WORKING (2012) Textbuch

Page 1

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w S I R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Textbuch (dt.)

Revised Version (2012)

Nach dem Buch von STUDS TERKEL Bearbeitet von NINA FASO und STEPHEN SCHWARTZ Mitarbeit: GORDON GREENBERG

N

IC

Songs von CRAIG CARNELIA, JAMES TAYLOR, MARY RODGERS, MICKI GRANT, STEPHEN SCHWARTZ, SUSAN BIRKENHEAD und LIN-MANUEL MIRANDA Deutsch von MARTIN WESSELS-BEHRENS und JUDITH BEHRENS Bühnenvertrieb in Deutschland:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de 07/19


Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

N

IC

Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de


INHALTSVERZEICHNIS BEMERKUNGEN ZUR PRODUKTION .......................................................................................... 2 ROLLEN ............................................................................................................................................... 3 MUSIKNUMMERN ............................................................................................................................. 4

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MUSIKNUMMERN NACH ROLLEN ............................................................................................... 5 AUTOREN DER SONGS .................................................................................................................... 6

#1 – Den lieben langen Tag ....................................................................................................................... 8 #1a – Den lieben langen Tag - Playoff ................................................................................................ 13 #1b – Rex‘ Kostümwechsel ..................................................................................................................... 13 #2 – Wer liefern kann ............................................................................................................................... 15 #3 – Wie, hat mir keiner je erklärt ...................................................................................................... 20 #4 – Alter Trucker ...................................................................................................................................... 22 #5 – Einfach Hausfrau ............................................................................................................................... 29 #6 – Fließband ............................................................................................................................................. 36 #7 – Das, was in mir steckt ..................................................................................................................... 39 #8 – Der Maurer .......................................................................................................................................... 45 #8a – Delores Überleitung ...................................................................................................................... 47 #9 – Elegant und charmant .................................................................................................................... 47 #9a – Joes Kostümwechsel ..................................................................................................................... 50 #10 – Joe ......................................................................................................................................................... 51 #11 – Ein sehr guter Tag .......................................................................................................................... 55 #12 – Die Putzen ......................................................................................................................................... 57 #13 – Väter und Söhne ............................................................................................................................. 62 #14 – Wohinter man steh’n kann ........................................................................................................ 65

N

IC

1


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

BEMERKUNGEN ZUR PRODUKTION Die Rollen in WORKING sind nicht fiktional. Die Namen wurden geändert, aber die Worte nicht. Auch bei den Songtexten haben die Autoren versucht, so glaubhaft wie möglich am originalen Wortlaut zu blieben. WORKING ist kein herkömmliches Musical - ganz einfach, weil es keinen Handlungsfaden gibt, der das Geschehen vorantreibt. Aber es ist auch keine Revue, bei der die einzelnen Szenen wahllos und austauschbar sind. Im Grunde steht das Material dergestalt nebeneinander, dass eine Szene sanft in die andere übergeht, und was eine Person sagt, steht in inhaltlicher Beziehung zur Person, die voranging und der, die folgt. In gewisser Weise sind die Übergänge genauso bedeutsam wie der Inhalt der Szene selbst, insofern als das Beziehungsgeflecht aller Personen ein der Show zugrunde liegendes Thema ist. In einigen Fällen, z.B. im Wechsel vom Supermarkt zu den Migranten und zurück, ist der Übergang sogar der eigentliche Kern der Szene. Wir haben generell versucht, die Überleitungen in den Regieanweisungen deutlich zu machen, aber sie können inszenatorisch noch gesteigert werden, indem sich etwa Personen überlappen oder beim Monolog einander beobachten usw. Der Darsteller von Mike Dillard - der einzige, der keine andere Rolle übernimmt - ist für diesen Zweck besonders gut geeignet. Wahrscheinlich ist dies der schwierigste Aspekt der Produktion, weil die Proben vermutlich in Einzelarbeit erfolgen werden, und so die Übergänge erst hergestellt werden können, wenn die Inszenierung einen Durchlauf-Status erreicht hat. Aber es ist extrem wichtig, dass die Regie sich die Zeit nimmt sicherzustellen, dass es wirklich Übergänge gibt und diese sowohl den Darstellern als auch dem Publikum bewusstwerden. Geschieht dies nicht, verliert die Show viel von ihrer Kraft und Bedeutung.

Eine Bemerkung für den Choreografen: Die Choreografien sollten so weit wie möglich auf tatsächlichen Arbeitsbewegungen basieren. Dies ist besonders wichtig beim Song „All The Livelong Day“. Wenn der Eindruck entsteht, dass die Figuren „tanzen“, verlieren sie einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft.

N

IC

Eine Bemerkung zur Art der Darstellung: Es sollte immer bedacht werden, dass die Texte von realen Personen in Interviews gesagt wurden. Die Darsteller sollten der Versuchung widerstehen, die Worte über Gebühr zu dramatisieren oder zu kommentieren, insbesondere in den ernsten Monologen. Menschen tendieren dazu, über sich selbst sachlich nüchtern mit einer gewissen Zurückhaltung und selbstironischem Humor zu sprechen, und je tragischer ein Schicksal ist, desto größer ist oftmals das Lächeln, mit dem es erzählt wird und desto stärker wird der/die Erzähler/in es herunterspielen. Die Darsteller sollten auch, wenn sie sich den Rollen nähern, darüber nachdenken, wie zurückhaltend oder wie extrovertiert ein Charakter sein mag, wenn er öffentlich vor Menschen spricht. Seine Einstellung zum Publikum und die Art und Weise, wie er mit uns kommuniziert, verraten viel über sein Wesen. Stephen Schwartz

2


N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ROLLEN Mike Dillard, Stahlbaumonteur Amanda McKenny, Projektmanagerin Freddy Rodriguez, Bedienung in einem Fastfood-Restaurant Rex Winship, Hedge-Fond-Manager Rose Hoffman, Lehrerin Terry Mason, Flugbegleiterin Kate Rushton, Hausfrau Conrad Swibel, UPS-Fahrer Roberta Victor, Prostituierte Candy Cottingham, Socialite Grace Clements, Fließbandarbeiterin Allen Epstein, Gemeindeorganisator Anthony Coelho, Maurer Eddie Jaffe, Pressesprecher Delores Dante, Kellnerin Joe Zutty, Rentner Tom Patrick, Feuerwehrmann Utkarsh Trajillo, Altenpfleger Theresa Liu, Kindermädchen Maggie Holmes, Putzfrau Ralph Werner, Unternehmer Charlie Blossom, Praktikant Die Chicagoer Produktion 2010 hatte sechs Darsteller, drei Frauen und drei Männer, die wie folgt zugeordnet waren. Natürlich wird jede individuelle Produktion auch mehr Darsteller einsetzen und/oder sie in unterschiedlichen Rollen doppeln. FRAUEN 1. Terry Mason, Sharon Atkins, Grace Clements, Theresa Liu 2. Amanda McKenny, Kate Rushton, Roberts Victor, Maggie Holmes 3. Rose Hoffman, Candy Cottingham, Delores Dante MÄNNER 1. Rex Winship, Frank Decker, Conrad Swibel, Mason Soloist, Tom Patrick 2. Freddy Rodriguez, Raj Chadha, Allen Epstein, Anthony Coelho, Utkarsh Trajillo, Charlie Blossom 3. Mike Dillard, Eddie Jaffe, Joe Zutty

3


MUSIKNUMMERN 1. AKT Den lieben langen Tag Den lieben langen Tag - Playoff Rex‘ Kostümwechsel Wer liefern kann Wie hat mir keiner je erklärt Alter Trucker Einfach Hausfrau Robertas Kostümwechsel Fließband Das, was in mir steckt Der Maurer Delores‘ Kostümwechsel. Elegant und charmant Joes Kostümwechsel Joe Ein sehr guter Tag Die Putzen Väter und Söhne Wohinter man steh’n kann Verbeugungen/Exit

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

1. 1a. 1b. 2. 3. 4. 5. 5a. 6. 7. 8. 8a. 9. 9a. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

N

IC

4


MUSIKNUMMERN NACH ROLLEN FRAU 1 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 4. Alter Trucker 5. Einfach Hausfrau 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 9. Elegant und charmant 11. Ein sehr guter Tag 12. Die Putzen 14. Wohinter man steh’n kann MANN 1 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 4. Alter Trucker 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 8. Der Maurer 9. Elegant und charmant 13. Väter und Söhne 14. Wohinter man steh’n kann FRAU 2 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 4. Alter Trucker 5. Einfach Hausfrau 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 9. Elegant und charmant 12. Die Putzen 14. Wohinter man steh’n kann

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 2 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 4. Alter Trucker 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 8. Der Maurer 9. Elegant und charmant 11. Ein sehr guter Tag 13. Väter und Söhne 14. Wohinter man steh’n kann FRAU 3 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 3. Wie hat mir keiner je erklärt 4. Alter Trucker 5. Einfach Hausfrau 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 9. Elegant und charmant 12. Die Putzen 14. Wohinter man steh’n kann MANN 3 1. Den lieben langen Tag 2. Wer liefern kann 4. Alter Trucker 6. Fließband 7. Das, was in mir steckt 9. Elegant und charmant 10. Joe 13. Väter und Söhne 14. Wohinter man steh’n kann

5


AUTOREN DER SONGS

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

„Den lieben langen Tag“ Musik und Text von Stephan Schwartz (mit Worten von Walt Whitman) „Wer liefern kann“ Musik und Text von Lin-Manuel Miranda „Wie, hat mir keiner je erklärt“ Text von Susan Birkenhead Musik von Mary Rodgers „Alter Trucker“ Musik und Text von James Taylor „Einfach Hausfrau“ Musik und Text von Craig Carnelia „Fließband“ Musik und Text von James Taylor „Das, was in mir steckt“ Musik und Text von Micki Grant „Der Maurer“ Musik und Text von Craig Carnelia „Elegant und charmant“ Musik und Text von Stephan Schwartz „Joe“ Musik und Text von Craig Carnelia „Ein sehr guter Tag“ Musik und Text von Lin-Manuel Miranda „Die Putzen“ Musik und Text von Micki Grant „Väter und Söhne“ Musik und Text von Stephan Schwartz „Wohinter man steh’n kann“ Musik und Text von Craig Carnelia

6


Alle Regieanweisungen entsprechen der 2010er Produktion Broadway in Chicago, Regie: Gordon Greenberg.

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(Wenn das Publikum eingelassen wird, sieht es Darsteller, die sich vorbereiten, Bühnenarbeiter, die die Bühne aufbauen, und den Inspizienten, der kontrolliert, ob für die Show alles vorbereitet ist. Auf der Bühne sieht man auf fünf Schreibtischen große 2-spulige Tonbandgeräte aus den 70er Jahren. Während das Saallicht langsam herunterfährt, hört man die Kommunikation zwischen Inspizient und Bühnenarbeitern, die ihre internen Gespräche beenden, wenn der Inspizient sie aufruft: ‚Licht 1 – jetzt‘. Wenn das Saallicht halbiert ist, hört man den Inspizienten deutlich …) INSPIZIENT Achtung für Licht 2 – 6, Video 1 und 2, Molton und Sound 10. (Im Hintergrund wiederholen Bühnentechniker die Kommandos.) Saal aus, Licht 2, Molton rein – jetzt. (Das Licht wechselt und eine Soffitte wird herabgelassen.) Licht 3 und Video 1 – jetzt. (Wenn er oder sie ‚jetzt‘ sagt, trifft eine Projektion die Soffitte, dort steht: 1974 veröffentlichte der Fernsehjournalist Studs Terkel eine erfolgreiche Sammlung von Interviews, in der Personen quer durch die amerikanische Bevölkerung interviewt werden und über ihre Arbeit erzählen.) Licht 4 und Video 2 – jetzt. (Der nächste Text erscheint, er heißt: 2007/2008 wurden weitere Interviews gemacht. Terkel beschrieb sie als ‚außergewöhnliche Träume gewöhnlicher Leute‘. Die letzte Seite erscheint, dort steht: Dies sind ihre Worte.) Licht 5, Sound 10, Molton raus – jetzt. (Wenn er oder sie ‚jetzt!‘ sagt, startet eines der Tonbänder auf der Bühne, und dessen Spulen beginnen, sich zu drehen. Wir hören die ‚originale‘ Aufnahme von Terkel, wie er mit einem der Interviewpartner spricht. Dann startet ein anderes Tonband, und die Interviews beginnen, sich zu überschneiden, dann ein weiteres, usw., bis sich alles zu einer Kakophonie aufbaut.) (Das Licht wechselt direkt, wenn die Band mit dem rockigen Vamp des Openings einsetzt. Hinter der hochfahrenden Soffitte erscheinen die Darsteller …)

7


#1 – DEN LIEBEN LANGEN TAG

FRAU 1

ICH HÖR’ DAS GANZE LAND SINGEN

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 1 & FRAU 2

ICH HÖR‘ …

ICH HÖR’ …

MANN 3 & FRAU 1

MANN 1 & FRAU 2

ICH HÖR’ …

MANN 2 & FRAU 3

N

IC

IM VIELSTIMMIGEN CHOR

MANN 1 & 3, FRAU 1 & 2 … DAS GANZE LAND SINGEN MANN 2, FRAU 3 … DAS GANZE LAND MANN 2, FRAU 1 & 3 … SINGEN MANN 1 & 3, FRAU 1 & 2 … SINGEN MANN 1 & 3, FRAU 1, 2 & 3 … SINGEN MANN 2

DEN MAURER SINGEN …

8


DIE KELLNERIN SINGEN,

FRAU 3

FRAU 1

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DIE ARBEITERIN SINGEN, FRAU 2 DEN MANAGER SINGEN, MANN 1 DEN FEUERWEHRMANN SINGEN, ALLE JEDEN SINGEN, FRAU 3 DEN LEHRER, MANN 1 DEN TRUCKER, FRAU 1 & 2, MANN 2 DIE NUTTE, FRAU 1 & 2, MANN 1 & 2 DIE HAUSFRAU, ALLE ICH HÖR’ MANN 2 & 3 ICH HÖR‘ FRAU 1 ICH HÖR‘

9


ALLE DAS GANZE LAND SINGEN, DAS GANZE LAND SINGEN!

(Die Tonbandgeräte drehen sich weiterhin, und jetzt hört man sie erneut. Diesmal sprechen aber die Darsteller synchron zu den ‚originalen‘ Interviews und halten dabei das Textbuch zu WORKING in den Händen.)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 1* Jede Ladung ist eine Herausforderung, und wenn du sie schließlich /abgeliefert hast, hast du das Gefühl, etwas zu Ende gebracht zu haben. Und ich glaube nicht, dass man so etwas bekommt, wenn man irgendwo am Fließband steht. FRAU 3 Ich fühl‘ mich in gewisser Weise wie Carmen, wie eine Zigeunerin/, die ein Tamburin hält, wissen Sie, und die Leute schmeißen ihre Münzen rein. MANN 3

N

IC

Heb’s auf, leg’s hin, heb’s auf, leg’s hin, heb’s auf, leg’s hin. FRAU 2 Es klingt schrecklich, nur eine Hausfrau, das ist wahr/, was ist eine Hausfrau? MANN 2 Jeder Mann, der mit den Händen arbeitet, ist stolz auf das/, was er tut, denke ich. FRAU 1 Ich mag es zu fliegen und ich mag Leute, das tue ich wirklich, und all die vielen Vorzüge - um die Welt fliegen und berühmte Leute treffen. (MIKE DILLARD, Stahlbaumonteur, löst sich aus der Menge.)

*

Die Schrägstriche ‚/‘ in diesem Dialog markieren den Punkt, an dem der nächste Darsteller jeweils zu sprechen beginnt, wobei sich seine Worte mit dem Rest der vorherigen Zeile überlappen.

10


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MIKE HEY, WILL JEMAND MEINE STORY HÖR’N? DIE STORY, DAS BIN ICH! HABT IHR REPORTER NICHTS ZU TUN? HÖRT MAL AUF, EUCH AUSZURUH’N! FANGT AN, MICH ZU INTERVIEWEN! UND SCHIEBT ’NE MILLION RÜBER, DANN RED’ ICH ÜBER EISEN UND STAHL. DENN SCHIEBT IHR MIR ’NE MILLION RÜBER, DANN IST MIR DIESER SCHEISSJOB VÖLLIG EGAL!

(wie abgezählt)

ALLE

EINS, ZWEI, DREI, VIER,

IC

AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. JEDER WEISS, ES GEHT SEINEN GANG: ARBEITEN FÜR’S LEBEN DEN GANZEN TAG LANG, DEN LIEBEN LANGEN TAG. HEY, MAN, WAS GEHT AB, NIMMST DU MICH MIT? SCHAU DOCH ZU MIR HER! FRAUEN NOCH SIEHST DU’S NICHT, DOCH ICH WERDE ALT, MÄNNER ALTER MACHT VOR KEINEM HALT.

N

MÄNNER DU BIST DICKE MIT, IHR WISST SCHON, WEM – ICH UND MEIN KUMPEL MONTAG, KOMMT MIT SONNE ODER MIT REGEN, ICH UND MEIN KUMPEL MONTAG,

FRAUEN DU BIST DICKE - IHR WISST SCHON, WEM – MONTAG, ODER REGEN MONTAG

11


ALLE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

UND ’NE HEISSE TASSE KAFFEE IST EIN ECHTER SEGEN, ’NE HEISSE TASSE KAFFEE IST EIN ECHTER SEGEN, ’NE HEISSE TASSE KAFFEE IST EIN ECHTER SEGEN, UND JETZT EINS, ZWEI, DREI, UND AUF GEHT’S: AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. JEDER WEISS, ES GEHT SEINEN GANG: ARBEITEN FÜR’S LEBEN DEN GANZEN TAG LANG, DEN LIEBEN LANGEN.

MANN 3 & FRAU 1

AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG.

N

IC

MANN 1 & FRAU 3 AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG.

ALLE

MANN 2 & FRAU 2 AUCH WENN MAN’S NICHT MAG DEN LIEBEN LANGEN TAG. LIEBEN LANGEN TAG LIEBEN LANGEN TAG LIEBEN LANGEN TAG

JEDER WEISS, ES GEHT SEINEN GANG: ARBEITEN FÜR‘S LEBEN DEN GANZEN TAG LANG, DEN LIEBEN LANGEN TAG!

12


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

#1A – DEN LIEBEN LANGEN TAG - PLAYOFF MIKE Ich bin eine sterbende Spezies. Ein Arbeiter. Reine Muskelarbeit. Heb’s auf, leg’s ab, heb’s auf, leg’s ab. Jeden Morgen wartest du unten in der Baracke bis um 7.00 Uhr. Um Punkt sieben geht’s los, und du fängst an, das Stahlgerüst raufzuklettern, Leiter für Leiter. Alle zwei Stock plankst du ab. Dann trennst du den Fuß vom Mast und bindest ihn an den Ladebaum, zusätzlich zur Drosselleine. Dann das gleiche nochmal, und du hebst die andere Seite ab. Ich bin Stahlbaumonteur, seit ich achtzehn bin. Ich habe auf bis zu 300m hohen Häusern gearbeitet. Die meisten Leute haben bei solchen Höhen Angst, deshalb hat jeder Stahlbaumonteur seinen Stolz. Du machst was, was andere nicht können. Und du trägst einen Werkzeuggürtel. Wenn du achtzehn bist, trägst du die Schraubenschlüssel wie einen Pistolenhalfter, und du fühlst dich wie’n Cowboy. Aber ich wusste schon immer, dass ich Stahlbaumonteur werde. Meine älteren Brüder waren es und mein Vater auch, so hat es sich ganz natürlich ergeben. Mein Vater … mein Vater war sehr enttäuscht, dass ich nicht studiert hab’. (um von dem persönlichen Thema wegzukommen)

N

IC

Wir hatten letzten Sommer einen Studenten auf’m Bau. Einmal sah er ein Buch hinten in meiner Hosentasche und war erstaunt: „Du liest?!“ So was kann dir passieren, dass Leute dir nichts zutrauen. Zu hören, der ist ein Arbeiter, die ist nur ’ne Hausfrau, das nervt dich manchmal. Manchmal, so an bestimmten Tagen, suche ich die Skyline nach einem Gebäude ab, auf dem ich war, z.B. das Bürohaus dort. Seht ihr das? Ich hab‘ geholfen, es zu bauen. Und ich weiß, da sitzt irgendein Kerl drin, hinter seinem 5000 Dollar-Schreibtisch, der niemals an mich denken wird. Aber hey, ich denke manchmal an ihn. #1B – REX‘ KOSTÜMWECHSEL (In der Chicagoer Produktion wurde MIKE vor den Augen der Zuschauer durch Umzugshilfen in REX WINSHIP, einen Hedgefond-Manager, umkostümiert. Wenn die Musik plötzlich endet, summt er seine Assistentin herbei und läuft wütend durch sein Büro.) REX (MANN3) Amanda! Wo sind die Bilanzen? (Man hört ihn auf ihrer Freisprecheinrichtung. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch, während fortlaufend E-Mails auf ihrem Computer eintreffen und sich das Bühnenbild in einen Bürokomplex mit lauter einzelnen Bürokabinen verwandelt.)

13


AMANDA MCKENNY, PROJEKTMANAGERIN

Sie liegen auf ihrem Schreibtisch.

REX

Warum habe ich sie nicht in der Hand?

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

AMANDA

N

IC

Ich bin Projektmanagerin. Ich bin um 7.30 Uhr morgens am Arbeitsplatz, und ich gehe abends um acht Uhr. Zwischen meinen Besprechungen beantworte ich Emails und vermeide es, meinem Chef zu begegnen. Manchmal ist dein Boss okay und manchmal ist er ein Arschloch. Er steht nicht gerade zufällig hinter mir, oder? Ich wünschte mir, diese Wände wären etwas mehr … etwas höher. Ich war in vielen verschiedenen Bürokabinen. Ich war in denen mit hochgezogenen Trennwänden, ich war in den halbhohen. Hören Sie – So wie die Lage gerade ist, bin ich froh, überhaupt in einer Bürokabine zu sitzen. Ich habe Freunde, die würden für diesen Job töten – für irgendeine Art von Job. ANDERE FRAU IN BÜROKABINE (FRAU 3) Ich habe die Wände von meiner Kabine mit Postern zugehängt, ich hab‘ auch Blumen mitgebracht und meine schönste Keramiklampe. Diese kleine Kollektion auf meinem PC – ich nenne sie „Computergötter“. Ich glaube, ich habe mehr Nippes als ich dachte. Aber wissen sie, Dinge wie fluoreszierende Skelette helfen einem echt weiter. MANN IN BÜROKABINE (MANN 1) Sich eine Bürokabine zu teilen ist wie in Toiletten. Es ist egal, wie hoch die Wände oder wie groß die Kabinen sind, du bist immer mit jemandem zusammen, und das ist nicht besonders sexy. MANN MIT HEADSET IN BÜROKABINE Ich kann die Programmiererin in der Kabine nebenan sehen, sie spiegelt sich in den Glasscheiben. Abends kann ich dann auch genau sehen, was sie macht. Meistens chattet sie mit ihrer Freundin. Ich habe eine Webcam geordert. Ich habe sie so aufgestellt, dass ich den Bereich hinter mir einsehen kann. Auf meinem Bildschirm habe ich die Webcam immer in einem kleinen Fenster geöffnet. Wenn dann jemand hinter mir vorbei geht, kann ich ihn sehen. FRAU IN BÜROKABINE (FRAU 1) Als Kind hatte ich die Vorstellung, ich gehe aufs College und mache dann meine erste Million. Ich hatte die Vorstellung, jemand würde mir schon einen Mercedes vor die Tür stellen. Es war ein ziemlich hartes Aufwachen. Dies ist das erste Mal seit vier Generationen, dass es Kindern schlechter geht als ihren Eltern.

14


AMANDA Die Leute sind mehr als ihr Job. Wenn du die meisten Leute fragst, wer sie sind, definieren sie sich über ihren Job: ‚Ich bin Arzt.‘ ‚Ich bin Tischler.‘ ‚Ich bin Sportreporter.‘ Wenn jemand mich fragt, sage ich: ‚Ich bin Amanda McKenny. An gewissen Orten und zu gewissen Zeiten tue ich Dinge, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.‘

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(Während sie spricht, wandelt das Ensemble das Bühnenbild in ein Fast-FoodRestaurant um.) #2 – WER LIEFERN KANN

Meine Einstellung ist da völlig anders als bei den Leuten, die zwanzig Jahre älter sind, die ‚Lebenslänglichen‘. Ich habe kein wirklich tiefes Gefühl von Loyalität, weil ich weiß, dass die da oben dafür sorgen müssen, dass ein Unternehmen läuft und sie mich entlassen werden, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Das akzeptiere ich. Keiner meiner gleichaltrigen Kollegen denkt: Jetzt habe ich den Job fürs Leben. Was die denken ist: OK, ich versuche, hier für mich den größtmöglichen Vorteil herauszuziehen, dies ist der erste Job von vielen.

N

IC

(Eine Umzugshilfe hilft MANN 2, sich in FREDDY RODRIGUEZ zu verwandeln, einen Angestellten in einem Fast-Food-Restaurant). FREDDY (MANN 2) EY, ICH HAB‘ ‘NEN JOB UND RIECH’ WIE EIN BURGER. DIE KASSE GEHT GANZ EINFACH. HEY, WILLST DU ‘NEN BURGER? ICH DRÜCK’ DIE TASTE MIT DEM BURGER. UND WIE‘S LÄUFT, DAS WEISS ICH SCHON: HALLO, EIN BIG MAC UND EIN MC CHICKEN. UND ICH WARTE AUF’S TELEFON, AUF’S TELEFON. ‘NEN GRUND, UM MICH BALD LOS ZU SCHICKEN. SCHREIBT DER MANAGER ‘NE BESTELLUNG AUF ‘NEN ZETTEL, GREIFT DER MANAGER NACH DEM WECHSELGELD, SCHREIBT DER MANAGER ‘NE ADRESSE AUF, DENK’ ICH: DAS IST FÜR MICH! WECHSELGELD HER! GIB’S MIR, DAMIT ICH DANN UND WANN HIER RAUS UND ETWAS LIEFERN KANN! DENN DANN BIN ICH MAL ALLEIN.

15


MANN 1 & 3, FRAU 1, 2 & 3 GUT, DASS ER WAS LIEFERN KANN! ZU LIEFERN IST COOL, ES MACHT SPASS, UNTERWEGS ZU SEIN. GUT, DASS ER WAS LIEFERN KANN, WAS DA DRAUSSEN BLÜH’ ICH AUF LIEFERN KANN. UND MANCHMAL, DA GEB‘ ICH NOCH POMMES DRAUF, DENN HEUTE, DA DARF ICH RAN, DENN ICH BIN DRAN. DER TAG FÄNGT ZIEMLICH GUT AN, WEIL ICH WAS LIEFERN KANN! DER TAG FÄNGT ZIEMLICH GUT AN, WEIL ICH WAS LIEFERN KANN! UND ICH SPÜR‘ DEN WIND IM HAAR. KEINER ÄRGERT MICH, WOHIN ICH GUT, DASS ER WAS LIEFERN KANN! AUCH IMMER FAHR’. DOCH DAS ESSEN, DAS WIRD KALT, AH! DRUM FAHR‘ ICH SCHNELL, MACH’ NIRGENDS HALT. FÜHL’ MICH VERANTWORTLICH. BIN FÜR VIELES VERANTWORTLICH. SCHAUT, MEIN VATER IST IM RUHESTAND SITZT DEN TAG LANG ZUHAUS, DRUM MACHT MUTTER EINE ZUSATZSCHICHT, SONST REICHT DAS GELD NICHT AUS. IHNEN WILL ICH NICHT AUF DER TASCHE LIEGEN, UND ICH WILL SIE NICHT UM WAS BITTEN MÜSSEN. ICH WILL MICH FÜHLEN SO WIE EIN FREIER MANN! ICH BIN HIER FEST ANGESTELLT, … DER ETWAS LIEFERN KANN. ICH SPARE AUSSERDEM GELD. WER DAS GLÜCK NICHT VERPRELLT, KOMMT NACH OBEN. UND WEIL ICH MINDESTOHN KRIEG’, DAMIT IM DURCHSCHNITT GUT LIEG’, AH DAZU NOCH JEDEN CENT SPAR’, AH WIRD ES BALD SOWEIT SEIN. AH UND DANN STARTE ICH DURCH, WIRD ES BALD SOWEIT SEIN. WAS AUCH IMMER PASSIER’N WIRD.

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(FREDDY)

16


AH, AH! AH, AH, AH! JA! OB DER BALD LIEFERN KANN, BALD MAL LIEFERN KANN? OB DER BALD LIEFERN KANN? ZU SPÄT! ZWÖLF DOLLAR ZEHN IHR LIEFERMANN! WIE SCHNELL ER LIEFERN KANN, ETWAS LIEFERN KANN! WIE SCHNELL ER LIEFERN KANN, WAS LIEFERN KANN! DANN: MAN!

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

NA KLAR, DAS RESTAURANT SCHLAUCHT MICH, DOCH DIE FAMILIE BRAUCHT MICH. ICH LIEFER‘ GERN! DER KUNDE GEHT IMMER VOR. DANKE, DASS ICH HEUT NICHT IN DER KÜCHE SCHMOR! BIN SPÄT, MUSS ICH GESTEHN, LIEF LEIDER NICHT WIE VORGESEHN. EIN PAAR SERVIETTEN LEG’ ICH DRAUF UND HOFF’, DASS SIE VERSTEH’N, DAS WÄR’N DANN ZWÖLF DOLLAR ZEHN, ICH BIN IHR LIEFERMANN! BIN IM LIEFER–PARADIES, UND DAS IST, WAS ICH GENIESS. UND WAS ICH NOCH VERGASS: WER ZAHLT, HATT’S OFT NICHT KLEIN, UND DANN FÄNGT DER SPASS ERST RICHTIG AN, DENN DER SAGT DANN:

N

REX (Er hat nur einen großen Schein. Er zögert, dann gibt er ihm FREDDY.) Was soll’s. Der Rest ist für Sie.

17


FREDDY

‚IST FÜR SIE!‘ ‚IST FÜR SIE!‘ ‚IST FÜR SIE!‘ ‚DER REST IST FÜR SIE!‘ WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, DANN, DANN: MAN! ICH LIEFERN KANN! REX

MANN 1 & 3 ‚IST FÜR SIE!‘ ‚IST FÜR SIE!‘ WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN MAN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, MAN, WER LIEFERN KANN, WER LIEFERN KANN, MAN, DANN, DANN: MAN! ICH LIEFERN KANN!

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

‚IST FÜR SIE!‘ ‚IST FÜR SIE!‘ ‚IST FÜR SIE!‘ UND CENT FÜR CENT IST ES FÜR M ICH! JA, DER SPART TAGTÄGLICH ETWAS AN. DER KOMMT IN SEINEM LEBEN AUCH GUT VORAN. DER FÜHLT SICH HAPPY UND SAGT DANN: DANKE, DASS ICH LIEFERN KANN!

FRAUEN

Ich bin jemand, der es mag zu arbeiten. Manche Leute mögen Tennis, ich mag meine Arbeit. Ich genieße es, der Boss zu sein. Ich mag es, derjenige zu sein, zu dem alle aufblicken. Ich mag es, Verantwortung für tausende von Leuten zu tragen, die für mich arbeiten. In der Welt des Geldes ist Investmentbanker immer noch der geilste Job. Fragen Sie irgendein Mädel im Golfclub. Geld ist heiß. Wirklich wahr – sie haben herausgefunden, dass es reicht, wenn ein Mädel sich einen Maserati nur anschaut, um doppelt so viele Hormone zu produzieren wie normal. Oh ja. Wenn mich jemand eine Heuschrecke, einen Piraten, einen Finanzhai nennt – nehm’ ich das als Kompliment. Zu hundert Prozent. Das 18


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ist es, worum es in diesem Land geht– der freie Markt. Er ist nicht perfekt. Aber wenn man ihn einfach sich selbst überlässt, reguliert er sich tausendmal besser als jede Kontrollbehörde. Ja – manche Firmen werden verschwinden. Manche Leute werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Und manche Leute werden Geld verlieren. Das ist halt Basis-Kapitalismus. Wer hat denn das Land entwickelt? Die Regulierer? Die Börsenaufsicht? Oder waren es die Rockefellers und die Morgans? Ich meine, sagen sie mir mal, was die schlecht gemacht haben! Rockefeller hat einige Arbeiter in den Kupferminen ausgebeutet, vielleicht ließ er einen Arbeiteraufstand niederschießen, sicher. Nicht perfekt. Aber wer hat profitiert? BP gibt’s immer noch oder nicht? Und General Electric auch. Überlegen sie, wie viele Stiftungen von diesen Unternehmen ins Leben gerufen wurden! Wie viele Naturschutzgebiete werden durch diese ‚Kapitalistenschweine‘ bewahrt? Das waren die Leute, die unsere Städte gebaut haben und unser Land. Es kann keine Gewinner ohne Verlierer geben. (Sein Mobiltelefon vibriert.)

Warten Sie einen Moment, da muss ich rangehen. (Ins Telefon)

Ja. Okay. Geben Sie mir 5 Minuten. Ja. Okay. (zum Publikum)

Schauen sie – Ich muss mich kurzfassen. Ich will ans Telefon, bevor die Märkte in Übersee schließen. Jedermann hat heutzutage einen langen Arbeitstag. Mein Sohn will was erreichen, er ist bereit, dafür hart zu arbeiten. Und er wird lernen, wie man die Regulierungsbehörden austrickst, um Profit zu machen. Es ist leicht. Herrgott, wenn du unsre Regierungsdeppen nicht austricksen kannst, brauchst du morgens erst gar nicht anzutreten. (lacht)

N

IC

Ich sollte deren Lehrer sein. Wissen sie, ich wollte schon immer unterrichten. Das ist es, was ich machen werde, wenn ich hierzu keine Lust mehr habe – ich werde was machen, wo ich mit jungen Leuten zu tun habe. Mein Wissen weitergeben, meine Erfahrung, meine Werte. (Während des Monologes fährt ein neues Licht hoch, und wir sehen eine ältere Lehrerin, Rose Hoffmann.)

ROSE HOFFMANN (die Schüler begrüßend, als sie hereinkommen)

Guten Morgen, Hernando, wie geht es Dir? Guten Morgen, Selena, ich habe dich vermisst? (zum Publikum)

In Ihrem Inneren hegen sie vielleicht eine Abneigung gegenüber einem gewissen Schüler, aber sie zwingen sich zu sagen: (gezwungen freundlich zu einem anderen Schüler) 19


Guten Morgen, Manuel, wie geht es dir? (zu Publikum) Jemand hat heute sein Ritalin vergessen zu nehmen. Mein Name ist Rose Hoffmann. Ich unterrichte die dritte Klasse. (Schlag)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Um 9.15 Uhr beginnen wir mit Mathematik. Ich habe eine Spaßtabelle an der Tafel – Multiplikation. Man sagt heute nicht ‚Tabelle‘, man sagt „Spaßtabelle“. Alles muss Spaß machen, Spaß, Spaß, Spaß. Ich sage meinen Schülern: (klatscht in die Hände)

‚Mrs. Hoffmann ist hier. Alle an die Arbeit. Arbeit ist ein Segen.‘ Früher hatte ich 18 – 20 Kinder in der Klasse, und die blieben dort von der ersten bis zur letzten Schulglocke. Heute habe ich 37. Die Schüler kommen rein und spielen auf ihren Handys und gehen wieder raus - zum Computerkurs oder zur Maltherapie. Oh ja, es hat sich viel verändert, seit ich 1967 angefangen habe zu unterrichten. (Musik setzt ein.)

#3 – WIE, HAT MIR KEINER JE ERKLÄRT

N

IC

6. Januar 1967. Damals kamen die Grundschüler aus Polen. Ich liebte die Polen. Sie haben sehr hart gearbeitet. DIE KLASSE WAR IMMER EIN SCHMUCKSTÜCK, MAN HAT NOCH VIEL SELBER GEMACHT. MOTIVE GEBASTELT MIT EIFER UND FLEISS, IM WINTER DEN SCHNEEMANN, IM SOMMER DAS EIS. DAS LEHRMATERIAL WAR DORT ORDENTLICH UNTERGEBRACHT. WIE WAREN DIE KINDER DOCH HÖFLICH! STANDEN AUF, WENN DER SCHULLEITER KAM. UND GING MAN HINAUS, NUR FÜR SEHR KURZE ZEIT, DANN LERNTEN SIE WEITER, ES GAB NIEMALS STREIT. SIE SASSEN NACH GRÖSSE GEREIHT, WAREN FOLGSAM UND ZAHM. DOCH KEINER HAT HEUT MEHR FÜR ANSTAND GESPÜR, SOLL EINER AUFSTEH'N, DANN KOMMT BLOSS: WOFÜR? JA, WAFFEN UND DROGEN, DIE SIND EIN GESCHWÜR, PAPIERKUGELN SIND LÄNGST VERJÄHRT! TJA, ARBEITEN SOLL ICH IM CHAOS VON HEUT, DOCH WIE, WIRD MIR NICHT ERKLÄRT.

20


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(ROSE HOFFMANN) Damals gaben wir richtigen Englischunterricht, nicht Englisch als zweite Fremdsprache. Ich bin schockiert, dass Englisch heute zweite Fremdsprache sein kann. Als meine Eltern hierherkamen, haben sie nicht Hebräisch als erste Fremdsprache auf Kosten des Steuerzahlers gelernt. Wir hatten keine Probleme, uns zu konzentrieren, Probleme mit Disziplin. Natürlich gab es damals noch den Rohrstock. Oh ja, ich glaube an die körperliche Züchtigung: Sie baut Respekt auf … und Vertrauen. DIE RECHTSCHREIBUNG WAR FRÜHER WICHTIG, MAN ZOG’S DURCH, WAR ES AUCH QUÄLEREI. AM ENDE, DA KONNTEN SIE’S ALLE GENAU, BEGABT WIE SIE WAREN, OB DUMM ODER SCHLAU. DAS STERNCHEN, DAS GAB ES, WAR EIN GANZER SATZ FEHLERFREI. DIE RECHTSCHREIBUNG HAT HEUTE NICHT VIEL GEWICHT, LESEN, DASS KÖNNEN SIE SOWIESO NICHT! WIE KANN MAN SCHREIBEN, WAS MAN SELBER NICHT SPRICHT? ‚SE HABLA ESPAGNOL‘ HEISST ES HEUT! DOCH SO, WIE VOR JAHREN DER UNTERICHT VERLIEF, DAS IST HEUTE VERALTET, NICHT MEHR ATTRAKTIV, ACH, BLÖDSINN! DENN DAMALS WAR’S GUT, WAS IST HEUT DRAN VERKEHRT? MAN SAGT MIR SEIT LANGEM: KOMM, GEH MIT DER ZEIT! DOCH WIE, HAT MIT KEINER JE ERKLÄRT. (Ihre Stimmung wird etwas milder, wenn sie wieder anfängt zu sprechen. Während sie weiterspricht, geht das Licht auf TERRY MASON.)

N

IC

Ich erinnere mich an ein kleines Mädchen, das mir über all die Jahre im Gedächtnis haften geblieben ist … meine Favoritin … Sie war nicht wirklich helle, aber sie machte nie Ärger. Ich sehe sie heute noch ab und zu. Sie gibt auch heute noch keinen Anlass zur Klage. Sie hat ein Lächeln für jeden. TERRY MASON, FLUGBEGLEITERIN Mein Job fing super an. Während der ersten zwei Monate war ich schon in New York, London und Paris. Das ist ziemlich toll, wenn man aus einem Kaff in Illinois kommt. Aber nach einer Zeit merkt man, dass die Wirklichkeit nicht so glamourös ist, wie man vorher dachte. Manchmal werden die Leute böse. Ich meine, erst werden sie von der Security genervt und dann kommen sie zu uns. Und dein strahlendes Lächeln prallt ab. Wir kriegen auch manchmal Angst. Es war nie so schlimm, dass ich nicht mitfliegen wollte, aber es gab schon mal komische Dinge beim Start.

21


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Einmal arbeitete ich in der ersten Klasse, das Flugzeug war voll, und der Kapitän sagte mir, dass wir in Chicago notlanden müssten, weil wir einen Bolzen aus dem Bugfahrwerk verloren hätten. Und beim Landen würde das Fahrwerk auseinanderfliegen. Er wollte also, dass ich die Flugzeugkabine entsprechend vorbereite, aber erst in zwei Stunden. Und ich sollte nicht mit den anderen Flugbegleitern sprechen, die seien alle so jung und unerfahren. So musste ich also dicht halten … für zwei Stunden … Und ich fragte mich, werde ich heute sterben? Und ich servierte Essen und Getränke. Und dieser Typ schnauzt mich an, weil sein Omelett zu kalt ist. Ich sagte zu ihm: (Großes Stewardess-Lächeln)

„Bleiben Sie mal ganz ruhig. Sie müssen sich wegen dieses Scheiß-Omeletts echt keine Sorgen machen.“ Als ich meinen Eltern sagte, dass ich Stewardess werden würde, waren sie ziemlich aufgeregt. Besonders meine Mutter dachte, es wäre toll, dass ich die Ambitionen und die Nerven habe, in die Stadt zu ziehen und was zu erreichen. Wirklich, ich wollte einfach raus aus meinem Kaff. (Man hört eine Pfeife … sie wird zum Sound eines Truckhorns. Der Fokus wechselt zu FRANK DECKER, einem Fernfahrer. Musik beginnt.)

#4 – ALTER TRUCKER

N

IC

FRANK (MANN 1) Wenn du was Aufregendes suchst, dann ist nichts so irre, wie auf einen Truck zu klettern und auf Tour zu gehen, nicht mal ein Flugzeug. Sobald du im Truck sitzt, vergisst du Frau und Kind, du sagst Goodbye und dann pumpt schon das Adrenalin. BREAKER NR. 9, HEY BUDDY, STELL MAL DEINE OHREN AUF! HAT ’N TRUCKER HEUT NOCH SPASS, WAS GLAUBST DU? NUN KOMM SCHON, ALTER TRUCKER, DU MUSST NACH HAUSE, MOTHER…! SEH’ ALLES DOPPELT, DRÜCK’ EIN AUGE ZU, DENN ICH MUSS FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! GLAUB MIR, ICH BIN VERDAMMT MÜDE, MAN! FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? MÄNNER FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER!

22


FRANK

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

JETZT NEHM’ ICH DIE AUSFAHRT! MÄNNER FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! FRANK

N

IC

WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? BRAUCH’ SPEED, SONST LÄUFT ES NICHT! MICH BLENDET DEIN SCHEISS FERNLICHT! VIER STUNDEN SCHLAF AUF DER LETZTEN SCHICHT, ICH TU’ NUR MEINE PFLICHT UND ICH MUSS MÄNNER MANN 2 FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! DU SAGST WO UND ICH SAG’ WANN, ICH SAG’: FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! FRANK WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? MANN 2 & 3 UND ICH MUSS … MÄNNER FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! FRANK MANN 2 & 3 HEY, UND ICH MUSS HEUT WIEDER MAL HEY, UND ICH MUSS RAN! MÄNNER FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER!

23


FRANK

WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN?

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FRANK FRAUEN Du bist für ein, zwei Wochen weg, nimmst irgendwo eine Ladung auf und bringst sie woanders hin. Du sitzt in diesem Truck, deine eigenen Gedanken sind dein einziger Begleiter. Und du willst dich nicht mit den Problemen zuhause beschäftigen. Deshalb drehst du das Radio auf, wenn du es laut genug bekommst, dass es den Motor übertönt. Ja, wir Trucker fantasieren uns immer die tollsten Sachen AH, AH, AH. zusammen. Du denkst an die Frau hinter dieser AH, AH, AH. Stimme, und du baust dir solange was in AH, AH, AH. Gedanken auf, bis du anfängst, es zu glauben. UND DASS MICH HIER BLOSS NICH’ ’N RADAR ERFASST! OOH, ICH HAB’ ES EILIG, OOH, HOFF’, DASS IHR BULL’N MICH IN FRIEDEN OOH, LASST! KEINE GEWERKSCHAFT! AH, BIN DA RAUS SEIT LETZEM JAHR. AH, FRANK FRAUEN MÄNNER (AUSSER FRANK) DENN DIE STRASSEN FAHR`N, GEHÖREN NICHT, DAS IST FAHR`N, KLAR, DER GEWERKSCHAFT, FAHR`N, FAHR`N, SONDERN MIR! FAHR`N, FAHR`N, FAHR`N, FAHR`N, UND NUR DER KANN MIR UND NUR DER KANN MIR UND NUR DER KANN MIR SAGEN, WOHIN ICH FAHR’, SAGEN, WOHIN ICH FAHR’, SAGEN, WOHIN ICH FAHR’, DESSEN LAST ICH DESSEN LAST ICH DESSEN LAST ICH TRANSPORTIER’! TRANSPORTIER’! TRANSPORTIER’! UND ER SAGT: FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIST EIN TRUCKER! BIST EIN TRUCKER! BIST EIN TRUCKER! ICH SAG’ WO UND DU SAGST WANN, UND DU MUSST 24


FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIST EIN TRUCKER! BIST EIN TRUCKER! OOH, OOH, ICH SAG‘: ICH SAG‘: FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! BIN EIN TRUCKER! UND ICH MUSS RAN OOH ICH SAG‘: FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! BIN EIN TRUCKER! WARUM KOMM’ ICH WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? NIEMALS AN? BRUDER, WARUM KOMM’ ICH WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? NIEMALS AN? FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! BIN EIN TRUCKER! UND ICH MUSS RAN, MUSS UND ICH MUSS RAN, MUSS WIEDERMAL RAN, WIEDERMAL RAN, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! BIN EIN TRUCKER! WARUM KOMM’ ICH NIE WARUM KOMM’ ICH NIE AN? AN? BIN EIN TRUCKER! BIN EIN TRUCKER! FRANK WARUM KOMM‘ ICH NIE AN?

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIST EIN TRUCKER! LOS, SAG MIR, WANN KOMMST DU AN? FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! UND ICH MUSS RAN, MUSS WIEDER MAL RAN, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? BRUDER, WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN? FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! UND ICH MUSS RAN, MUSS WIEDERMAL RAN, FAHR’N, FAHR’N, FAHR’N, BIN EIN TRUCKER! WARUM KOMM’ ICH NIEMALS AN?

N

Nach Hause zu kommen kann auch eine Enttäuschung sein. Die Frau muss die Kinder erziehen, sich mit nichtbezahlten Rechnungen herumärgern und sie kann auch nicht darauf zählen, dass ihr Mann bei der Einschulung oder der Kommunion dabei ist. Wenn du nach Hause kommst, bist du so müde, dass du lieber schläfst, als Samstagabend noch rauszugehen. Ich fahre zwei Rundtouren durchs Land, ganz dicht an meiner Haustür vorbei, komm’ aber nie nach Hause. Es ist einfacher durchzufahren. Darum rufst du deine Frau an und sagst ihr, dass du nicht kommen wirst … (spricht ins Telefon) Hey, Schatz, … Hallo? … Hallo? (die Verbindung bricht ab.) 25


Scheiß Verbindung.

(FRANK)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

SERVICE HOTLINE (MANN 2) Verizon, technischer Support. Ich bin Johnnie. Wie kann ich ihnen helfen? FRANK Diese Nummer funktioniert nicht, und es sind ungefähr 5 Balken angezeigt. SERVICE HOTLINE Es tut mir leid, dass sie Schwierigkeiten haben. Welche Nummer haben sie gewählt? FRANK 0219-7695910 SERVICE HOTLINE Tut mir leid, wir haben in ihrem Gebiet Verbindungsausfall FRANK Herrje! Ich kann Sie nicht verstehen, was ist da bei euch los? STIMME Es tut mir leid. Warum warten sie nicht fünf Minuten und probieren es dann noch …?

IC

(FRANK wirft den Hörer auf die Gabel. Genau in dem Moment fährt das Licht herunter und über RAJ CHADHA, einem Telefonisten, wieder hoch.) RAJ (MANN 2)

N

… einmal. Du denkst, die Leute wären dankbar, wenn sie eine reale Person und keinen Computer am Telefon haben. Manchmal willst du wirklich mit ihnen reden, wenn sie so aufgeregt klingen. Ich möchte ihnen sagen: „Hey, was ist los?“ Aber du kannst nicht mehr antworten als: „Es tut mir leid, dass sie Schwierigkeiten haben.“ Wenn du erwischt wirst, wie du privat mit Kunden sprichst, wirst du verwarnt. Wenn du drei Verwarnungen hast, wirst du … Eine Frau sagte mal, „Ich bin einsam, kann ich mit ihnen reden?“ Ich sagte nur, „Tut mir furchtbar leid, aber ich kann nicht.“ Es geht einfach nicht. (lacht)

Ich bin in der Kommunikations-Branche und kann nicht kommunizieren. 26


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

SHARON ATKINS, EMPFANGSDAME Ich dachte bei einer Empfangsdame früher immer an eine dumme Tussi an der Rezeption, die den Telefondienst macht. Jetzt bin ich selbst eine und habe natürlich meine Meinung geändert. Man muss etwas Besonderes haben, nicht? Weil ich dachte, ich wäre etwas Besonderes. Ich fühlte mich super bis zu dieser Büroparty. Ich hatte mich gerade ziemlich intelligent mit jemandem unterhalten, dann fragte er mich nach meiner Arbeit. Als ich sagte: „Ich arbeite an der Rezeption“, entschuldigte er sich und ging weiter. Jetzt nenne ich es anders, wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde: „Controllerin im Kommunikationsbereich“ oder „Leiterin der Schnittstelle“ … (RAJ dreht sich nach vorn, so dass jetzt sie und SHARON uns ansehen. Bemerkung: Die beiden folgenden kontrapunktisch angelegten Texte sollten so einstudiert werden, dass identische Schlüsselwörter oder –Phrasen zur gleichen Zeit erscheinen.)

RAJ Es ist komisch, aber man hat irgendwann keine Lust mehr zu reden. Mein Mund wird müde, wenn ich sechs Stunden hindurch rede, ohne wenigstens zehn Minuten Pause zu haben. Man darf darüber nicht nachdenken. Jeder, mit dem du sprichst, will so schnell wie möglich jemand anderen sprechen, nur nicht dich. Du bist in einem Raum von der Größe einer Turnhalle, umgeben von Leuten, die mit anderen Leuten reden, die Tausende von Kilometern entfernt sind.

SHARON Am Ende des Tages bin ich müde und hab’ irgendwann keine Lust mehr zu reden. Keine zehn Minuten am Tag ist es mal ruhig. Man kann nicht nachdenken. Jeden Tag sage ich, was ich zu sagen habe, und zwar so schnell wie möglich, und verbinde den Anruf wohin auch immer weiter. In letzter Zeit bitten mich die Leute oft, langsamer zu reden.

N

IC

SHARON Ich höre nie in Gespräche rein, aber ich sage dir … RAJ Ob ich in Gespräche rein höre? SHARON Ich sage ihnen … BEIDE … einige tun’s …

27


SHARON Früher arbeitete ich für eine andere Telefongesellschaft, aber egal wo, das Beste ist, einfach in die Telefonate reinzuhören. Wenn du nachts arbeitest, und es sehr ruhig ist, gibt es, glaub’ ich, keinen von uns, der das nicht schon mal gemacht hätte …

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

RAJ Besonders, wenn man spät abends arbeitet. Manchmal sind die Leute dann am Telefon sehr komisch, du sitzt da und weinst Tränen vor Lachen.

Das vertreibt die Zeit …

RAJ

SHARON Manchmal, um mir die Zeit zu vertreiben, zeichne ich vor mich hin, so Mondrianmäßiges Zeug, dann irgendwas aus der Natur, niemals Menschen. Ich stelle mir vor, ich wäre allein, und um mich herum wäre alles ruhig. Ich nenne es das „Land ohne Telefon“. BEIDE Ich gehe zu Hause niemals ans Telefon.

IC

(Ein Telefon klingelt, eine Frau nimmt ab. Licht auf KATE. Sie sieht ein bisschen verwirrt ins Publikum.) KATE Hallo? Oh, Entschuldigung, nein, danke. Mein Ehemann liest die Zeitung im Büro und ich lese sie im Internet. Nein, ich habe kein Büro – ich arbeite nicht. na ja, ich meine, ich arbeite schon, aber ... ich habe keinen Job. Wie auch immer, danke für ihr Angebot. (Sie legt auf.)

N

Ich bin eine Bleib-zuhause-Mama. Ich glaube früher hätte man gesagt: eine Hausfrau. Das ist seltsam. Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag herumsitze und Seifenopern im Fernsehen schaue. Ich habe viel zu tun.

28


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

#5 – EINFACH HAUSFRAU Man würde auf einer Dinner-Party über etwas Aufregenderes reden wollen, wissen Sie? Etwas, das wirklich Bedeutung hat. Was ich tue, ist nur für drei Personen von Bedeutung. ICH BIN EINFACH EINE HAUSFRAU, NICHTS BESONDRES, GANZ BANAL. WAS ICH TUE, KANN AUCH WARTEN, IST NICHT WICHTIG, FAST EGAL. ICH BIN EINE DIESER MÜTTER, EINE DIESER EHEFRAU’N. WAS ICH TUE, IST MEIN LEBEN, NUR MEIN LEBEN, NICHT MEIN TRAUM … ICH RÄUM’ AUF UND MACH’ DEN ABWASCH, KÜMMER’ MICH UM HUND UND HAUS. KAUFE EIN UND SCHAU‘ NACH PREISEN, GOTT, ES KLINGT NACH MICKEY MOUSE, FAHR’ DIE KINDER, RÄUM’ IHR ZEUG WEG, MACH’ DIÄTEN, LASS MICH GEH’N. KOCH’ DAS ESSEN, MACH‘ DIE KÜCHE, RASTE AUS UND ZÄHL’ BIS ZEHN. (Das Licht fährt hoch, man sieht auf der Bühne andere Hausfrauen bei verschiedenen Tätigkeiten – bügeln, nähen usw.)

N

IC

KATE UND ANDERE HAUSFRAU (FRAU 3) ... 2 ... 3 ... 4 ... 5 ... 6 ... 7 ... 8 ... 9 ... 10 … HAUSFRAUEN (FRAU 1 & 3) ... 4 ... 5 ... 6 ... 7 ... 8 ... 9 … KATE ICH BIN EINFACH EINE HAUSFRAU, KATE & HAUSFRAUEN EINE HAUSFRAU, KATE GANZ BANAL.

29


ICH GEHÖRE INS MUSEUM,

KATE & HAUSFRAUEN KATE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

KATE & HAUSFRAUEN HAUSFRAU SEIN, DAS … KATE

WAR EINMAL.

KATE & HAUSFRAUEN ICH BIN EINFACH EINE MUTTER, KATE

DAS ERSCHEINT NICHT GRADE SCHLAU. KATE & HAUSFRAUEN WAS ICH TU’, IST KATE

NICHT ERFÜLLEND, KATE & HAUSFRAUEN IN DEN TALKSHOWS WISSEN DIE DAS GANZ GENAU!

N

IC

KATE DAS SOLL WIRKLICH KEIN VORWURF SEIN, DOCH ICH FÜHLE MICH SO UNENDLICH KLEIN, WEIL ICH HAUSFRAU BIN! HAUSFRAUEN EINFACH HAUSFRAU KATE

NUR DAS HEIMCHEN AM HERD ZU SEIN, DAS FÄLLT KEINEM EIN, DAS IST GAR NICHT „IN“! 30


HAUSFRAUEN

NICHT „IN“ KATE

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MIT ’NEM JOB BIST DU GLEICH DER HELD, EINE FRAU VON WELT, WER NIMMT MICH FÜR VOLL?

KATE

JEDER SAGT, ES WÄR’ MEINE WAHL, ABER GANZ EGAL,

N

IC

EINE HAUSFRAU

HAUSFRAUEN

KATE & HAUSFRAUEN KEINER FINDET’S TOLL! WAS ICH TU’, WAS ICH GERNE TU’, IST FÜR EUCH BLOSS SCHMU, DAFÜR GIBT’S KEIN GELD! IST ES DUMM, FÜR WEN DA ZU SEIN, KINDERN NAH ZU SEIN? KATE DAS IST MEINE WELT! KATE & HAUSFRAUEN UND, MEIN GOTT, WIEVIEL KRAFT DAS BRAUCHT UND WIE SEHR ES SCHLAUCHT! HAT WER NACHGEDACHT, WIEVIEL ARBEIT WOHL SO EIN HAUSHALT MACHT?

(Das Licht über den Hausfrauen fährt langsam herunter.) KATE JA, ICH WEISS, ES IST NICHT WICHTIG. 31


HAUSFRAUEN

ICH BIN EINFACH EINE MUTTER. KATE NICHTS BESONDRES.

FRAU 3

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

KATE & FRAU 1

WAS ICH TU´ IST EINFACH ALLTAG. KATE FAHR’ DIE KINDER HIERHIN, DORTHIN. DAS SOLL WIRKLICH KEIN VORWURF SEIN.

WAS ICH TU´ IST … SO BANAL. FRAU 1 "MAMA" ... FRAU 3 ICH BIN IMMER ...

FRAU 1

ICH BIN

FRAU 3

ICH BIN IMMER ...

KATE

IC

BUSY, BUSY.

FRAU 1

N

JEDEN TAG

FRAU 3

ICH BIN SO WIE ...

KATE

MEINE MUTTER.

HAUSFRAUEN

ICH BIN EINFACH ... 32


KATE

EINE HAUSFRAU. (CONRAD SWIBEL, UPS-Bote, in Uniform, weiß, in den Zwanzigern, läuft ruhig hinter ihr her.)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

CONRAD

(Plötzlich rufend)

UPS!

(Kate erschrickt, schreit und lässt ihre Einkäufe fallen.)

KATE (verärgert, hebt ihre Einkäufe auf.)

Sie hätten ja vorher mal was sagen können, anstatt mir direkt ins Ohr zu brüllen „UPS“. CONRAD Tut mir leid. KATE Schon ok. CONRAD (höflich zu KATE, als sie ins Haus geht.) Ja, gnädige Frau, Danke schön gnädige Frau. (zu uns)

N

IC

Man braucht ab und zu etwas Abwechslung, wissen sie?

(Wir hören einen Hund bellen, als er sich einem anderen Haus nähert. CONRAD kommt schnell zurück.)

Wo ist er? Wo ist er? (zu uns)

Ich bin schon einmal gebissen worden. Von einem Dobermann. Für einen Hund ist es das Größte an seinem Hundetag, wenn der UPS-Mann kommt. Und wenn dann niemand hinschaut, gibst du ihm unten an der Straße noch einen Tritt. Selbst wenn er dir nur hinterherläuft, versuchst du, ihm eins auszuwischen - für die Töle, die du ein paar Häuser vorher nicht erwischt hast.

33


Ja, das ist unser großes Gesprächsthema: Hunde. Und Frauen. Wenn du ’ne hübsche Tussi irgendwo hast, erfreut dich das den ganzen Tag. Wir haben einen Code auf unseren Zetteln. Ein „HG“ steht für „heißes Gerät“. Wenn du so eine Braut auf ihrer Liege im Garten siehst, in einem Bikini, sie liegt auf dem Bauch und hat das Oberteil nicht zugemacht – wenn du dann hingehst und sie ordentlich erschreckst, springt sie auf! Das gibt dir was zu tun. Bringt ein bisschen Abwechslung in den Tag. (schleicht ums Haus und ruft)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

UPS!

(Man hört eine Frau schreien. CONRAD grinst ins Publikum und geht ab. In der Chicago-Produktion wurde KATE von Umzugshilfen in ROBERTA VICTOR umkostümiert.)

ROBERTA Ich wollte nicht Hausfrau werden so wie meine Mutter und meine Schwestern. Ich glaube, ich habe immer gewusst, dass ich … „mehr“ aus meinem Leben machen wollte. Ich war fünfzehn und saß in einem Café, als ein Freund kam und sagte: „Beeil dich – da wartet ein Taxi, du kannst hundert Dollar in zwanzig Minuten verdienen. Wir fuhren zu einem Penthouse. Der Kerl dort war’n ziemlich prominenter Typ. Er wollte zwei Frauen sehen, die’s miteinander machen. Dann wollte er Sex mit mir. Es war nicht der Rede wert, er kam schon, bevor wir richtig angefangen hatten. Das war ein ziemlicher Kick. Da war ich, tat nichts, fühlte nichts, und nach zwanzig Minuten ging ich mit ’nem Hunderter in meiner Tasche raus. Nur aus Neugier, wer von euch macht’n Hunderter in zwanzig Minuten? Und ich ging damals immer noch zur Schule. CANDY COTTINGHAM (älter, weiß, sehr teuer gekleidet)

N

IC

Ich sehe mich als eine arbeitende Frau der gehobenen Klasse. Die Presse nennt mich „Socialite“, was nur ein andrer Name für gut gekleidete Charity-Lady ist. Für mich ist Spendeneintreiben wie Pralinen essen. Man kommt mit tollen Leuten ins Gespräch und wird dafür geliebt. Was kann schon herrlicher sein? Ich fing vor ein paar Jahren an mit einer Benefiz-Gala für Flüchtlingskinder aus Nicaragua – natürlich war es nicht für die Contras. Obwohl das sicher auch Spaß gemacht hätte. Aber Spenden einzutreiben ist harte Arbeit. Es ist schwer, die Leute von ihrem Geld zu trennen. Man braucht eine gewisse Raffinesse, wenn man an einen potenziellen Spender herantritt. Ich spreche nie über Geld, wenn ich jemanden das erste Mal sehe. Es ist natürlich kein Geheimnis, ich meine, sie wissen natürlich, warum ich dort bin. Aber manchmal probiere ich gerne aus, wie lange ich warten kann, bis ich nach einer Spende frage. Nennen Sie mich ruhig einen Quälgeist.

34


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ROBERTA Es ist wie an der Börse. Irgendwie habe ich das aufgesogen, als ich noch jung war. Ich war ziemlich frühreif. Eigentlich war ich in gewisser Weise immer einsam. Ich habe mich selber nie als attraktiv empfunden. Ich sehe nicht aus wie eine Calvin-Klein-Werbung. Ich hatte was im Kopf und hab’ nicht nach den Regeln gespielt. Die Jungs hatten meist Angst vor mir. Sie wollten nichts Ernstes, sie wollten einfach ficken. Eine Zeitlang habe ich das akzeptiert. Ich fühlte Nähe, Wärme … ich fühlte etwas. CANDY Letztens fuhr ich in einer Limousine durch New York, während die Hotelangestellten streikten, und es gab kein Zimmer mehr für mich, und ich dachte: Jetzt weiß ich, wie es ist, obdachlos zu sein. Du kannst nicht jeden Obdachlosen auflesen und zu dir nach Hause nehmen. Aber manchmal reicht schon ein aufmunterndes Wort, um ihnen zu zeigen: „There is a light!“. Vielleicht ist es das, was „Socialite“ wirklich bedeutet. ROBERTA Du bist, was du tust, ich bin eine Nutte. Auch wenn ich gerade nicht anschaffen gehe, bin ich eine Nutte. Was du machst, das bist du. Ich glaube, es ist kein großer Unterschied zu jemandem, der 40 Stunden die Woche am Fließband steht und abgeschlagen und wie betäubt nach Hause kommt … die Leute sind nicht dafür gemacht, dass man sie auf- und zudrehen kann wie ein Wasserhahn.

(Die Szene wechselt zu einer Kofferfabrik, wo unsere Aufmerksamkeit auf GRACE CLEMENTS, Fließbandarbeiterin, gelenkt wird. Neben GRACE arbeiten noch zwei weitere Frauen und ein Mann. Wenn GRACE ihre Arbeit beschreibt, stellen sie und die anderen ihre Tätigkeiten mimisch und unisono dar, sehr präzise und identisch in den Bewegungen. Ihre Gesichter sind leblos und leer, wie Automaten. Die Bewegungen sind gleichmäßig, werden endlos wiederholt.)

N

IC

GRACE Ich arbeite in einer Gepäckfabrik. Wir machen Koffer. Der Kessel, an dem ich arbeite, ist 1,80m tief und hat 2,40m breite Seiten. In vierzig Sekunden … GRACE & FLIESSBANDARBEITER … musst du den nassen Stoff aus der Kupferform ziehen, mit einer Gummiplatte die überschüssige Feuchtigkeit rauspressen, zwei, drei Sekunden warten, das nasse Filzstück rausholen und über Arm und Schulter legen, rüber greifen und den Schlauch nehmen, die Kupferform abspritzen, dich zur Heißpresse hinter dir umdrehen, das zuletzt gepresste Stück dort rausnehmen und auf den Boden stellen, das nasse Filzstück in die Pressform stellen, diesen Knopf drücken, 35


(Dampfgeräusch) das gerade rausgenommene inspizieren, stapeln und zählen. Vierzig Sekunden. (Sie schnipst mit den Fingern)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(Die übrigen FLIESSBANDARBEITER wiederholen die obige Prozedur, während GRACE fortfährt.) ALLE ANDEREN

Du musst den nassen Stoff aus der Kupferform ziehen, … (usw.) GRACE Im Sommer haben wir hier Temperaturen zwischen 37° bis 60°. Ich hab’ ein Thermometer mitgenommen und es gemessen. Ich habe Arthritis in den Fingern, auch in der Schulter, vom Filztragen. Der Schlauch leckt manchmal und du wirst nass. Die hydraulische Presse leckt auch, und der Boden wird rutschig wie Öl. Du musst immer aufpassen, dass du dich nicht verbrennst, wenn die Heißpressform den nassen Filz erhitzt. (Dampf)

Alle vierzig Sekunden wirst du in dichten Nebel gehüllt. (Unter Musik)

#6 – FLIEßBAND Die Kessel laufen 24 Stunden am Tag. Ich arbeite acht Stunden am Stück mit zwei 10Minuten-Pausen und einer 20-Minuten-Pause fürs Mittagessen. Ich finde es schwer, mit dem Essen in dieser Zeit fertig zu werden. Vierzig Sekunden. (Sie schnipst mit den Fingern)

N

IC

36


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

SÄNGERIN (Während GRACE und die übrigen Arbeiter ihre Bewegungen fortsetzen) GROSSVATER WAR EIN SEEMANN, WIND UND WELLEN, JA, DAS MOCHT’ ER. MEIN VATER WAR EIN LANDWIRT, UND ICH DIE EINZGE TOCHTER. VERLIEBTE MICH IN EINEN KERL, DER STAND JAHRELANG AM FLIESSBAND, DRUM SOFF ER SICH ZU TODE, UND ICH BLIEB MIT DREI KINDERN ALLEIN. FLIESSBAND IST NICHT LEICHT UND AUCH NICHT SCHWER, ARBEIT AM FLIESSBAND MACHT DICH LANGSAM, DRÖGE, DUMPF UND LEER, UND ICH TRÄUME IN DEN TAG REIN, ICH TRÄUM’ MICH DURCH DIE STUNDEN. WENN ICH DEN ERSTEN KAFFEE TRINK’, ERST DANN HAT MICH DER ALLTAG WIEDER GEFUNDEN. DIE MASCHINE STEHT VOR MIR FÜR DEN RESTLICHEN MORGEN UND DEN RESTLICHEN NACHMITTAG, STEHT VOR MIR LEBENSLANG.

(Während die Fließbandarbeiterinnen mit ihrer Arbeit fortfahren, verlässt der männliche Kollege empört seinen Platz. Er schaltet seine Maschine aus und hinterlässt einen leeren Platz in der Reihe.)

N

IC

GRACE Männer bleiben hier nicht lange. Sie sagen, es wäre zu eintönig. Ich glaube, Frauen kommen mit Eintönigkeit besser zurecht, weil sie dran gewöhnt sind, zwei Dinge gleichzeitig zu machen, wo ein Mann immer nur eine Sache im Kopf haben kann. Eine Frau kann einem Kind zu hören, während sie etwas anderes macht. So ist es auch an den Tanks. Deine Arbeit läuft ganz automatisch ab, während deine Gedanken abwandern. (GRACE und die anderen Frauen fahren mit der Arbeit fort.) DENK’ ICH AN MEINE KINDHEIT, DENK’ AN SOMMER, HELL UND WARM, DANN KANN ICH MEINEN VATER LÄCHELN SEH’N, ICH BIN AUF SEINEM ARM, UND ICH HÖR’ GROSSVATER ERZÄHLEN, VON DEN STÜRMEN DIESER MEERE, VON VERSUNKENEN SCHÄTZEN, VOM SCHICKSAL VERLORNER SEEMANNSSEEL’N. 37


GRACE & MANN 2

MEIN LEBEN IST VERSCHWENDET, VERDAMMT, ICH WAR SO DUMM! ICH LIESS MICH NUR BENUTZEN, MACHTE MEINEN RÜCKEN KRUMM, GRACE

MANN 2 AM ABEND

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

UND JEDEN ABEND

GRACE & MANN 2

SCHEINEN MEINE TAGE GRAU UND LEER, FRAGE MICH: WARUM

GRACE HAB’ ICH IM LEBEN KEINE ZWEITE CHANCE MEHR? GRACE

N

IC

WEISS ICH AUCH NICHT WIE LANG ES FÜR MICH IN DIESEM JOB GEHT, ICH TREFFE NIE DEN MANN, DESSEN NAME AUF DEM SCHILD STEHT. DIE MASCHINE STEHT VOR MIR FÜR DEN RESTLICHEN MORGEN UND DEN RESTLICHEN NACHMITTAG NOCH, GRACE STEHT VOR MIR LEBENSLANG.

MANN 1 & 3, FRAU 2 & 3 KEINE CHANCE … MICH IN DIESEM JOB GEHT, DIE MASCHINE STEHT VOR MIR FÜR DEN RESTLICHEN MORGEN, NACHMITTAG …

(Wenn die Musik leiser wird)

Ich wünschte, ich würde nicht in einer Fabrik arbeiten. Aber wenn man nichts andres gelernt hast, machst du es eben … (GRACE bleibt an ihrem Platz.)

38


ALLEN EPSTEIN (MANN 2) Ein Community Organizer ist jemand, der neue Mitglieder wirbt. Du versuchst, eine Organisation aufzubauen, die den Leuten Kraft gibt, etwas zu verändern. Ich habe eine lose Gruppe von Leuten auf dem Land zu einer Gruppe zusammengeschweißt, und wir haben einen großen Konzern davon abgebracht, Tagebau zu betreiben und Eisenerz abzubauen.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Ich muss den Leuten immer wieder sagen, dass sie es schaffen können, dass sie gewinnen können. Die meisten Leute Glauben innerlich nicht wirklich dran. Niemand in dem Dorf hat wirklich geglaubt, dass wir gegen einen großen Stahlkonzern gewinnen können. Aber sehen Sie, das, was die Leute dort wirklich wollten, war ein Park, ein Ort für ihre Kinder. Und so standen die Leute auf und sagten: „Fahrt zur Hölle! Ihr kriegt nicht unser Land!“

So brachte ich zuerst 20 bis 30 Leute zusammen, in denen ich Führungsqualitäten erkannte und sagte: „Leute, lasst uns diesen Park in Angriff nehmen.“ Sie sagten: „Das wird nichts.“ Ich sagte: „Doch, das wird was.“ Also holten wir genug Leute zusammen – wir schrieben Briefe, wir protestierten solange, bis wir es ins Fernsehen schafften. Und der Ort brach unter dem Ansturm fast zusammen. Vier Monate später sahen 4000 Leute, wie Planierraupen das Gelände einebneten, um den Park anzulegen. Sehen Sie, die Leute haben verinnerlicht, dass sie nichts erreichen können. Ich glaube aber, dass in jedem von uns die Kraft zur Veränderung steckt.

Ich meine, die ganze bekannte Menschheitsgeschichte umfasst vielleicht wieviel? 5000 Jahre? Wie viele Leute in der Zeit waren wirklich etwas Besonderes? 20? 30? Sehen Sie, das Problem mit Geschichte ist, dass sie von Hochschulprofessoren geschrieben wird, die über große Männer schreiben. Aber so läuft das nicht, Geschichte wird von Tausenden von kleinen Leuten gemacht, Männern und Frauen, wie du und mich, die zusammenkommen und entscheiden, dass sie ein besseres Leben wollen. #7 – DAS, WAS IN MIR STECKT

FRAU 2

N

IC

(singt a capella)

WÄR’S MIR DOCH VERGÖNNT, ZU TUN, WAS ICH KÖNNT’, WAS WÄR’ ICH GEWORDEN?

Ich wollte Schriftstellerin werden … … Ein Profi-Fußballer …

FRAU 3

MANN 1

39


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 3 ... Irgendwann einen eigenen Hof besitzen … FRAU 1 WÄR’ ICH HEUTE DA, WO ICH MICH MAL SAH, ICH WÄR’ WAS GEWORDEN! FRAU 3 Doch dann habe ich geheiratet … MANN 2 … Dann habe ich Kinder bekommen … MANN 1 … dann wurde mein Vater schwer krank … FRAU 3 BEWUNDERT UND STARK, WÄR’ IN ALLER MUNDE – FÜR HUNDERT PRO STUNDE

(Musik wird rhythmischer)

N

IC

MANN 3 (MIKE DILLARD) Es gibt immer einen Hinderungsgrund. Ich wollte ein paar Jahre arbeiten, dann ein Auto kaufen und in den Süden ziehen. Dann hab’ ich meine Frau getroffen, das hat meine Pläne geändert. Man weiß nie, wie es kommen wird … FRAU 2 ICH HATT‘ MAL ‘NEN PLAN. HÄTT’ ICH’S DOCH GETAN, WAS WÄR’ MIR GELUNGEN? FRAU 3 GESCHICKT UND BEGABT, HÄTT’ ICH GLÜCK GEHABT, MIR WÄR’ WAS GELUNGEN!

40


N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 2 HÄTT’ FLÜSSE DURCHSCHWOMMEN, FRAU 1 WEICHEN GESTELLT MANN 3 UND HÄTTE GELD. FRAU 1 MIR SIND NUR TRÄUME GEBLIEBEN, DENN WAS HAT SICH ERFÜLLT FÜR MANN 2 & 3 MICH? OH, MANN 1 MANN 2 & 3, FRAU 1 & 2 ICH HABE BISHER NOCH NICHT VIEL EREICHT, OH, DOCH TIEF IN MIR DRINNEN, JA, DA OH, WEISS ICH, OH, MANN 2 & 3 WEISS ICH, MANN 2 & 3, FRAU 1 & 3 WEISS ICH, ALLE WEISS ICH, HÄTTE ICH FRAU 2 FRAU 1 & 3, MANN 1 - 3 DAS GEWECKT, HÄTT’ ICH DAS GEWECKT, WAS NOCH IN MIR STECKT, WAS NOCH IN MIR STECKT, ICH WÄR’ ANGEKOMMEN! ICH HÄTTE SEHR VIEL ERREICHT. HÄTT’ ICH SPIELRAUM GEHABT, NOCH MEHR KRAFT GEHABT, ICH WÄR’ ANGEKOMMEN! 41


ICH HÄTTE SEHR VIEL ERREICHT. FRAU 1, MANN 1,2 & 3 HÄTTE ICH … FRÜHER MAL … OH, WAR EINMAL MANN 1 & 2 WENNS FRAU 1 & 2, MANN 3 WENNS

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

WÄR’ GANZ VORN MIT DABEI, IM STRAHLENDEN SCHEIN, MÜSST’ HIER NICHT MEHR SEIN! FRAU 3 FRÜHER MAL HATT’ ICH VIEL EHRGEIZ UND ZWEIFEL LAGEN MIR NOCH FERN, EIN ‚NEIN‘ WAR FÜR MICH KEINE ANTWORT, WENN DOCH NUR ALL DIE VIEL’N WENNS UND ABERS NICHT WÄR’N!

N

IC

UND ABERS NICHT WÄR’N! MANN 1 & 2 HÄTTE ICH, HÄTTE ICH FRAU 3 DAS GEWECKT, WAS BESONDRES, HÄTT‘ ICH GEWECKT,

ALLE

FRAU 1, 2 & 3, MANN 3

HÄTTE ICH

FRAU 1 & 2, MANN 3 DAS GEWECKT, WAS NOCH IN MIR STECKT, WAS WÄR‘ ICH GEWORDEN? HÄTT‘ ICH ZUGEPACKT HAB‘ CHANCEN GEHABT, WAS WÄR‘ ICH GEWORDEN?

42

MANN 1 & 2 HÄTT‘ ICH DAS GEWECKT, WAS NOCH IN MIR STECKT, WAS BESONDERS, HÄTT‘, HÄTT‘ ICH ZUGEPACKT, HAB‘ CHANCEN GEHABT, ICH WÄR‘ WAS GEWORDEN!


ICH WOLLTE MEINEN WEG GEH’N,

ALLE

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FRAU 1 DOCH LIESS MAN MICH IHN NICHT GEH’N, ALLE ALS ICH BEREIT DAZU WAR FRAU 1 ALLE AUSSER FRAU 1 ZU GEH‘N. ICH WOLLTE MEINEN WEG GEH’N, FRAU 2 MANN 1 & MANN 2 FRAU 3 & MANN 3 GOTT ALLEIN KENNT, GOTT ALLEIN KENNT GOTT ALLEIN ALLE GOTT ALLEIN KENNT FRAU 2 DAS, WAS IN MIR STECKT, (kontrapunktierende Stimmen, die langsam ausgeblendet werden.) MANN 1 ICH WÄR‘ WAS FRAU 2 & MANN 2 GEWORDEN, MANN 3 DAS, WAS IN FRAU 3 MIR STECKT, ICH WÄR’ ANGEKOMMEN, IM FRAU 1 STRAHLENDEN SCHEIN, DAS, WAS IN ICH WÄR‘ HEUT MIR STECKT! BESTIMMT WO ANDERS, MANN 1 MANN 3 ICH WÄR‘ WAS BESONDRES, ICH WÄR‘ JEMAND ANDRES, 43


FRAU 1 & 2, MANN 2 & 3

DAS, WAS IN MIR STECKT, FRAU 2 & MANN 2 DAS, WAS IN MIR STECKT, DAS, WAS IN MIR STECKT, MANN 1 ICH WÄR‘ WAS BESONDRES.

MANN 1 ICH WÄR‘ JEMAND ANDRES, ICH WÄR‘ WAS BESONDRES, ICH WÄR‘ JEMAND ANDRES, FRAU 1 ICH WÄR‘ HEUT BESTIMMT WO ANDERS.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FRAU 3 DER RUHM WÄRE MEIN, IM STRAHLENDEN SCHEIN, MANN 3 ICH WÄR‘ JEMAND GANZ BESONDRE, FRAU 3 IM STRAHLENDEN SCHEIN, MÜSST HIER NICHT MEHR SEIN.

N

IC

FRAU Die letzte Stunde ist die schwerste. Du sitzt da, bist nur noch halb bei der Sache und hängst immer mit einem Auge auf der Uhr. MANN Alles, was ich jetzt will, ist nur noch, nach Hause zu kommen, und dann raus aus der Uniform. ANDRER MANN Ein kühles Bier … FRAU Vor der Glotze die Beine hochlegen …

44


MANN Wenn du das Signal hörst, wollen viele Typen noch zusammen rumsitzen und reden. Ich will einfach nur raus. (ANTHONY COELHO, weiß, in den 60ern, Maurer, blinzelt in die Abendsonne.)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANTHONY (MANN 2) Heute ist ein guter Tag, um Steine zu setzen. Du bekommst Lust auf deine Arbeit und der Kampf gegen die Uhr läuft andersrum: Du fragst dich nicht, wann endlich Feierabend ist, sondern du wunderst dich, dass du so wenig geschafft hast, und plötzlich ist schon Schluss. (Ein Sänger mit Gitarre betritt die Bühne und beginnt, sie sanft zu spielen.)

#8 – DER MAURER

(ANTHONY) Es gibt nicht ein Haus hier weit und breit – von den Häusern, die ich hier in der Gegend gebaut habe –, bei dem ich nicht genau hinschaue, wenn ich mal dran vorbeikomme, und wenn da auch nur ein Stein schief ist, seh’ ich das sofort. Die Leute, die da wohnen, sehen es vielleicht nicht, aber ich seh’s sofort. Steine sind mein Ding, Steine sind mein Leben. SÄNGER (MANN 1) (Während der Maurer mit seiner Arbeit fortfährt)

N

IC

EIN FESTES HAUS, GEBAUT VON HAND, HAT JAHRZEHNTELANG BESTAND. WO NICHTS WAR, WIRD ETWAS SEIN. DER MAURER SCHAFFT UND SCHLÄFT NACHTS WIE EIN STEIN.

ER BAUT SEIN HAUS, DIE ZEIT VERFLIEGT. WIRD ABEND, EH ER SICH’S VERSIEHT. NOCH EINE KLEINGKEIT LÄSST IHN NICHT RUH’N. STETS BLEIBT ’NE KLEINIGKEIT FÜR IHN ZU TUN. WENN ER STEINE SETZT, IST DAS SEINE WELT, DA ZÄHLT ER NICHT DIE STUNDEN, ES GEHT IHM NICHT UMS GELD.

45


N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANTHONY Tagsüber denke ich die ganze Zeit an Steine. Irgendwann bau’ ich mir ein kleines Haus unten am Fluss. Ich werde mir Schränke aus Stein in die Küche bauen. Alles Stein. Eine Eingangstür aus Stein – die wird schwer. Sieht so aus, als müsste sogar in jedem meiner Träume ein Stein vorkommen. SÄNGER EIN FESTES HAUS, GEBAUT VON HAND, HAT EIN JAHRHUNDERT LANG BESTAND. DAS LEBEN KOSTET KRAFT, ES DRÄNGT UND TREIBT, DOCH WAS EIN MAURER SCHAFFT, DAS STEHT UND BLEIBT. DOCH WAS EIN MAURER SCHAFFT, … ANTHONY Nichts auf dieser Welt währt ewig, aber mit Steinen bist du verdammt nah dran … SÄNGER DAS STEHT UND BLEIBT. EDDIE JAFFE, PRESSESPRECHER (MANN 3) Ich kann nicht entspannen. Denn wenn Sie einen Typen fragen, der 58 Jahre alt ist, „Was macht ein Pressesprecher?“, dann zwingen Sie mich zurückzuschauen und zu erkennen, was ich für ein beschissenes Leben habe. Meine Hoffnungen, meine Ambitionen – was ich daraus gemacht habe. Was die Arbeit eines Pressesprechers mit dir gemacht hat. Wo bin ich gelandet? In einem Raum voller Zeitungsartikel und bei einer Darmentzündung. Mein größtes Problem ist, glaube ich, dass ich nicht nein sagen kann, dass ich immer überall dabei sein muss, die Angst, etwas zu verpassen. Ein Psychiater sagte zu mir „Ein Mann mit einem Hintern kann nicht zwei Pferde reiten“. Ein Pressesprecher zu sein, ist ein Bekenntnis der Unfähigkeit. Es ist für Leute, die nicht den Mumm haben, selbst Aufmerksamkeit zu bekommen. Du bringst dein Leben damit zu, der Welt zu sagen, wie großartig jemand anderer ist. Bei dieser Arbeit baust du nichts auf. Hätte ich einen kleinen Laden von meinen Eltern übernommen, wäre ich das Ding vielleicht für ein paar Millionen losgeworden. Wem verkaufe ich meine Zeitungsartikel? (EDDIE setzt sich an den Tisch eines Restaurants. Der Fokus wechselt zu einer Kellnerin: DOLORES DANTE, als sie ein Tablett aufnimmt und beginnt, ihn und die Gäste zu bewirten.) 46


#8A – DELORES ÜBERLEITUNG DELORES (FRAU 3) (Gießt den Gästen Wasser ein)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Guten Abend, die Herren. Gibt es etwas Aufregendes an der Bar, das ich ihnen anbieten kann? (zu uns)

Es wäre mir langweilig, immer und immer wieder die gleichen Fragen zu stellen: „Möchten sie einen Cocktail?“, darum variier’ ich meine Fragen zu meinem eigenen Vergnügen, z.B. „Gibt es etwas Aufregendes an der Bar, das ich ihnen anbieten kann?“ oder etwas Ähnliches. Zum Cocktail gibt es ein bisschen Philosophie, zum Kaffee etwas Politisches. Ich habe zu jedem nur denkbaren Thema eine Meinung. Mein Chef mag das nicht, deshalb spreche ich ‚sotto voce‘. Aber wenn ich richtig Feuer fange, scher’ ich mich einen Teufel drum. Ich rede so, wie Italiener reden. Kellnerin zu sein, ist meine Bestimmung. Wie sonst kommt die Welt zu dir? Jeder will essen, jeder hat Hunger. Und ich bediene sie, bin ihre Bedienung. Ich diene nicht, da gibt’s einen Unterschied. (Musik setzt ein)

N

IC

#9 – ELEGANT UND CHARMANT Wenn ich bediene, gerate ich in einen Rausch. Es ist wie Theater, und ich fühl’ mich wie Mata Hari, und es berauscht mich. Ich steh’ auf der Bühne. LEGT EIN DILLETANT EIN GEDECK AUF, GILT MEIST: JEDER HÖRT’S. NICHT BEI MIR! RÜCKT EIN IGNORANT EINEN STUHL ETWAS DREIST - UND SCHON STÖRT’S. NICHT BEI MIR! ACHTE AUF DIE HAND, WENN ICH GLÄSER PLAZIER’ UND BIN STETS BRILLANT, WENN ICH HÄHNCHEN TRANCHIER’, UND WENN ICH SERVIER’, TUE ICH’S AKROBATISCH, IRGENDWANN DANN EMPHATISCH UND SCHLIESSLICH DRAMATISCH! (Sie summt „Un Bel Di“ aus „Madama Butterfly“ an) ELEGANT UND CHARMANT BEDIENT DIE SERVIERKRAFT, DIE ETWAS VOM HANDWERK VERSTEHT. SEHR GEWANDT, MIT DER HAND UND STETS ANGEMESSEN, SO REICH’ ICH DAS ESSEN, DIE DELIKATESSEN, UND DAS NOCH GRAZIL UND GALANT, EBEN EINFACH CHARMANT. 47


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

EINMAL DA HATTE ICH, SO WIE JETZT, EIN SEHR VOLLES TABLETT, UND FIEL HIN! UNWEIGERLICH MIT KAFFEE UND GEPÄCK PLUS OMELETT FIEL ICH HIN! WAHRTE MEIN GESICHT – DENN KEIN GAST MERKTE WAS, HÖREN KONNT’ MAN’S NICHT, NUR DIE BLUSE WAR NASS! DOCH ICH BIN EIN AS, MUSS ICH SCHNELL MIT TABLETT RAUS, DABEI SEH’ ICH ADRETT AUS, DENN DANN WIRD BALLETT DRAUS!

(Sie summt „Schwanensee“ an)

ELEGANT UND CHARMANT, SO NEHME ICH MANCHE SAISONKRAFT SCHON MAL INS GEBET. SO AUCH IHN, NEU IM TEAM, ER IST NICHT DER BESTE, MIT FLECK AUF DER WESTE, VERGRAULT MIR DIE GÄSTE, ICH RED’ MIT IHM KLAR UND PRÄGNANT, BLEIB‘ DABEI NOCH CHARMANT. GOTT! HA! TRINKGELD IST ETWAS FÜR BARMIXER ODER DIE ARMEN! FÜR SIE IST ES WICHTIG, FÜR MICH IST ES NICHTIG! WIRF ’NE MÜNZE MIR ZU, DANN FÜHL’ ICH MICH PLÖTZLICH WIE CARMEN!

N

IC

DURCH SCHWITZENDE FÜSSE, GELENKSCHMERZ UND KINDERGEKREISCH MUSS MAN DURCH. DURCH ‚KOMM MAL HER, SÜSSE!‘ UND ‚KÖNNTE ICH KETCHUP AUFS FLEISCH?‘ MUSS MAN DURCH.

UND ERST SPÄT AM ABEND SENKT DER VORHANG SICH HERAB. BEI DEN KÜCHENSCHABEN, DA MACH’ ICH LANGSAM SCHLAPP. FÄLLT DIE SPANNUNG AB, DANN MÖCHTE ICH BRÜLLEN UND ALLEN ENTHÜLLEN: NICHTS KANN SO ERFÜLLEN!

48


Ich sage jedem: Ich bin Kellnerin und ich bin stolz drauf. Wenn jemand zu mir sagt: ‚Hey, Sie sind klasse! Wie kommt’s, dass Sie nur kellnern?‘ Wissen Sie, was ich ihm sage? Ich sage: ‚Wieso? Glauben Sie bloß nicht, dass Sie es verdient haben, von mir bedient zu werden!‘ GÄSTE HE! HE! BITTE ZWEI KAFFEE! KOMMEN SIE MAL HIER HER! HE! HE! HIERVON ETWAS MEHR! HE! HE! BRINGEN SIE NOCH MEHR KABELJAU! MEIN TELLER! MEIN MESSER! LOS, SCHNELLER! GEHT DAS BESSER? HE! ICH NEHM’S MIT FÜR DEN HUND! ACH DU SCHRECK! ICH MUSS WEG! DIE RECHNUNG! IHR TRINKGELD! BEEILUNG! UND SAGE CIAO! DELORES

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DELORES ELEGANT UND CHARMANT MUSS SEIN, WER’S BEDIENEN BEHERRSCHT UND DER WEISS, WIE ES GEHT. UND ICH SAUS’ DURCH DAS HAUS MIT VERSTAND WIE SONST KEINE, BRILLIANT WIE SONST KEINE, GEWANDT WIE SONST KEINE BERAT‘ ICH AUF WUNSCH JEDEN GAST! DABEI BIN ICH STETS SEHR GENAU! JEDESMAL BEWEIS’ ICH KNOWHOW! MACHE MEINEN JOB UND STEH’ MEINE FRAU! ICH BIN NICHT NUR SERVIERKRAFT, SONDERN AUCH RAMPENSAU!

49


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Nach 16 Jahren, die ich hier arbeite, buchte ich zwei Wochen Urlaub auf Hawaii mit meinem Lover. Eine meiner Töchter sagte: „Verhalt dich doch mal altersgemäß, Mama.“ Ich sagte: „Schätzchen, wenn ich mich altersgemäß verhalten würde, könnte ich nicht mehr auf zwei Beinen gehen.“ Nicht nach 16 Jahren in diesem Job … MANN 1 Ich habe für die 16 Jahre gearbeitet, und über Nacht haben sie die Hälfte von uns rausgeschmissen. Im Nachhinein hieß es, es war der schwarze Donnerstag. Sie sagten, wir sollten unsere Sachen packen und gehen. Das war alles. Keine Verabschiedung. Ein Typ brach zusammen und fing an zu heulen „Was hab‘ ich falsch gemacht? Ich habe einen ziemlich guten Job gemacht. Tut mir das nicht an. Meine Tochter heiratet nächsten Monat. Wie soll ich den Leuten in die Augen schauen?“ Von einem Tag auf den anderen ruft dich keiner mehr an. Du gehst raus und willst Freunde besuchen, aber sie sind alle beschäftigt. Sie haben keine Zeit für dich. Das ist ein psychologisches … (Er hält inne. Lange Pause.)

Ich will das nicht.

FRAU 2 Es war vorigen November, und ich suche immer noch. Aber man muss sich halt allein durchschlagen, das habe ich mein ganzes Leben so gemacht. EDDIE (MANN 3) Versteht mich nicht falsch – bei den heutigen Wirtschaftsverhältnissen bin ich froh, überhaupt Arbeit zu haben. Aber nach so vielen Jahren wüsst‘ ich gern … Ich wüsst‘ gern, wie es sich anfühlt, nicht jeden Tag arbeiten gehen zu müssen … (In der Chicagoer Produktion, half eine Umzugshilfe EDDIE, sich in JOE ZUTTY zu verwandeln.)

IC

#9A – JOES KOSTÜMWECHSEL

N

JOE (MANN 3) Als ich in den Ruhestand ging, waren die ersten zwei Jahre niederschmetternd. Ich hatte nichts zu tun, wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich sagte mir: Joe, du kannst nicht zu Hause sitzen und deine Zeit verschwenden. Du musst raus gehen, was machen. Jetzt läuft es für mich besser. Ich gebe mich keinen Tagträumen mehr hin. Ich denke an etwas und vergesse es sofort wieder. Tagträume tun dir nicht gut. Beschäftige dich, bleib immer in Bewegung, das ist der Trick …

50


#10 – JOE DU SCHLÄFST BIS ZEHN, MACHST DAN DEIN BETT.

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Die Schlafcouch wird wieder zum Sofa. Alles andere ist deprimierend. KOCHST DIR KAFFEE, MACHST EIN OMELETT. Und bewahrst die Reste auf. Wenn du nicht auf dein Geld aufpasst, wer dann? WIE WIRD DER TAG? BESTIMMT GANZ NETT. Bloß kein Selbstmitleid! IST WIE ROULETT: Gewinn oder verlier! Kannst zu Hause verzweifeln oder raus und was tun. DU TRIFFST ‘NEN FREUND IM SAILORS’S IN. Der Kerl lebt neben ’ner Keks-Fabrik, man riecht das gut! BEIM PLAUSCH KOMMT’S EUCH DANN IN DEN SINN, vielleicht ein paar Kumpels zusammenzurufen und Poker zu spielen. VERLIERST SCHON MAL ’NE RUNDE GIN. Hast die Karten nich’ mehr im Kopf WIE ZU BEGINN. Aber im Gin Rummy zu verlieren, ist immer noch besser, als gar nichts zu tun. DU BIST ZU FUSS EIN BISSCHEN SCHWACH. Zum Grab deiner Frau nimmst du den Bus und liest Readers Digest. ’S TRAINIERT DEIN HIRN UND HÄLT DICH WACH. 51


N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Manchmal gehst du aus und triffst deinen Cousin. Bringst ein Sixpack mit. IHR SITZT HERUM UND DENKT DANN: ACH, damals! Wir waren jung UND SCHLUGEN KRACH! Wir kennen uns schon ewig. Ich erinnere mich an … … EINE ACHTERBAHN, DA WAR’N VIELE LEUT. WAR’N ZWEI MÄDCHEN MIT, DAS HAT UNS GEFREUT. UND WIR LACHTEN, SCHRIEN, WIE ICH DAS BIS HEUT WEISS! Die große Höllenfahrt nannten sie den Trip. DRAUSSEN STANDEN WIR NICHT MEHR GANZ STABIL. EIN CAFÉ WAR DRUM UNSER NÄCHSTES ZIEL, UND WIR HATTEN SPASS, ASSEN GOTT WIE VIEL EIS! PUNKT ACHT UHR LÄUFT DIE TAGESSCHAU. Scheiß Politiker! Ich könnte meine Pantoffeln in den Fernseher schmeißen. DU NIMMST DIR ZEIT, TRINKST NOCH KAKAO. Meistens liegst du rum, streckst dich, rufst vielleicht mal deine Tochter an. UND GUCKST NOCH SPORT, DANN MACHST DU BLAU. Nur sonntags ist es anders. MIT NEUEM HEMD, IN SCHICKEM GRAU gehst du ’ne Runde Pool spielen. 52


DU TRINSKT EIN BIER, VIELLEICHT AUCH ZWO.

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Oder drei, oder vier. Mehr braucht’s nicht für ’ne gute Zeit. DU GEHST HERUM UND SAGST HALLO. Triffst viele von der alten Truppe. Ihr singt zusammen DIE ALTEN HITS, DIE SOWIESO! Wie Yesterday oder Satisfaction, DAS STIMMT DICH FROH! Letztens sangen wir In The Mood. Glaubt es oder nicht, da habe ich früher Walzer drauf getanzt. Großes Indianer-Ehrenwort! DAMALS TANZTE ICH, ICH WAR SIEBZEHN JAHR, MIT ’NEM HÜBSCHEN GIRL, HATTE BLONDES HAAR, UND DAS LICHT GING AUS, WAS ICH DACHTE, WAR: OH! Da hatten meine Kumpels ihre Finger im Spiel. UND ICH KÜSSTE SIE, UND DANN ETWAS MEHR, ICH ERINNRE MICH, ALS OB’S GESTERN WÄR’, UND SIE HAUCHTE DANN OHNE GEGENWEHR: JOE! DIE FREUNDE FAHR’N DICH DANN NACH HAUS. DU HOLST DEIN GELD AUS STRÜMPFEN RAUS. VERSCHLIESST DIE TÜR, MACHST LICHTER AUS, TAGEIN TAGAUS. 53


Als ich in Rente ging, sagten viele Leute zu mir: „Joe, du bist bei bester Gesundheit, arbeite weiter. Aber es war zu spät. Ich weiß nicht, warum ich in Rente ging. Weil man’s so macht, glaube ich. Aber ich bereue es nicht. Ich hab‘ immer was zu tun, reise herum. Wenn es irgendwo mal brennt, dann schau’ ich mir das an. Das große Feuer in unserem Viertel vor drei Monaten, da war ich dabei. Ich war überrascht, dass da dicker schwarzer Qualm aus den Häusern kam, man aber keine Flammen sehen konnte, wissen sie? Junge, war das ein Feuer.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

(Dann hören wir eine Feuerwehrsirene. TOM PATRICK, Feuerwehrmann, kommt aus einem brennenden Haus gerannt, nach Luft ringend. JOE bleibt auf seinem Stuhl sitzen.)

TOM Du gehst da rein, und es ist dunkel. Dicker Rauch quillt aus dem verdammten Gebäude. Es geht alles wahnsinnig schnell. Ich fühl’ die enorme Hitze von links. Ich dreh’ mich um, und der ganze verdammte Scheißraum ist orange, ist gelb. Du siehst nur orange und fühlst die Hitze. Der Zugführer geht mit zwei Männern die Leiter rauf und rettet zwei Leute. Aber im Erdgeschoss war ein Kerl, der versuchte, aus der Tür rauszukommen. Sie war mit Bolzen verriegelt. Er ist verbrannt. Wissen sie, was der Zugführer gesagt hat? ZUGFÜHRER (Offstage.)

Wir haben einen verloren, Scheiße! Wir haben einen verloren. TOM Ihr habt zwei gerettet. Wie konntet ihr wissen, dass jemand auf dem Billardtisch eingeschlafen ist? ZUGFÜHRER Sicher. Aber wir haben einen verloren …

IC

(Inzwischen ist das Feuer hinter TOM erloschen.)

N

TOM Ich wollte schon immer Feuerwehrmann werden. Viele wollen Feuerwehrmann werden. Es ist wie bei Kindern. Jeder Mann ist irgendwo noch ein Kind. Vierzigjährige Männer fühlen immer noch wie Kinder … früher war ich mal Polizist. Wissen sie, warum ich zur Feuerwehr gewechselt bin? Ich mag Menschen. Und manchmal, während meines Polizeidienstes, fühlte ich Hass in mir aufsteigen.

54


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Ich erinnere mich, wie ich mal auf das Dach eines Hauses gestiegen bin, und da steht dieser große Kerl von zwei Metern auf dem oberen Treppenabsatz. Er stand mit dem Rücken zu mir. Ich sagte: ‚Hey, drehen sie sich bitte um!‘ Er sagte: ‚Ok, warten sie ’ne Minute.‘ Seine Ellbogen bewegten sich um seinen Gürtel herum. Ich sagte: ‚Drehen sie sich sofort um!‘ Es dämmerte mir, dass er eine Waffe im Gürtel stecken hatte und versuchte, sie herauszuziehen. Ich sagte: ‚Verdammte Scheiße.‘ Ich zog meine eigene Waffe und sagte: ‚Hey, du Arschloch! Ich werde schießen!‘ Er nahm die Hände hoch. Er hatte seinen Schwanz draußen und hatte versuchte, seinen Reißverschluss hochzuziehen. Hinter ihm stand ein Mädchen in der Ecke, das ich nicht hatte sehen können. Hier war also dieser Kerl, der sich einen blasen ließ, und vielleicht hätte jemand anderes ihn erschossen. Ich sagte: ‚Verdammte Scheiße, ich hätte sie erschießen können!‘ Er begann zu zittern, und die Kanone in meiner Hand begann genauso zu zittern, und ich schluckte und sagte: ‚Macht, dass ihr hier verschwindet …‘ So machte ich dann den Eignungstest für die Feuerwehr vor vier Jahren, und vor drei wurde ich eingestellt. Wissen sie, in dieser verfickten Welt läuft so viel Scheiße. Aber die Jungs bei der Feuerwehr, die leisten was. Du siehst, wie sie ein Feuer löschen, du siehst, wie sie mit Säuglingen auf dem Arm herauskommen. Du siehst, wie sie einem Sterbenden Mund-zu-Mund-Beatmung geben. An diesem Scheiß kommst du einfach nicht vorbei, das ist die Wirklichkeit. Irgendwann habe ich mal bei einer Bank gearbeitet – wissen sie, das ist nur Papierkram, du guckst auf Zahlen. Das ist nicht die Wirklichkeit. Aber ich kann zurückschauen und sagen: ‚Ich habe geholfen, ein Feuer zu löschen, ich habe geholfen, jemanden zu retten.‘ Jemand konnte wegen mir geboren werden, jemand konnte wegen mir alt werden. Da ist etwas, was du auf dieser Welt geleistet hast. (UTKARSH TRUJILLO tritt als Pfleger auf die Bühne, führt JOE auf „sein Zimmer“ und wendet sich zum Publikum.)

#11 – EIN SEHR GUTER TAG

UTKARSH (MANN 2)

N

IC

FÜR IHN WAR’S HEUT EIN SEHR GUTER TAG. WIR WAREN BEIM SENIORENTREFFEN, DAS ER GERNE MAG. VIEL LIEBER BLEIBT ER EIGENTLICH ZUHAUS, ABER DIENSTAGS GIBT ES DORT MUSIK UND TANZ. IHR SOLLTET IHN MAL SEH’N, WENN ER TANZT ZU KASTAGNETTEN. ER GEHT HIN, PACKT DIE GELEGENHEIT BEIM SCHOPF. UND MANCHMAL WEISS ER NICHT MEHR, WER ICH BIN. ABER HEUT WAR ER MEISTENS ZIEMLICH KLAR IM KOPF. ZWISCHENDURCH FÜHL’ ICH DEN PULS UND ZIEH’ IHN UM, DENN KEINER SCHERT SICH SONST DARUM. WENN ICH IHM HELFE, FÜHL‘ ICH MICH GUT. WEIL ICH DIE ARBEIT MACH’, DIE SONST KEIN ANDRER TUT. 55


THERESA LI, NANNY (FRAU 1)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FÜR SIE WAR'S HEUT EIN SEHR GUTER TAG. WIR GINGEN IN DEN PARK, WO SIE GERN SPIELEN MAG. SIE IST ERST FÜNF, DOCH KANN SIE SCHON SEHR VIEL. UND SIE WOLLT’ MIT IHREM ROLLER RUNDEN DREH’N. IHR SOLLTET SIE MAL SEH’N. DOCH WOLLT’ ICH SICHER GEH’N, ICH RANNTE NEBENHER, WOLLT IHR ZUR SEITE STEH’N. DER ABEND KAM, ICH BRACHTE SIE NACH HAUS UND DANN INS BETT, DENN IHRE ELTERN KOMMEN NICHT VOR ZEHN. UND ICH SING’: MAHAL KITA MINA MAHAL KITA, MAHAL NA MAHAL KITA, BIS SIE DANN SCHLÄFT. SIE SAGT: ICH LIEBE DICH. UND ICH LIEBE SIE AUCH UND TU’, WAS IHRE MUTTER NICHT ZU TUN BRAUCHT.

UTKARSH ICH HABE SELBST FAMILIE.

THERESA

ICH HABE SELBST EIN KIND ZUHAUS.

N

IC

UTKARSH SIE IST AN EINEM FERNEN ORT.

THERESA UND NIEMAND SINGT SIE IN DEN SCHLAF. UTKATSH & THERESA OFT MACH’ ICH DIE AUGEN ZU, STELL’ MIR VOR, ICH WÄRE DORT.

56


UTKARSH

MAHAL KITA MINA MAHAL KITA MAHAL KITA MINA MAHAL KITA MAHAL NA MAHAL KITA MAHAL KITA

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DUERMETE DUERMETE HASTA LA MADRUGADA DUERMETE FÜR IHN WAR’S HEUT EIN SEHR GUTER TAG. WIR WAREN BEIM SENIORENTREFFEN, DAS ER GERNE MAG.

THERESA

UTKARSH & THERESA ICH WEISS, IRGENDWANN WIRD FÜR MICH ALLES GUT. FÜR JETZT TU’ ICH, WAS SONST KEIN ANDRER TUT. FÜR JETZT TU’ ICH, WAS SONST KEIN ANDRER TUT.

(Das Licht geht über ihnen aus, während MAGGIE HOLMES auftritt. Sie ist eine Reinigungskraft, afroamerikanisch, älter.) MAGGIE Wissen sie, was ich schon immer machen wollte? Ich wollte Klavierspielen. Das war’s, was ich wirklich wollte, und ich würde Songs schreiben über mein Leben, meine Jugend, meine Mutter und meine Großmutter … Jetzt habe ich meine eigene hübsche Tochter, und ich hab’ Pläne für sie. Also bin ich morgens früh raus aus dem Haus und putze hier in diesen Büros.

N

IC

#12 – DIE PUTZEN Seit Generationen machen wir nichts anderes – wir putzen. Meine Großmutter, meine Mutter und ich. Aber meine Tochter, die wird nichts dergleichen mehr tun. Ich will die letzte in dieser Reihe sein. MAMA, OMA, TANTEN MACHEN DEN DRECK WEG, JA, DAS IST UNSER TÄGLICH BROT! WIR SIND ZIMMERMÄDCHEN, HAUSHÄLTERIN BABYSITTER ODER PUTZFRAU, SIND’S BIS ZUM TOD! DAS SECHS TAGE DIE WOCHE, ZWÖLF STUNDEN LANG, UND NOCH DAZU FÜR’N MIESEN LOHN! ERNTEN DAFÜR DANN ZUM DANK OBENDRAUF MEIST NICHT ALS SPOTT UND HOHN, DENN AUF

57


FRAU 1 & 3 UNS, DIE PUTZEN UNS, DIE PUTZEN ACHTET KEINER, OBWOHL KAUM EINER SCHUFTET KAUM EINER SCHUFTET SO WIE UNSEREINER. SO WIE UNSEREINER. JETZT HÖRT AUF MICH, ICH WEISS ES GENAU! SIE WEISS ES GENAU! UND NUN NACH SO VIELEN JAHR’N, GOTT! GOTT! WILL ICH EINFACH NIE MEHR EINEN WISCHMOP SEH’N! OH, NEIN! WILL ICH NICHT MEHR MIT DEM BESEN FEGEN GEH’N! UND MAL ‘NEN TAG UND MAL ‘NEN TAG MAL SCHLAFEN BIS UM ZEHN! (MAGGIE) DENK’ OFT AN MEINE TOCHTER, WAS SIE GRAD MACHT UND WO SIE IST. DASS ICH MANCHMAL SORGEN HAB’, KOMMT REICHEN LEUTEN NICHT IN ‘N SINN!

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MAGGIE

58


PUTZFRAUEN DENK‘ OFT AN, DENK‘ OFT AN, SIND NUR PERSONAL, PERSONAL, MEIN GOTT! HE! UND DANN IRGENDWANN OH, NE! OH, IRGENDWANN MAL! SIE WIRD NIEMALS PUTZE WIE UNSEREINER. OH, NE! SIE EINFACH MISSACHTEN, OHNE GRUND, DAS WIRD KEINER! DIE ERSTE DER FAMILIE SEIN ZOLLEN WIRD, GOTT! OH, NE UND SIE ... SPASS WIRD IHR AN IHRER ARBEIT NIE VERGEH’N!

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MAGGIE REDEN UM DICH RUM, ALS OB DU LUFT FÜR SIE BIST! ICH WEISS, WIR SIND JA FÜR DIE NUR PERSONAL! MEINE TOCHTER IST EIN STARKES PERSÖNCHEN, UND HÜBSCH IST SIE NOCH OBENDREIN! UND DANN IRGENDWANN IHR GANZES LEBEN NUR MIT WRING’N ZU VERBRING’N, DAS FÄLLT IHR NICHT EIN! WENN MEIN RÜCKEN ’S ERLAUBT, SORGE ICH DAFÜR, DASS ES IHR SPÄTER MAL BESSER GEHT. WENN SIE SICH IRGENDWO HINKNIEN WIRD, DANN TUT SIE’S NUR FÜR’N GEBET! SIE WIRD NIEMALS PUTZE WIE UNSEREINER. SIE EINFACH MISSACHTEN, OHNE GRUND, DAS WIRD KEINER! WIRD DIE ERSTE DER FAMILIE SEIN, DER MAN RESPEKT ZOLLEN WIRD, GOTT! UND SIE WIRD NICHT TÄGLICH EINEN WISCHMOP SEH’N! UND NEIN, SIE WIRD NICHT MIT DEM BESEN FEGEN GEH’N! UND SIE WIRD IRGENDWANN MAL SCHLAFEN BIS UM ZEHN, DER SPASS WIRD IHR AN IHRER ARBEIT NIE VERGEH’N! ICH WEISS GENAU, GOTT!

59


GOTT! ICH WEISS GENAU, ES WIRD GESCHEH’N, GESCHEH’N! ICH WEISS, ES WIRD, ES WIRD, ES WIRD GESCHEH’N, GESCHEH’N! ICH WEISS, ES WIRD, ES WIRD GESCHEH’N! MAGGIE Ich bin die vierte Generation von Putzfrauen in unserer Familie. Aber meine Tochter, sie ist eine ganz neue Generation. So wird es sein – eine ganz neue Generation.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ICH WEISS GENAU, ES WIRD GESCHEH’N! GOTT, ICH WEISS, ES WIRD, ES WIRD GESCHEH’N, OH, OH, OH, OH! ICH WEISS, ES WIRD, ES WIRD GESCHEH’N!

(das Licht auf RALPH WERNER wieder auf, Geschäftsmann, weiß, 19.)

IC

RALPH Ich heiße Ralph Werner. Ich bin 19 Jahre alt. Ich leitete den Gemeinschaftsfond der Schüler an unserer Schule. Mein Vater hat eine eigene Investment-Firma an der Wallstreet, ich denke, da habe ich gelernt. Er führt einen Hedgefond, wissen Sie, das sind die Typen, die ihre Investoren hintergehen und dann immer dran sind. Wir hatten „Ethik“ als Unterrichtsfach, deshalb bin ich sicher, dass ich da keine Probleme kriege. Und ich werde auf eine Business-School gehen, eine der besten und teuersten natürlich. Ich wäre wirklich gern ein Profi-Golfer. Ich werde vermutlich eher Unternehmer. Und dann gründe ich natürlich eine Familie. Meine sogenannte „Traumfrau“ hat lange brünette Haare und braucht nicht viel Make-up, weil sie einfach natürlich schön ist. Sie muss eine starke Persönlichkeit haben, denn mit dreißig, wenn wir gemeinsam gesellschaftlich aufsteigen, wird es irgendwann um mehr gehen, als einfach nur gut auszusehen. Am Anfang wird sie wahrscheinlich arbeiten, aber nach unserem ersten Kind bleibt sie zuhause. Sie wird natürlich eine gute Mutter sein. Ich wünsche mir drei Kinder – zwei Jungen und ein Mädchen. Ich hätte gern ein Haus im Kolonialstil, vielleicht leicht mediterran. Vielleicht könnte es an einen Golfplatz angrenzen, so dass meine Frau und ich spielen können, wann immer wir wollen.

N

(Er legt seine Stirn in Falten)

Ich hoffe, meine zukünftige Frau kann Golf spielen.

(Licht auf CHARLIE BLOSSOM, 19 Jahre, mit einem verschmitzten Lächeln.)

60


CHARLIE BLOSSOM (langhaarig, eine Zigarette hängt an seinen Lippen)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Ich heiße Charlie. In drei Wochen werde ich zwanzig. Ich hatte eine Empfehlung als Praktikant bei einer großen Tageszeitung. Ich ging ins Büro des Chefredakteurs und sagte ihm, wie sehr ich Journalist werden wollte. Er mochte mich – Ich trug eine Krawatte. Zu arbeiten war für mich wie eine Mission. Ich brachte Bio-Walnüsse und Bio-Rosinen mit und verteilte sie unter den Mitarbeitern. Sehen sie, an diesem Punkt des Spiels war ich in einer sehr idealistischen Stimmung. Ich fand meinen Job toll, weil ich die meiste Zeit den Telefondienst machte. Leute riefen an und beschwerten sich oder hatten ein Problem, und ich sagte: „Das hier ist eine kapitalistische Zeitung. Und solange diese Zeitung kapitalistisch ist, hat sie nur den Zweck, Geld für ihren Eigentümer reinzubringen und nicht etwa, für sie da zu sein.“ Und ich riet ihnen, den Chefredakteur anzurufen oder herzukommen und die Zeitung zu übernehmen. Viele Leute haben sehr positiv auf meine Vorschläge reagiert. Aber der Chefredakteur rief mich in sein Büro und sagte: ‚blah blah blah blah blah …‘ Ich hätte gern einen Baseballschläger genommen und seinen Schädel eingeschlagen. Ich meine, er ist wirklich ein netter Kerl, ich mag ihn. Ich weiß nicht, ob es mir irgendwas gäbe, wenn ich ihn mit einer Pumpgun erschießen und seinen Körper zerfetzt vor mir sehen würde. Wenn ich an die Zeitung denke, träume ich davon, mir eine Maschinenpistole zu besorgen und sie alle niederzumähen. (Schlag.)

IC

Oder ich nehm’ mir ’ne Pumpgun und marschier’ ins Büro des Chefredakteurs und sage: ‚Ok, ich bin das Letzte, was sie in ihrem Leben zu sehen bekommen!‘ Ich habe monatelang darüber nachgedacht, was ich tun würde, wenn man mich feuert. Ich wollte etwas tun, was ihnen zeigt: Hey, ich bin besser als ihr verdammten Wichser! Ich wurde gefeuert, weil ich anders bin als ihr! Ich musste mich schnell entscheiden, also schaute ich den Chefredakteur an und sagte: ‚Ich hoffe, sie können das mit ihrem Gewissen vereinbaren, was sie hier für Verhältnisse schaffen.‘ Dann machte ich kehrt und ging raus und fing an zu flennen. Er lief mir nach und sagte: ‚Warte eine Minute. Ich schaffe hier keine Verhältnisse, du tust es!‘ Ich sagte: (brüllend)

N

‚Nein, nein, ich bin doch nicht der, der die Macht hat, Sie haben die Macht!‘ (Pause.)

Nun bin ich arbeitslos. Sie waren nett zu mir die ersten Male. Dann forderte diese Frau mich auf, eine Nummer zu ziehen. Ich wollte ihr sagen. ‚Fick dich, ich kann vor deiner Wohnung warten, dir eins über den Schädel ziehen und dich ausrauben.‘ Aber das wäre sehr verbittert. Ich will nicht verbittert sein, ich bin Pazifist. (Licht auf MIKE. Er schaut beide an und denkt über seinen eigenen Sohn nach.)

61


#13 – VÄTER UND SÖHNE

MIKE (MANN 3)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ICH FRAGTE MICH: WIE WIRD’S DIR, SOHN, IN ZUKUNFT ERGEH’N? DA WARST DU NOCH KLEIN. HEUT DENK ICH DARAN, WIE SCHNELL DIE JAHRE VERGEH’N. NUN HOL’N SIE DICH EIN. FRÜHER SASSEN DEINE MUTTER UND ICH AM ABEND OFT ZUSAMMEN, IN GEDANKEN STETS BEI DIR. WIE GROSS KONNT’ UNSRE FREUDE SEIN, SCHLIEFST DU VON GANZ ALLEINE EIN, HATT’ST EIN NEUES WORT GELERNT, WIEVIEL PLÄNE HATTEN WIR!

N

IC

ICH WAR EIN HELD FÜR DICH, UND MACHTE NIE WAS FALSCH, ICH NAHM DICH AN MEINE HAND, WAR DER BESTE AUF DER WELT FÜR DICH. ES GAB EIN FESTES BAND, DOCH ES BESTAND NUR EINE KURZE ZEIT. MEINE FEHLER TUN MIR LEID. FRÜHER EINMAL STAND ICH MEINEM VATER SEHR NAH, DOCH ICH FRAG’ MICH HEUT, WARUM DAS, WAS DAMALS SCHÖN UND HEITER WAR, MICH NUN NICHT MEHR FREUT. IRGENDWANN FING ICH ZU SCHAUDERN AN, UMARMTE ER MICH DANN UND WANN, FÜR SEINE LIEBE WAR ICH BLIND. DOCH ES GAB ‘NE ZEIT DAVOR, BEIM FUSSBALLSPIEL’N STAND ER IM TOR, UND WIR SCHLIEFEN NACHTS IM FREI‘N, MEIN VATER UND SEIN KIND.

62


N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ER WAR EIN HELD FÜR MICH UND MACHTE NIE WAS FALSCH, ER NAHM MICH AN SEINE HAND. ER WAR FÜR MICH DER KLÜGSTE UND DER STÄRKSTE, AN IHN GLAUBTE ICH. ES GAB EIN FESTES BAND, DOCH ES BESTAND NUR EINE KURZE ZEIT. WIR HABEN UNS ENTZWEIT. UNS BEIDEN TUT ES LEID. (über der Musik gesprochen)

N

IC

Das klingt vielleicht komisch, aber mein Kind ist für mich wie mein Abdruck, wissen sie, was ich meine? Das ist es, wofür ich arbeite. Jedes Mal, wenn ich einen cleveren jungen Kerl sehe, wie er im Anzug an mir vorüberläuft, denke ich an mein Kind. Wissen sie, was ich will? Ich will, dass mein Kind mir sagt, dass es nicht so werden wird wie ich. Ich will, dass er mich ansieht und sagt: ‚Papa, du bist ein netter Kerl, aber auch ein verdammter Dummkopf.‘ Ja, zur Hölle. Wenn du dich selbst nicht verbessern kannst, verbesserst du halt deine Nachkommen. Sonst ist das Leben nichts wert, sonst kannst du gleich zurück in die Höhle gehen und dableiben. Ich bin sicher, der erste Höhlenmensch, der auf den Hügel geklettert ist, um zu sehen, was auf der anderen Seite liegt – er tat es nicht nur aus Neugier, er tat es, um seinen Sohn aus der verdammten Höhle rauszuholen … MIKE MANN 1 & 2 ICH FRAGTE MICH: WIE WIRD’S DIR, SOHN, IN ZUKUNFT ERGEH’N? ZUKUNFT ERGEH’N … WAS WIRD MIT UNS PASSIER’N? ERGEH’N … HEUT DENK ICH DARAN, WIE SCHNELL DIE JAHRE VERGEHN, DIE JAHRE VERGEH’N, UND WAS WIR VERLIER’N. HEUTE ERST STEH’ ICH DAZU, DASS ICH TUE, WAS ICH TU’, DINGE SO SIND, WIE SIE SIND, ICH TUE, WAS ICH TU’, UND WENN ICH MEINE ARBEIT TU’, OOH ICH’S FÜR EIN BESSRES LEBEN TU’, ALS DAS, WAS MEIN VATER MIR GAB. ICH TU’ ES FÜR MEIN KIND. (Während des Applauses kommen Arbeiter langsam, einer nach dem anderen, auf die Bühne.) 63


N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MIKE Du denkst an die Arbeit, die du geleistet hast. Auch, sagen wir mal, Michelangelos Sixtinische Kapelle, dieses tolle Kunstwerk. Aber was wäre, wenn er diese Kapelle tausendmal im Jahr ausmalen müsste? Glaubt ihr nicht, das würde Michelangelo auch abstumpfen? FRAU 3 Schaut, es ist nicht nur die Arbeit. Jemand hat die Pyramiden erbaut. MANN 2 Die Pyramiden, das Empire State Building, diese Dinge passieren nicht einfach. MANN 1 Es kümmert mich nicht, wie groß mein Anteil an einer Sache ist. Du fährst eine Straße entlang und sagst: „Ich habe an dieser Straße mitgearbeitet.“ FRAU 2 Wenn’s eine Brücke ist, sagst du: „Ich habe an dieser Brücke mitgebaut.“ FRAU 1 Ich denke, wenn ein Tischler einem Dichter eine Gartenlaube zimmert, dann schuldet der Dichter dem Tischler eine kleine Tafel – ein paar kurze Zeilen an der Wand: MANN 2 „Wir erschaffen etwas mit unserem Geist, doch dieser Platz, an dem wir uns wohl fühlen, wurde von jemandem erschaffen, der mit seinen Händen arbeitet.“ FRAU 2 Picasso war stolz auf sein Bild … FRAU 1 Ein Schriftsteller ist stolz auf sein Buch … MANN 1 Worauf bin ich stolz?

64


FRAU 3 Jeder sollte etwas haben, auf das er stolz sein kann. (über der Musik gesprochen) #14 – WOHINTER MAN STEH’N KANN

N

IC

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MIKE Wisst ihr, was ich klasse fände? Ich würde gern ein Gebäude sehen, sagen wir das Empire State Building, da würde ich gern auf einer Seite einen fußbreiten Streifen vom Boden bis zum Dach sehen, mit den Namen aller Stahlarbeiter, Maurer, Elektriker, sämtliche Namen. Wenn man da vorbeikommt, kann man seinen Sohn beiseite nehmen und sagen … DIES GEBÄUDE, FRAU 1 ICH HAB’S GEBAUT, WAR SEIN ARCHITEKT. FRAU 3 ICH HAB’S GEZEICHNET UND HAB’S GEPLANT, FRAU 1 & 3, MANN 1 JEDES DETAIL UND JEDEN ASPEKT. ALLE DIES GEBÄUDE, MANN 1 ICH SASS IM KRAN, HOB LASTEN EMPOR. MANN 2 SEHT IHR DEN STEIN? DEN HAB’ ICH GESETZT! FRAU 2 SEHT IHR DAS DACH? ICH HAB’S GEDECKT! MANN 1 & 2, FRAU 1 JEDES DETAIL UND JEDEN ASPEKT. 65


ALLE

DIES GEBÄUDE,

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FRAU 1 SIEH MEINE TÜR, PERFEKT, WIE DIE SITZT! ALLE DIES GEBÄUDE,

MANN 3 HAB’ MEINEN NAMEN DORT EINGERITZT.

ALLE

DIES GEBÄUDE,

N

IC

MANN 1

ICH BIN DER WÄCHTER, DER‘S NACHTS BEWACHT. FRAU 2 ICH WISCH’ DEN FLUR UND DAS MACH’ ICH GUT! FRAU 3 WIE VIEL ZEIT HAB’ ICH HIER SCHON VERBRACHT? ALLE DIES GEBÄUDE, FRAU 1 ICH SITZ’ AM SCHREIBTISCH ACHT STUNDEN LANG. MANN 2 ICH FÜHRE BUCH. FRAU 1 ICH SCHMEISS’ DAS BÜRO. 66


FRAU 2

STECH’ MEINE KARTE UM PUNKT ACHT.

ALLE DIESES FENSTER,

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 3

FÜNFZIG STOCK HOCH

MANN 1

ÜBERM ASPHALT. DIESES FENSTER,

ALLE

MANN 2

ZÄHLE VON LINKS EINS,

ZWEI,

MANN 2 & FRAU 2 MANN 3 & FRAU 1

N

IC

MANN 1 & FRAU 3

DREI –

ALLE

HALT!

FRAU 1

DORT SITZE ICH!

ALLE

JEDER BRAUCHT WAS, WOHINTER ER STEH’N KANN, ETWAS, DAS IHN STOLZ MACHT.

67


MANN 2 SCHAU, WAS ICH TAT

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MIT GANZER KRAFT!

MANN 1

FRAUEN

ICH HAB’S GETAN,

MANN 3

ICH HAB’S GESCHAFFT!

ALLE

JEDER BRAUCHT WAS, WOHINTER ER STEHN KANN, UND VON DEM ER SAGT: JA, ICH WOLLT’S, STOLZ …

N

IC

DIES GEBÄUDE. WAR HIER SO OFT, TAG FÜR TAG, TAG FÜR TAG. HIER GING ICH MANCHES RISIKO EIN, SCHUFTETE DORT FÜR LOHN UND ERTRAG. DIES GEBÄUDE, MANN 3 HIER HAB’ ICH MEINE BRÖTCHEN VERDIENT. FRAU 2 HAB’ DORT ’NEN TEIL DES LEBENS VERBRACHT. ALLE ZEIG’S MEINEN KINDERN UND ICH SAG’: DIES GEBÄUDE,

68


MANN 1

ICH HAB’S GEBAUT. ICH HAB’S GE… BRIEFE GETIPPT,

FRAU 2

ICH HAB’S GEBAUT. ICH HAB’S GE… BRIEFE GETIPPT,

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

MANN 2 & 3, FRAU 1 & 3 VIEL HOLZ WURD’ BESCHAFFT, DER PREIS KALKULIERT. DIES GEBÄUDE, DIE FENSTER GEPUTZT, DAS GRUNDSTÜCK SONDIERT, BETON WURD’ GEMISCHT UND MEMOS DIKTIERT, VIEL BRIEFE GETIPPT,

ALLE DER GRUNDSTEIN GELEGT. KAFFEE WURD’ VERKAUFT UND ERDE BEWEGT, DIES HAUS WURD’ GEBAUT FÜR EUCH SICHTBAR HIER VON MIR! MIR! MIR! MIR! MIR! MIR! MIR! MIR!

N

IC

(Blackout)

69


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.