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Die Schafferei
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Die Zukunft der Arbeit
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4 Stunden Tag? 6 Urlaubswochen? Homeoffice als Normalzustand? Wie sieht eine Arbeitskultur im 21. Jahrhundert aus und wohin werden wir uns weiterentwickeln? Diesen Fragen will „Die Schaffarei“ der Arbeiterkammer nachgehen: mit einem gesellschaftspolitischen Think Tank, dem digitalen Campus und einer partizipativen Herangehensweise.
Die Schaffarei lädt zur offiziellen Eröffnung vom 9.-11. September ein
Text: Daniel Furxer Fotos: Daniel Furxer, Schafferei
GEGENPOSITION
Das Thema „Arbeit“ und wo der Mensch im Arbeitsprozess verortet ist, ist ein zentrales Anliegen in der heutigen Zeit. Wie ist Arbeit verteilt und wie leben wir, um ein gutes Leben bewerkstelligen zu können? „Menschen arbeiten, um zu leben. Ob sich hieraus ein Widerspruch ergibt, hängt davon ab, wie viel Autonomie man ihnen am Arbeitsplatz einräumt, ihr Leben und Arbeiten zu verbinden“, sagt Eva King, Geschäftsführerin der Schaffarei und des Digital Campus. „Unsere Kinder erleben Arbeit anders, als wir sie vor 20 Jahren erlebt haben. Arbeit ist einem ständigen Wandel unterworfen. Arbeitskultur ist ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher und kultureller Prozesse.“ 2018 und 2019 startete die Schaffarei als Sommerfestival mit Musik und Symposien zur Arbeitskultur. „Dieses temporäre Event haben wir in einen ganzjährigen Betrieb umgewandelt. Was beim Festival groß und kompakt war, wollen wir nun permanent in kleinen Formaten anbieten.“ Bei der Schaffarei geht es um Inspiration, Innovation und Reflexion. Wo will ich beruflich hin und wer oder was liefert die Inspiration hierzu? Bei dem Schaffarei-Format „Lunch mit meinem Traumberuf“ kann man sich seinen Traumberuf vor Augen holen und mit einer Vorarlberger Persönlichkeit, die dieses Ziel schon erreicht hat, auf ein Mittagessen gehen. „Wenn ich zum Beispiel Filmregisseur werden möchte, kann ich ein Mittagessen mit Reinhold Bilgeri vereinbaren. Berufe, die scheinbar in Vorarlberg schwer zu realisieren sind, können so in Greifweite kommen“, bekräftigt King. Ein zweites Beispiel ist die Veranstaltung „Gegenposition“. Eine Pro- und eine Kontra-Rednerin treten gegeneinander an und haben zuerst zehn, dann fünf und schlussendlich in einer dritten Runde drei Minuten Zeit, um ihre Position darzulegen. Es geht hier bewusst um eine Zuspitzung und einen Schlagabtausch der besseren Argumente.
Die „Schaffarei“ ist im ehemaligen Jugendhaus „Graf Hugo“ in Feldkirch untergebracht. Die Villa wurde behutsam renoviert und beherbergt nun Büro- und Schulungsräume für den digitalen Campus und ein Restaurant mit Café im Erdgeschoss. Auch ein Nachtclub im ehemaligen Musikkeller ist in Planung. „Wir wollen den Menschen einen niederschwelligen Zugang zu unserem Haus ermöglichen. Hier kann man sich treffen– auch ohne konsumieren zu müssen – sich austauschen und über neue Formen der Arbeit diskutieren“, so King.
LUNCH MIT MEINEM TRAUMBERUF
DIGITALER CAMPUS DIGITAL PIONIERS

Die Schaffarei basiert auf Teilhabe. „Wir sind nicht die, die alles wissen und nun den Leuten erklären wollen, wie Arbeit funktioniert. Wir wollen mit interessierten Menschen am Thema ‚Arbeit und Arbeitskultur‘ arbeiten. Beratungen, Serviceleistungen und politische Interessenvertretung finden weiterhin im Haupthaus der Arbeiterkammer statt. Die Schaffarei will bewusst einen Freiraum bieten, in dem es Mitgestaltungsmöglichkeiten gibt. Auch Anregungen für die Programmgestaltung werden gerne aufgenommen. „Wenn jemand eine Idee hat, dann schauen wir gemeinsam, wie wir diese umsetzen können.“
Aber was ist ein digitaler Campus? „Der Digital Campus Vorarlberg ist ein Ort, wo sich Erwachsene berufsbegleitend Fähigkeiten für eine digitale Arbeitswelt aneignen können. Vom Workshop bis zum Masterstudium haben wir hier eine breite Palette an Angeboten. Es ist ein Programm, das leistbar ist und das auch auf soziale Skills abzielt. Es geht hier nicht um einen
technischen Zugang zum Thema“, so Eva King. „Hervorheben will ich unser neues einjähriges Programm „Digital Pioneers“, das wir für junge Frauen anbieten. Uns ist es sehr wichtig, dass wir auch Frauen im Bereich Digitalisierung fördern und ermutigen, spannende digitale Zukunftsberufe zu ergreifen.“ Digital Pioniers ist ein Programm, das nach der Matura zum Beispiel anstelle eines sozialen Jahres absolviert werden kann. Frauen von 17 bis 27 Jahren, egal welche schulischen Voraussetzungen sie mitbringen, können daran teilnehmen, erhalten kostenlose Ausbildung und einen bezahlten Job in einem Digitalunternehmen.
Über die Veränderung der Arbeit ist schon viel geforscht worden. „Auch wenn die Forscher*innen nicht unmittelbar in Vorarlberg wohnen, so wollen wir sie zu uns einladen, damit sie ihre Expertise vorstellen können. Das passiert zum Beispiel bei unserer offiziellen Eröffnung vom 9. bis 11. September. Da kommen Forscher*innen aus dem deutschsprachigen Raum zu uns, um über die Zukunft der Arbeit zu referieren.“ Es geht hier auch vor allem um das Herunterbrechen und die Vermittlung von wissenschaftlicher Forschung in eine Sprache, die vielen zugänglich ist. Forschung hat auch viel mit Sammeln von Wissen zu tun. „Was bleibt als Erinnerung meiner Arbeit, wenn ich in Pension bin? Was bleibt von Arbeit und wie kann diese dokumentiert werden? In der Geschichte ist oft von Massen die Rede, die etwas erleben. Wir wollen bewusst auf den einzelnen Menschen und sein spezifisches Arbeitsleben schauen“, so King. Geplant sind auch Auftragsarbeiten für Theaterstücke oder literarische Formate. „Durch eine bewusste Zuspitzung kann uns Kunst vor Augen führen, wie wir leben und so zur Reflexion anregen. Kunst hatte immer auch den Effekt, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten.“
Schlussendlich geht es um Gerechtigkeit, Sicherheit und globale Zusammenarbeit. „Wir wollen auch Arbeitgeber*innen mit ins Boot holen. Alle haben in der Schaffarei Platz. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Unternehmer*innen sich ein gutes Arbeitsklima und eine gute Arbeitskultur wünschen. Naturgemäß gibt es bei einzelnen Themen unterschiedliche Interessenslagen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Diese sind aber nicht immer so groß, es gibt viele Schnittmengen.“ Und weiter: „Wandel und Veränderung geschehen sehr oft über Konflikte und Krisen. Diesen will ich auch hier in der Schaffarei nicht aus dem Weg gehen. Es kommt darauf an, wie die Konflikt gelebt werden. Es braucht eine gute Konfliktkultur.“
Die Schaffarei soll ein Ort für alle werden. Ein dritter Ort (neben dem Wohn- und Arbeitsort), an dem man sich gerne aufhält. Spezielle Angebote für Jugendliche sind ebenso geplant, wie ein leichter Zugang zur AK-Bibliothek, wo gratis Bücher ausgeliehen werden können. Vor allem der Innenhof, der bisher wenig genutzt wurde, hat eine große Aufwertung erfahren. In diesem Sinne, die Zukunft der Arbeit, die wir gemeinsam mitgestalten können, hat begonnen.
Eva King ist Initiatorin und Geschäftsführerin der Schaffarei und des Digitalen Campus
