St.Galler Hauseigentümer 2/2021

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Rechtsecke

Zulässige Rendite 2% über Referenzzins, wenn dieser 2% (oder weniger) beträgt

Neue Bundesgerichtspraxis zur Nettorenditeberechnung Je nach Alter einer Liegenschaft stellt das Bundesgericht in seiner Praxis bei einer Anfechtung von Mietzinsen auf die Orts- und Quartierüblichkeit oder aber auf die Nettorendite ab. Doch was gilt wann?

lic. iur. Cyril Zumbühl Leiter Rechtsdienst, HEV Verwaltungs AG

Das Bundesgericht hatte einen Fall zu beurteilen, bei dem es um die Anfechtung eines Anfangsmiet­zinses ging. Die Parteien haben einen Mietzins von CHF 2190.– pro Monat vereinbart. Der bisherige Mietzins betrug CHF 2020.– pro Monat. Die Erhöhung wurde mit der Anpassung an die Orts- und Quartier­ üblichkeit begründet. Der Mieter hat darauf den erhöhten Mietzins bei der Mietschlichtungsstelle als missbräuchlich angefochten und verlangte die Berechnung der Nettorendite zum Nachweis des missbräuchlichen Ertrages. Die Vermieterin stellte sich auf den Standpunkt, es handle sich beim Gebäude um eine Altbaute, für welche die Missbräuchlichkeit nach Orts- und Quartierüblichkeit zu beurteilen sei. Nachdem vor der Schlichtungsstelle keine Einigung erzielt wurde, legte das erstinstanzliche Gericht den Mietzins auf CHF 900.– pro Monat, was vom Kantonsgericht bestätigt wurde. Die Vermieterin zog den Fall vor Bundesgericht.

Übersetzter Ertrag aus Mietobjekt? Das Bundesgericht bestätigte den Anspruch des Mieters, den Anfangsmietzins nach Art. 270a OR als missbräuchlich anfechten zu können. Gemäss Art. 269 OR ist ein Mietzins missbräuchlich, wenn er dem Vermieter ermöglicht, einen übersetzten Ertrag aus dem Mietobjekt zu erzielen. Gemäss Art. 269a OR wird vermutet, dass er nicht missbräuchlich ist, wenn er im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegt. Bei der Abklärung der Missbräuchlichkeit wird überprüft, ob

April | 2021

der Mietzins dem Vermieter angesichts der vom ihm zu tragenden Kosten oder der marktüblichen Mietzinse im konkreten Fall keine übermässige Rendite verschafft. Bei der Anwendung dieser Methode sind die beiden Kriterien «Nettorendite» und «Orts- und Quartierüblichkeit» widersprüchlich, weshalb sie sich gegenseitig ausschliessen. Das Kriterium der Nettorendite basiert auf dem Nettoertrag des investierten Eigenkapitals. Der Mietzins muss eine angemessene Rendite im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital ermöglichen und gleichzeitig die Kosten decken. Der orts- und quartierübliche Mietzins orientiert sich an den Marktmiet­ zinsen.

Wann handelt es sich um eine Altbaute? Gemäss Bundesgericht hat die Nettorendite gegenüber der Orts- und Quartierüblichkeit Vorrang. Der Mieter kann somit stets versuchen nachzuweisen, dass der Mietzins dem Vermieter einen übersetzten Ertrag verschafft. Bei Altbauten wird dieser Vorrang umgekehrt. Dann hat das Kriterium der orts- und quartierüblichen Mietzinse Vorrang. Im vorliegenden Fall wurde das Gebäude zwischen 1996 und 1998 errichtet, womit es sich nicht um eine Altbaute handelte. Nach der bundesgerichtlichen Praxis handelt es sich dann um eine Altbaute, wenn diese mindesten 30-jährig ist. Daher war einzig die Berechnung der Nettorendite für die Beurteilung des missbräuchlichen Mietzinses von Bedeutung.

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