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Tochter der Waris Dirie erzählt in ihrem neuen Buch die unfassbare Geschichte von Safa. Die Siebenjährige, die die Wüstenblume in ihrem biografischen Film spielte, sollte brutal genitalverstümmelt werden. Redaktion Marion Hauser Fotos: Knaur Verlag
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eine Kehle ist wie zugeschnürt, ich ringe nach Luft. Meine Hände beginnen zu zittern ... Vor meinen Augen erscheint das schmerzverzerrte Gesicht eines kleinen Mädchens. Ein Mädchen, wie ich es selbst einmal war. Blut, überall Blut. Der abgebrochene Ast eines Dornbusches. Knöcherne, zerfurchte, grobe Hände, die messerscharfe Dornen aus dem knorrigen Ast brechen. Das Gesicht einer alten Hexe. Zerstörerisch, verbissen, hässlich, mit einem Blick, dessen Kälte mir Schauer über den Rücken treibt.
Das neue Buch von Menschenrechtlerin und Bestsellerautorin Waris Dirie „Safa – Die Rettung der kleinen Wüstenblume“ ist im Verlag Knaur um 19,99 Euro erhältlich. Safa spielte die junge Waris im Kino.
Zwei Hände packen die Beine des kleinen Geschöpfes, reißen sie brutal auseinander. Es sind die Hände der Mutter, die tut, was sie glaubt, tun zu müssen. Unnachgiebig und entschlossen. Sie wird das Leben ihrer kleinen Tochter für immer zerstören, schreibt Waris Dirie am Beginn ihres neuen Buchs – und beschreibt damit ihre Gefühle, wenn sie die Verfilmung ihres Bestsellers „Wüstenblume“, die Verfilmung ihrer eigenen unfassbaren Lebensgeschichte sieht. Sie hat es immer noch nicht verarbeitet, das grausame Schicksal, das die gebürtige Somalierin im Alter von nur fünf Jahren ereilte: das blutrünstige Ritual der weiblichen Genitalverstümmelung.
Mit einer rostigen Rasierklinge wurden ihr bei vollem Bewusstsein Klitoris und Schamlippen entfernt und damit für immer das Recht auf ein normales Leben als Frau geraubt. Das Schlimmste: Waris Dirie ist nicht allein mit ihrem Schicksal. Jährlich werden rund drei Millionen Mädchen weltweit der traditionellen Beschneidung unterzogen. Seit 17 Jahren kämpft die Wüstenblume, der mit 13 Jahren die Flucht aus Afrika und schließlich eine unvergleichliche Karriere als internationales Topmodel gelang, gegen FGM (Female Genital Mutilation). Im letzten Jahr wurde sie gnadenlos mit der Tatsache konfrontiert, dass ihr Kampf längst noch nicht gewonnen ist. Ausgerechnet Safa, jenes Mädchen, das Waris Dirie so eindrucksvoll in der Beschneidungsszene im Film Wüstenblume verkörperte, sollte beschnitten werden. Und das, obwohl Waris Diries „Desert Flower Foundation“ bei Drehbeginn einen Vertrag mit der Familie des kleinen Mädchens abgeschlossen hatte. „Für Safas Mitwirken an unserem Film erhielten ihre Eltern regelmäßig finanzielle Unterstützung und Nahrungsmittel von uns – dafür mussten sie mir garantieren, dass sie Safa niemals beschneiden lassen“, erzählt
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Oberösterreicherin | 23
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