“ Der Versuch einer Einordnung. Herr Schulze-Hausmann, Sie haben den Deutschen Nachhaltigkeitspreis ins Leben gerufen, in dem Sie verschiedene Partner zusammengeführt haben. Herausragende und bekannte Persönlichkeiten sind die Gäste bei den Preisverleihungen. Muss man das Thema in der Öffentlichkeit verankern wie ein Produkt in der Werbung: mit Promis, Glanz und Gloria? In der Tat ist Nachhaltigkeit erst einmal natürlich kein „glamouröses“ Thema. Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe an, Übersetzer zu sein und breitere Kreise anzusprechen. Viele ha-

ben den Begriff „Nachhaltigkeit“ leider schon satt, bevor sie ihn überhaupt verstanden haben. Das kann ich auch gut nachvollziehen: Das Wort wird andauernd und inflationär verwendet, aber keiner weiß genau, was dahinter steckt. Prominente können eine Vermittlerrolle einnehmen: Viele Menschen identifizieren sich auf die eine oder andere Weise mit ihnen, und was Prominente sagen, was sie tun, strahlt aus. Und sie wirken medial, sie sind Multiplikatoren, sie ziehen das Scheinwerferlicht an – und wir können den Lichtkegel dann weiterlenken auf unsere Preisträger. Und was bedeutet Ihnen Nachhaltigkeit selbst, für Ihr Leben? Welche Rolle spielt der Deutsche Nachhaltigkeitspreis dabei? Ich bin kein Nachhaltigkeits-Überzeugungstäter, der schon seit 20 oder 30 Jahren so denkt und lebt. Das Thema ist bei meiner Arbeit auf mich zugekommen. Ich moderiere für ZDF/3Sat ein Wissenschaftsmagazin, in dem wir uns seit Jahren auch mit Umweltfragen beschäftigen. Mit wachsendem Wissen entwickelt man fast zwangsläufig eine Haltung. Die Facetten des Themas lerne ich erst über den Preis. Das geschieht langsam, denn die Wirkungszusammenhänge, aber auch die Verflechtungen zwischen Politik, Forschung, Wirtschaft und NGOs sind komplex. Wer etwas bewegen will, muss mit möglichst vielen Stakeholdern zusammenkommen, besser noch: sie zusammenbringen. Da kommt mir zugute, dass mein Beruf das Moderieren ist. N-Kompass Magazin

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… und den Deutschen Nachhaltigkeitspreises, den er initiierte.

… über Verantwortung, Überzeugung …

In welcher Weise hilft Ihnen das? In der Nachhaltigkeit gehen viele in die gleiche Richtung – aber auf ganz verschiedenen Wegen. Die Nachhaltigkeits-Szene diskutiert leidenschaftlich weniger über Ziele, sondern über Wege. Einige glauben, den einzig richtigen eingeschlagen zu haben – viele denken noch dogmatisch und ideologisch. NGOs gegen Konzerne, die Großen gegen die Kleinen, die Politik gegen die Bürgerbewegungen: Moderation kann da einiges bewirken, Interessen zusammenführen, mögliche Partner zusammenbringen und Gräben überbrücken.

„Es gibt Dinge, die kann man, wenn man gewisse Zusammenhänge verstanden hat, nicht mehr verantworten.” Stefan Schulze-Hausmann

Sie sehen es also gerade als Stärke, dass Sie auf Ihrem Weg nicht über feste eigene Überzeugungen gestartet sind? Ein Moderator, der von einem Thema weniger versteht als seine Gesprächspartner, ist für das Publikum der bessere Moderator. Denn er stellt die Fragen, die sich das Publikum auch stellen würde. Beim komplexen Thema Nachhaltigkeit gilt das ab dem Punkt allerdings nicht mehr, an dem man selbst Projekte auf die Beine stellen möchte. Bis heute ist Nachhaltigkeit ein Lernfeld für mich, in dem ich mich jeden Tag weiterentwickle. Das hat übrigens auch mit dem eigenen Verhalten zu tun. 01.2014

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Wie haben Sie Ihr Verhalten denn geändert? Man kommt relativ schnell – eigentlich unausweichlich – zu dem Schluss, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht gehen. Es gibt Dinge, die kann man, wenn man gewisse Zusammenhänge verstanden hat, nicht mehr verantworten. Gerade was mein berufliches Umfeld betrifft, das Büro für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis und die Stiftung, sind wir sehr streng geworden. Meine Agentur beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Produktion von unterschiedlichsten Veranstaltungen, unter anderem in der Politik: Wir haben für den Bundesrat gearbeitet, für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, für den Deutschen Umweltpreis oder für die Fraunhofer-Gesellschaft. Wer einen Nachhaltigkeitspreis produziert, muss sich vorbildlich verhalten: Wir haben ein ausführliches Reporting, wir setzen konsequent auf Recycling-Papier und auf energiesparende Geräte, wir minimieren Reisen. Wir achten bei Entscheidungen darauf, welche Folgen sie z. B. für CO2-Emissionen haben können. Auch privat denken wir um. Bio-Produkte sind Standard. Wir haben unser Haus nach energetischen Gesichtspunkten umgebaut. Ich gebe aber zu, dass hier noch viel Luft nach oben ist. Bedeutet Nachhaltigkeit immer Verzicht auf Schönes, Edles, Aufwändiges? Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass Schönheit und Design-Orientierung auch zu nachhaltigen Produkten passt. Wer sich einen „edlen“, gut designten Gegenstand besorgt, behandelt ihn pfleglicher und ist ihn erst später leid. Auf der anderen Seite kann etwas ultra-ökologisches, das einfach und billig ist, auch schneller in der Tonne landen, und das widerspricht dem Nachhaltigkeitsgedanken. Auch wenn es die Öko-Tonne ist.


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Interview

Die Scorpions machen seit vielen Jahren mithilfe von Benefiz-Konzerten auf Umweltkatastrophen und politische Missstände wie Rassismus aufmerksam. Auf der Gala des Deutschen Nachhaltigkeitspreises erhielten sie für Ihr Engagement den Ehrenpreis.

Da sind wir ja jetzt beim Endverbraucher – aber Ihr Preis richtet sich an andere: Was hilft es, wenn Kommunen und Unternehmen, wenn also Staat und freie Wirtschaft, immer mehr auf Nachhaltigkeit achten, aber der einzelne Bürger nicht mitmacht? Das ist richtig. Hier sehen wir eine Funktion des Preises: Wir stellen Öffentlichkeit für Unternehmen her, damit deren – von unserer Jury als vorbildlich bewertete Produkte – von den Endverbrauchern gekauft werden, die auf nachhaltiges Wirtschaften wertlegen. Immer mehr Menschen treffen ihre Kaufentscheidungen für Konsumartikel strategisch in diesem Sinne. Und was haben Sie selbst davon? Je älter ich werde, desto wichtiger wird es mir, neben der äußerst schnelllebigen und fremdbestimmten Fernseharbeit ein sinnvolles eigenes Projekt kontinuierlich zu bearbeiten und wachsen zu sehen. Der Nachhaltigkeitspreis ist meine Idee, Erfahrung und Wissen für etwas einzusetzen, das mir sinnvoll erscheint. Das muss ich mir buchstäblich leisten können – daher muss meine Firma vielleicht nicht vom, aber sollte gut mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis leben. Seit Jahr drei gelingt das …

„Nachhaltigkeit ist Chefsache. Engagierte Unternehmer sind oft diejenigen, die das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben.“ Stefan Schulze-Hausmann

Es sind vor allem die Gebildeten, Interessierten und Nachdenklichen, auf die das Wirkung ausübt. Es sind aber auch die Gebildeten, Interessierten und Nachdenklichen, die größeren wirtschaftlichen Erfolg haben – und daher die größten Häuser bewohnen, die dicksten Autos fahren, die weitesten Reisen machen und das beste Essen genießen. Wie kann die Gesellschaft diesen Widerspruch auflösen? Langsam und mühsam, weil Nachhaltigkeit immer noch Synonym für Verzicht ist. Erst ein Wandel zu anderen Werten jenseits des Maximalkonsums bahnt den Weg. Natürlich sind die – wie Sie sagen – „Schlauen und Nachdenklichen“ im Zweifel die Vermögenderen, die stärker konsumieren. Aber sie sind auch die

Vordenker und irgendwann auch die Vorbilder für den Wandel. Sie haben verstanden, dass blindes Wachstum nicht mehr geht. Sie haben erkannt, an welche Grenzen wir in der nicht-nachhaltigen Wirtschaft stoßen. Inzwischen ist diese Diskussion aber in der Breite angekommen: Bio-Produkte erreichen inzwischen alle gesellschaftlichen Gruppen, aber das Geld spielt natürlich immer eine wichtige Rolle. Es ist oft noch so, dass man sich nachhaltige Produkte leisten können muss. Deswegen ist es auch unser Ziel, die zu unterstützen, die Nachhaltigkeit aus der Nische herausholen und in den Massenmarkt bringen wollen. Deswegen war zum Beispiel auch der Händler REWE schon einer unserer Preisträger, der genau dies zum Leitbild erklärt hat. Dieser Breiten-Gedanke hat Ihre Jury auch schon zu anderen Entscheidungen geleitet: Als die Unternehmen BASF und VW ausgezeichnet wurden, haben andere Organisationen, die sich der Idee der Nachhaltigkeit verbunden fühlen, lautstark protestiert. Wirtschaften im großen Stil und Nachhaltigkeit scheint oft in eine Art Paradox zu münden. Lassen sich solche Widersprüchlichkeiten überhaupt auflösen oder müssen wir lernen, damit zu leben? Eine Jurorin wollte damals die Mehrheitsentscheidung unserer Jury in diesem Fall nicht mittragen. Ich will speziell für diesen Fall nicht Begriffe wie „dogmatisch“ oder „ideologisch“ verwenden, aber es gibt in manchen Kreisen der Zivilgesellschaft etwas, das ich hier einmal als „Beharrungsvermögen“ bezeichnen will. Ein Unternehmen, das unter anderem Pestizide herstellt, ist für manche grundsätzlich unheilbar und für immer schlecht – egal, was es sonst Sinnvolles und Nützliches macht und ob es sich positiv wandelt. Ich sehe es differenzierter: Hilft ein Unternehmen den Kunden mit seinen Produkten dabei, z. B. ein Vielfaches der CO2-Menge einzusparen, die es selbst bei deren Produktion ausstößt, ist das bemerkenswert. Oft können gerade die Unternehmen, die auch kritische Produkte herstellen, aufgrund ihrer Größe eine enorme Hebelwirkung erzielen. Wenn sich so ein Unternehmen einen kleinen Schritt bewegt, kann das für die Umwelt um ein Vielfaches bedeutender sein als die Arbeit von 700 ÖkoBäckereien. Deswegen darf man diese großen Unternehmen weiter kritisch sehen, ihnen aber nicht die Türe vor der Nase zuschlagen. Es ist schade, dass bei manchen Organisationen, die Gutes bewirken, die Gutes wollen, bei der Nennung bestimmter Konzernnamen der Rolladen heruntergeht. Das halte ich für einen Fehler. N-Kompass Magazin

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Foto Jack Wolfskin: Marc Darchinger | Foto Scorpions: Ralph Larmann

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Jack Wolfskin wurde von der Jury des DNP zum Sieger des Sonderpreises „Deutschlands recyclingpapierfreundlichstes Unternehmen 2012“ gewählt. Das Unternehmen beweist durch konsequenten Einsatz von Recyclingpapier, dass höchste Druckqualität und Ressourcenschonung sich nicht ausschließen. Dies zeigt vor allem der zweimal jährlich erscheinende Katalog mit einer Auflagenstärke von 1,6 Millionen Exemplaren.

Und was unterscheidet diese Mittelständler von den Großen? Nachhaltigkeit ist Chefsache. Unternehmerpersönlichkeiten in Familienbetrieben sind oft diejenigen, die mit beherztem Vorgehen, mit Pioniergeist und Energie ihre Firmen vorbildlich umsteuern. Die mittleren und kleinen Unternehmen agieren in diesem Sinne häufig viel mehr, während die großen oft nur reagieren. Konzerne bewegen sich oft erst auf Druck von Shareholdern, von der Öffentlichkeit, von der Politik – die kleineren handeln von sich aus und sehen oft schneller die Nischen, die sich auftun. Sie stellen etablierte Strukturen in Frage, manchmal auch in erfrischender Radikalität. Viele kleinere werden die Nase künftig vorne haben, wenn es darum geht, zu erkennen, welche Gewinnchancen sich durch Nachhaltigkeit ergeben. Was haben Sie mit dem Preis noch vor? Schon unsere ersten Gedanken gingen dahin, neben Unternehmen auch Städte und Gemeinden auszuzeichnen. Wir haben das dann erst einmal zurückgestellt, aber in diesem Jahr haben wir erstmals den Preis auch kommunal ausgeschrieben. Es zeichnet sich ein großer Erfolg ab: 500 Städte haben unsere Bewerbungsunterlagen angefordert, fast 100 haben sich beworben. Und in diesem Jahr betreten wir auch ein drittes Feld: Die Forschung. Es gibt erstmals bei uns einen Sonderpreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für Wissenschaftler, die mit ihrer Arbeit nachhaltige Entwicklungen fördern. Nachhaltigkeit macht nicht an Grenzen halt, man könnte den Preis auch auf internationaler Ebene, zum Beispiel europaweit, ausschreiben. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

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Von Martin Luther stammt der berühmte Ausspruch: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. Ist es ein verlorener Kampf, den Sie führen oder wird alles am Ende gut für die Menschheit, für die Welt ausgehen? Es darf nicht darauf ankommen, ob man Optimist ist oder Pessimist wird. Wir müssen uns für das einsetzen, von dem wir glauben, dass es eine Verbesserung bewirken kann. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die an diesem Ziel verzweifeln – aber zu diesen Menschen will ich nicht gehören. Ich habe zwei kleine Kinder, denen will ich lebenswerte Existenzgrundlagen hinterlassen. Das gilt für den kleinen Rahmen in der Familie, aber auch weit darüber hinaus. Das ist unsere Verantwortung. ◊

Zur Person Stefan Schulze-Hausmann – 1960 in Siegen geboren, ist Journalist und Produzent. Der studierte Jurist moderiert seit 1989 verschiedene Sendungen im ZDF und auf 3Sat. 2000 bis 2009 präsentierte er die „Verleihung des Deutschen Umweltpreises“ – was ihn zur Schaffung des „Deutschen Nachhaltigkeitspreises“ anregte. In Düsseldorf leitet Schulze-Hausmann die von ihm gegründete Agentur Coment für Konzeption und Produktion von Kommunikationsprogrammen und Medientraining, die im bekannten Neuen Zollhof im Medienhafen residiert, in den sogenannten „Gehry-Bauten“. Till Mansmann und Stefan Schulze-Hausmann in Düsseldorf.

Foto: Bernd Hoff

Und wie sieht das bei kleineren Unternehmen aus, also im Mittelstand? Auch der Mittelstand kann „böse“ sein, sich aber schneller wandeln. Als Beispiel will ich PUMA nennen: PUMA fertigte in Billiglohnländern unter kritikwürdigen Bedingungen und transportierte Materialien und Produkte auf dem Fertigungsweg um die halbe Welt. Jochen Zeitz hat das Unternehmen auf einen neuen Kurs gebracht, der nachhaltiges Wirtschaften zum Ziel hat. Daher war auch PUMA bei uns Preisträger. Wir werden uns auch weiterhin bemühen, große, mittlere und kleine Betriebe auszuzeichnen.


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Mitmachen & Testen

Was sagen Sie zum Thema Nachhaltigkeit?

„Die Wirtschaftlichkeit steht immer im Vordergrund. Ziel muss sein: Wenn wir mehr Geld ausgeben, um nachhaltig zu arbeiten, dann muss das überschaubar bleiben.“ „Nachhaltigkeit besteht für mich aus 3 Komponenten: einer sozialen, einer wirtschaftlichen und einer ökologischen.“

„Der Mittelstand steht per se für nachhaltiges Wirtschaften. Ich führe unser Unternehmen in der 6. Generation. Nachhaltigkeit ist für uns Überlebenszweck.“

„Seien wir ehrlich: Häufig kostet Nachhaltigkeit erstmal Geld. Uns ist es das wert, aber wirtschaftlich lohnt es sich nicht immer. Wir machen das, weil wir auf lange Sicht denken – und weil es uns ruhiger schlafen lässt.“

„Nachhaltigkeit ist so ein dehnbarer Begriff: Alles, was sich aus sich selbst wieder erneuern kann. Der Begriff ist relativ alt, kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft, d. h. «im Wald so viel entnehmen, wie wieder nachwächst».“

Welche Themen sind für Ihr Unternehmen wichtig? Handlungsfeld

sehr wichtig

wichtig

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N-Kompass

„Wir müssen was tun.“ Nachhaltigkeit ist für mittelständische Unternehmen ein Zukunftsthema, mit dem sie sich früher oder später beschäftigen müssen. Die meisten wissen, dass sie etwas tun müssen, haben aber keine klare Vorstellung davon, wie sie vorgehen sollen. Es bleiben mehr Fragen als Antworten. Der N-Kompass – ein Online-Produkt zur nachhaltigen Unternehmensführung – gibt Antworten.

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er N-Kompass unterstützt mittelständische Unternehmen in einfacher und handlungsorientierter Form, eine Standortbestimmung der eigenen Nachhaltigkeit durchzuführen. Hierbei werden Handlungsfelder priorisiert und konkrete Maßnahmen identifiziert, die direkt und praktisch umsetzbar sind. Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften wollen, können nicht einfach einzelne Aspekte ausklammern: Alle Produkte, alle Arbeitsschritte und alle Abteilungen müssen auf ihre ökologische Wirkung geprüft werden. Denn nur dann wird die Wechselwirkung zwischen Wirtschaftsleistung und Umwelt realitätsnah wiedergegeben. Große Unternehmen leisten sich dafür meist externe Berater. Für kleine und mittlere Unternehmen hingegen ist dieser Weg oft nicht geeignet. Individuelle Betreuung ist teuer und macht die Absicht, ein Unternehmen nachhaltig aufzustellen, schnell zunichte. Ein hoher Implementierungsaufwand stellt ebenfalls eine Hürde dar, die gerade für kleinere Unternehmen schwer zu überspringen ist. An dieser Stelle setzt der N-Kompass an: Aufbauend auf der Erfahrung typischer mittelständischer Firmen wurde ein automatisiertes Verfahren zur Analyse der Unternehmenssituation erstellt. Das Online-Werkzeug ermöglicht es teilnehmenden Unternehmen, ihre Lage zu analysieren, Maßnahmen zur Nachhaltigkeit zu planen und diese gezielt Schritt-für-Schritt umzusetzen.

Beim N-Kompass kaufen Sie nicht die „Katze im Sack“: Alle Interessenten erhalten eine kostenlose Basis-Analyse und können schnell und einfach testen, ob das Online-Werkzeug zu ihrem Unternehmen passt. Die Basis-Analyse dient der Standortbestimmung und fragt ab, wie gut das jeweilige Unternehmen bereits nachhaltig wirtschaftet. Nach dem Ausfüllen der Fragen erhält das Unternehmen eine Priorisierung der Handlungsfelder und Maßnahmen. Aus den priorisierten Maßnahmen kann der Nutzer einzelne herausgreifen. Der N-Kompass bietet außerdem über 70 detaillierte Dossiers zu den wichtigsten Maßnahmen rund um die nachhaltige Unternehmensführung. Die Dossiers beinhalten Grundlagenwissen sowie Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Checklisten, Experten-Tipps etc. Der Weg in eine nachhaltige Unternehmensführung kann nur gelingen, wenn alle im Unternehmen mitmachen. Dann kann sich eine nachhaltige Unternehmensphilosophie auch zu einem starken Instrument der Mitarbeiterbindung entwickeln. Nachhaltige Unternehmen sind familienfreundlich, nehmen auf ihre Mitarbeiter und deren Bedürfnisse Rücksicht und sind dadurch attraktive Arbeitgeber, mit denen sich die Mitarbeiter gerne identifizieren. Das hat auch positive Folgen auf die Außendarstellung des Unternehmens. Kostenlose Basis-Analyse: ÿ www.n-kompass.de

Statement zum N-Kompass

Nachhaltigkeit ist für uns gelebte Realität nach dem Motto: „Taten statt Worte“. Dieser Maxime folgt auch der N-Kompass. Ein sehr empfehlenswertes Werkzeug für alle Mittelständler, die ihr Nachhaltigkeits-Management selbst in die Hand nehmen wollen. Dr. Thomas Schnell, Geschäftsfüher der DR.SCHNELL Chemie GmbH – Top 3 Deutschlands nachhaltigste Marken 2013

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Schlusspunkt

TIPP Wussten Sie, dass bei der Nutzung von Druckern der Papierverbrauch einen Anteil von ca. 90 % der gesamten Umweltbelastungen einnimmt? Büros und Verwaltungen verbrauchen pro Jahr ungefähr 800.000 Tonnen Papier, das sind über 320 Millionen Pakete DIN A4-Papier à 500 Blatt.

Kaffeepause für den Drucker

Papierspar-Tipps für den Büroalltag

Mal schnell im Büro drei reinweiße Blätter Druckerpapier ausgedruckt? Das entspricht dem Energieverbrauch, den man auch für zwei Kannen Kaffee aufwenden muss. Recyclingpapier hingegen braucht nur etwa die Hälfte dieser Energie – also nur rund eine Kanne Kaffee. Ein paar Mails am Bildschirm lesen statt auf Papier, schützt unsere Umwelt. Immerhin 4 bis 5 Gramm CO2 wird für die Produktion eines A4-Papier-Blattes in die Atmosphäre geblasen.

Viele Drucker beherrschen heute den sogenannten Duplex-Betrieb, das beidseitige Bedrucken von Papier. Gerade bei größeren Dokumenten spart das enorm – und halbiert nebenbei die Höhe mancher Aktenstapel auf dem Schreibtisch. Eine andere Möglichkeit ist das verkleinerte Drucken: Bei manchen Dokumenten, zum Beispiel Präsentationen, bietet es sich an, zwei Seiten auf einem DIN A4-Blatt verkleinert nebeneinander zu drucken.

Die Initiative Pro Recyclingpapier rechnet vor, wieviel Energie – und damit CO2 – pro Tonne Recylingpapier gespart wird: Die Differenz zum Energieverbrauch bei der Produktion von weißem Papier aus Holz entspricht der Energie, die ein Pkw für die Fahrt von Berlin nach Paris benötigt.

Jeder Bundesbürger, so die Initiative Pro Recyclingpapier, verbraucht rund 700 Gramm Papier täglich, das entspricht einer Taschenbuchausgabe eines „Harry Potter“-Bandes. Das meiste davon fällt im Büro an – und vieles davon ist unnötig. ◊ Till Mansmann

Impressum N-Kompass Magazin Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand Erscheinungsweise: Sie erhalten das Magazin 4-mal im Jahr kostenlos im Rahmen des Abonnements N-Kompass NWB Verlag GmbH & Co. KG AG Bochum HRA 5124 Geschäftsführer Dr. Ludger Kleyboldt Eschstraße 22 44629 Herne Fon 02323.141-900 Fax 02323.141-123 Internet: www.nwb.de Bankverbindung: Postbank Dortmund IBAN DE69 4401 0046 0064 0694 67 BIC PBNKDEFF

Redaktion: Dipl.-Kffr. (FH) Yvonne Buckesfeld (verantwortlich) Dipl.-Phys. Till Mansmann E-Mail: kontakt@n-kompass.de

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Verantwortlich für Anzeigen: Andreas Reimann E-Mail: anzeigen@nwb.de

Produktion: Für das N-Kompass Magazin verwenden wir die Druckfarben Novabord C 990 PROTECT BIO (mineralölfrei, Bindemittel ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen). Der eingesetzte Dispersionslack entspricht den Vorgaben der Spielzeugnorm EN71-3 (Sicherheit von Spielzeug). Das N-Kompass Magazin wird klimaneutral gedruckt auf Circlesilk Premium white, einem Recyclingpapier aus 100 % Altpapier, das FSC® zertifiziert und mit dem EU Eco Label ausgezeichnet ist.

Druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm Empfohlene Zitierweise: N-Kompass 1/2014, S. 16 Einzelbezugspreis: € 7,90 (D) Manuskripte: Annahme nur von Originalaufsätzen, die ausschließlich dem Verlag zur Alleinverwertung in allen Medien (einschließlich Datenbanken und Online-Nutzung) angeboten werden. Das Magazin und alle in

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