Jahresbericht 2014

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Ein- & Ausblick

Ein- & Ausblick: Herausforderung Niedrigzinsphase Wenn Schlagworte die Runde machen, ist immer Vorsicht angebracht: Wie treffend ist der Begriff in Hinblick auf den dahinter stehenden Sachverhalt? Und ist dieser Sachverhalt überhaupt gegeben? Falls ja, wie aktuell, wir dringlich ist die Herausforderung, sofern eine solche mit dem Modewort beschrieben werden soll? Ein Begriff, der schon länger in den Wirtschaftsmeldungen, aber auch im Stiftungssektor die Runde macht, ist: „Die Niedrigzinsphase“. Das klingt bedrohlich. Sparer, Anleger, Unternehmen, sie alle sind auf eine Verzinsung ihres Geldes angewiesen. Angewiesen zumindest in dem Sinne, dass Zinsen verhindern, dass die Inflation den vorhandenen Geldbetrag entwertet. Für eine Stiftung ist die Herausforderung vermutlich dringlicher: Denn die meisten Stiftungsformen setzen voraus, dass das Kapital erhalten bleibt und die Stiftungszwecke aus dem Ertrag des Stiftungskapitals erfüllt werden (sowie ein geringer Teil des Ertrages in das Kapital zurückfließen sollte, um die Inflation auszugleichen und so den Kapitalstand real zu halten). Die Erfüllung des Stiftungszwecks ist jedoch der absolute Kernbereich der Tätigkeit einer Stiftung, der Sinn ihrer Errichtung. Eine Stiftung, die geringe Erträge erzielt und davon etwa gerade noch die Verwaltungskosten tragen kann, kann ihren Zweck in der Regel nicht mehr erfüllen. Eine Ausnahme ist die Verbrauchsstiftung, die tätig ist, bis das zur Verfügung gestellte Kapital aufgebraucht ist, und daher eben keine Erträge erwirtschaften muss. Womit wir bei einem Verwandten des Schlagworts wären: dem Trend. Eine Tendenz: Die Verbrauchsstiftung rückt in den Fokus, die Möglichkeit ihrer Errichtung unter Verweise auf – man ahnt es vielleicht – die Niedrigzinsphase verstärkt beworben. Eine weiterer Trend: Auf Fortbildungen und Tagungen für Stifter und Stiftungspersonal

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nimmt die Anzahl der Veranstaltungen zu, die Namen wie „Anlagemöglichkeiten in der Niedrigzinsphase“ o.ä. tragen. Ebenso erscheinen vermehrt entsprechende Artikel in allen möglichen Medien, insbesondere in Fachzeitschriften des Stiftungswesens. Zugleich ist eine Zunahme von Anzeigen oder auch Werbeschreiben zu beobachten, in denen Banken oder Investmentgesellschaften ihre Dienste anbieten, um das Kapital für Stiftungen so anzulegen, dass ein vernünftiger Ertrag erwirtschaftet werde. Was aber steckt dahinter? Tatsache ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins massiv gesenkt hat, im September 2014 auf gerade einmal aberwitzige 0,05%. Davor lag er übrigens auch nur bei 0,15 %. Das hatte freilich Auswirkungen auf die Zinssätze der Geldinstitute: In der Folge wurden für Einlagen auf Sparbüchern Zinssätze zwischen 0,05% und 1,3%, bei Tagesgeldkonten zwischen 0,8% und 1,4% gezahlt. Das ist auch für Stiftungen nicht ohne Auswirkungen geblieben. Michael Göring (Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung) wies bereits in einer Rede 2011 darauf hin, dass die ZEIT-Stiftung aktuell Erträge von 3% erwirtschafte. Zu Beginn seiner Tätigkeit hingegen, vor der Finanzkrise, seien 5% „relativ einfach zu erzielen“ gewesen. Ein weiteres Beispiel: Michael E. Bös legte im Jahresreport 2013 der Münchener Rück Stiftung dar, dass diese zwar seit 2002 eine Durchschnittsrendite von mehr als vier Prozent pro Jahr erzielt habe. Für die nächsten Jahre stünde jedoch der der Kapitalerhalt, die „schwarze Null, im Vordergrund“. Das resultiere eben auch daraus, dass die Inflationsrate seit 2010 über dem Leitzins liege. (Michael E. Bös, Münchener Rück Stiftung / Report 2013).


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