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Immer in Alarmbereitschaft
„ICH BIN IMMER IN
ALARMBEREITSCHAFT“
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Karl Heinz Hanny züchtete früher Isländer. Ein paar Tiere hat er behalten, die jetzt die wohlverdiente Pension bei ihm verbringen.
Ihr erstes Haustier?
(überlegt kurz). Im Alter von sieben, acht Jahren habe ich ein junges Meerschweinchen von der Nachbarin geschenkt bekommen. Das Tier war weiblich. Mein Sandkastenfreund hatte ein männliches. Wir ließen die Meerschweinchen immer gemeinsam laufen. Und aus zwei Tieren wurden plötzlich mehrere.
Ihre erste Tierrettung?
Das war noch früher. Mein Bruder hatte einen jungen Spatz gefunden. Er dachte, der Vogel sei nicht mehr lebensfähig. Ich habe mich aber trotzdem um den Spatz gekümmert und pflegte ihn gesund.
Welche Tiere retten Sie?
Als Tierretter kümmere ich mich bei der Erstversorgung um alle Tiere. Egal ob es sich um Spatzen, Schwäne, Schlangen, Schildkröten oder Haustiere handelt.
Wie sehr leiden Sie mit einem verletzten Tier mit?
Ich bin emotional zwar eingebunden, muss aber bei klarem Verstand sein. Ansonsten wäre ich nicht in der Lage, einem Tier zu helfen. Karl Heinz Hanny denkt nicht ans Aufhören. Auch mit 70 Jahren ist er 365 Tage, 24 Stunden am Tag als Tierretter im Einsatz. Mit der marie sprach er über sein erstes Haustier, berührende Rettungseinsätze und was ihn motiviert weiterzumachen.
Interview und Foto: Frank Andres
Manche Menschen, die Sie anrufen, sind doch einfach nur verzweifelt. Wie gehen Sie mit den Ängsten und Sorgen dieser Menschen um?
Wenn Menschen Tiere in Not sehen, reagieren manche richtig panisch. Sie können dann oft keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das ist völlig normal. Meine Aufgabe ist es, diese Menschen zu beruhigen. Dann sind sie meist auch wieder in der Lage, dem Tier in der Notsituation zu helfen.
Der Umgang mit Tieren ist aber auch nicht immer einfach.
Das stimmt. Aber ich kann mit schwierigen Hunden umgehen, kann scheue Katzen fangen, Wellensittiche von Bäumen holen und Schwäne von einer Angelschnur befreien. Dazu braucht es Erfahrung.
Ihr berührendstes Erlebnis als Tierretter?
Es gab viele besondere Einsätze in meinem Leben. Aber ein Erlebnis ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben: Nach einem halben Jahr konnte ich Hund und Herrchen wieder zusammenbringen. Ich habe den Wolfsspitz versteckt in einem Hinterhof unter einem Bienenstock in Dornbirn entdeckt. Als ich das Tier gerettet habe, konnte ich mich plötzlich daran erinnern, dass je-
„Wer von euch hat einen Vogel?“
Infokasten
Die Vorarlberger Tierrettung wurde offiziell am 4. Oktober (Welttierschutztag) 2007 von Margit Schmid (Präsidentin des Vorarlberger Tierschutzverbandes) und Karin Andres (Geschäftsführerin des Vorarlberger Tierschutzverbandes und Leiterin des Vorarlberger Tierschutzheimes) gemeinsam aus der Taufe gehoben. Finanzielle Unterstützung für das Projekt gab es von Rolf Santo-Passo (Stiftung Felidae, Liechtenstein) und dem zuständigen Landesrat Erich Schwärzler. Als Tierretter der ersten Stunde fungierte Karl Heinz Hanny. Er war aber bereits seit dem Jahr 2001 ehrenamtlich für das Tierheim im Einsatz. Hanny ist Träger des 1. Vorarlberger Tierschutzpreises und ausgewiesener Experte für Wildtiere, insbesondere für Vögel. Im Jänner 2021 kam es zu einer Aufgabenteilung. Demnach ist das Tierheim künftig für die Rettung von Heimtieren (Hund, Katz und Co.) und Karl Heinz Hanny für die Bergung, Rettung, Versorgung und Auswilderung von Haus- und Wildtieren zuständig.
Der Verein von Karl Heinz Hanny, Tierschutz-Arge Vorarlberg, ist auf Spenden angewiesen. Spendenkonto: Vorarlberger Tierrettung Raiffeisenbank in Bregenz IBAN AT64 3700 0000 0502 1423 Telefonnummer: 0664 333 1 330
Der Verein ist auch auf der Suche nach freien MitarbeiterInnen. Wer Interesse hat, kann sich direkt bei Karl Heinz Hanny melden.
mand im Ried mit Plakaten einen solchen Hund gesucht hatte. Der Besitzer des Wolfsspitzes wohnte im deutschen Weingarten. Der Hund war ihm bei einer Wanderung in Bildstein ausgebüxt. Die Wiedersehensfreude von Hund und Herrchen war unbeschreiblich. Dem Besitzer sind die Tränen runtergelaufen.
Was ist Ihre Motivation, mit 70 Jahren als Tierretter weiterzumachen?
Tieren zu helfen, die in Not geraten sind. Durch meine Tätigkeit habe ich aber auch viele tolle Menschen kennengelernt. Dieser Kontakt ist mir wichtig und ich möchte ihn nicht missen. Ich bin nicht jemand, der von sich sagt: „Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.“ Ich liebe auch die Menschen, die bei Tieren in Not nicht wegsehen.
Sie sind 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag für Tiere in Not im Einsatz. Ordnen Sie ihr Leben dieser Tätigkeit immer unter?
Ja. Sobald ich zu einem tierischen Einsatz gerufen werde, blende ich mein Privatleben komplett aus. Wenn zum Beispiel ein Greifvogel verletzt auf der Autobahn gefunden wird, dann gilt diesem Vogel meine volle Konzentration. Ich muss mich nicht nur um das Tier kümmern. Manchmal muss ich auch die Autobahnpolizei informieren, damit die die Fundstelle absichert, um den Vogel gefahrlos bergen zu können. Ich bin immer in Alarmbereitschaft. Das Handy liegt immer neben mir. Und wenn es läutet, gehe ich raus. Auch um 3 Uhr in der Früh. Das Wichtigste ist, dass einem in Not geratenen Tier zuerst einmal geholfen werden muss. Das ist gesetzlich verankert. Erst in zweiter Linie geht es darum herauszufinden, wer der Besitzer eines Tieres ist.
Sind die Menschen nicht in der Lage, Tiere ohne Karl Heinz Hanny zu retten?
Doch. Viele Fragen können telefonisch abgeklärt werden. Es kommt immer vor, dass ein Vogel in eine Glasscheibe fliegt und benommen am Boden liegt. Dann sage ich dem Anrufer, dass er den Vogel aufheben und in eine dunkle Schachtel geben soll. Und nach zwei, drei Stunden haben sich die meisten Vögel so weit erholt, dass sie wieder in die Freiheit entlassen werden können. Wenn dies nicht der Fall ist, hole ich das Tier zur Notversorgung und Genesung zu mir.
Wenn jemand zu Ihnen sagt: „Herr Hanny, Sie haben einen Vogel“. Ist das für Sie ein Kompliment oder eine Beleidigung?
Wenn in Not geratene Tiere irgendwo abgegeben wurden, zum Beispiel eine verletzte Taube bei einer Polizeiinspektion oder in der inatura, frage ich bei der Abholung immer: „Wer von euch hat einen Vogel?“ Das ist meist eine unheimliche Belustigung und das zwischenmenschliche Eis ist gebrochen.
Wer sind Ihre Mitstreiter?
Das sind viele. Ich arbeite mit allen Tierschutzorganisationen, Amtstierärzten, Bezirkshauptmannschaften, Polizeidienststellen, der inatura Beratungsstelle, Gemeinden, Tierärzten und Tierkliniken, Jagdschutz-Organen und der Asfinag zusammen.