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Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt und Stalking Es kann jede(n) treffen!

Laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 insgesamt 30.759 Fälle Häuslicher Gewalt erfasst – ein Anstieg von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Täglich werden demnach etwa 84 Fälle von Gewalt zwischen Menschen, die in einem Haushalt leben, angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte dabei um einiges höher liegen.

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Seit 20 Jahren berät die Fachberatungsstelle beim Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster Frauen – und seit kurzem auch Männer – bei häuslicher Gewalt und Stalking. Der runde Geburtstag ist kein Zufall. Am 1. Januar 2002 trat das „Gewaltschutzgesetz“ in Kraft, das auf den Schutz vor allen Formen von Gewalt im privaten und häuslichen Umfeld abzielt. Die Formulierung „alle Formen“ ist dabei bedeutsam. Denn: „Gewalt hat viele Facetten“, weiß Fachbereichsleiterin Sandra Bracht. „Sie kann auch psychisch, ökonomisch oder strukturell sein.“

„Warum gehst Du nicht einfach?“

Oft müssen sich Opfer die Frage gefallen lassen: Warum gehst du nicht einfach? Aber nicht selten ist eine Trennung bei finanzieller Abhängigkeit – oder wenn Kinder involviert sind – nicht einfach. Dies betrifft häufig Frauen, die noch immer in puncto Einkommen durchschnittlich schlechter bezahlt werden. Ein strukturelles Problem, das in einer Partnerschaft Abhängigkeiten erzeugen kann. Aber auch ökonomisch unabhängige Frauen sind von häuslicher Gewalt betroffen. Sie ist allen gesellschaftlichen Schichten zu finden, unabhängig von kulturellen Hintergründen oder der Religionszugehörigkeit. In der Beratungsstelle des SkF stehen den Betroffenen erfahrene und qualifizierte Beraterinnen zur Verfügung. Die kostenfreie und auf Wunsch anonyme Beratung unterstützt bei der Bewältigung der erlebten Gewalt. Bei einer akuten Bedrohung hat die Sicherung des persönlichen Schutzes Priorität „Wir haben zwei Frauen- und Kinderschutzhäuser an anonymer Adresse in Münster mit insgesamt 32 Plätzen für Frauen- und Kinder, die akut häusliche Gewalt erfahren und einen Zufluchtsort benötigen“, berichtet die Dipl.Sozialpädagogin. Häufig ist zuvor aber bereits zu einem Polizeieinsatz gekommen. Ein erster Schritt, den die Polizei anordnen kann, um akute häusliche Gewalt zu beenden, ist die sogenannte „Wohnungswegweisung“. Die Polizei – in der Regel die Streifenwagenbesatzung, die zu einem Einsatz gerufen wird – erteilt dem Täter ein befristetes Hausverbot, wenn die Gefahr besteht, dass es zu erneuter Gewalt kommt. „Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen“, sagt Sandra Bracht. „Wenn die Frauen es wünschen, geben die Beamten ihre Kontaktdaten nach einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt an uns weiter und wir nehmen Kontakt auf.“ kann das Opfer einen gerichtlichen Antrag auf Wohnungszuweisung oder ein länger bestehendes Kontakt- und Näherungsverbot stellen – das gilt neben häuslicher Gewalt auch für Fälle von Stalking. Dabei spielt es keine Rolle, wem die Wohnung oder das Haus gehört und wer im Mietvertrag aufgeführt ist. Die Beratungsstelle in Münster hilft auch beim Umgang mit Behörden, Rechtsanwälten, Gerichten, anderen Beratungsstellen und Einrichtungen. Ein weiterer Aspekt umfasst die Entwicklung von Lebensperspektiven. Sind Kinder mitbetroffen, tauchen häufig Fragen zum Umgangsrecht auf – der Anspruch auf Umgang eines minderjährigen Kindes mit seinen Eltern und umgekehrt. Nachbarn, Lehrer, Freunde oder andere Personen, die Gewalt in einer Familie wahrnehmen, können sich ebenfalls dort erkundigen, wie sie sich verhalten können.

Krisentelefon rund um die Uhr: Tel. 0251-13125000 Die kostenfreie Beratung ist – unabhängig, ob für Frauen oder Männer – persönlich, telefonisch oder online möglich.

Hohe Dunkelziffer bei Gewalt gegen Männer!

Laut polizeilicher Statistik ist ein Großteil der Opfer (69,1 %) in NRW weiblich. 2021 wurden allein bei der Beratungsstelle des SkF ca. 100 Frauen beraten. Rund 30 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind aber Männer. Und vermutlich ist die Dunkelziffer noch etwas höher. Denn Erfahrungen mit der männlichen Sozialisation lassen darauf schließen, dass die Scham, sich an die Polizei zu wenden, bei Männern noch etwas höher sein könnte als bei Frauen. Seit Frühjahr 2022 steht die Beratungsstelle jetzt auch Männern offen. „Wir haben eine Kampagne gestartet, um auf das Thema hinzuweisen und Betroffene auf unser Beratungsangebot hinzuweisen – und hatten auch schon erste Anfragen“, berichtet Sandra Bracht. In ganz NRW gibt es 16 Schutzplätze für Männer – mit und ohne Kinder, bundesweit sind es 37.

Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt für Frauen und Männer

Stalkingberatung Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster Wolbecker Str. 16a, 48155 Münster, Tel. 0251-133223-30

www.skf-muenster.de

Frauen-Notruf Münster e.V. Leben ohne Gewalt

Sexualisierte Gewalt findet zu jeder Tageszeit statt. Betroffen sind Frauen und Mädchen in jedem Alter, unabhängig von Herkunft, Kleidung oder Verhalten. Oft sind Frauen und Mädchen sexualisierter Gewalt in ihrem sozialen und familiären Umfeld ausgesetzt. Bei denTätern handelt es sich in über 80 Prozent aller Fälle um Männer, die die Frauen kennen oder denen sie vertrauen, wie der (frühere) Ehemann/ Partner, ein Freund, Nachbar, Kollege oder ein anderer Mann aus dem alltäglichen Umfeld. Der häufigste Tatort ist die Wohnung.

Jede 7. Frau wird mindestens einmal im Erwachsenenalter Opfer einer Vergewaltigung. Mehr als jede zweite Frau hat eine weitere Form der sexualisierten Gewalt erlebt. Mädchen und Frauen sind sexualisierter Gewalt alltäglich in unterschiedlichen Formen ausgesetzt. Dazu gehören, z. B. verbale und körperliche Angriffe auf der Straße, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder im Internet, sexueller Missbrauch in der Kindheit oder Vergewaltigung. Sexualisierte Gewalt verletzt körperlich und seelisch. Die Reaktionen auf eine Vergewaltigung und andere Formen von sexualisierter Gewalt können sehr unterschiedlich sein. Viele Frauen und Mädchen werden von quälenden Gefühlen überflutet. Sie kämpfen beispielsweise mit Schuldgefühlen, Scham und Angstzuständen. Häufige Reaktionen sind auch ungewollte Erinnerungen an die Gewaltsituation, beängstigende Unwirklichkeitsgefühle und der Rückzug aus sozialen Beziehungen. Vielen Frauen und Mädchen wird auch heute noch mit Schuldzuweisungen und Vorurteilen begegnet. Dies macht es oftmals sehr schwer, sich anderen Menschen anzuvertrauen und Hilfe zu bekommen. Die Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster e.V. ist eine spezialisierte Beratungsstelle für Frauen und Mädchen bei sexualisierter Gewalt. Die Fachberatungsstelle wendet sich an Frauen und Mädchen ab 14 Jahre, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, unmittelbar erfahren oder befürchten. Auch Angehörige, Vertrauenspersonen und Fachkräfte können sich an die Beratungsstelle wenden. Die Fachberaterinnen sind für Psychotraumatologie ausgebildet und verfügen über langjährige Erfahrung in der Arbeit mit traumatisierten Frauen und Mädchen. Zusammen mit den Beraterinnen können Betroffene klären, welche Schritte für sie wichtig sind. Die Betroffenen selbst entscheiden, worüber sie sprechen wollen. Die Beraterinnen helfen

Fachberaterin Gerlinde Gröger

z. B. dabei, Entscheidungen zu treffen, Wege aus der Gewalt zu finden und Selbstheilungskräfte zu entfalten, um ein unbelastetes und selbstbestimmtes Leben wieder gestalten können. Die Beratung kann auf Wunsch anonym aufgenommen werden, ist kostenfrei und unabhängig davon, wie lange die Gewalterfahrung zurückliegt. Sie kann nach Vereinbarung persönlich, per Video oder Einzel-Chat, telefonisch zu festen Terminen oder jederzeit als Onlineberatung per Mail stattfinden. Erstgespräche können in der Regel innerhalb von 48 Stunden aufgenommen werden. Telefonische Beratungszeiten: Mo-Do: 10-16 Uhr & Fr: 10-12 Uhr.

Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster e.V.

Heisstr. 9, 48145 Münster, Tel. 0251-34443

www.frauennotruf-muenster.de