LOKI-Spezial 30: 100-jährige Bergsteiger

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Berninabahn wird RhB

Die Fusion der Rhätischen Bahn mit den Gleichstrombahnen

Der Bündner Zusammenschluss Die Bündner Regierung zwang die Gleichstrombahnen zur Fusion mit der RhB, um Hilfe von Bund und Kanton zu ermöglichen. Die Berninabahn hatte zunächst nur eine Betriebsgemeinschaft mit der RhB.

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ls der Ausbau der Rhätischen Bahn zu ihrem zunächst kriegsbedingten Ab­ schluss gelangt war, hatte sie ein Ak­ tienkapital von 35 633 000 Franken, an dem der Kanton Graubünden mit 14 319 000 Franken oder 40,18 Prozent beteiligt war. Die kantonale Beteiligung am Aktienkapital ersten Ranges von 22 633 000 Franken al­ lein erreichte 63,26 Prozent. Frequenzen und Einnahmen hatten sich aber so entwi­ ckelt, dass die Wirtschaftlichkeit des Unter­ nehmens und das Engagement des Kantons gar keine Probleme bedeuteten, umso weni­ ger, als die von der Bahn erschlossenen Ge­ genden einen erfreulichen volkswirtschaft­ lichen Aufschwung erlebten. Die Einnahmen der Rhätischen Bahn hatten im Jahr 1904 bereits vier Millionen erreicht, drei Jahre später fünf Millionen überschritten und 1913, im letzten Jahr vor Kriegsausbruch, betrugen sie 10,2 Millionen Franken.

Steigende Fehlbeträge Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges gin­ gen die Betriebseinnahmen stark zurück, Defizite wurden die Regel. Die einseitige Abhängigkeit vom Fremdenverkehr zeigte sich in diesen Jahren in verhängnisvoller Weise. Neue Investitionen zur Sicherung und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Bahn erforderte die vollständige Elektrifi­ zierung, die in den Jahre 1919 – 1922 mit Staatsdarlehen des Bundes und des Kan­ tons von je 17,5 Millionen Franken durch­ geführt wurde. Nach elfjähriger Defizitpe­ riode musste durch eine Sanierung das finanzielle Gleichgewicht wieder herge­ stellt werden, indem Aktien ersten Ranges von 500 auf 350 Franken, die Aktien zwei­ ten Ranges von 500 auf 100 Franken abge­ schrieben wurden, was dem Kanton einen Verlust von 4,08 Millionen Franken ein­ trug, seinen Anteil am Aktienkapital aber auf 55,48 Prozent erhöhte. Nachdem die Ferrovia elettrica Bellinzona – Mesocco schon in der Vorkriegszeit Not leidend ge­ worden war und eine Sanierung durchge­ 36

führt hatte, folgte nun auch die Chur –Arosa Bahn, wo der Kanton mit 1,31 Millionen an 3,8 Millionen und nach einer Nachfinanzie­ rung an 4,4 Millionen Franken Aktienka­ pital, also schliesslich mit 29,74 Prozent beteiligt war. Bei der Herabsetzung des Ka­ pitals um 30 Prozent blieb der Kantonsan­ teil unverändert. Die Berninabahn, für die das kantonale Gesetz keine Bedeutung hatte – solange sie reine Touristenbahn war – führte 1933 eine Sanierung durch und erhielt angesichts des als Bedingung gemachten durchgehenden Jahresbetrie­ bes eine kantonale Beteiligung von 675 000 Franken oder 14,98 Prozent des Aktien­ kapitals von 4,5 Millionen Franken.

Das Privatbahnhilfegesetz von 1939 Eine Sanierung aller vier Bündner Bahnen drängte sich Ende der dreissiger Jahre auf. Gleichermassen erging es auch den übri­ gen Privatbahnen in der Schweiz, so dass sich Bundesrat und Parlament auf Ersu­ chen des Eidgenössischen Eisenbahn­ departementes hin ein Privatbahnhilfe­ gesetz ausarbeiteten, welches die Eidg. Räte am 6. April 1939 genehmigten. Das Eidge­ nössische Amt für Verkehr forderte mit einem Rundschreiben vom 15. Januar 1940 alle privaten, schweizerischen Normal­ und Schmalspurbahnen auf, allfällige Ge­ suche um Hilfeleistung auf Grund des Bun­ desgesetzes vom 6. April 1939, begleitet von den nötigen Nachweisen und Unterla­ gen einzureichen. Das kantonale Finanzde­ partement ersuchte mit Schreiben vom 29. Januar 1940, gestützt auf den Kleinratsbe­ schluss vom 25. August 1939, die Bündner Bahnen auf, mit ihm in Verbindung zu tre­ ten, bevor die definitiven Gesuche gestellt würden. Die Bündner Regierung hatte be­ reits im Jahre 1939 Herrn Professor Dr. Saitzew mit der Ausarbeitung eines Gut­ achtens über die finanzielle Lage der Bünd­ ner Bahnen, deren Sanierungsbedarf und ihre Ansprüche an die Privatbahnhilfe be­ auftragt. Artikel 1 des Bundesgesetzes lau­

tete: «Der Bund kann sich nach Massgabe dieses Gesetzes an der finanzielle Wieder­ aufrichtung Not leidender privater Eisen­ bahn­ und Schifffahrtsunternehmungen beteiligen, die wegen ihrer volkswirtschaft­ lichen oder militärischen Bedeutung den Interessen der Eidgenossenschaft oder ei­ nes grösseren Teils derselben dienen».

Fusion zeichnet sich ab Im Gegensatz zur Rhätischen Bahn, welche die Voraussetzung für eine Bundeshilfe er­ füllte, wäre die Hilfeleistung für die Miso­ xerbahn und die Chur–Arosa Bahn nur auf dem Wege einer Fusion mit der RhB mög­ lich gewesen. Artikel 12 des Privatbahnhil­ fegesetzes lautete folgendermassen: «Der Bund kann eine Hilfe im Sinne dieses Ge­ setzes auch leisten, um die Fusion Not lei­ dender Unternehmungen, von denen jede für sich allein die Voraussetzung des Arti­ kel 1 nicht erfüllt, zu ermöglichen, sofern durch eine solche Fusion eine Unterneh­ mung gebildet wird, die den Anforderun­ gen des Artikel 1 entspricht und dadurch sichere und erhebliche Vorteile für den Be­ trieb erzielbar sind». Voraussetzung für die Beteiligung des Bundes war die Mitwir­ kung der Kantone im Sinne des Artikel 5: «Die Kantone haben sich im gleichen Masse wie der Bund an die Hilfeleistung zu betei­ ligen». Speziallfall Berninabahn Die Berninabahn hingegen hatte wegen ihrer volkswirtschaftlichen und militäri­ schen Bedeutung selbständigen Anspruch auf die Privatbahnhilfe. Ihr bildete aber Artikel 5 ein Hindernis. Für die Hilfeleis­ tung durch den Kanton konnten frühere Leistungen angerechnet werden. Bisher finanzierten grösstenteils Private die Ber­ ninabahn. Prof. Dr. Saitzew errechnete eine Bundesleistung von 15 Millionen Franken. Da der Kanton bisher nur 4 Millionen ge­ leistet hatte und nur in der Lage war, noch 1 Million zu gewähren, konnte der Bundes­ LOKI-Spezial Nr. 30


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