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as Projekt liegt ihr sehr am Herzen, noch mehr die Kinder, denen FlickErbin, Prinzessin Elisabeth Auersperg-Breunner, mit den Kunstwochen am Attersee hilft. Im sehr persönlichen Interview spricht die „Innocence in Danger Austria“-Gründerin über ihr Kreativ-Projekt für kleine Menschen mit großem Lebensrucksack.
OBERÖSTERREICHERIN: Was genau passiert bei den Kunstwochen? Elisabeth Auersperg-Breunner: In den Kunstwochen für traumatisierte Mädchen und Buben, die unter dem Motto „Perspektiven für Jungen und Mädchen mit herausfordernden Lebensgeschichten“ stehen, leisten wir unseren Beitrag für Kinder und Jugendliche, die in ihrem Leben mit höchst bedrohlichen, unkontrollierbaren Ereignissen wie Gewalt, sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung und dem Zerfall des familiären Umfelds konfrontiert wurden. Die Kinder tauchen in eine Welt der Sicherheit und Stille ein. Sie malen, tanzen, singen, experimentieren mit Farben, formen mit Ton; es ist wie eine Reise in eine spannende und aufregende Landschaft. Ich wollte mit Kunst und Musik etwas Nachhaltigeres schaffen, so ist das Konzept für die Kunstwochen entstanden. Welche Kinder mit welchem traurigen Background kommen zu Ihnen? Als Beispiel die Lebensgeschichte eines Mädchens: Sie wurde vor einem Jahr mit acht Jahren den Eltern abgenommen. Der Vater stand bereits seit einigen Jahren in Verdacht, die Kinder zu missbrauchen. Eines der älteren Geschwister hat ausgepackt, dass auch die Jüngste, unser Mädchen, missbraucht werde. Der Vater wurde inhaftiert. Das Mädchen kam dann in eine gemischte Wohngemeinschaft, wo es erneut zu sexuellen Übergriffen zwischen ihr und einem Jungen aus der Wohngemeinschaft kam. Seit einigen Monaten lebt sie nun in einer Mädchenwohngemeinschaft. Sie ist in Therapie, erzählt aber nichts über ihre Erlebnisse. Die Betreuer erhoffen sich, dass sich das Mädchen ein bisschen mehr öffnet und langsam beginnt, auch von sich zu erzählen. Ein Junge, 8 Jahre alt, kam vor zwei Monaten in die Wohngemeinschaft.
FAMILIEN-BANDE. Elisabeth Auersperg-Breunner mit Ehemann Alexander, zwei ihrer fünf Kinder, Mutter Ursula, Stiefvater Herbert Kloiber und Schwester Alexandra Flick
Seine Mutter hat bis dahin allein für ihn gesorgt; sie ist Prostituierte, drogenabhängig und psychiatrisch auffällig. Der Junge musste sich allein durchschlagen. Schwer vernachlässigt, wurde er dann in der Wohngemeinschaft untergebracht. Er lebt wie in einer Art Traum und erzählt von seiner Mutter, als ob sie hier wäre. Er ist sehr ruhelos, kann sich nicht konzentrieren, spricht in losen Aneinanderreihungen von Wörtern. Es gibt keinen Kontakt zur Mutter, die nach seiner Abnahme spurlos verschwunden ist und polizeilich gesucht wird. Für ihn wäre es gut, wenn er et-
Es ist faszinierend, wie sich die Kinder in dieser Woche öffnen. Es ist Therapie ohne Therapie.“ Elisabeth Auersperg-Breunner
was zur Ruhe kommen könnte und Freunde finden würde. Welche Veränderung spüren und erleben Sie nach dieser Woche? Durch die neue Umgebung, die Natur und die Auseinandersetzung mit künstlerischer Kreativität tanken die Kinder neuen Mut und stärken ihr Selbstbewusstsein. Es ist faszinierend, wie sie sich in dieser Woche öffnen. Mit ihrer Kreativität finden sie neue Ausdrucksformen. Es ist wie Therapie ohne Therapie. Eine 29
Sozialpädagogin berichtete: „Unser Junge hatte nie Freunde in der Schule und war aggressiv und aufsässig. Gleich in der ersten Schulwoche ist aufgefallen, dass er viel ruhiger ist, dass er Teil der Klassengemeinschaft geworden ist.“ Kunst kann positiv beeinflussen, nämlich wie? Durch Musiktherapien haben traumatisierte Kinder, die buchstäblich die Sprache verloren hatten, wieder begonnen zu sprechen, was beinahe an eine lebensrettende Maßnahme grenzt. Wie finden Sie persönlich die Balance zwischen Ihrem Engagement und der Festspiel-Society? Während der Kunstwochen fokussiere ich meine Energie streng auf die Arbeit mit den Kindern, d. h. ich würde während der Kunstwochen nie eine Festspielaufführung oder Ähnliches besuchen. Grundsätzlich schließt das eine das andere aber nicht aus. Die Kunstwochen finden bei Ihnen zu Hause am Attersee statt. Was sagen Ihre Kinder dazu? Durch das teilweise nahe Zusammenleben mit den traumatisierten Kindern bleibt manchmal eine Betroffenheit und ein großes Mitgefühl seitens meiner Kinder natürlich nicht aus. Es freut sie aber auch sehr, mitzuerleben, wie viel Positives durch die Therapien geschaffen werden kann. Meine älteste Tochter hat schon zweimal im Sommer bei „Innocence in Danger“ gearbeitet. Sind Sie der Meinung, dass es unbedingte Aufgabe der privilegierten Gesellschaftsschicht ist, Armen und Schwachen zu helfen? Selbstverständlich! Diese Bereitschaft, zu helfen, sollte viel automatischer, selbstverständlicher in den Köpfen der Menschen verankert sein.