VERBOTENE FRÜCHTE Textbuch

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Textbuch

VERBOTENE FRÜCHTE

Musical nach Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“

Musik von MICHAEL BELLMANN Gesangstexte von JÜRGEN FERBER & MICHAEL BELLMANN Buch von JOERG STEVE MOHR

N

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Bühnenvertrieb in Deutschland:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de

für

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Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

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Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

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Besetzung EMMA Tochter von Friedrich und Tine. Sie ist 7 Jahre (VOM BAND). FRIEDRICH Verheiratet mit Tine. Arzt mit eigener Praxis. TINE 30 Jahre. Eine gute Mutter. MIRIAM Tochter des Ministers - Todesbote LULU Nutte – Strafe MARIE NACHTIGALL Pianistin – Das Abenteuer GEBISER Kostümverleiher/in – Der Spieler GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU Das Gewissen STIMME Die Moral (VOM BAND) DOMINIQUE Hure – Die Strafe OLGA Bardame – Die Psyche LEICHE unbekannt – Der Tod Das Foto auf der Titelseite zeigt Julia Friess und Marc Trojan in der Uraufführung von „Verbotene Früchte“ im Theater am Puls, Schwetzingen (Premiere am 15. Februar 2015, Inszenierung: Joerg Steve Mohr Regieassistenz: Sarah Palarczyk Bühne: Joerg Steve Mohr, Teresa Ungan Ausstattung: Teresa Ungan). Foto: Theater am Puls


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VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

Inhaltsverzeichnis

PROLOG – Künstlergarderobe ................................................................................................................... 5 1 Prolog ................................................................................................................................................................................ 5 TEIL 1 ................................................................................................................................................................. 6

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1. SZENE - SCHLAFZIMMER .......................................................................................................................... 6 1a Underscore .................................................................................................................................................................... 6 1B Underscore – Traum ............................................................................................................................................. 14 1c Underscore .................................................................................................................................................................. 15 1. Bild – Bei Becks ....................................................................................................................................... 15 2 Lied: Darf ich das sagen? ........................................................................................................................................ 17 2a Underscore ................................................................................................................................................................. 20 2b Underscore ................................................................................................................................................................. 20 2. Bild – Auf der Straße der Seelen ........................................................................................................ 20 2C Lied: Treu .................................................................................................................................................................... 20 2D Underscore ................................................................................................................................................................. 21 3. Bild –Spielplatz ........................................................................................................................................ 22 3 Lied: Manche wollen nur reden ........................................................................................................................... 23 3a Underscore ................................................................................................................................................................. 24 4. Bild – Auf der Straße der Seelen ........................................................................................................ 25 3b Lied: Nachtfalter ...................................................................................................................................................... 25 3c Underscore .................................................................................................................................................................. 26 5. Bild – In der NahBar ............................................................................................................................... 26 4 LIED: Frei ..................................................................................................................................................................... 30 4a Underscore ................................................................................................................................................................. 30 6. Bild – Auf der Straße der Seelen ........................................................................................................ 34 4b Lied: Eier ..................................................................................................................................................................... 34

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7. Bild – Kostümverleih ............................................................................................................................. 34 5 Lied: Leben ist ein Maskenball ............................................................................................................................. 35

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8. Bild – Orgie ................................................................................................................................................ 39 6 Maskenball .................................................................................................................................................................. 39 TEIL 2 .............................................................................................................................................................. 44 9. Bild – Auf der Straße der Seelen ........................................................................................................ 44 7 Lied: EWIG NACHT ................................................................................................................................................... 44 2. SZENE - SCHLAFZIMMER ....................................................................................................................... 45 7a Underscore ................................................................................................................................................................ 47 10. Bild – Auf der Straße der Seelen ..................................................................................................... 50 7b Lied: Rache ................................................................................................................................................................. 50 8 Reprise „Darf ich das Sagen“ ................................................................................................................................. 51


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11. Bild – Spielplatz .................................................................................................................................... 51 8a Underscore ................................................................................................................................................................. 51 9 Lied: Alles In Deiner Seele ..................................................................................................................................... 54 9a Underscore ................................................................................................................................................................. 55 12. Bild – Auf der Straße der Seelen ..................................................................................................... 56 9b Lied: Luft! ................................................................................................................................................................... 56

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13. Bild – In der NahBar ............................................................................................................................ 56 9c Underscore .................................................................................................................................................................. 57 10 Lied: Der Mond ........................................................................................................................................................ 59 10B Lied: Panik .............................................................................................................................................................. 61 14. Bild – Auf der Straße der Seelen ..................................................................................................... 62 15. Bild – Kostümverleih .......................................................................................................................... 63 10c Underscore ............................................................................................................................................................... 63 16. Bild – Auf der Straße der Seelen ..................................................................................................... 66 11a Gedankenfetzen .................................................................................................................................................... 66 16. Bild – Pathologie ................................................................................................................................... 67 Nr. 11b PATHOLOGIE ................................................................................................................................................. 67 17. Bild – Auf der Straße ........................................................................................................................... 69 11c Lied: DIE NACHT ................................................................................................................................................... 69 18. Bild – Pathologie ................................................................................................................................... 70 11d PATHOLOGIE REPRISE ...................................................................................................................................... 70 3. SZENE - SCHLAFZIMMER ....................................................................................................................... 70 11e Traummotiv IV ....................................................................................................................................................... 71 12. Epilog ........................................................................................................................................................ 72

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Auf der Vorderbühne gibt es links und rechts jeweils eine Künstlergarderobe. Sie dient im Prolog und Epilog als Ort. Im Laufe des Stücks bedient sich die Schauspielerin aus diesem Fundus für Ihre unterschiedlichen Rollen. Ebenfalls könnte dieser Ort als Kostümverleih dienen. Die SZENEN 1, 2, und 3 sind in einem realistischen Schlafzimmer angesiedelt.

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Die BILDER „Auf der Straße“ finden vor dem Vorhang statt. Die gewonnene Zeit kann für Umbauten bzw. Umzüge genutzt werden.

„...rückte er immer weiter fort aus dem gewohnten Bezirk seines Daseins in irgendeine andere, ferne, fremde Welt.“ Alle BILDER sind surreal. Ist das 1. BILD noch nicht stark verfremdet, so nimmt der Realismus immer weiter ab. Auch die Personen, denen Friedrich begegnet, werden immer unrealistischer. Umgang mit dem Text

Alle Figuren (außer Tine), die Friedrich auf seiner Reise und Suche begegnen, holen ihre Motivation nicht aus ihren eigenen Geschichten, sondern sind Wünsche und Ängste Friedrichs. Die Frauen dienen Friedrich als Projektionsfläche seiner Gedanken, Wünsche und Träume, aber auch seiner Ängste. Das Unterbewusstsein und Bewusstsein Friedrichs ist die Erklärung für die Handlungen der Figuren. Miriams Anrufbeantworter-Text ist ein Gedicht von Christian Morgenstern.

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PROLOG – Künstlergarderobe

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Black. Links und rechts der Bühne befinden sich Schauspieler und Schauspielerin. Beide haben das Textheft der „Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler in der Hand. Beide bereiten sich auf ihren Auftritt vor. Sie ziehen sich aus und ziehen einen Bademantel an.

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Prolog

ER

IHR GLAUBT, DASS WIR ANDERS SIND: UNTREU ODER WECHSELHAFT. ABER LIEBE MACHT NICHT WIRKLICH BLIND. FAMILIE TÖTET LEIDENSCHAFT.

DER VERSTAND, DAS GEFÜHL UND DER KÖRPER SIND DOCH SEHR WICHTIG IM LEBEN. JEDER MANN, DEM WAS FEHLT, SCHAUT SICH UM UND FRAGT SICH: „WER KANN MIR DAS GEBEN?“

WER GIBT SICH MIR WIRKLICH HIN? WER STILLT DIESE GIER IN MIR? WER SIEHT, WER ICH WIRKLICH BIN?“ EIGENTLICH SIND WIR AM ENDE DOCH NUR WIE IHR. NUR WIE IHR. WIR SIND DOCH NUR WIE IHR.

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SIE

IHR GLAUBT, DASS WIR ANDERS SIND: SELIG NUR IN ZWEISAMKEIT. ABER LIEBE MACHT NICHT WIRKLICH BLIND. KEIN RING ERSETZT ZUFRIEDENHEIT. JEDER BAUM, JEDER STRAUCH, JEDE BLÜTE WILL NOCH MEHR SONNE IM LEBEN. JEDE FRAU, DER WAS FEHLT, SCHAUT SICH UM UND FRAGT SICH: „WER KANN MIR DAS GEBEN?“

WER SIEHT, WER ICH WIRKLICH BIN? WER STILLT DIESE GIER IN MIR? WER GIBT SICH MIR WIRKLICH HIN?“ EIGENTLICH SIND WIR AM ENDE DOCH NUR WIE IHR.


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(SIE) NUR WIE IHR. WIR SIND DOCH NUR WIE IHR. NUR WIE IHR.

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Beide Darsteller ab.

TEIL 1

1. SZENE - SCHLAFZIMMER

Ein leeres Schlafzimmer.

1a

Underscore

EMMA

(Aus dem Off: liest und wird immer müder)

Sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante. „Möchtest du einen Kuss?“, fragte Wendy Peter. Er wusste nicht, was das war: „Ein Kuss“ und streckte voller Erwartung seine Hand aus. „Du weißt nicht was ein Kuss ist, oder?“ fragte sie überrascht. „Wenn du ihn mir gegeben hast, weiß ich es“, erwiderte er dreist, und weil sie ihm nicht wehtun wollte, gab sie ihm einen Fingerhut. „Soll ich dir jetzt auch einen Kuss geben?“ fragte er. “Wenn du möchtest.“ Sie machte es ihm einfach, und beugte sich zu ihm. Er aber ließ einfach eine Eichel in ihre Hand gleiten. „Du musst meinen Kuss an einer Kette um deinen Hals tragen. Er wird dich beschützen.“

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Musik endet

TINE

Für heute ist es genug. (man hört ein Buch zuklappen) Schlaf, Emma. EMMA

(flüstert) Papa, glaubst du an Feen?

FRIEDRICH

Schlaf, mein Engel. (gibt ihr einen Kuss) Schlaf. EMMA (flüstert) Wenn man nicht an Feen glaubt, sterben sie.


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TINE Und wenn man nicht träumt, auch. Also (Kuss), hab dich lieb Kleines. Tine und Friedrich betreten das Schlafzimmer. FRIEDRICH

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Sie wird immer größer… TINE

Echt?

FRIEDRICH

Die Augen, der Mund… (er umarmt seine Frau und streichelt sie) Wenn sie lacht, hat sie das gleiche Funkeln in den Augen wie du… Sie küssen sich. Er versucht, sie auszuziehen… TINE

…und wenn sie was will, die gleiche Falte auf der Stirn wie ihr Papa.

Sie entweicht und geht ins Bad ab. Sie redet aus dem Off mit der Zahnbürste zwischen den Zähnen. FRIEDRICH

Ich werde rasend eifersüchtig sein.

TINE

Wie?

Wenn sie ihn mitbringt.

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FRIEDRICH

TINE

Wen?

FRIEDRICH

Na ihren ersten Freund.

TINE Emma? (lacht) Sie ist sieben, Schatz.


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FRIEDRICH Sie ist - gewachsen! TINE Sie ist sieben!

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FRIEDRICH

…sieben Zentimeter größer als gestern.

TINE

Seit wann bist du eifersüchtig?

FRIEDRICH

Bin ich nicht. Ich habe lediglich einen ausgeprägten Beschützerinstinkt in mir. Pause

TINE

Du warst noch nie eifersüchtig?

FRIEDRICH

Nein. Du bist die Mutter meines Kindes. Ich liebe dich. – Hast du mein Buch gesehen? TINE

FRIEDRICH

Wer?

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(beiläufig, weiterhin aus dem Off) Waren sie gut?

TINE

Du hast sie mir nicht vorgestellt.

FRIEDRICH

Wen? TINE Die zwei vollbusigen magersüchtigen… Pinup-Girls.


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In Friedrichs Gesicht kann man die Enttäuschung lesen, dass gestern Nacht nicht mehr gelaufen ist. FRIEDRICH Ach - gestern. Ja, Joe hat ein Händchen für tolle Partys. Was?!

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TINE Wer waren sie?

FRIEDRICH

Du hast uns gesehen?

TINE

Ihr wart nicht zu ÜBERsehen.

FRIEDRICH

Wir haben uns unterhalten. Weiter nichts.

TINE

Unterhalten? (lacht) Weiter nichts?

FRIEDRICH

Joe - Joe hat sie eingeladen. Sind neu in der Stadt. Aktmodelle. Joe plant gerade eine neue Foto-Strecke mit ihnen. TINE

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Und…?

FRIEDRICH

Ich - ich weiß noch nicht mal ihre Namen.

TINE

(steht in der Tür. Ohne Vorwurf, mit der Zahnbürste in der Hand.)

…hast du sie gefickt?


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FRIEDRICH Mein Gott Tine. (lacht, geht zu ihr) Ich sagte doch: Ich weiß noch nicht mal ihre Namen. Er gibt ihr einen Kuss, nimmt ihre Zahnbürste und geht ins Bad. Tine ist jetzt allein im Schlafzimmer.

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TINE

Ihr wart ziemlich lange verschwunden.

FRIEDRICH

Wer war denn verschwunden? Ich habe eine Ewigkeit nach dir gesucht. TINE

(fühlt sich ertappt)… und auch gefunden.

FRIEDRICH

(auch er putzt sich die Zähne. Weiterhin aus dem Off.) -Wer war der Typ? TINE

Kai.

FRIEDRICH

Kai?

TINE

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Kai. Ein Journalist. Ein Freund von Joe.

FRIEDRICH

Noch nie gesehen.

TINE

Er macht ein Portrait über Joe.

FRIEDRICH

Ich habe die ganze Party nach dir abgesucht. TINE Wir haben getanzt. (sie lügt. Da lief weitaus mehr.)


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FRIEDRICH Aber nicht auf der Tanzfläche. TINE Waren auf dem Balkon.

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FRIEDRICH

- zum Tanzen?

TINE

Waren - AUCH - auf dem Balkon. Haben uns unterhalten. FRIEDRICH

Unterhalten? – Ah - Worüber?

TINE

Dies und das. Er arbeitet für ein Frauenmagazin.

FRIEDRICH

Dein Typ?

TINE

Interessant!

FRIEDRICH

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Und?

TINE

Was „Und?“

FRIEDRICH

Lief etwas?

TINE

Du meinst Sex. (lacht) Er steht im Türrahmen.


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FRIEDRICH Er ist ein Mann, du eine wunderhübsche Frau… TINE und verheiratet…

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FRIEDRICH

Männer folgen ihrem Trieb.

TINE

(relativ ernst) Hast du sie gefickt?

FRIEDRICH

Nein. Ich lieb…

TINE

„Männer folgen ihrem Trieb“!

FRIEDRICH

Es gibt Ausnahmen.

TINE

Eben. Es gibt Ausnahmen, Friedrich. (Sie bezieht das auf sich. Es braucht keinen männlichen Trieb, damit sie gestern Sex hatte. Sie hat auch Triebe und Wünsche.)

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FRIEDRICH

Er will sie streicheln. Sie entzieht sich.

Was ist los?

TINE

Woran glaubst du, denken sie, wenn du deine Hand an ihren Muschis hast? FRIEDRICH

Bitte? TINE Deine Patientinnen - woran denken sie?


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FRIEDRICH Ich bin Arzt. Tine. TINE Frauenarzt. Deine Patientinnen sind FRAUEN.

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FRIEDRICH

Was willst du damit sagen?

TINE

(spielt eine Patientin) “Ob er damit umgehen kann?“

Friedrich lacht skeptisch. Weiß nicht, worauf sie hinaus will. FRIEDRICH

...und kann er? (er lächelt sie an)

TINE

„Und seine weichen, sanften Hände würde ich zu gerne zwischen meinen Schenkeln spüren...“ FRIEDRICH

So denken Frauen nicht.

Darwin sei Dank. Männer wissen, was Frauen denken. Theorie eines Mannes: Stecke deinen Schwanz in so viele Löcher wie möglich und kümmere dich um Nachwuchs. Wir sehnen uns nach Geborgenheit - einem Heim - kümmern uns um die Aufzucht der Brut. Scheiße, Friedrich.

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TINE

FRIEDRICH

Was ist denn mit dir los, Tine? Zum Streiten bin ich zu müde. Nach einer Pause.


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1B

Underscore – Traum TINE Erinnerst du dich an die zwei Offiziere?

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FRIEDRICH ???

TINE

Letzten Sommer, wir saßen beim Abendessen. Du, Emma und ich. In diesem Hotel am dänischen Meer. Da waren diese beiden Offiziere. Der eine war groß, blond, hatte grüne Augen. Ein Kellner kam, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Daraufhin ist er aufgestanden und gegangen. Erinnerst du dich? FRIEDRICH

Sollte ich?

TINE

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Ich hatte ihn schon am Tag vorher gesehen. Zufällig. Auf dieser großen Marmortreppe. Außer ihm und mir und dem Empfangschef war keiner in der Lobby. Er hatte vermutlich gerade eingecheckt - hatte seinen Koffer dabei. Unsere Blicke trafen sich. Kurz – nur für einen winzigen Augenblick. Doch in dieser Sekunde explodierte etwas in mir, Friedrich. Den ganzen Morgen über lag ich wie betäubt am Strand. Hörte den Wellen und den Möwen zu und fühlte mich unendlich frei. Frei, ihm zu folgen wenn, er nach mir rief. Ich war bereit, alles hinter mir zu lassen. Dich, Emma, mein Leben. Für nur einen Augenblick mit ihm hätte ich mein ganzes Leben geopfert. –

Wir (zeigt auf Friedrich) hatten an diesem Nachmittag Sex. Emma hatte sich mit diesem dänischen Jungen angefreundet und war am Pool. Wir saßen auf dem Balkon - machten große Pläne, sprachen über die neue Praxis und da lief er vorbei. Alles in mir hoffte, dass er nach mir rufen würde. Ich küsste dich auf die Stirn und konnte nicht mehr aufhören, an ihn zu denken, und gleichzeitig hatte ich Mitleid mit dir. Beim Abendessen fandest du mich besonders hübsch - du musst dich doch erinnern? – Ich hatte das weiße Kleid an mit dem tiefen Ausschnitt und der Blume am Gürtel. Ich spielte mit dem Gedanken, an seinen Tisch zu gehen - ihm zu sagen: “Nimm mich, mach mit mir, was du willst, ich gehöre dir.“ Und genau in diesem Augenblick kam der Kellner und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er stand auf und ging. Ich lag die ganze Nacht über wach. Sie wurde zur Unendlichkeit. Voller Angst vor dem Morgen. Angst, dass er nicht mehr da war – Angst, dass er noch da war. Erleichtert stellte ich fest, dass er abgereist war…


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Das Handy klingelt. Friedrich starrt wie hypnotisiert vor sich hin. Aufgeschreckt durch das klingeln sucht er panisch sein Handy. - Die Musik reißt ab. - Während des Telefonats wird die Szene dunkel, nur noch Friedrich ist im Licht. Die Schauspielerin zieht sich für die nächste Rolle um. FRIEDRICH

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Ja? – Ja, hier ist Doktor Theiss. - Nein, nein, schon gut. Was ist passiert? – Beruhigen Sie sich erst einmal – oh, das tut mir sehr leid. - wann sagen Sie? – Das ist unwahrscheinlich.- Nein das brauchen sie nicht. – Nein, nein, machen Sie sich keine Vorwürfe. – Bleiben Sie ruhig. Ich mache mich auf den Weg. (er legt auf) Er spricht nach vorne, als wäre Tine im Zuschauerraum. Er ist noch ganz mitgenommen von dem, was Tine ihm eben erzählt hat. Er zieht sich an.

1c

Underscore

Ich muss – also, das war seine Tochter – Becks Tochter. Der Minister ist tot. Seine Tochter ist ganz aufgelöst. Es ist wohl angebracht, dass ich vorbei fahre. – Was meinst du? – Ja ich denke, dass sollte ich tun. - besser, ich nehm' ein Taxi – die zwei Gläser Wein haben mich ganz schön – Ich liebe dich… (der letzte Satz hört sich ein wenig wie eine Frage an)

1. Bild – Bei Becks

Friedrich kommt ins Zimmer. Becks Tochter hält ihm eine Tasse Kaffee hin. Er zieht seine Latexhandschuhe aus. FRIEDRICH

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Sie hätten nichts tun können, Miriam. Er ist bereits seit circa drei Stunden tot. MIRIAM

(unwirklich) Wir haben gerade zu Abend gegessen, da hat er - da hat er noch gelacht. Wir haben uns über Mama unterhalten. Wir wollten morgen zusammen in die „Infidélité“ – Er liebt Ausstellungen - er hatte sich so darauf gefreut. FRIEDRICH

Es war eine Frage der Zeit, Miriam. Machen Sie sich keine Vorwürfe. Er hat nicht gelitten. Ich denke, er ist friedlich eingeschlafen. Haben Sie schon jemand verständigt? MIRIAM Ja, meinen Verlobten... – Er ist auf dem Weg hierher.


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FRIEDRICH Sie haben sich verlobt? MIRIAM Doktor Roediger – Ja, im letzten Sommer...

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FRIEDRICH Gratulation.

Er reicht ihr die Hand. Sie hält die Hand länger, als es richtig wäre. FRIEDRICH

Ein toller Kerl. Pause

MIRIAM

Wann haben wir uns zum ersten Mal gesehen, Friedrich? FRIEDRICH

Ich denke vor vier Jahren, auf dem 50. Geburtstag ihres Vaters... MIRIAM

(lächelt) Der 50. Geburtstag, ja. Da war ich also 23. (sie schaut ihn lange an) FRIEDRICH

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(aus der Not heraus) Ist Doktor Roediger nicht Dozent an… MIRIAM

Wissen Sie, mein Vater hat immer gesagt…


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Lied: Darf ich das sagen? MIRIAM

„NUR NICHT ZU SCHNELL! NIMM DIR DOCH ZEIT! NUR WER GEDULD HAT, BRINGT ES WEIT.“ HÖR ICH IHN SAGEN.

„HÖR AUF DEIN HERZ, WAS ES DIR RÄT! IST ETWAS GUT, KOMMT’S NIE ZU SPÄT!“ HÖR ICH IHN SAGEN.

SO VIEL HAT ER GEGEBEN. SO SEHR WAR'N WIR UNS NAH. SO SCHÖN WAR UNSER LEBEN. ALLES WAR GUT, DOCH ER IST NICHT MEHR DA.

WAS FÜR MICH JE BEDEUTSAM WAR, WAR IRGENDWANN SCHLAGARTIG NICHT MEHR DA.

FRIEDRICH

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NUR ZU GERNE WÜRD ICH SIE BERÜHRN!

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MIRIAM

Vierundfünfzig Jahre – Das ist doch kein Alter. Meine Mutter hat's nie leicht gehabt mit ihm. Wie oft hat sie sich bei mir… FRIEDRICH

…Sie werden sicherlich ausziehen?

MIRIAM

…Wie? Ja. Ja, wir ziehen nach Göttingen. FRIEDICH Göttingen?


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MIRIAM Man hat ihm eine Professur angeboten. Friedrich schämt sich, dass er kein Professor ist. FRIEDRICH

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(Versuch eines freudigen) Ach!

Sie beginnt zu weinen. Er geht zu ihr und versucht, sie zu trösten. Sie fällt auf die Knie und umklammert seine Füße und offenbart sich ihm so, dass es ihm unangenehm ist. Er ist hin- und hergerissen von Lust und Abscheu. Miriam indes ganz ungehemmt.

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MIRIAM

„KÄMPF UM DEIN GLÜCK! NUTZE DEN TAG! MAN MUSS SICH NEHMEN, WAS MAN MAG.“ HÖR ICH IHN SAGEN.

„AUF JEDEN TAG SOLLST DU DICH FREUN, DANN MUSST DU NIEMALS WAS BEREUN!“ HÖR ICH IHN SAGEN.

„ICH WERD DICH UNTERSTÜTZEN. UND VOR JEDER GEFAHR WERDE ICH DICH BESCHÜTZEN.“ HAT ER GESAGT, DOCH ER IST NICHT MEHR DA.

„NIMM DICH IN ACHT VOR DEM CHARMEUR! NUR MIT VERNUNFT SOLLTEST DU LIEBEN!“ HÖR ICH IHN SAGEN.

JA, ICH WAR FÜGSAM, WAR GERNE GENÜGSAM, UND ER WIRD MEIN MANN, DOCH IRGENDWIE WILL ICH DOCH EIGENTLICH NUR SIE!

FRIEDRICH

ICH WERD SIE MIT LEIDENSCHAFT VERFÜHRN!

ICH WILL SIE MIT ALLEN SINNEN SPÜRN! DARF ICH DAS SAGEN? WIE SIE SICH BEWEGT GEFÄLLT MIR SEHR, MACHT MIR LUST AUF


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DARF ICH DAS SAGEN? TÄUSCHE ICH MICH, BIN ICH NAIV?

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MEHR! UND IHRE ART, WIE SIE MICH ANSIEHT, MACHT MICH SCHARF!

FINDEN AUCH SIE MICH ATTRAKTIV?

HEIßT DAS, DASS ICH DARF?

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

DARF ICH DAS SAGEN? SO GERN WILL ICH DICH SPÜREN. SO GERN WÄR ICH DIR NAH.

MOMENT MAL!

GERN DARFST DU MICH VERFÜHREN.

FÜHREN IST SCHLIEßLICH MEIN FACH!

WAS DU AUCH WILLST: SAG ES, UND ICH BIN DA!

NEHMEN IST MIR ZU EINFACH!

WAS FÜR DICH JE BEDEUTSAM WAR!

WENN SIE’S MIR SO EINFACH MACHT, DANN SAGE ICH NATÜRLICH NEIN! WIE KANN SIE SO SEIN? SO PRIMITIV!

ZU SCHNELL, ZU PROBLEMLOS!

WAS DU AUCH WILLST!

WAS DU AUCH WILLST: WENN DU RUFST, BIN ICH DA!

Der Lied endet mit der Türglocke. Sie schreibt auf einen Zettel eine Nummer und gibt ihn Friedrich.

N

IC

FRIEDRICH

Das ist wohl Doktor Roediger.

MIRIAM

Ruf mich an. Bitte.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

20

2a

Underscore Nur Licht auf Friedrich. Er steht mit dem Gesicht Richtung Zuschauer und spricht so, als wäre Miriam vor ihm. Die Schauspielerin zieht sich um.

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FRIEDRICH (er zieht sein Gesicht zurück um dem imaginären Kuss auszuweichen) Nein – Besser nicht. DU bist eine bezaubernde Frau Miriam. Aber – Doktor Roediger fände es sicherlich nicht so – wenn er uns so sehen könnte – Das wäre kein guter Start – Ich weiß, wie sich das... - Es ist spät, vielleicht sollte ich jetzt besser – seien Sie mir nicht böse. Ich wünsche Ihnen alles Glück der Welt.

2b

Underscore

2. Bild – Auf der Straße der Seelen

Es ist neblig. Vielleicht „Straßen-Atmo“. Friedrich holt sein Telefon raus. Er ruft Tine an. FRIEDRICH

Schatz, ich bin's. – Nein, alles gut. Du es wird später. Die Turmuhr schlägt 11. Er hebt den Hörer zu.

N

IC

Was sagst du? Hier ist so schlechter Empfang. Nein ich kann Frau Becks jetzt nicht alleine lassen. Wir warten noch auf ihren Verlobten. – Ja. – Mach dir keine Sorgen. Geh schlafen. Ich bin leise wenn ich komme. Ich – Ich lieb dich.

2C

Er legt auf.

Lied: Treu

FRIEDRICH:

ICH HÄTT' SIE HABEN KÖNNEN, HÄTT' ICH'S GEWOLLT! ES WÄR GANZ LEICHT GEWESEN, HÄTT ICH'S GESOLLT? DASS FRAUEN MICH BEGEHRN IST FÜR MICH WIRKLICH NICHT NEU. DOCH ICH BIN TREU. - TREU? - TREU! SIE IST VERLOBT, UND NICHT KOMPLETT AUS DER WELT, DOCH WURD' DAS AUFGEBOT WOHL LÄNGST SCHON BESTELLT.


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21

ICH WEIß, WENN ICH DA NACHGEB, DASS ICHS SPÄTER BEREU. DENN ICH BIN - TREU. - TREU? - TREU! SO GERN WOLLT ICH SIE SPÜREN SO NAH WAR DIE GEFAHR. DANN BEGANN SIE MICH ZU VERFÜHREN. IN DEM MOMENT WAR ICH SCHON NICHT MEHR DA.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

WAS SIE GESAGT HAT, DAS VERGESSE ICH NICHT, DENN TINES BEICHTE WAR EIN SCHLAG INS GESICHT. SIE TRÄUMT VON FREMDEN MÄNNERN - WORÜBER ICH MICH NICHT GRAD FREU. DOCH SIE IST DEFINITIV, SICHERLICH, MIT ALLERGRÖßTER WAHRSCHEINLICHKEIT GANZ BESTIMMT TREU. – TREU? TREU. - TREU? TREU. - TREU? LULU

Treeeeuuuu -Treu sind wir alle, Doktor - jeder auf seine Art. Willste mitkommen, Doktor?

2D

Underscore

Die Nutte ist überzeichnet. Richtung Kind – Lolita – Hat einen Lolli in der Hand, an dem sie ständig leckt. Die Ausstattung und die Figuren rutschen jetzt immer mehr ins Absurde/Skurrile – Traum. Es muss nicht alles logisch sein – auf den ersten Blick.

Kennen wir uns?

N

IC

FRIEDRICH

LULU

(lange, vielsagende Pause: Ich komme aus dir - ich bin dein Traum. Kurz und beiläufig dann:) Ich kenn dich nich. – Du kennst mich nich. – Also keine Angst, Doktor. – Es ist nur: Du siehst aus wie ein Doktor. (sie riecht an ihm) Du riechst wie ein Doktor - Das ist alles. F R I E D R I C H (lächelt) Wie riecht denn ein Doktor?


22

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

LULU Sauber. Magst du spielen? FRIEDRICH Wie heißt du? (vielleicht will er sich anbiedern und spricht wie sie)

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LULU

Wie willst du denn, dass ich heiße? – Pause

LULU

Kannst mich Lulu nennen.

Sie zwinkert ihm zu und geht in die Tür, ohne sich umzudrehen. Er denkt kurz nach und folgt ihr dann.

3. Bild –Spielplatz

Das Mädchen lächelt, nähert sich Friedrich, ohne zudringlich zu sein. Er wehrt sie sanft ab. Sie zeigt auf einen Stuhl und Friedrich setzt sich hin. LULU

Bist sicherlich müde – was?

Sie fängt an, sich vor ihm auszuziehen.

Naja, so'n Arzt - den ganzen Tag Menschen heilen – da hab ichs ja leicht.

N

IC

LULU

FRIEDRICH

Du bist sehr schön.

LULU

Du hast doch noch gar nicht alles gesehen. (sie lächelt) Was glaubst du, wie alt ich bin? FRIEDRICH Zwanzig?


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23

Sie setzt sich Friedrich auf den Schoß und spielt Kind. Schlägt die Arme um Friedrich. LULU Fünfzehn!

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Sie will ihn küssen. Er weicht aus. Er hat mit fünfzehn so seine Anlaufschwierigkeiten. Lulu steht auf und wirft sich ein Arztkittel über. LULU

Aber wenn du möchtest, auch zwanzig. Besser so? Mit Gummi oder ohne? FRIEDRICH

Du hast Recht, ich bin müde. Aber es fühlt – fühlt sich richtig an. Ich meine - hier zu sitzen - dir zuzuhören. Du hast eine aufregende Stimme, weißt du das? Ich vertrau dir – seltsam was. Ich kenne dich doch gar nicht und ich vertrau dir – verrückt, nicht? - Erzähl mir von dir - was du den ganzen Tag so machst!

3

Lied: Manche wollen nur reden

LULU

N

IC

MANCHE WOLLEN NUR REDEN, NUR NICHT MIT IHRER FRAU. UND ICH KENNE DOCH JEDEN IHRER WÜNSCHE GENAU.

MANCHE WOLLEN NUR REDEN ABER TRÄUMEN VON MEHR. SIE HABEN VIEL PHANTASIE, WISSEN NUR NICHT WIE. UND DESHALB KOMMEN SIE HER.

HIER WERDEN DIE TRÄUME WAHR, GANZ OHNE TABU. KLAMMHEIMLICH EIN LIEBESPAAR ZWEI STUNDEN AB UND ZU. MANCHE WOLLEN NUR REDEN, AND'RE SAGEN KEIN WORT. ABER ETWAS QUÄLT JEDEN, UND DAS BLASE ICH FORT.


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24

(LULU) MANCHE WOLLEN NUR REDEN ÜBER IHRE FI(C)KTION. FRANZÖSISCH HIER, NGLISCH DA, SPANISCH LIEGT SO NAH. ICH MACH NUR KONVERSATION.

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DOCH KOMMEN WIR ZU DIR UND MIR: WILLST DU ES NICHT PROBIEREN? DEN BLICK INS TRAUMLAND ZU RISKIEREN? BEHERRSCHUNG AUCH MAL ZU VERLIEREN? GEHORCHST DU NIEMALS DEINER GIER? WARUM QUÄLST DU DEN MANN IN DIR? HIER WERDEN DIE TRÄUME WAHR, GANZ OHNE TABU. KLAMMHEIMLICH EIN LIEBESPAAR NUR AB UND ZU. MANCHE WOLLEN NUR REDEN. MANCHE WOLLEN NUR REDEN.

Aufgegeilt durch das Lied und der Aussage, dass er Angst hat, steht er auf und will sie energisch küssen. Doch sie weicht ihm aus.

3a

Underscore

FRIEDRICH

Was ist? Hast du Angst, ich zahl nicht? Was kostet es?

N

IC

LULU

Lass stecken. Man kann ja nicht wissen, was? Irgendwann muss es ja doch kommen. Du hast ganz Recht, wenn du dich fürchtest. Und ich möchte nicht schuld sein… FRIEDRICH

Was bekommst du?

LULU

Nichts. Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Doktor. Licht nur auf Friedrich. Schauspielerin zieht sich um. Friedrich steht wieder nach vorne und spricht so, als wäre Lulu im Zuschauerraum.


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25

FRIEDRICH Wie meinst du das? Hab ich dir weh getan? Es tut mir leid. Das wollt ich nicht. Du siehst etwas blass aus. Alles in Ordnung? (das Handy klingelt) Moment – (er flüstert ins Handy) Hallo Schatz –

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(Die Schauspielerin lacht von der Seite, während sie sich umzieht. Er geht aus der Wohnung und verabschiedet sich pantomimisch von Lulu, während er mit seiner Frau telefoniert) Nein. Es dauert hier noch ein wenig. Ich hab doch gesagt, du kannst schlafen gehen. (Er ist wieder auf der Straße)

4. Bild – Auf der Straße der Seelen

Es ist immer noch neblig.

Sag ihr, sie soll zurück ins Bett. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. – Nein nicht... Hallo Schatz, ja Papa ist noch bei einem Patienten. – Nein, Schatz – ich verspreche es dir, ich glaube an Feen. Aber jetzt ab ins Bett. Schlaf gut Engel – Tine? – Tine.... (er legt auf).

3b

Lied: Nachtfalter

FRIEDRICH

N

IC

ACH KÖNNTE ES DOCH EWIG NACHT SEIN! FÜR IMMER UND EWIG NACHT SEIN! FÜR ALLE ZEITEN NACHT SEIN...

DIESE NACHT, DIE SO VIELES MÖGLICH MACHT, IST MAGISCH. SO GESPENSTISCH, SO ZAUBERHAFT, SO WUNDERBAR! SO VIELE WORTE. SO VIELE BILDER. BIN ICH AM TRÄUMEN ODER IST ES WAHR?

WIE EIN NACHTFALTER FLATTER ICH VON LICHT ZU LICHT. WIE EIN NACHTFALTER KENNE ICH MEIN ZIEL NOCH NICHT. UND ICH HOFF', DASS MEINE ZEIT NICHT VIEL ZU SCHNELL VERRINNT. DENN WIE EIN NACHTFALTER FÜRCHT ICH, DASS DER TAG BEGINNT.


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(FRIEDRICH) KLIPP UND KLAR: WAS HEUT NACHT BISHER GESCHAH, IST WAHNSINN! VÖLLIG FREI FLIEG ICH DURCH DIE NACHT UND NICHTS IST SCHWER. TAUSENDE FRAUEN. TAUSENDE TRÄUME. MANCHE WOLLEN NUR REDEN, ABER ICH WILL MEHR!

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WIE EIN NACHTFALTER FLATTER ICH VON LICHT ZU LICHT. WIE EIN NACHTFALTER KENNE ICH MEIN ZIEL NOCH NICHT. UND ICH HOFF', DASS MEINE ZEIT NICHT VIEL ZU SCHNELL VERRINNT. DENN WIE EIN NACHTFALTER FÜRCHT ICH, DASS DER TAG BEGINNT. FREMDE FRAUEN. FREMDE WELTEN. FREMDE HEIMAT. FREMDES LEBEN. FREMDE NACHT...

3c

Underscore

5. Bild – In der NahBar

N

IC

Er setzt sich an einen Tisch. Ein Glas Milch steht schon vor ihm. An den anderen Tischen könnten Schaufensterpuppen sitzen (wie in Clockwork Orange) oder Statisten. Auch die Pianistin Marie Nachtigall sitzt unter den Puppen an einem Klavier regungslos (vielleicht in einem Schlangenanzug). Sie ist erst nicht wahrzunehmen, da sie sich nicht bewegt. Friedrich nimmt sich eine Tageszeitung und beginnt zu lesen. Marie steht auf und kommt an seinen Tisch. Sie hält ihm die Augen zu. MARIE NACHTIGALL

(Macht eine Nachtigall nach)

FRIEDRICH

Ich kenne den Geruch.

MARIE NACHTIGALL

(Macht eine Nachtigall nach) FRIEDRICH (Er schnuppert) Verwegen - dennoch versöhnlich - Marie. – Marie Nachtigall.


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MARIE NACHTIGALL Erraten. FRIEDRICH Ich dachte, du bist in New York oder Japan unterwegs. – Setz dich.

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MARIE NACHTIGALL

Danke.- Nein, nicht mehr. Mein Vater ist letzten Sommer verstorben und – ach, was solls - Nun bin ich wieder da. FRIEDRICH

Schön, dich zu sehen. Magst du einen Wein?

MARIE NACHTIGALL

Lass mal, ich zahl hier nichts. (ruft) Ein Bier!

FRIEDRICH

(schaut fragend)

MARIE NACHTIGALL

Hast du mich nicht gehört?

FRIEDRICH

Du warst der Pianist?

N

IC

MARIE NACHTIGALL

(sie grinst) Die Pianistin!

FRIEDRICH

Wie lang ist es her – fünf Jahre, zehn Jahre?

MARIE NACHTIGALL

Eine Ewigkeit – Seit dem Hauptstudium.

FRIEDRICH Du wärst eine grandiose Ärztin geworden. MARIE NACHTIGALL (sie lacht) Jetzt bin ich eine grandiose Pianistin mit Gelegenheitsjobs. Und du?


28

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FRIEDIRCH Hä? (hat sich in ihren Augen verloren) MARIE NACHTIGALL Was du so machst?

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FRIEDRICH

Ich habe eine Praxis in der Weststadt. Ich kann nicht klagen. Und du wohnst wieder in der Stadt? MARIE NACHTIGALL

Ja – also nein - mein Haus und alles habe ich aufgegeben. Ich wohne da, wo ich gerade arbeite. Zurzeit bewohne ich ein Zimmer über der Kneipe hier. Wenn man das wohnen nennen kann. (sie lacht) FRIEDRICH

Ohne sicheren Hafen?

MARIE NACHTIGALL

Frei! (schaut auf den Ehering) Verheiratet?

FRIEDRICH

Ja. Mit Tine.

MARIE NACHTIGALL

N

IC

(lächelt) Kinder?

FRIEDRICH

Eine bezaubernde Tochter. – Emma. Und du?

MARIE NACHTIGALL

Es hat sich nichts geändert. Ich hangele mich von einer Frau zur nächsten. Die wenigen Männer, die meinen Weg kreuzen, sind meist die Nacht nicht wert. Beide lachen. Es entsteht eine Pause.

MARIE NACHTIGALL Oh - Nicht das du denkst, ich hätte es vergessen. (Sie holt einen Geldbeutel aus der Tasche und holt zwei 500-Euro-Scheine heraus.) Hier.


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FRIEDRICH Ich kann nicht wechseln. Das ist aber lange her. MARIE NACHTIGALL

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Der Rest sind Zinsen. Es tut mir leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe. Ich musste mich schnell entscheiden. – Danke nochmal, ohne dich wäre ich nie nach Amerika gekommen. FRIEDRICH

Das ist ja schon verjährt. (Er hält das Geld in der Hand. Will es nicht annehmen. Sie nimmt es aber auch nicht wieder.) Dir scheint es gut zu gehen? MARIE NACHTIGALL

Kein Grund zur Klage.

FRIEDRICH

Hab die Presse verfolgt. Beachtlich. Du hast kein großes Haus ausgelassen – wie? MARIE NACHTIGALL

(wehmütig) Nein.

FRIEDRICH

Und warum spielst du jetzt in so einem Schuppen?

MARIE NACHTIGALL

N

IC

Geld spielt keine Rolle mehr. – Ich mache, wozu ich Lust habe. Ich bin frei. FRIEDRICH

Frei.


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30

4

LIED: Frei MARIE

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FREI VON JEDER KONVENTION. LEDIGLICH EMOTION BESTIMMT MEIN LEBEN TAG FÜR TAG. VON JEDER HEUCHELEI FÜHL ICH MICH HEUTE FREI. ICH SAG NUR JA, WENN ICH ES MAG. DIESE GANZE BRUT UND IHRE SELTSAME MORAL, SIE SIND MIR SO EGAL.

HEUTE BIN ICH FREI, RHYTHMISCH UND POLYPHON, NIEMALS MEHR MONOTON. LEB EXZESSIV, DENN ICH BIN FREI!

SPAß UND GIER, ICH LEB SIE AUS! UND NUR HIER BIN ICH FREI, HIER BIN ICH ZUHAUS.

IC

DIE MORAL VON DER GESCHICHT: DASS ICH BIN, WIE ICH BIN, MACHT MICH HEIß. UND ICH KANN, WAS ICH KANN, DENN ICH WEIß: ICH BIN FREI!

Underscore

N

4a

FRIEDRICH

(lästert) Frei?

MARIE NACHTIGALL

Ziemlich frei! Hab gegen zwei noch einen Auftritt. Also dann, es war nice, dich zu sehen. FRIEDRICH Wo?


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31

MARIE NACHTIGALL (lacht) FREI! FRIEDRICH Machs nicht so spannend.

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MARIE NACHTIGALL

Ich spiele auf einer privaten Veranstaltung. Von wem und wo, das weiß ich nicht. FRIEDRICH

Du spielst dort zum ersten Mal?

MARIE NACHTIGALL

Zum dritten Mal.

FRIEDRICH

Das versteh ich nicht.

MARIE NACHTIGALL

(lacht) Ich auch nicht.

FRIEDRICH

Jetzt hast du mich neugierig gemacht.

MARIE NACHTIGALL

N

IC

Hast du Courage?

FRIEDRICH

Warum braucht man bei deinem Gig Courage? Was kann einem denn passieren? MARIE NACHTIGALL

(geheimnisvoll) Mir nichts, außer dass ich vielleicht zum letzten Mal dort spiele. Aber das wäre dann so. FRIEDRICH Also? Jetzt rede schon? – Geheime Veranstaltung? MARIE NACHTIGALL Circa dreißig geladene Gäste…


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32

FRIEDRICH Eine Party? MARIE NACHTIGALL (bereut, davon angefangen zu haben)

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Ja.

FRIEDRICH

Und du spielst Klavier dazu?

MARIE NACHTIGALL

Wieso dazu? Ich weiß nicht wozu. Ich spiele – spiele mit verbundenen Augen. – FRIEDRICH

…und du hast nie heimlich geschaut?

MARIE NACHTIGALL

Doch..

FRIEDRICH

(sehr erregt) Und…

MARIE NACHTIGALL

N

IC

Viele Menschen. – Nackte Menschen – (fühlt sich auf einmal beobachtet) Ich hab schon zu viel gesagt. War schön... Marie will aufstehen und gehen. Er hält sie am Arm fest. FRIEDRICH

Eine Orgie?

MARIE NACHTIGALL

Lass mich los.

FRIEDRICH Das bist du mir schuldig. Wie komm ich da rein?


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33

MARIE NACHTIGALL Ein Passwort. Du brauchst ein Passwort – Aber selbst, wenn du es hättest, du kämst nicht rein. FRIEDRICH

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Warum? MARIE NACHTIGALL

Weil alle maskiert sind. Und du keine Maske hast. – Es war schön, dich mal wieder gesehen zu haben, Friedrich. Sie küsst ihn lange auf den Mund und legt dabei unauffällig eine kleine Karte auf den Tisch. Und verschwindet. Friedrich ist enttäuscht. Die Schauspielerin geht sich umziehen. Das Licht fokussiert sich auf Friedrich, alles außen rum ist dunkel. Friedrich findet die Karte. FRIEDRICH

(liest) Venusstraße 12. Passwort: Dänemark. Viel Glück. Der Vogel.

N

IC


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6. Bild – Auf der Straße der Seelen Es ist neblig.

Lied: Eier

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4b

FRIEDRICH

FREI.... FREI!

TINE WILL NEN MANN UND KEINEN SCHLAPPSCHWANZ! TINE WILL NEN MANN DER AUCH MAL „EIER“ HAT! MÄNNER SIND GANZ EINFACH. MÄNNER HABEN TRIEBE... TINE TRÄUMT JETZT NEUERDINGS VOM FREMDGEHN. TINE WIRD DAS SICHER BALD ZUTIEFST BEREU'N. MÄNNER SIND EMPFINDLICH. MÄNNER SIND VERLETZLICH... VENUSSTRAßE - ES KÖNNT VIEL PASSIERN! VENUSSTRAßE - WAS WIRD DORT PASSIERN?

TINE SAGT, DIE WELT SEI EINE MÄNNERWELT. MÄNNER BRAUCHEN „EIER“. MÄNNER BRAUCHEN LIEBE. MÄNNER SIND SO SIMPEL. MÄNNER SIND SO FREI, SO FREI...

N

IC

7. Bild – Kostümverleih

Vielleicht ergibt es Sinn, die Szene in der Garderobe zu spielen, in der sich die Frau immer wieder umzieht? Dann würde Friedrich zwischen all den Kostümen wandeln, die er schon gesehen hat oder die er noch sehen wird.

Gebiser ist ein transsexueller Mann. Er steht für das Spiel im Leben. Das Gesicht sieht aus, als komme er direkt von der Bühne eines Varietés, die Kleidung ist ein schwäbischer Morgenmantel. Im Gesicht Glitzer der Bühnen der Welt. Unterhalb des Halses langweilig/privat. Gibser raucht Pfeife. Friedrich klingelt an der Tür. Gebiser macht auf.


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5

35

Lied: Leben ist ein Maskenball GEBISER: WAS DARF ES SEIN? FRIEDRICH:

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Ich brauche ein Kostüm, GEBISER:

TRETEN SIE EIN!

FRIEDRICH:

...eine Verkleidung.

GEBISER:

HIER GIBT ES VIELES.

FRIEDRICH:

Haben Sie auch Masken?

GEBISER:

GROß UND KLEIN!

FRIEDRICH:

Ich darf auf keinen Fall erkannt werden.

SIE WERDEN SEHN...

FRIEDRICH:

N

IC

GEBISER:

So eine Maske ist..

GEBISER:

...EIN PHÄNOMEN!

FRIEDRICH: ...normalerweise nicht meine Art.


36

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

GEBISER: UND SELBST DER BESTE FREUND HÄLT SIE FÜR IRGENDWEN.

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EIN ZAUBER, DER ERSTAUNLICH WIRKT, WEIL ER DAS STÖRENDE VERBIRGT. GANZ OHNE MASKE LEBEN KANN GEFÄHRLICH SEIN. MAN ZEIGT SICH NIEMALS GANZ UND GAR. MAN FÜHRT SICH VOR UND STELLT SICH DAR. UND DURCH DIE MASKE KANN MAN MAL GANZ EHRLICH SEIN. LEBEN IST EIN MASKENBALL, SO IST ES UNS GEGEBEN. NUR DER MASKENBALL LÄSST UNS LEBEN. DER PLAYBOY ODER AUCH DER TOD, GELEHRTER ODER AUCH IDIOT, ES GIBT SO VIELE TEILE, DIE VERBORGEN SIND. FRIEDRICH:

EINFACH EINE MASKE.

GEBISER:

MAN KANN DAS WERDEN, WAS MAN MAG,

FRIEDRICH:

EINE VERKLEIDUNG.

GEBISER:

EIN TEUFEL NUR FÜR EINEN TAG,

UM MICH ZU TARNEN,

GEBISER:

N

IC

FRIEDRICH:

UND NIEMAND WEIß SCHON HEUTE, WER WIR MORGEN SIND. FRIEDRICH:

WEIL MAN MICH NICHT SEHEN DARF BEIM MASKENBALL. GEBISER: LEBEN IST EIN MASKENBALL, SO IST ES UNS GEGEBEN. FRIEDRICH: EINFACH EINE MASKE.


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GEBISER: NUR DER MASKENBALL LÄSST UNS LEBEN! FRIEDRICH: NUR SPIEL.

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GEBISER: DAS LEBEN, DAS MAN SCHUF,

FRIEDRICH:

NUR SO.

GEBISER:

FAMILIE UND BERUF:

FRIEDRICH:

EINFACH SO...

GEBISER:

DIE LÜGE OHNE MASKE GIBT ES TÄGLICH ÜBERALL, FRIEDRICH:

...ZUM SPAß.

GEBISER:

N

IC

DOCH DIE MASKE OHNE LÜGE NUR BEIM MASKENBALL. SO LEBT IM MASKENBALL FRIEDRICH:

NUR ZUM SPAß.

GEBISER:

DIE GROßE WELT IM KLEINEN,

FRIEDRICH:

NUR EIN MASKENBALL. GEBISER: UND DOCH BLEIBT DER MASKENBALL NUR EIN SPIEL,


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VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

FRIEDRICH: NUR EIN SPIEL, KOSTÜME: NUR EIN SPIEL,

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ALLE: NUR EIN SCHÖNES SPIEL!

Musik stoppt. Am Ende des Lieds steht Friedrich in einer weißen Kutte mit weißer Maske in der Mitte der Bühne. Der Kostümverleiher verschwindet und wie im Traum stehen wir vor dem Haus, in dem die Orgie stattfindet. FRIEDRICH

N

IC

Ich kann nicht zurück – und wär´s auch mein Tod (er lacht über sich selbst und seine theatralen Worte) - DÄNEMARK!


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

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8. Bild – Orgie Und wie von Zauberhand befinden wir uns im Haus der Orgie.

Maskenball

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FRIEDRICH

IN DER FERNE HÖR ICH PEITSCHEN. ICH HÖR FRAUEN SCHREI'N VOR LUST. IN DER LUFT EIN HAUCH BEGEHREN. UND ES BRENNT IN MEINER BRUST.

MEINE FINGERSPITZEN KRIBBELN. UND ICH MERK', ICH ATME SCHWER. ALLES SCHREIT IN MIR: "LOS! FLIEH SCHON!" DOCH MEIN BAUCH BRÜLLT: "NIMM DIR MEHR!" MASKENBALL, ÜBERALL FLÜSTERN, SCHREIEN, STÖHNEN. MASKENBALL, FREIER FALL! AUGEN AUF UND REIN!

MÖNCHE TANZEN DORT MIT NONNEN. MEINE GIER GIBT KEINE RUH. EINE NONNE STREIFT VORÜBER. JEMAND BLITZT MIR WARNEND ZU...

N

IC

Eine Frau unterbricht seine Gedanken.

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Wenden Sie sich nicht nach mir um, noch ist es Zeit, dass Sie sich entfernen. Sie gehören nicht hierher. Wenn man Sie entdeckte, erging es ihnen schlimm. FRIEDRICH

(schüttelt den Kopf)

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU Es täte mir leid um Sie. (Die Frau geht)


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VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

FRIEDRICH Ich bleibe. Friedrich dreht sich um, doch die Frau ist weg. Er sieht all die fickenden Paare. FRIEDRICH

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MASKENBALL, ÜBERALL FLÜSTERN, SCHREIEN, STÖHNEN. MASKENBALL, FREIER FALL! AUGEN AUF UND REIN!

Plötzlich steht die Geheimnisvolle Frau wieder neben ihm.

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

(flüstert) Es ist alles vergeblich. Du bist erkannt.

FRIEDRICH

(setzt an, etwas zu sagen)

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Frag nicht und wundere dich über nichts. Ich versuche, sie zu blenden (sie beginnt Friedrich innig zu küssen) Flieh, ehe es zu spät ist. Und gib Acht, dass man deine Spuren nicht verfolgt. Niemand darf erfahren, wer oder wo du bist. Ich bitte dich geh.

N

IC

FRIEDRICH

Sehe ich dich wieder?

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Unmöglich.

FRIEDRICH

Dann bleib ich. – Was hab ich zu verlieren?

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU Dein Leben!


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

41

FRIEDRICH Das bist du mir wert. (er drückt sie fest an sich und beginnt ihr mit der Hand zwischen die Beine zu fassen)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU Geh!

FRIEDRICH

Ich bin doch nicht blind. Ihr alle. – Ihr seid nur hier um zu ficken. Ich möchte auch ficken. Ich möchte dich ficken. Jetzt hier. GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

(sie wehrt sich ein wenig, aber so, dass nach außen der Schein aufrecht erhalten wird, dass beide es treiben.)

Deine Zeit läuft ab.

FRIEDRICH

Gibt’s hier Zimmer? Lass uns auf ein Zimmer gehen. Ich will dich haben. Ich will in dich eindringen. Jede Sekunde mit dir ganz verschmelzen. GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Vergebliche Hoffnung. Es gibt hier keine Zimmer, wie du sie dir träumst. Es ist die letzte Minute. Flieh!

Wenn du mit mir kommst…

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

N

IC

FRIEDRICH

Du bist wahnsinnig. Ich kann nicht mit dir von hier fortgehen, sowenig — wie mit irgendeinem anderen. Und wer versuchen wollte, mir zu folgen, hätte sein und mein Leben verwirkt. Er will sich die Hose aufmachen. Sie hält seine Hände fest. Die Musik bricht weg. Es bleibt ein unheilvoller Klangteppich. Leise und voller Spannung. STIMME Passwort?


42

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

Dreißig Augenpaare schauen ihn an. Die Party hat ihn zum Mittelpunkt gemacht. FRIEDRICH Dänemark.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

STIMME Ganz recht. Das ist das Passwort des Eingangs. Das Passwort des Hauses, wenn ich bitten darf? Friedrich zuckt mit den Achseln. Die Luft ist voller Spannung. STIMME

Das Passwort.

FRIEDRICH

Ich - ich habe es – vergessen. (er versucht zu lächeln) STIMME

Das ist ein Unglück. Denn es gilt hier gleich, ob Sie die Parole vergessen oder ob Sie sie nie gekannt haben. Nehmen Sie die Maske ab. FRIEDRICH

Ich nehme die Maske ab, wenn Sie alle hier auch ihre Masken abnehmen. STIMME

N

IC

Maske herunter! – Man wird ihnen ins Gesicht sagen, was auf Sie zukommt und nicht in ihre Larve! GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Lasst ihn, ich bin bereit ihn auszulösen.

STIMME

Du weißt, was du damit auf dich nimmst?

GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU (nickt) STIMME Sie sind frei. – Wenn sie ihre Familie lieben, stellen sie keine Nachforschungen an.


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FRIEDRICH Auf welche Weise soll diese Frau mich auslösen? STIMME

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An dem Los dieser Frau würden Sie doch nichts mehr ändern. Wenn hier ein Versprechen geleistet wurde, gibt es kein Zurück. GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Geh!

FRIEDRICH

Nein. – (verzweifelt) Mein Leben ist wertlos ohne dich. Woher du kommst, wer du bist, ich frage nicht danach. Lassen Sie uns aufhören mit diesem Versteckspiel. Ich habe das Gefühl, dass Sie ihr Spiel zu ernst nehmen. Pause

Ich nenne Ihnen meinen Namen und ziehe die Maske ab und nehme alles auf mich. GEHEIMNISVOLLE MASKIERTE FRAU

Hüte dich, du würdest dich verderben, ohne mich zu retten. Geh. Er macht einen zögerlichen Schritt nach vorne.

Ich gehöre euch. Ihr habt mich – alle.

N

IC

Sie dreht sich um, läuft nach hinten und lässt dabei ihr Kleid fallen. Das Licht fokussiert sich wieder auf Friedrich. Friedrich versucht Haltung zu bewahren. Er bricht jedoch zusammen. Black


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44

TEIL 2

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

9. Bild – Auf der Straße der Seelen

7

Lied: EWIG NACHT

Friedrich ist auf der Straße, es regnet.

FRIEDRICH

LICHTERBLITZE ZUCKEN, TAUSEND SCHATTEN TANZEN. ROTE GLUT AM FIRMANENT, ES IST, ALS OB DER HIMMEL BRENNT, UND ICH, ICH BRENNE AUCH! OH! ----

DUTZENDE VON FRAUEN STÖHNTEN VOLL BEGIERDE. PRALL WIE EIN GESCHENK VERPACKT, UND PLÖTZLICH WAR'N SIE ALLE NACKT! -- DAS IST DA WOHL SO BRAUCH!

N

IC

ACH WÄR DOCH EWIG NACHT! FÜR IMMER NACHT! ACH WÄR DOCH EWIG NACHT HEUT' NACHT!

ATTRAKTIVE KÖRPER, VERFÜHRERISCHE FRAUEN. EINE HAT MICH ANGESEHN, SIE HAT IN MIR DEN MANN GESEHN, VERZAUBERT WIE NOCH NIE. OH! EDEL WIE VON ADEL, HEILIGE UND HURE, EINE FEMME FATALE FÜR MICH, SIE WAR EIN IDEAL FÜR MICH, DOCH WAS WAR ICH FÜR SIE?

ACH WÄR DOCH EWIG NACHT! FÜR IMMER NACHT! ACH WÄR DOCH EWIG NACHT HEUT' NACHT WAR ALLES EIN SPIEL? EIN SPAß SICHERLICH. SIE SPIELTE MIT MIR UND OPFERTE SICH.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

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NUR ÜBER DEN WITZ HAT NIEMAND GELACHT. UND ICH IRRE HIER DURCH DIE NACHT!

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LANGSAM WIRD ES MORGEN. MUSS ICH JETZT NACH HAUSE? ACH, KÖNNT MEIN RAUSCH DOCH EWIG SEIN! DOCH LANGSAM SETZT DER KATER EIN. UND NOCH IST NICHTS VOLLBRACHT. ALL DIE SCHÖNEN FRAUEN, DIE IM DUNKELN WARTEN... DIESE SIND ZUNÄCHST MAL DRAN. DANN BIN ICH WIEDER TINES MANN. UND BALD IST WIEDER NACHT!

WOW! ACH WÄR DOCH EWIG NACHT! FÜR IMMER NACHT! ACH WÄR DOCH EWIG NACHT HEUT' NACHT!

ACH WÄR DOCH EWIG NACHT! FÜR IMMER NACHT! ACH WÄR DOCH EWIG NACHT HEUT' NACHT!

Im Bett liegt Tine und schläft. Die Turmuhr schlägt von weit her vier. Vorsichtig schaltet er das gedämpfte Licht seiner Nachttischlampe ein. Tine liegt ruhig, die Arme im Nacken verschränkt, ihre Lippen sind halb geöffnet, schmerzliche Falten ziehen sich um ihre Lippen; ein Ausdruck, den Friedrich an Tine nicht kennt. Er beugt sich über ihre Stirn, die sich sofort, wie unter einer Berührung, in Falten legt, ihre Mienen verzerren sich sonderbar; und plötzlich, immer noch im Schlaf, lacht sie so schrill auf, so dass Friedrich erschrickt.

N

IC

2. SZENE - SCHLAFZIMMER

FRIEDRICH

Tine!

Sie lacht erneut, wie zur Antwort, in einer völlig fremden, fast unheimlichen Weise.

(laut) Tine! Sie öffnet die Augen, langsam, mühselig, groß, blickt sie ihn starr an, als erkenne sie ihn nicht.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

46

Tine? Sie kommt langsam zu Sinnen. In ihren Augen ist Abwehr, Furcht und Entsetzen zu lesen. Ihr Mund ist noch geöffnet. (FRIEDRICH)

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Alles in Ordnung? – Ich bin es – Tine? Sie fängt an, sich zu entspannen, und wie von weit weg… TINE

Ist die Nacht schon um?

FRIEDRICH

Du bist total nassgeschwitzt.

TINE

Wie spät?

FRIEDRICH

Fast vier.- Es hat etwas länger gedauert. Ich konnte Miriam – Frau Becks und ihren Verlobten nicht einfach alleine lassen. Alles in Ordnung? Tine nickt, aber es macht den Anschein, dass sie ihn gar nicht versteht. Er legt seine Hand auf ihre Stirn, sie zuckt zusammen. TINE

N

IC

Ich hab geträumt –

FRIEDRICH

(erleichtert) Und was?

TINE

Es war - so viel. - Ich kann mich nicht mehr erinnern. FRIEDRICH

(macht sich bettfertig) Versuchs. TINE Es war wirr – ach - und ich bin müde. (Sie streichelt ihn) - Du musst auch müde sein.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

47

FRIEDRICH Eigentlich nicht. Der tote Punkt ist überschritten. Ich könnte jetzt an den Schreibtisch. Aber meine Patienten schlafen noch. Also? Erzähl! (er setzt sich in Position)

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Tine will etwas sagen, hält jedoch inne. - Er legt sich neben sie. Er hält allerdings Abstand zu ihrem Körper. Eine Pause entsteht. Beide starren mit offenen Augen zur Decke. Nach einer Weile dreht sich Friedrich zu ihr und mustert sie. FRIEDRICH

Dein Traum!

TINE

Komm her.

Sie hat auf diese Frage gewartet und streckt ihm ihre Hand hin. Er nimmt sie und streichelt sie. TINE

Das Haus am See am Tag unserer Verlobung –

FRIEDRICH

(nickt)

7a

Underscore

N

IC

TINE

ich trat in dieses Zimmer, wie eine Schauspielerin auf die Bühne. Meine Eltern befanden sich auf einer Reise und hatten mich allein gelassen. Absurd - morgen wollten wir heiraten, und das Brautkleid war verschwunden. Ich schaute im Schrank nach. Kein Brautkleid, dafür eine ganze Menge andere Kleider - Kostüme - opernhaft, prächtig, bunt. Wie in einem Kostümverleih. Welches war für die Hochzeit? Da fiel der Schrank plötzlich zu - Um mich rum gleißendes Licht, aber draußen vor dem Fenster war finstere Nacht – dann standest du plötzlich da, wie ein Prinz in einem schwarzen Umhang, - Du hobst mich aus dem Fenster. - Der See, die Berglandschaft, die Landhäuser. Du und ich, wir schwebten, über den Nebel. Unsere Hochzeitsreise. Dann waren wir auf einem Waldweg. Dann im Gebirge auf einer Art Lichtung, die auf drei Seiten von Wald eingezäunt war und hinter uns eine steile Felswand. Über uns ein Sternenhimmel so blau und unendlich weit, irgendwie unwirklich. Du nahmst mich in die Arme, wir hatten Sex - und du hattest mich sehr lieb.


48

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

FRIEDRICH (einen Spaß machend, aber verunsichert) Du mich hoffentlich auch? TINE

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(ernst) Ich glaube, noch viel mehr. (weiß nicht, wie sie weiter erzählen soll) Und dann war es Morgen. Und wir wollten wieder zurück. Doch dann waren unsere Kleider fort. Ich bekam Panik, Schämte mich. Ich war wütend auf dich. Ich habe noch nie so heftig Zorn und Scham im wachen Zustand empfunden wie in dem Augenblick. Um deine Schuld wieder gutzumachen, bist du nackt losgezogen, uns Kleider zu beschaffen. FRIEDRICH

Da siehst du, was ich für dich tue.

TINE

Sie schweigen. Friedrich ist die Kehle trocken.

N

IC

Als du weg warst, wurde es mir leichter. Ich sah die Stadt nicht, aber ich wusste, sie lag da - tief unter mir, umgeben von einer hohen Mauer. Eine längst versunkene, fantastische Stadt. Dann lag ich auf der Wiese ausgestreckt, auf meinem Körper tanzten die Sonnenstrahlen. Aus dem Wald kam ein junger Mann auf mich zu. Es war der Däne. Er ging an mir vorbei. Grüßte höflich und betrachtete die Felswand. Und irgendwie sah ich auch dich zur gleichen Zeit, du warst auf einem türkischen Bazar. Du fingst an, die schönsten Dinge für mich einzukaufen: Kleider, Schuhe, Schmuck; - alles passte in eine kleine gelbe Handtasche. - Dann erschien der Däne wieder. Irgendwie wusste ich, dass er um die ganze Welt gereist war. Er sah anders aus als beim ersten mal, aber er war es. Er blieb wie das erste Mal vor der Felswand stehen, verschwand wieder, dann kam er wieder aus dem Wald, verschwand, kam aus dem Wald; das wiederholte sich zwei oder drei oder hundertmal. Es war immer ein anderer und doch derselbe. Jedes Mal grüßte er mich. Dann blieb er stehen - sah mich prüfend an. Er streckte die Arme nach mir aus, ich wollte fliehen, aber es ging nicht. Dann legte er sich zu mir auf die Wiese.

FRIEDRICH

Schon zu Ende?

TINE

Unzählige Tage und Nächte lagen wir zusammen. Der Wald änderte sich in eine Lichtung - ein Meer aus Blumen. Und inzwischen waren es viele Männer. Und alle fickten mich. Ich habe gesehen, wie Soldaten dich fesselten – Menschen in Kutten mit Masken lehnten an der Mauer. Du standest nackt in einem Burghof. Und wie ich dich sah, obwohl ich anderswo war, sahst du mich auch, sahst zu, wie all diese Männer mich fickten. Ich hatte kein Mitleid mit dir. Du standest zur Hinrichtung bereit - ganz alleine. Die anderen waren alle an die Mauer gedrückt. Dann ging ein


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

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Fenster auf, und die Prinzessin des Landes ließ dich zu sich bringen. Es war kein Raum. Ihr schwebtet in der Luft. Sie bot dir an, ihr Geliebter zu werden, im Gegenzug würde sie die Todesstrafe fallen lassen. Du lehntest aus Treue zu mir ab. Ich fand es nicht seltsam, es konnte auch nicht anders sein, aber ich fand dich lächerlich und armselig. Dann warst du in einem Keller, und du wurdest ausgepeitscht. Überall Blut. Ich war mir der Grausamkeit bewusst, aber es machte mir nichts aus. Sie bot dir an, der Fürst des Landes zu werden. Aber du bliebst mir treu. Dann haben sie ein Kreuz für dich aufgestellt. Auf meiner Blumenwiese – unter all den nackten, fickenden Liebespaaren. Auf dem Weg zum Kreuz, den du alleine gingst, ohne Bewachung – irgendwie wusste ich, dass dein Weg vorherbestimmt war. Ich erwartete dich mit Spannung, aber ohne Mitgefühl. Du hast mich gegrüßt und dabei gelächelt. Deine Augen sagten mir, dass du alle meine Wünsche erfüllt hattest. Kleidung, Schmuck, Schuhe. Deine Heldenhaftigkeit fand ich widerlich und sinnlos. Und ich begann zu lachen. Ich lachte dich aus, weil du aus Treue zu mir die Hand einer Fürstin ausgeschlagen hattest – Folter ertragen und den Tod in Kauf nahmst. Ich lief dir entgegen und du ranntest mir entgegen. Immer schneller. Wir begannen zu schweben und schwebten aneinander vorbei. -- --

49

Ich habe mir gewünscht, dass du wenigstens mein Lachen hören solltest, wenn man dich ans Kreuz schlägt. Und dann habe ich losgelacht und du hast mich geweckt -

Beide schweigen. Tine hat, während sie erzählt, die Augen irgendwann geschlossen. So liegt sie immer noch da. Er beugt sich hoch und schaut sie an. Er sieht, dass Sie befriedigt und beseelt aussieht. Er macht das Licht aus und legt sich wieder hin. -Black- Das Underscoring läuft weiter.

Alle folgenden Bilder finden an den gleichen Orten aus dem ersten Teil statt. Trotzdem können die Räume verändert aussehen.

N

IC


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50

10. Bild – Auf der Straße der Seelen Friedrich ist wieder auf der Straße. In der Hand hält er eine Tasche, in der er die Verkleidung hat. Er steht vor dem Haus von Miriams Vater. Er klingelt.

Lied: Rache

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7b

FRIEDRICH

TINE VÖGELT FREMD, REUE ZEIGT SIE KAUM. MACHT SIE'S AUCH IN ECHT? MACHT SIE'S NUR IM TRAUM?

ETWAS IN MIR POCHT VOR SCHMERZEN, ETWAS BRENNT WIE HEIßE GLUT, ETWAS IN MIR SCHREIT NACH RACHE ETWAS IN MIR SCHREIT VOR WUT.

WÄRE ES NICHT KÖSTLICH, JEDE NACHT IM TEICH ZU FISCHEN, UND BEI TAG BIN ICH GANZ SCHLICHT DER BRAVE EHEMANN? UND WENN ICH'S AM TOLLSTEN TREIB, MUSS TINE MICH ERWISCHEN WENN SIE MICH SO SIEHT, VIELLEICHT BEGREIFT SIE ES JA DANN!

N

IC

MIRIAM IST LEICHTE BEUTE. MIRIAM IST OFT ALLEIN. TREU IST SCHEINBAR NICHTS UND NIEMAND. WARUM SOLLTE ICH'S DANN SEIN?

Friedrich holt den Zettel aus der Tasche, den er in der Nacht von Miriam bekommen hat. Er ruft ihre Nummer an. Die Schauspielerin spricht rhythmisch durchs Megafon.


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8

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Reprise „Darf ich das Sagen“ MIRIAM (ANRUFBEANTWORTER)

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MEIN HERZ IST LEER, ICH LIEB DICH NICHT MEHR. ERFÜLLE MICH! ICH RUFE BITTERLICH NACH DIR. IM TRAUM ZEIG DICH MIR UND NEIG DICH ZU MIR HER! ERFÜLLE MICH MIT DIR AUF EWIGLICH!

ICH TRAG'S NICHT MEHR, - ICH LIEBE DICH ZU SEHR. Licht fadet aus.

11. Bild – Spielplatz

IC

Dominique sieht aus, als hätte sie eine anstrengende Nacht hinter sich. Sie hat einen Bademantel an und wirkt sehr verschlafen und stoned.

N

8a

Underscore

DOMINIQUE

Komm rein. – Du bist also ein Bekannter von Denise? FRIEDRICH

Lulu. DOMINIQUE Denise – Lulu – Denise – Lulu – wie du magst.


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FRIEDRICH – Ja - Ich dachte, sie wohnt hier? DOMINIQUE Sie wohnt auch hier. (schaut ihn ungläubig an) – noch.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

FRIEDRICH

Noch?

DOMINIQUE

schweigt

FRIEDRICH

Und wer sind Sie? – Wenn ich fragen darf?

DOMINIQUE

Die Mutter. Und du bist?

Friedrich entgleisen die Gesichtszüge. Er kommt ins Stottern. FRIEDRICH

Arzt – Ich bin – Arzt…

Dominique bekommt einen Lachanfall. Friedrich wirkt sichtlich verstört. DOMINIQUE

N

IC

Keine Sorge. – Du hast nichts zu befürchten. – Bekommt erneut einen Lachanfall.

Du hast mich ganz schön beleidigt. Weißt du das? FRIEDRICH

Ich habe… – Wieso?

DOMINIQUE

Als könnte ich Lulus Mutter sein. Nicht sehr charmant. Sie steckt sich eine Zigarette an. Sie wird ganz ruhig.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

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FRIEDRICH Um ehrlich zu sein - DOMINIQUE Schon gut.

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Mustert ihn. Ihr scheint zu gefallen, was sie sieht. DOMINIQUE

Arzt bist du?

FRIEDRICH

(nickt)

Sie beginnt erneut zu lachen.

FRIEDRICH

Was ist daran so lustig?

DOMINIQUE

Es ist nur - vergiss es! Letztendlich spielt es auch keine Rolle, wer oder was du bist. Es geht uns ja auch nichts an. Nicht wahr? - Wann hast du Denise das letzte Mal gesehen? FRIEDRICH

Gestern Nacht – (ist ihm peinlich) Wir haben aber -

N

IC

DOMINIQUE

Es geht uns nichts an! - Ich denke, ich sollte es dir sagen. Sie mustert ihn erneut – Pause


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54

9

Lied: Alles In Deiner Seele ALLES IN DEINER SEELE ZIEHT DICH ZU DIESER FRAU. ALLES IN DEINER SEELE KENNT DIE ANTWORT GENAU.

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ALLES IN DEINER SEELE FRAGT SICH, WIE ES WOHL SEI. UND HEUTE STILLT SIE DIE GIER, UND DU LIEGST BEI IHR, DOCH MORGEN IST ES VORBEI.

ALLES IN DEINER SEELE WEIß VIEL MEHR ALS DU DENKST. ALLES IN DEINER SEELE KENNT DIE ANTWORTEN LÄNGST.

ALLES IN DEINER SEELE TRÄUMT VON SONNE UND GLÜCK. WEIL DIR DAS REISEN GEFÄLLT, FLIEGST DU UM DIE WELT, DOCH DU MUSST WIEDER ZURÜCK.

N

IC

MANCHMAL, DA KANN MAN’S AHNEN, DANN KANN MAN FLIEHEN IN WILDE SPIELE. DAS DENKST DU DAUERND, DOCH SIE SIND SELTEN. SEIT UNSER SCHICKSAL FÜR UNS PLANT, KOMMT ES GERN ANDERS ALS MAN AHNT.

ALLES IN DEINER SEELE WILL DEM SCHICKSAL ENTGEHN. ALLES IN DEINER SEELE WILL DIE WAHRHEIT NICHT SEHN.

ALLES IN DEINER SEELE FREUT SICH AN DER NATUR. DU LÄUFST DEM TIER HINTERHER, DOCH VERLIERST DIE SPUR...

FRIEDRICH Wo ist sie jetzt?


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DOMINIQUE Abends im Dämmerschein bleibt nichts wie es war. Abends im Dämmerschein ist schon das Ende nah.

Underscore

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9a

DOMINIQUE

Auf der Intensivstation. Heut Morgen -

FRIEDRICH

Aber heute Nacht –

DOMINIQUE

Sie ist nicht das erste Mal auf der Intensiv, weißt du? Die Kleine fickt ohne Gummi. Wobei, so schlimm wie heute Morgen war es noch nie. Sie hatte ihr Inneres nach außen gekotzt - Friedrich schaut sie fragend an.

DOMINIQUE

AIDS. – Jetzt aber genug geplaudert - Ich bin müde. Also, wenn du willst kannst du dich ausziehen und zu mir legen. So was Attraktives wie dich hat man ja nicht jeden Tag auf dem Küchentisch liegen – Und ich bekomme langsam Hunger - Keine Sorge, ich bin gesund –

N

IC

Das Licht fadet auf Friedrich ein. Die Schauspielerin geht ab und zieht sich um.

FRIEDRICH

Danke. Ich habe noch Termine. Vielleicht ein anderes Mal – Also seien sie mir nicht böse – ich sollte jetzt besser – HIV sagen Sie? - Aber sie, sie ist doch erst siebzehn. – In welchem Krankenhaus liegt sie? – Da ist sie sicherlich gut aufgehoben. Der Stationsleiter ist ein ehemaliger Dozent von mir. Sagen Sie ihr liebe Grüße. Das tut mir sehr leid. Das tut mir wirklich alles sehr leid.


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12. Bild – Auf der Straße der Seelen

9b

Lied: Luft! FRIEDRICH

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ETWAS DRÜCKT AUF MEINE KEHLE, ETWAS SCHNÜRT DIE LUFT MIR AB. ETWAS ZERRT AN MEINEN FÜSSEN, ZIEHT MICH IN EIN LOCH HINAB.

DIE LUFT IST VIEL ZU DÜNN ZUM ATMEN, DIE NACHT IST VIEL KALT ZUM LEBEN DAS HERZ IST VIEL ZU STARR ZUM SCHLAGEN. KANN ES HIER NOCH LEBEN GEBEN?

ÜBERALL TODESZEICHEN, ÜBERALL NUR LEICHEN WAS HABT IHR MIT MEINER GÖTTIN GEMACHT? WER IST HIER VERANTWORTLICH? SO VIELE FRAGEN. SO VIELE RÄTSEL.

ZU VIELE FRAGEN. ZU VIELE RÄTSEL.

N

IC

SCHWER KÖNNT ICH ES JETZT ERTRAGEN, TINE INS GESICHT ZU SEHN. MARIE WEIß ANTWORT AUF DIE FRAGEN, MUSS MIR HELFEN ZU VERSTEHN...

13. Bild – In der NahBar

Eine leicht bekleidete Bardame (eventuell polnischer Akzent) sitzt auf einem Barhocker mit dem Rücken zu Friedrich und scheint sich zu befriedigen. Wenn sie sich umdreht, erinnert sie eher an eine Putzfrau. Sie hat Nasenbluten und ein blaues Auge. Sie scheint sich auch nicht befriedigt zu haben, sondern geputzt… Sie hält einen Lappen in der Hand. (Psychologisches Bild: Saubermachen – Spuren wegwischen)


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9c

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Underscore FRIEDRICH Entschuldigung?

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Die Dame bringt zu Ende, was sie bereits begonnen hat. Als Friedrich bemerkt, bei was er sie stört, schaut er erst neugierig. Dann will er gehen … BARDAME

(ohne Akzent, dafür verrucht) Na, Doktor?

FRIEDRICH

Bitte?

Bardame dreht sich um und erschrickt, als hätte sie mit niemandem gerechnet. Spricht mit Akzent weiter. BARDAME

Wir geschlossen haben.

FRIEDRICH

Ich weiß.

Sie schaut ihn an und wartet, dass er verschwindet. Er starrt auf die Verletzungen. BARDAME

N

IC

Was Sie blicken auf mich?

FRIEDRICH

Verzeihen Sie – ich…

BARDAME

Haben Sie noch nie…

FRIEDRICH …doch – doch... BARDAME … Frau putzen gesehen.


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FRIEDRICH Verzeihen Sie, aber ich suche jemanden. BARDAME Jemanden nicht hier. Nur ich.

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FRIEDRICH

Was ist mit ihrem Gesicht?

BARDAME

Was ist mit Gesicht? – Was wollen Sie überhaupt von mir? FRIEDRICH

- ich suche Marie Nachtigall.

BARDAME

Nachtigall? „Es ist nicht Lerche es ist Nachtigall“… Ist Vogel, der… FRIEDRICH

Nein, Marie - Marie Nachtigall?

Bardame schaut verängstigt.

FRIEDIRCH

Wissen Sie, wo sie ist?

Wer?

N

IC

BARDAME

FRIEDRICH

Marie.

BARDAME

Nichts Marie hier.

Fängt an weiter zu putzen. Er schaut ihr verwundert zu. FRIEDRICH Sie wohnt hier, direkt oben drüber.


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BARDAME (lacht hysterisch) Hier wohnt nur Olga. Und Olga putzt. FRIEDRICH

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Hören Sie, Olga. Ich muss mit Marie reden, es ist wichtig. Ich muss wissen, was letzte Nacht los war. (zu sich) – ob ich geträumt habe - BARDAME

Ich kenne nix Marie. Gehen Sie jetzt. Wir haben geschlossen. Heute Abend Sie können … FRIEDRICH

Ich bitte Sie – ich habe Frau Nachtigall gestern hier gesehen. Sie hat hier Klavier gespielt - Verstehen Sie. – Sie wohnt hier. (zeigt nach oben) Ganz sicher. Sie hat gesagt, dass… Die Musik schneidet ihm das Wort ab.

10

Lied: Der Mond

BARDAME

Ich habe bereits gesagt, Haus ist leer. Nur ich hier wohne. Sie sich irren.

N

IC

MANCHES MAL MACHT AUCH FASSADE SINN. UND WENN MAN FRAGEN STELLT, ZERSTÖRT DAS UNSRE WELT. UND PLÖTZLICH IST DIE ILLUSION DAHIN, DIE MAN FÜR WAHRHEIT HÄLT, WEIL UNS DAS BILD GEFÄLLT.

DER MOND KANN ROMANTISCH SEIN: DU UND ICH ALLEIN.... DOCH WENN MAN SICH VERLIERT: WER WEIß, WAS DANN PASSIERT...

MANCHES MAL SIEHST DU NEN BÖSEN FLECK, WO VORHER KEINER WAR, DOCH DAS IST ÄNDERBAR. DU DECKST IHN ZU. ER IST NICHT WIRKLICH WEG, ER IST NOCH IMMER DA, DOCH ER IST UNSICHTBAR.


60

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

(BARDAME) DER MOND KANN ROMANTISCH SEIN, WIE MUSIK UND WEIN. DOCH JEDES LIEBESPAAR BEGIBT SICH IN GEFAHR...

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

JA, ES SCHEINT, ICH BIN FÜR DICH BEREIT, DOCH NICHT IN WIRKLICHKEIT. UND ES KANN SEIN, DIESER FLIRT WIRD BELOHNT ICH UND DU GANZ ALLEIN, UNGESTÖRT, DOCH DER MOND SIEHT ZU...

DU MUSST GEHN! DU MUSST GEHN!

DU, MEIN FREUND, HÖR ENDLICH ZU, MEIN FREUND! WER ZU VIEL FRAGT, MEIN FREUND, DER WIRD GEJAGT, MEIN FREUND. DOCH DU VERGISST, MEIN FREUND: GEJAGT SEIN IST, MEIN FREUND, NICHT WAS ICH WILL, MEIN FREUND! SEI ENDLICH...

N

IC

Die Musik bricht ab. Bühnenarbeiter beginnen die Szene abzubauen. Keiner nimmt Friedrich wahr.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

10B

61

Lied: Panik FRIEDRICH

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ÜBERALL HORROR ÜBERALL TERROR ÜBERALL FRAGEN ÜBERALL RÄTSEL ÜBERALL SEUCHE ÜBERALL FRATZEN ÜBERALL LAUSCHER ÜBERALL SPITZEL

(Ab hier überschlägt es sich)

ÜBERALL TOD ÜBERALL GEFAHR ÜBERALL VERRAT ÜBERALL VERBRECHEN ÜBERALL ANGST ÜBERALL BLUT

N

IC


62

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

14. Bild – Auf der Straße der Seelen Friedrich ist wieder auf der Straße.

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PANIK! PANIK! PANIK, PANIK, PANIK!

ZEIT - WIE SPÄT IST ES ZEIT - EGAL

NUR WEG! WOHIN? WOHIN? NUR WEG? WARUM?

ZEIT - ZU KNAPP ZEIT - ZU SPÄT? WOHIN? WARUM?

ANDERSWO EIN ANDRER SEIN VERGESSEN VERANTWORTUNG WEG! ZEIT ZU SPÄT.

N

IC

ATMEN! ATMEN!

Ihm fällt auf, dass er noch immer die Tüte mit dem Kostüm bei sich hat.

Das Kostüm!


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63

15. Bild – Kostümverleih Friedrich ist dabei, sein Kostüm zurückzugeben. Er wirkt sehr verwirrt

Underscore

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10c

FRIEDRICH

(übergibt das Kostüm. Die Maske ist nicht mit dabei)

Was bekommen Sie?

GEBISER

Zwanzig. – Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten – aber Sie sahen gestern Nacht besser aus. FRIEDRICH

Sie erinnern sich an mich?

GEBISER

Oh ja.

FRIEDRICH

Gut. – Das ist gut.

Sie sind ein bisschen blass, Doktor?

FRIEDRICH

N

IC

GEBISER

Woher - ?

GEBISER

Heut morgen waren zwei Männer da und haben für einen Doktor Friedrich Theiss einen Brief abgegeben. Sie sind doch Herr Doktor Friedrich Theiss? FRIEDRICH Aber das ist doch unmöglich.


64

VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

GEBISER Wollen Sie ihn haben oder nicht? Friedrich nickt. Er nimmt den Brief und öffnet das Siegel. Er liest und wird noch blasser. Er lässt den Brief sinken.

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GEBISER Schlechte Nachrichten?

FRIEDRICH

Kannten Sie die Männer?

GEBISER

Nein, leider nicht – den einen würde ich zu gerne mal näher kennen lernen. FRIEDRICH

Haben sie gesagt, wie sie heißen? Gebiser schüttelt den Kopf.

FRIEDRICH

Woher sie kommen?

GEBISER

Nein! Tut mir leid.

Marie Nachtigall! Klar, sie hat es ihnen gesagt. Natürlich. Und dann haben sie sie weggeschafft. Das erklärt das blaue Auge. – Können Sie sie beschreiben?

N

IC

FRIEDRICH

GEBISER

(schaut ihn fragend an)

FRIEDRICH

Die Männer von heute morgen.

GEBISER Männer eben - Trenchcoat, Hut. Gutaussehend.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

65

FRIEDRICH Ich meine, ist Ihnen irgendetwas an ihnen aufgefallen? GEBISER (denkt nach) Sie meinen, außer dass der eine gut aussah?

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Gebiser lächelt. Friedrich will gehen, er wendet sich ab. GEBISER

(er liest es nicht ab) „Geben Sie Ihre Nachforschungen auf, die völlig nutzlos sind, und betrachten Sie diese Worte als zweite Warnung. Denken sie an ihre Familie. Wir hoffen in Ihrem Interesse, dass keine weitere nötig sein wird.“ FRIEDRICH

(dreht sich um) Was haben Sie gesagt?

GEBISER

(hält ihm den Brief hin) Vergessen Sie ihren Brief nicht. (er lächelt) FRIEDRICH

(kommt zurück) Was haben Sie gesagt?

GEBISER

Ich?

N

IC

FRIEDRICH

Sie haben gesagt, ich soll die Nachforschungen aufgeben, und ich soll an meine Familie denken. GEBISER

Und?

FRIEDRICH

In dem Brief steht aber nicht „denken Sie an Ihre Familie“? GEBISER Ich weiß nicht, wovon sie reden? FRIEDRICH Was für ein Spiel spielen Sie?


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GEBISER Traum und Realität liegen oft ganz dicht beisammen, Herr Theiss... Underscore wird unterbrochen durch eine Radiomeldung. Das Radio steht im Kostümverleih. Spot auf das Radio. Alles andere Licht aus.

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RADIOSPRECHER (unter dem Radiosprecher typische Radionachrichtenmusik)

Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Meldung. Heute früh wurde im Fünf-Sterne-Hotel „Zum Paradies“ eine vergiftete Frau in ihrem Hotelzimmer aufgefunden. Unter dem Namen Baronin von D. war sie im Hotel abgestiegen. Der Polizeisprecher teilte der Redaktion mit, dass die Identität der Frau unklar sei. Das Opfer wurde heute Morgen zum letzten Mal gegen vier Uhr in Begleitung zweier Männer gesehen. Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe. Wenn Sie sachdienliche Hinweise haben, wenden Sie sich bitte an ihre Polizeidirektion.

16. Bild – Auf der Straße der Seelen

11a

Gedankenfetzen

FRIEDRICH:

N

IC

ETWAS TOBT IN MIR, ETWAS PEITSCHT MICH AN. ETWAS SAGT MIR: "GEH, SCHAU DIE FRAU DIR AN!"

ETWAS SAGT: "VERSCHAFF DIR ZUTRITT!" ETWAS SAGT: "ES MUSS SO SEIN!" ETWAS SAGT: "DES RÄTSELS LÖSUNG LIEGT IN IHR ALLEIN!" – UND? ...


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16. Bild – Pathologie

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Ein kahler Saal. Gefliest. In der Mitte steht ein Leichentisch, darauf eine tote Frau. Friedrich geht langsam auf sie zu. Er hebt die Decke hoch. Er betastet ihr Gesicht, ihren Körper. Er verfängt sich mit seinen Fingern in den Ihrigen.

Nr. 11b PATHOLOGIE

... JETZT STEH ICH VOR DIR. - HFFF! (Einatmen durch die Zähne)

GANZ STARR LIEGST DU HIER! - MIST! DU BIST'S, ODER NICHT? - NA?! LOS, ZEIG' DEIN GESICHT! – LOS!

DU SIEHST SO FRIEDLICH AUS, ALS WÄR NIE WAS PASSIERT. DOCH DEIN GESICHT WIRKT SO, ALS WÄRST DU NOCH MASKIERT. - MIST! ICH DACHT', ICH SÄHE DEINE AUGEN UND WÜSST' MEHR! DOCH ICH ERKENNE NICHTS, DENN DEINE AUGEN SIND SO LEER. - LEER! LEICHE

IST DAS HIER DAS ENDE ODER IST DAS EIN BEGINN? WO IST HIER DIE LOGIK, WIE ERGIBT DAS ALLES SINN? FRIEDRICH

KEINE SPUR VON GEWALT. - HFFF!

N

IC

(Einatmen durch die Zähne)

DEINE HAUT IST SO KALT! - HUH! (Ausatmen)

FAST ALS WÄRST DU ERFROR'N. - MIST! WAS HAB ICH HIER VERLOR'N? - WAS??

DU KÖNNTEST JEDE SEIN, UND DOCH SPÜR ICH'S GENAU: DU BIST DIE UNBEKANNT-GEHEIMNISVOLLE FRAU! DIE VOLLEN LIPPEN, DEINE HAARE, ENGELSGLEICH. DU BIST ZWAR LEBLOS, DOCH NOCH IMMER SINNLICH WEICH.


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VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

LEICHE DU HAST MICH VERRATEN, FRIEDRICH, DU LIEßT MICH ALLEIN! KANN DIR NICHT VERGEBEN, FRIEDRICH, KANN DIR NICHT VERZEIHN! FRIEDRICH

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HÄTTEST DU GESCHWIEGEN, MÜSSTEN WIR UNS SO NICHT SEHEN. LEICHE

WIRKLICH?

FRIEDRICH

SCHULD HAT DER, DER OHNE NOT GEHEIMNISSE VERRÄT. LEICHE

SICHER!

FRIEDRICH

HÄTTE TINE NICHTS ERZÄHLT, WÄR ALL DAS NICHT GESCHEHEN! LEICHE

LÜGNER!

FRIEDRICH

HÄTTE, KÖNNTE, WOLLTE - IST ES DAFÜR LÄNGST ZU SPÄT?

N

IC

LEICHE

ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT, ZU SPÄT! ZU SPÄT!


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17. Bild – Auf der Straße Er ist auf einmal draußen. Er atmet heftig. Es ist still - Die Nacht wirkt sehr bedrohlich. Dann wieder Stille.

Lied: DIE NACHT

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11c

FRIEDRICH

DIE NACHT WIRKT SO FRIEDLICH. DIE NACHT LÄCHELT ARGLOS. TAUSENDE STERNE BLINZELN MIR ZU. UND DOCH HAT DER FURCHTBARE ALPTRAUM KEIN ENDE. DIE NACHT SPINNT DIE FÄDEN. DIE NACHT IST GEFÄHRLICH. TAUSENDE STERNE LOCKEN INS NICHTS. WANN IST DIESER FURCHTBARE ALPTRAUM ZU ENDE? WAS IST ECHT? WAS IST WAHR? WAS BLEIBT NACH DER NACHT NOCH DA? WESSEN WERK HAB ICH VOLLBRACHT? WAS STECKT HINTER DIESER NACHT?

N

IC

DIE NACHT HAT ENTSCHIEDEN. DER KAMPF HAT BEGONNEN. TAUSEND DÄMONEN BLINZELN MIR ZU, ICH BRING DIESEN FURCHTBAREN ALPTRAUM ZU ENDE.

EHE SICH DIE NACHT NOCH BESINNT, IST LÄNGST KLAR, WER DAS HIER GEWINNT! AUF ZUM KAMPF, JETZT GEHT'S SCHLAG AUF SCHLAG! EH DIE NACHT SICH ZU WEHREN VERMAG, WIRD ES SCHON TAG!


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18. Bild – Pathologie

11d

PATHOLOGIE REPRISE

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FRIEDRICH UND JETZT MAL ZU DIR! - HMM? LOS, REDE MIT MIR! - LOS, KOMM, SPRICH MIT MIR! AUCH DU WURDEST GESCHICKT! - NICHT? WIR HÄTTEN NIEMALS GEFICKT! - NEIN, NIE! DAS WAR DER PLAN! Er sticht mit einem Skalpell in die Leiche - überall breitet sich Blut aus.

ETWAS SAGT MIR: "GEH NACH HAUSE!" ETWAS SAGT MIR: "GEH ZU TINE!" TINE GIBT MIR HALT, TINE GIBT MIR SINN, TINE IST NICHT KALT, LIEBT MICH, WIE ICH BIN...

3. SZENE - SCHLAFZIMMER

Im Bett liegt Tine und schläft. Auf Friedrichs Kopfkissen liegt die Maske, die er in der letzten Nacht auf dem Maskenball an hatte. Friedrich sieht die Maske und glaubt im ersten Moment, dass im Bett ein fremder Mann liegt. Dann registriert er, dass es sich um die Maske von gestern Nacht handelt.

N

IC

FRIEDRICH

(weint und es fällt ihm schwer zu sprechen)

Ich will dir alles sagen. Alles! Alles! – Ich will – TINE

Psst. Ruhig, Emma schläft.

FRIEDRICH

Wie geht’s Emma? Tine schaut ihn an.


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FRIEDRICH

11e

Traummotiv IV Nachdem du mir gestern das mit dem Dänen erzählt hast, war ich verletzt. Und auf dem Weg zum Minister –

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Er spricht pantomimisch weiter, die Musik wird lauter und das Licht fadet aus. Dann sieht man ein paar Momente der Unterhaltung, unterbrochen immer wieder durch Blacks. Am Ende der Musik sehen beide aus, als hätten sie drei Tage und Nächte nicht geschlafen. Beide haben viel geweint. Es herrscht eine gespannte Stimmung. Verunsicherung. Es ist Stille im Raum. Die Sonne beginnt bereits aufzugehen. Nach einer Pause.

FRIEDRICH

Was sollen wir tun, Tine?

TINE

Keine Ahnung. Pause

TINE

Vielleicht – vielleicht sollten wir dem Schicksal einfach dankbar sein. FRIEDRICH

N

IC

...?

TINE

Dankbar, dass wir lebend da rausgekommen sind. Egal ob geträumt oder real. FRIEDRICH

Bist du dir da sicher?

Eine Pause. Sie denkt nach.

TINE So sicher, wie ich mir sicher bin, dass die Wahrheit Wirklichkeit ist.


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FRIEDRICH Und kein Traum ist NUR ein Traum… TINE Dann hoffe ich, dass wir endlich erwacht sind.

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Friedrich versucht sie anzulächeln. TINE

- wach für lange.

FRIEDRICH

Für immer.

TINE

(Sie glaubt nicht wirklich daran. Sie schüttelt den Kopf)

Wir werden sehen. – Black

12. Epilog

Die Schauspieler gehen wieder in ihre Garderobe aus dem Prolog. Ein Spot leuchtet beide aus. Sie schauen zum Zuschauer. Beide ziehen sich wieder ihre „privaten Kleider“ an. Schminken sich ab.

N

IC

ER

IHR GLAUBT, DASS WIR ANDERS SIND: UNTREU ODER WECHSELHAFT. ABER LIEBE MACHT NICHT WIRKLICH BLIND. FAMILIE TÖTET LEIDENSCHAFT.

DER VERSTAND, DAS GEFÜHL UND DER KÖRPER SIND DOCH SEHR WICHTIG IM LEBEN. JEDER MANN, DEM WAS FEHLT, SCHAUT SICH UM UND FRAGT SICH: „WER KANN MIR DAS GEBEN?

WER GIBT SICH MIR WIRKLICH HIN? WER STILLT DIESE GIER IN MIR? WER SIEHT, WER ICH WIRKLICH BIN?“ EIGENTLICH SIND WIR AM ENDE DOCH NUR WIE IHR. NUR WIE IHR. WIR SIND DOCH NUR WIE IHR.


VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

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SIE IHR GLAUBT, DASS WIR ANDERS SIND: SELIG NUR IN ZWEISAMKEIT. ABER LIEBE MACHT NICHT WIRKLICH BLIND. KEIN RING ERSETZT ZUFRIEDENHEIT.

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JEDER BAUM, JEDER STRAUCH, JEDE BLÜTE WILL NOCH MEHR SONNE IM LEBEN. JEDE FRAU, DER WAS FEHLT, SCHAUT SICH UM UND FRAGT SICH: „WER KANN MIR DAS GEBEN?

WER SIEHT, WER ICH WIRKLICH BIN? WER STILLT DIESE GIER IN MIR? WER GIBT SICH MIR WIRKLICH HIN?“ EIGENTLICH SIND WIR AM ENDE DOCH NUR WIE IHR. NUR WIE IHR. WIR SIND DOCH NUR WIE IHR. ER

WIR WOLLEN EUCH EXOTISCH NENNEN, DOCH IHR SEID WIE WIR.

BEIDE

LEIDER MÜSSEN WIR ERKENNEN:

SIE

IHR SEID NUR WIE WIR!

ER

N

IC

ANDERS WAR FREMD ABER REIZVOLL, DOCH IHR SEID WIE WIR! BEIDE

DIESER REIZ, DIESE FREMDHEIT IST DOCH SEHR WICHTIG IM LEBEN. DER KONTRAST ZOG MICH AN. WENN DAS FEHLT, DANN FRAGT SICH: „WER KANN MIR DAS GEBEN?“ WER IST NOCH BEGEHRENSWERT? WER IST FASZINIERT VON MIR? WER GIBT, WAS MEIN HERZ BEGEHRT?“ IHR KÖNNT ES NICHT SEIN, DENN IHR SEID JA NUR WIE WIR. SIE SO WIE WIR! IHR SEID NUR SO WIE WIR!


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VERBOTENE FRÜCHTE (Textbuch) – Michael Bellmann, Jürgen Ferber, Joerg Steve Mohr

ER UND DANN FEHLT LEIDENSCHAFT. LUST BRAUCHT FALLEN, FINTEN, FREMDSEIN. ABER IHR SEID LEIDER NUR WIE WIR!

N

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N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

Black. Ende.


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