Jahresbericht 2011

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GESELLSCHAFT UND KULTUR

Die Erfahrungen mit der ersten Gruppe sind konstruktiv und prozessorientiert in die Gestaltung der derzeitigen zweiten Gruppe (Start im Januar, Ende im März) eingeflossen. Die zweite Gruppe arbeitet bisher kontinuierlich sehr motiviert und gemeinschaftlich mit. Die erste der beiden geplanten Behandlungsgruppen für suchtkranke Gewaltstraftäter in der Justizvollzugsanstalt Offenburg hat im Dezember 2011 mit neun Teilnehmern ihre Arbeit aufgenommen, wobei wöchentlich zwei Gruppentherapieeinheiten für die jeweils im Hinblick auf die bestehende Gewalt- und Suchtproblematik durchgeführt werden. Zudem erhalten alle Gefangenen ab Aufnahme psychologische Einzelgespräche. Die zweite Gruppe wird im Frühjahr 2012 ihre Arbeit aufnehmen können. Die seit dem 1. Januar 2010 von der Universität Heidelberg, den Lehrstühlen von Prof. Dr Dieter Dölling und Professor Dr. Peter Fiedler, durchgeführte und ebenfalls von der Manfred Lautenschläger-Stiftung finanzierte wissenschaftliche Begleitforschung aller sechs BIOS-Behandlungsabteilungen in Vollzugsanstalten in Baden-Württemberg deutet darauf hin, dass die Behandlungsprogramme zu positiven Veränderungen bei den Teilnehmern geführt haben.

Klaus Böhm, CSL

Tagung „Urteilen lernen“ der theologischen Fakultät Heidelberg „Die zweite wissenschaftliche Tagung „Urteilen lernen – Orte der Urteilsbildung“ ermöglichte uns eine sehr ertragreichen Fortführung der ersten Tagung, bei der alle Teilnehmer der ersten Tagung wieder teilgenommen haben und insofern das wissenschaftliche Gespräch der ersten Tagung ohne große Mühe wieder aufgenommen und weitergeführt werden konnte“ fasst Ingrid Schoberth die Tagung zusammen.

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www.manfred-lautenschlaeger-stiftung.de

Im Vordergrund der zweiten Tagung standen die „Orte der Urteilsbildung“, die konkreten Kontexte und Praxen, an denen das Lernen des Urteilens sich vollzieht. Hierbei wurden ethische Bildungsprozesse in der Schule sowie religiösen Bildungsprozessen analysiert (dazu die Beiträge von Ina Kowaltschuk und Ingrid Schoberth), Prozesse des Urteilenlernens in Unternehmen betrachtet (Wolfgang Leyk) und das Lernen des Urteilens in Ehe und Familie untersucht (Peter Dabrock und Bernd Wannenwetsch). Die Teilnehmer der Tagung sind sich einig, dass die konkreten Orte der Urteilsbildung weiterhin beleuchtet werden müssen, zumal die Urteilspraxen erst am Anfang der Analyse steht. Insbesondere auch das Urteilen lernen in Ehe und Familie wird noch sehr ausführlich diskutiert werden müssen. Einen zweiten Schwerpunkt der Tagung bildete die Reflexion der Wirklichkeit des Urteilens: Im Spannungsfeld von Urteilen – Sühne – Schuld – Vergebung wurde gerade auch das Scheitern thematisiert, das dem Urteilen immer auch anhaften kann und insofern das je eigene Urteilen auch immer belastet und beschwert. Daniel Krochmalnik hat dazu in sehr eindrücklicher Weise die liturgischen Sprachformen der jüdischen Tradition vorgestellt, die es ermöglichen, das Scheitern menschlichen Urteilens und damit verbunden die Schuld der Menschen zur Sprache zu bringen; am Gerichtstag – Jom HaDin und Jom Kippur – wird dieses Scheitern vor Gott gebracht, in der Hoffnung auf Erfahrung der Befreiung von Schuld und Verhängnis durch den rituellen Vollzug an den Gerichtstagen selbst. Der Beitrag von Urs Espeel konzentrierte sich auf die theologischen Zusammenhänge von Schuld und Urteilen, die konkret im Confiteor des Gottesdienstes benannt werden, aber auch die Predigt immer wieder bestimmen. Was es sodann heißt, aus Vergebung leben zu lernen, wurde dann weiter diskutiert ebenso wie die Vorstellung von Gericht/End-


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