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120 heimische Gipfelziele sind auf der Karte des Alpen(s)pinners eingezeichnet und wollen abgesteckt werden. Eines davon hat Mario Tischner gemeinsam mit der marie erwandert. Auf den Spuren des Alpenspinners.
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Text: Christina Vaccaro Fotos: Carola Eugster, Angela Feuerstein, Christina Vaccaro Buchboden. Auf dem Wanderparkplatz geht es zunächst in ein unbekanntes Seitental des Großen Walsertals, in dem der Hutlabach fließt. Wir begleiten an diesem ruhigen, noch kühlen Dienstagmorgen den „Alpenspinner“ zur Wangspitze. Der Alpenspinner ist eigentlich eine Marke für Karten aus Kork mit Gipfeln zum Erobern und Pinnen mit bunten Stecknadeln. Hinter dem Namen steckt der 37-jährige Thüringer Mario Tischner. Mario wuchs in der Bludenzer Südtiroler Siedlung auf und verbrachte die freien Stunden seiner Kindheit am Fuße vom Muttersberg – im Wald und im Galgentobel. Später spielte er intensiv und jahrelang Fußball, bis Anfang 30. Dann waren die richtig Jungen einfach zu schnell und es war Zeit, etwas Neues zu suchen.
Auf der Rinderer-Alpe packt Mario eine Alpenvereinskarte aus und erklärt mir anhand dieser die umliegenden Bergkämme. „Zur Erstellung der Alpenspinner-Karte musste ich mich mit der Grundstruktur Vorarlbergs auseinandersetzen. In welche Gebirge, Gebirgsstöcke und -kämme wird das Land unterteilt? Ich habe das Land auseinandergepflückt, viel recherchiert, sehr viele Tourenberichte gelesen, mich immer wieder mit Karte und Handy orientiert“, erinnert sich der im Sozialbereich Berufstätige an die Anfänge seiner Idee. Eine Idee, die grob 2018 in seinem Kopf entstand – ursprünglich um seinem Entdeckungs- und Erkundungsgeist seine alpinen Erfolge sichtbar zu machen. In Marios Umfeld springen viele Menschen auf den Gedanken auf, „wollen dann auch so was“. Das Projekt erhält Rückenwind, bis zur Umsetzung fehlen aber noch einige Schritte. „Die Herausforderung bestand darin, aus vielen hundert Gipfeln in Vorarlberg jene auszuwählen, die sowohl den alpinen Sportler erreichen als auch einer Familie oder einem Genusswanderer die Möglichkeit geben, sie zu bewältigen. Und das dann grafisch so attraktiv zu gestalten, dass es in jedem Haushalt oder am Arbeitsplatz ein Blickfang ist.“
Es geht durch den angenehm kühlen Wald, auf einem schönen Wurzelweg bergauf. Dann lichtet sich der Wald und es eröffnet sich ein tolles Gipfelpanorama von der Roten Wand bis zur Gamsfreiheit. Mario zückt sein Handy aus der Tasche und macht ein Foto. Ihm ist es eine Freude, seine Bilder mit anderen Menschen zu teilen und mit der Alpenspinner-Community im Austausch zu sein. Das Innehalten hat noch einen anderen Hintergrund: „Beim Wandern geht es nicht nur um Leistung, sondern auch darum, sich umzuschauen und die Welt wahrzunehmen.“
Kurvige (Lebens)Spuren
Auf der Wangspitze (1873 m) angelangt gönnen wir uns eine Jause. In Marios Fall ist diese vegan – nicht nur, aber auch wegen seiner Miniskus-Verletzung. Nach vielen Tests deklarierten ihm die Ärzte, er müsse mit sportlichen Einschränkungen leben. „Das löste einen gewissen Widerstand in mir aus“, erzählt der Sportler schmunzelnd. „Ich habe aber nicht aufgegeben und es geschafft, die Beschwerden durch konstantes Training meiner Muskeln auszugleichen.“
Der Umgang mit seiner Sportverletzung spiegelt durchaus das Durchhaltevermögen des Alpenspinner-Gründers wider: Nach der Schule macht Mario bei der Firma Getzner Textil GmbH die Lehre zum Betriebsschlosser. Er merkt, dass das Technische nicht seins ist, schließt die Lehre jedoch ab. Er wird erstmals Vater. Im Zivildienst bei der Lebenshilfe Vorarlberg arbeitet er mit Menschen mit Beeinträchtigung und findet seine Berufung. Beginnt zunächst die Ausbildung zum Krankenpfleger im Landeskrankenhaus Rankweil. Das lässt sich aber nicht mit dem jungen Familiengefüge vereinen. Mario macht andere Jobs, um über die Runden zu kommen. Der Wunsch, im Sozialbereich tätig zu sein, lässt ihn aber nicht los. So macht er doch noch die Ausbildung zum Pflegeassistenten und fängt 2007 bei der Lebenshilfe an. Dort arbeitet er noch heute. Inzwischen sind seine Frau Sarah und er stolze Eltern von Ronja (8), Lorena (13) und Florin (17). Wann immer möglich, sucht sich die Familie gemeinsame Gipfelziele. Durch seine unregelmäßigen Arbeitszeiten kann der Pfleger aber auch an Wochentagen in die Berge und nutzt dort Bewegung, Ruhe und Natur zum Ausgleich. Zum Wandern kam er übrigens zu-

„Es ist nicht das Ziel, schnellstmöglich alle 120 Berge abzulaufen und die Karte dann wieder in die Schublade zu stecken. Das soll eine Aufgabe sein, die sich über mehrere Jahre erstreckt.“
sammen mit seinem Bruder Gerald vor ein paar Jahren. Inzwischen ist es zu einer festen Passion geworden. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man klein anfängt. Wen die Bergleidenschaft aber packt, der muss sich rüsten“, sagt Mario, der einige Schulungen und Fortbildungen rund um Geländebeurteilung und Sicherheit am Berg absolviert hat. „Ich möchte meine Grenzen ausweiten, suche aber nicht nur das Extreme. Ich möchte die ganze Vielfalt genießen.“
Von Spinnern und Korkeichen
Warum Alpen(s)pinner? Die Handlung an der Karte – das Pinnen mit den Stecknadeln – als Belohnung nach einer Gipfeltour erzeugt laut Mario einfach ein befriedigendes Gefühl. Der „Spinner“ bezieht sich auf die ersten alpinen Pioniere, die mit wenig Erfahrung und minimaler Ausrüstung am Anfang des 19. Jahrhunderts in die Berge zogen und von den Menschen im Tal eben als Spinner bezeichnet wurden. „Der Name ist natürlich auch etwas scherzhaft gemeint – man muss schon ein bisschen spinnen, um sich aus dem Tal ins hinterste Gebirge zu begeben und sich aus einer Abenteuer- und Erfahrungslust einem gewissen Risiko auszusetzen.“ >>
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Den 37-Jährigen treibt eine Mischung aus sportlicher Ambition und Erkundungsgeist an. Die Karte soll auch andere dazu motivieren, neue Regionen anzugehen und nicht immer nur den Hausberg zu erklimmen. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem die Regionalität der Herstellung der Karte: Die Karten werden in Kooperation mit Vorarlberger Unternehmen digital bedruckt und mit einem speziellen Verfahren ausgeschnitten. „Das war gar nicht so einfach – als Naturprodukt gibt es natürliche Variationen in der Porengröße“, so Mario. Doch nach etwas Tüftelei ist der Gründer mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Der Kork selbst stammt aus Portugal, da in Österreich keine Korkeichen wachsen.
Trotz Corona-Jahr gingen Mario und seine Frau Sarah ins finanzielle Risiko und kauften Rohware für 2500 Exemplare (das heißt Korkplatten, Pins, Aludosen, Klettstreifen) und schafften es im Dezember 2020 rechtzeitig ins Weihnachtsgeschäft. „Jeder Vorarlberger kennt jemanden, der gerne in die Berge springt – ein so genannter Spinner, der Freude damit hat“, sagt Mario. Die erste Charge ist mittlerweile komplett verkauft und eine Tirol-Karte mit 180 Gipfeln seit Anfang Juni erhältlich („für alle, die das Mekka der österreichischen Alpen erkunden wollen“). Aktuell arbeitet Mario (weiterhin nebenberuflich) an einer Salzburg-Karte.
Das Gipfel-Gespräch ist zu Ende, wir inzwischen am Madonakopf vorbei über die Madona-Alpe ins Gadental abgestiegen. Wir blicken nochmals zurück, betrachten den 2271 m hohen Feuerstein – ein Gipfel, den Mario noch nicht bestiegen hat, der dieses Jahr aber „fällig“ ist. Es ist inzwischen richtig heiß, der Weg zieht sich bis wir über Bad Rothenbrunnen in Buchboden ankommen und unsere gemeinsame Wanderung ihren Abschluss findet. Es waren doch 14 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Nach einem Abschlussstatement gefragt, antwortet mir Mario: „Auf meinem Grabstein soll stehen: In Ausübung von Lebensqualität gestorben.“ Die Geschichte endet zwar hier, doch warten noch viele Berge auf ihre Erkundung – mit Lebensqualität. Alpenspinner Infos

Karte aus Kork*, Partnerfirmen: Korken Schiesser Wien (Rohware), AMS Verpackungen GmbH Altach (Druck und Schnitt), m.ad Grafikatelier Maria Buder Feldkirch (Kartendesign), Alpenverein Vorarlberg (Vermarktungspartner) in Wien und Vorarlberg (Amsa Verpackungen) *stammt aus der Holzrinde von Korkeichen aus Portugal Vorarlberg Alpenspinner Gipfelkarte 80 Berge und 30 Hütten: 69,90 Euro, aktuell im Angebot für 54,90 Euro Vorarlberg Alpenspinner Gipfelkarte 120 Berge und 30 Hütten: 79,90 Euro Tirol + Osttirol Alpenspinner Gipfelkarte 180 Berge und 167 Hütten: 89,90
Verkauf über Onlineshop oder persönliche Abholung in Thüringen, www.alpenspinner.at
Empfehlungen des Alpenspinners
Einsteigerberge: meist gepaart mit Anstiegshilfe (Seilbahn), beispielsweise Pfänder (mit Hochberg und Hirschberg eine zwar lange, im Anspruch aber einfache Drei-Eintausender-Runde, die von der Vielfalt der Natur einiges hergibt) oder Staufen, Muttersberg ist in eineinhalb Stunden von der Talstation erreichbar (oder von der Bergstation auf den Hohen Fraßen), Silvretta – Bielerhöhe, von dort gibt es eine schöne Seeumrundung (oder Hohes Rad, zwar knapp 3000 Höhenmeter, doch nicht zu alpin und als gesunder Mensch zu schaffen)
Fortgeschrittene: klassische Wanderung über Stock und Stein, gutes Schuhwerk, Trittsicherheit, Schwindelfreiheit sind Voraussetzung, es lohnt ein toller Ausblick am Gipfel, beispielsweise Drei Schwestern,
Gurtisspitze, Wangspitze
Erfahrene: Piz Buin (in der Regel mit Bergführer), Silvrettahorn, Dreiländerspitz (klettertechnische Ansprüche); Kessispitze (technisch nicht schwierig doch langer Anmarsch).