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eine herzensangelegenheit

von Brigitte Gritsch

Ich bin wohl eine unheilbare Idealistin, sehr naturverbunden und neugierig. Seit elf Jahren koordiniere ich die Bewusstseinsbildung im Netzwerk der Südtiroler Weltläden, und es macht mir immer noch Spaß. Vielleicht, gerade weil dieser Beruf (oder Berufung?) manchmal eine wirkliche Herausforderung und gleichzeitig meine Herzensangelegenheit ist. Der faire Handel zeigt, dass ein alternatives und faires Wirtschaften möglich ist.

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Ich habe 2011 damit angefangen, Kampagnen für die Weltläden zu leiten. Dabei geht es vor allem darum, den Menschen den fairen Handel näherzubringen. Ich fand es immer schon schade, dass die Weltläden im öffentlichen Bewusstsein etwas untergingen — verständlich, wenn man bedenkt, dass die Bewusstseinsbildung rein von Freiwilligen abhing. Es gab keine Figur, die das Ganze koordinierte. Im Fairen Handel ist die Bewusstseinsbildung aber das A und O. Die Menschen müssen wissen, warum sie für ihre Schokolade oder Textilprodukte etwas mehr bezahlen sollen als anderswo. Und genau darum kümmere ich mich jetzt.

Mittlerweile gibt es viele faire Lebensmittel in den Supermärkten zu kaufen. Für die fair-trade-Genossenschaften, die ihren Kakao an einen der Importeure wie Altromercato verkaufen, springt am Ende derselbe Betrag heraus. Der Unterschied ist aber, dass man im Weltladen gleichzeitig die Weltläden und den Fairen Handel als solche unterstützt. Das kann auch bedeuten, dass die Schokolade manchmal etwas teurer ist als im Supermarkt, weil diese mit anderen Produkten Gewinne schreiben können. Die kleine Gewinnspanne, die wir auf die Produkte setzen, ist aber wichtig, um die Weltläden am Laufen zu halten. Es muss Strom bezahlt werden, die Miete und natürlich einige Teilzeitkräfte.

Ein großer Teil der Arbeit wird hingegen von Freiwilligen erledigt. Ohne sie, könnten wir nicht existieren. Ich sehe die Freiwilligenarbeit als großen Mehrwert. Es geht auch hier um eine Herzensangelegenheit. All die Menschen, die sich einbringen, sind Multiplikator*innen des fairen Handels. Wir verkaufen nicht nur Produkte, sondern auch die Geschichten und Hintergründe der Produkte. Im Fairen Handel ist die Transparenz nämlich sehr wichtig, die Lieferkette muss rückverfolgbar sein. Das macht die ganze Sache einfach viel menschlicher. Menschenwürde und Umweltschutz stehen im Vordergrund.

Ich habe vor einigen Jahren einige Produzentinnen und Produzenten besuchen dürfen. Ich war in Indien, auf Bali und auf Mauritius und konnte mir dort einige Projekte vor Ort anschauen. “Creative Handicrafts” in Indien zum Beispiel. Das ist eine Organisation in Mumbai, bei der Frauen aus den Slums Nähen lernen und sich dann in kleineren Gruppen in eigenen Nähateliers selbst organisieren. Zu sehen, wie stolz diese Frauen sind! Wie viel Würde ihnen diese Arbeit und die Möglichkeit, ihren Kindern eine angemessene Bildung zu finanzieren, gibt, ist extrem wertvoll. Und ich weiß, wofür ich letztendlich meinen Kopf herhalte. Es geht aber nicht immer nur darum, Menschen in bereits kaputten Umfeldern zu unterstützen. Manchmal - wie bei einer Organisation auf Bali - geht es auch ganz einfach darum, das, was da ist, zu erhalten, das Land nicht kaputtzumachen. Aber natürlich gibt es auch im fairen Handel Schwierigkeiten. Es ist nicht immer alles heile Welt.

Manchmal kommt es noch vor, dass Menschen von den Dritte-Weltläden sprechen. Diesen Begriff dürfen wir aus unseren Köpfen streichen. Es gibt keine bessere oder schlechtere Welt und keine erste, zweite, dritte oder vierte. Wir leben in einer und derselben Welt. Auch die Bezeichnungen Schwellen- oder Entwicklungsländer sind problematisch. Wer entwickelt wen? Bin ich weiter entwickelt, weil ich in Südtirol zur Schule gehen durfte? Wenn mich jemand in ein Land stellen würde, wo es kein Geschäft gibt, dann weiß ich nicht, inwiefern ich dort entwickelt wäre. Jede*r ist in seiner Realität und Wirklichkeit gut, so wie er ist. Es geht darum, bei sich bleiben zu dürfen und nicht das Eigene auf andere zu projizieren. Die Idee der ersten, zweiten oder dritten Welt macht also keinen Sinn.

Die Weltläden beziehen ihre Waren von Fair Trade Importeuren, die wiederum bei den Fair Trade Produzentenorganisationen einkaufen, der Preis wird gemeinsam definiert. Wir schicken keine Spenden. Es gibt Weltläden, die bestimmte Projekte unterstützen. Zum Beispiel wurde der Bau einer neuen Zuckermühle mitfinanziert, um die Unabhängigkeit der einzelnen Produzent*innen zu garantieren. Hier geht es aber nicht um Entwicklung, sondern um Unterstützung. Das Wort Entwicklungshilfe gefällt mir nicht. Es geht um eine partnerschaftliche Handelsbeziehung. Wir versuchen die Beziehung partnerschaftlich zu unterhalten – und nicht so, dass der eine etwas diktiert und der andere nichts zu melden hat, wie es im Handel vielfach vorkommt.

Ein fairer Handel kann auf dem Markt aber nur überleben, wenn es eine entsprechende Bewusstseinsbildung gibt. Jede*r von uns kann seinen*ihren Beitrag dazu leisten und einfach darüber sprechen. Wir wissen eigentlich schon sehr viel, mögen es aber nicht immer hören. Anstatt nur von Missständen zu sprechen, können wir von all den starken Organisation weltweit erzählen, die dazu beitragen, unsere Welt ein bisschen besser zu machen. Das sagt schon ein afrikanisches Sprichwort:

„Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, dann werden sie das Gesicht der Welt verändern.“

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