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Tempel der Fleischeslust

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Ein Tempel der Fleischeslust

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Text: Frank Andres, Fotos: Frank Andres und Lukas Hämmerle

Johannes Bischof hat in Bezau seine Leidenschaft zum Geschäft gemacht. Der 35-Jährige verkauft im „Der Jogi“ ausschließlich (Rind-)Fleisch von Bauern der Region. Jeder, der bei ihm Fleisch kauft, weiß woher es stammt, wie das Tier ernährt, wie es gehalten und wie es geschlachtet wurde. Seine oberste Prämisse lautet: 100-prozentige Transparenz.

Die Szenerie wirkt wie aus der Zeit gefallen. Eine Tapete im 50er Jahre-Design. An der Wand eine Schwarz-Weiß-Zeichnung eines Rinds. Rechts auf dem Tisch eine mechanische Waage. Davor eine Schneekugel. Links eine alte Zeitschrift mit dem Titel „Die Hausfrau“. Daneben Flaschen mit Olivenöl, Rot- und Weißwein. Eine Blechdose mit der Aufschrift „T-Shirt“. Hinter dem Schreibtisch eine italienische Kaffeemaschine. Eine Metalltafel mit der Aufschrift „Der Jogi“ hängt am Eingang. Auf den ersten Blick erinnert das Ambiente an einen Tante-Emma-Laden. Doch der Eindruck täuscht. Das Haus „Platz 50“ in Bezau beherbergt das wohl außergewöhnlichste Fleisch-Delikatessengeschäft des Bregenzerwaldes, wenn nicht sogar Vorarlbergs. Der Geschäftsinhaber heißt Johannes Bischof, ist 35 Jahre alt, gelernter Elektriker und Installateur und spielt in seiner Freizeit in der Band von Prinz Grizzley. >>

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Johannes Bischof verkauft hauptsächlich Rindfleisch. Das klingt im ersten Moment nicht besonders aufregend. Spannend ist aber die Philosophie, die sich hinter der Fleischherstellung bzw. dem Verkauf verbirgt. Johannes Bischof kauft Rinder nur bei Bauern aus dem Bregenzerwald. Er weiß wie die Tiere gehalten werden, was sie zu fressen bekommen. „Wenn unsere Philosophie nicht dieselbe ist, kommen wir nicht zusammen“, lautet einer seiner Grundsätze. Weil seine Rinder ganzheitlich verwertet werden, sind die Transportwege kurz. Außerdem müssen seine Rinder bei der Schlachtung mindestens 24 Monate alt sein. Bei der Schlachtung, Reifung und Zerlegung seiner Rinder ist Johannes Bischof selbst dabei. Seine Philosophie lautet: Fleisch aus dem Bregenzerwald, für Menschen, die hier leben.

Weg zur Geschäftsidee

„Für mich ist Fleisch der

Aber wie kam Johannes Bischof, Spitzname „Jogi“, auf diese so einfache wie innovative Geschäftsidee? „Das ist eine größte Geschwierige Frage“, sagt er und beginnt zu erzählen. Die Idee sei aus einem Hobby heraus entstanden. Kochen war für ihn Entspannung. Dazu genehmigte er sich nach Feierabend öfters mal ein Gläschen Wein. Das Kochen war für Johannes Bischof kein schnelles Vergnügen. Im Gegenteil. Je länger, desto lieber. Sein Hauptaugenmerk galt dem Fleischgenuss. Er schweißte sich sogar seine Grillgeräte selbst zusammen. Baute eigene Reifeschränke. Kaufte Fleisch beim Metzger seines „Du kannst nicht sagen: Mein Gott, die armen Kälber, aber der Käse schmeckt so nuss, aber es braucht wieder ein Bewusstsein für dessen Herstellung.“ gut.“ Vertrauens. Bestellte sich Steaks aus den USA und Island, aber auch im Internet. „Ökologisch war das ein Irrsinn“, gibt er heute offen zu. Er habe sich am Anfang extrem auf die Fleischzubereitung konzentriert. Ihn interessierte, wie gut das Fleisch ist, wie zart es bei einer bestimmten Garmethode wird. Doch Jogi begann sich mit der Zeit auch für die Herkunft des Fleisches zu interessieren. Wie wird das Tier geschlachtet, wie wächst es auf? Plötzlich hat er festgestellt, dass es bei uns das beste Fleisch gibt. „So bin ich auf die Idee gekommen, selbst ein Geschäft zu eröffnen.“

An die Sache mit dem eigenen Laden sei er völlig naiv herangegangen, verrät Jogi. „Ich habe Bauern und Metzger aus meiner Region besucht und ganz einfache Fragen gestellt. Wie ein neugieriges Kind.“ Er habe Dinge erfragt, die völlig selbstverständlich sein müssten. Wie werden die Tiere gehalten? Was bekommen sie zu essen? Jogi fehlte zu Beginn schlichtweg jegliches Fachwissen. Im Nachhinein betrachtet keine schlechte Herangehensweise. „Dadurch habe ich sehr viele ehrliche Antworten bekommen“, ist Jogi heute überzeugt. Im Mai 2019 fällt er eine Entscheidung: Er gibt seinen gelernten Beruf auf und macht sich mit einem Fleisch- und Delikatessengeschäft selbstständig. „Der Jogi“ ist geboren.

Kein Standard-Metzger

Sein Kundenstamm ist seitdem langsam und stetig gewachsen. Am Anfang waren es vor allem Kollegen. Aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten. Jetzt kämen seine Kunden auch von weiter her. Das fühle sich gut an. Aber er weiß auch, dass sein Marketingauftritt polarisiert. „Ich bin kein Standard-Metzger. Viele können mit meiner Art der Fleischverarbeitung nichts anfangen.“ Aber damit kann er gut leben.

Lieblingstier Rind

Seine Liebe gehört dem Rind. „Es ist mein absolutes Lieblingstier“, verrät er. Und wenn Jogi über Rinder spricht, dann ist das Thema Transporte von Kälbern für ihn nicht weit. Männliche Kälber seien das Abfallprodukt der Milchindustrie. Auch im Bregenzerwald, wo es zu 99 Prozent Milchproduktion gebe. Das männliche Kalb, das zur Welt komme, sei zu Beginn recht mager. Von Natur aus. „Das ist weder ein Geschäft für Bauern noch für die Metzger“, betont Jogi. Deshalb würden diese für die Milchwirtschaft nutzlosen Tiere ins Ausland gekarrt, um dort günstig gemästet zu werden. Und das nach nur wenigen Wochen. Sie müssten nur so stark sein, um einen Transport zu überleben. Diese Tierqualen müssen nicht sein, ist Jogi überzeugt. Sein Ansatz lautet: „Wir müssen das Fleisch der männlichen Kälber vor Ort verarbeiten und essen.“ Das funktioniere auch mit unseren Milchkälbern. Und zwar ganz einfach: Die Tiere müssten dafür drei, vier Monate im Stall leben, die Milch der Mutterkuh trinken und mit Heu gefüttert werden. Dann würden die Kälber auch genügend Fleisch ansetzen. Gleichzeitig müssen wir die Überproduktion von Milch zurückschrauben. „Die Bauern, mit denen ich zusammenarbeite, haben dasselbe Verständnis.“ Es gebe allerdings noch einen Knackpunkt: Der Endkonsument müsse wieder lernen, aus dem Kalbfleisch nicht nur Schnitzel zuzubereiten, sondern auch Braten, Steaks, Gulasch, Ragouts und vieles mehr. Vegetarier fände er super. Er unterstütze diese Einstellung. „Ich finde es viel schlimmer, wenn jemand gedankenlos Fleisch isst“, betont Jogi. Aber wenn jemand den heimischen Käse genieße, dann müsse er das auch mit Kalbfleisch tun. „Das ist die logische Konsequenz. Du kannst nicht sagen: Mein Gott, die armen Kälber, aber der Käse schmeckt so gut.“

Kein Leberkäs und keine Wurst

Die im Handel stark beworbene Ländle-Kalbsbratwurst ist für ihn auf jeden Fall keine Lösung, da sie nicht zu 100 Prozent aus Kalbfleisch besteht. Soviel Bratwürste wie wir Kälber haben, können wir niemals essen. Und auch dem Genuss der beliebten Leberkässemmel erteilt er eine Absage. Früher war

TIPP

Auf der Homepage von „Der Jogi“ gibt es auch zahlreiche Rezeptvideos. Jogi zeigt unter anderem die Zubereitung eines Schmorbratens, von Beuschel, Steaks, aber auch von Vegi-Carbonara. Reinschauen und nachkochen lohnt sich!

er bei ihm zum z‘Nüne“ normal. Das gehe für ihn natürlich heute gar nicht mehr. „Der enthaltene Chemiecocktail ist nicht natürlich und zudem ungesund.“ Und auch beim Konsum von Wurst rät Jogi zur Vorsicht. Es gebe kein einziges Wurstprodukt, wo nur Rindfleisch drin sei. Es sei immer auch Schweinefleisch dabei. Manchmal auch von Tieren aus dem Ausland, aus Massentierhaltung. Ihm gehe es aber nicht darum, mit Fingern auf andere zu zeigen. „Für mich ist Fleisch der größte Genuss, aber es braucht wieder ein Bewusstsein für dessen Herstellung. Wenn du bei mir ein Stück Fleisch kaufst, musste dafür auch ein Tier sterben. Aber es hat vorher vielleicht anders gelebt.“

Respekt vor dem Tier, bedeutet für Jogi auch Respekt vor den Zyklen der Natur. Bei ihm im Geschäft werden nur Tiere verkauft, die der Drei-Stufen-Landwirtschaft folgen. Das bedeutet: Die Tiere sind im Frühjahr auf dem Vorsäß, im Sommer auf der Alpe und im Herbst kehren sie in ihre Ställe zurück. „Dieses Kulturgut muss erhalten bleiben“, ist Jogi zutiefst überzeugt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Jogi ab Anfang Juni bis Anfang Oktober Schwierigkeiten hat, ausreichend gutes Rindfleisch zu bekommen.

„Der Jogi“ als Franchise-Idee

Wenn er einen Nachahmer für seine Geschäftsidee hätte, wäre das für Jogi das größte Kompliment. Seine Vision ist die Gründung eines Franchise-Unternehmens. Keinen Online-Handel, sondern ein oder mehrere stationäre Geschäfte. Zum Beispiel „Der Jogi Bregenz“. Fleisch vo do, für Lüt vo do. Aber Jogi hat es nicht eilig: „Solche Dinge brauchen Zeit. Das muss sich entwickeln.“

Nähere Infos im Internet unter www.derjogi.com

416.229 Unterschriften für Tierschutz-Volksbegehren

Die Initiatoren rund um Ex-Politiker Sebastian Bohrn Mena (Liste Pilz) sprachen in einer Aussendung von einem „riesigen Erfolg“, zumal die Mobilisierung durch die Pandemie schwierig gewesen sei. Sie wollen einen Systemwechsel weg von der Massentierhaltung hin zu regionaler, tierfreundlicher Landwirtschaft mit Fokus auf kleinbäuerliche Betriebe. Zudem fordern sie eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln in Handel und Gastronomie, um den Konsumenten mehr Transparenz beim Einkauf zu bieten. Bohrn Mena hatte für sein Volksbegehren prominente Unterstützung: Der für Tierschutz zuständige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gratulierte den InitiatorInnen auch umgehend. Für ihn sei das ein „fantastischer Rückenwind”. Jetzt werde es darum gehen, die Forderungen gemeinsam mit den betroffenen Interessengruppen Schritt für Schritt konkret umzusetzen– etwa zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium, das seine Förderungen auf Tierschutz ausrichten sollte.

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