Recht & Urteile 2013

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+ Kapitalanlage + Vertrieb + Investment + Finanzierung +

Recht & Urteile Überblick über aktuelle Urteile zum Recht der Kapitalanlagen und ihres Vertriebs durch die Rechtsanwälte Werner Klumpe und Ulrich Nastold

www.wmd-brokerchannel.de Stand März 2013 Ausgabe März 2013 - 7,50 €


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Autoren: Werner Klumpe Rechtsanwalt Rechtsanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR

Ulrich Nastold Rechtsanwalt Rechtsanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR

"Die Rechtsanwälte Klumpe und Nastold sind auf die Bereiche des Kapitalanlage- und Immobilienrechts spezialisiert. Sie befassen sich mit allen Facetten dieser Rechtsgebiete, begleiten Projektentwicklungen und die Konzeption von Beteiligungsprojekten. Außerdem unterstützen sie bei der Durchsetzung vorhandener Ansprüche wie auch der Abwehr unberechtigter Forderungen." Quelle: © Andrey Burmakin - Fotolia.com

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wer Kapitalanlagen konzipiert, vertreibt oder erwirbt, sollte über die Rechtsfolgen seines Handelns genau im Bilde sein. Dabei fällt es selbst Experten nicht selten schwer, einen Überblick zu behalten. So umfassend sind die Themenbereiche, so schnelllebig auch das ein oder andere Gesetz und so vielfältig die Rechtsprechung der Instanzgerichte und vor allem auch des Bundesgerichtshofs. Die bisher vom wmd-Verlag herausgegebenen Rechtsprechungsübersichten stießen auf sehr reges Interesse. Mit diesem dritten Magazin stellen wir Ihnen erneut einen Mix aus der Rechtsprechung zu Haftungsfragen, zu Aufklärungs- und Informationspflichten, aber auch zu Anlegerpflichten vor. Abgerundet wird der Überblick durch ausgewählte Rechtsprechungsbeispiele zu den Bereichen Immobilien und Finanzierung, zum Vermittler- und Maklerrecht und - nicht zuletzt wegen des aktuellen Gesetzesvorhabens zur Honoraranlageberatung - zu Fragen der Wirksamkeit von Vergütungsvereinbarungen beim Angebot von Versicherungs-Nettoprodukten.

Auch bei diesem Überblick wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Nicht wenige Entscheidungen lassen sich verschiedenen Rechtsbereichen zuordnen. Wenn es um Fragen der Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinne geht, geht es zugleich immer um Aufklärungs- und Informationspflichten, die gegenüber Anlageinteressenten zu beachten sind, also um Vertriebspflichten im weiteren Sinn. Wichtig ist hier nicht zuletzt der Zeitpunkt, zu welchem die Beratung geschuldet wird oder auch, ob und wie häufig eine ggf. erfolgte Aufklärung zu wiederholen ist. Wir hoffen, dass Sie die eine oder andere Erkenntnis dazugewinnen können, sei es als Konzeptionär, als Finanzintermediär, als Darlehensgeber oder last but not least als Anleger. Falls Sie Anregungen oder Kritik im positiven wie negativen Sinn haben, werden wir dies in der nächsten Ausgabe gern berücksichtigen.

Ihr Team vom wmd-brokerchannel und die Rechtsanwälte Werner Klumpe und Ulrich Nastold, Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR, Köln

Täglich aktuelle Informationen, Fachartikel und Video-Interviews unter www.wmd-brokerchannel.de

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG I Inhaltsverzeichnis

Rechtsprechung aktuell Ausgewählte Entscheidungen der Jahre 2011 und 2012 aus den Bereichen Kapitalanlagen, Vertrieb, Finanzierung und Versicherungen Unsere Themen im Überblick: I. Haftungsrechtsprechung aktuell 1.

Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektverantwortung

2.

Rechtsprechung zu Kick-Backs und Rückvergütungen

3.

Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- und Informationspflichten

4.

Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird

5.

Haftung aus unerlaubter Handlung

6.

Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter

7.

Schadensumfang

8.

Verjährung

II. Anlegerrechte und Anlegerpflichten (einschl. Anlegerhaftung und Nachschusspflichten) III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen und Finanzierung IV. Vermittler- und Maklerrecht V. Versicherung

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

I. Haftungsrechtsprechung aktuell

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eschlossene Fonds sind seit 01.06.2012 Finanzinstrumente. Für diese Produktkategorie gelten seit jeher bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen. Speziell für geschlossene Fonds wird nun ab 22.07.2013 ein neues Zeitalter beginnen, wenn in Umsetzung der AIFM-Richtlinie das Kapitalanlagegesetzbuch in Kraft treten wird. Dennoch wird die Rechtsprechung weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt sowohl für Alt-Fälle, also Fälle vor Inkrafttreten der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG bei unrichtigen oder unvollständigen Prospektangaben bzw. gem. § 13a VerkProspG bei einem fehlenden Prospekt und seit 01.06.2012 für die Haftung aus §§ 20, 21 VermAnlG. Die Rechtsprechung liefert die Beispiele dafür, wann Prospekte unrichtig oder unvollständig sind, in welchen Fällen eine Aufklärung mittels Prospektes erfolgen kann und welche einzelnen Pflichten der Absatzmittler (Anlageberater, Anlagevermittler, Haftungsdach, Poolgesellschaft usw.) zu erfüllen hat. Die aktuelle Rechtsprechung zu kennen ist deshalb für Konzeptionäre und Vermittler,

aber auch für den Kunden selbst, von großer Wichtigkeit. Wir haben nachfolgend - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - wieder einige wichtige Entscheidungen aus diesem Bereich für Sie zusammengefasst. Wie schon im letzten Heft haben wir wiederum dem Bereich der Kick-Backs und Rückvergütungen ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch wenn die Rechtsprechungsgrundsätze inzwischen als gefestigt angesehen werden können und wenn mit Inkrafttreten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung am 01.01.2013 im Hinblick auf die Offenlegung von Zuwendungen ohnehin ein neues Zeitalter begonnen hat, ging und geht es immer wieder um Detailfragen. Es ist über Interessenkonflikte aufzuklären. Ein Interessenkonflikt ist ein per se aufklärungspflichtiger Umstand. Nur durch die Aufklärung über einen solchen Konflikt wird ein Anleger in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der ihm gegenüber sitzenden und eine Beteiligung anbietenden Person einzuschätzen. Bisher wurde hier unterschiedlich gewürdigt, ob es sich beim Berater um einen Bankberater handelt oder einen freien und bankunabhängigen Finanzdienstleister.

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

1. Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektverantwortung 1.1

Zur Prospekthaftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage (BGH, Urt. v. 17.11.2011, III ZR 103/10)

Sachverhalt Für eine Kapitalanlage war mittels Emissionsprospektes geworben worden. Neben dem Emissionsprospekt gab es eine Werbebroschüre, die ebenfalls Produktinformationen enthielt. Außerdem wurden in der Werbebroschüre Personen vorgestellt, die den Vorstand und den Aufsichtsrat der Emittentin sowie den Aufsichtsrat und Beirat der einzigen Gesellschafterin der Emittentin bildeten. Ein früherer Spitzenpolitiker (Herr Rupert Scholz) wurde als Beiratsvorsitzender der Gesellschafterin der Emittentin vorgestellt und mit positiven Äußerungen zitiert. Der Emissionsprospekt wies Fehler auf. Im Jahr 2005 untersagte die BaFin die geschäftliche Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaft, weil es sich bei dieser um ein erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 32 KWG handele. Anleger erhoben Schadenersatzansprüche u.a. gegen den früheren Spitzenpolitiker Scholz. Das OLG Karlsruhe als Vorinstanz hatte Herrn Scholz nicht für eintrittspflichtig erachtet.

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Entscheidung Der BGH hielt es für nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn zum Schadenersatz verpflichtet ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH haften für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem Emissionsprospekt einer Kapitalanlage neben dem Herausgeber des Prospektes die Gründer, Ini-

tiatoren und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen. Darüber hinaus haften als sog. Hintermänner alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 06.10.1980, II ZR 60/80 oder v. 06.03.2008, III ZR 298/05). Maßgeblich für die Haftung des Hintermanns ist sein Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projekts. Er muss eine Schlüsselposition besitzen, die mit derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar ist. Allein die Position eines Beiratsmitglieds oder Beiratsvorsitzenden lässt ohne Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht den Schluss auf einen solchen maßgeblichen Einfluss zu (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1984, II ZR 2/84). Allerdings unterliegen der Prospekthaftung im engeren Sinn auch diejenigen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte und hervorgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr außen in Erscheinung tretendes Mitwirken am Emissionsprospekt einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand schaffen und Erklärungen abgeben. Der Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt ergeben, sofern die Mitwirkung an der Prospektgestaltung nicht auf andere Weise nach außen hervorgetreten ist. Zu den berufsmäßigen Sachkennern, denen eine Garantenstellung zukommen kann, gehören z.B. Rechtsanwälte, die gutachtliche Stellungnahmen abgeben, Wirtschaftsprüfer, die den Prospekt geprüft haben und Steuerberater. Der hier in Anspruch genommene Spitzenpolitiker hatte in einer Werbebroschüre darauf hingewiesen, dass er gefordert habe, für jeden einzelnen Anleger 7


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müsse es eine durchgehende Qualitätssicherung geben, dazu Kompetenz, Kontrolle und Transparenz. Dies sei geschafft worden. Damit hatte ein prominenter Spitzenpolitiker sich seines Einflusses auf die Gestaltung des Anlagekonzeptes berühmt. Mit diesen Aussagen wurde Vertrauen in Anspruch genommen, wobei auch erkennbar war, dass dies Investitionsentscheidungen potenzieller Anlageinteressenten beeinflussen konnte. Auch ein körperlich vom Emissionsprospekt getrenntes Schriftstück, welches zusammen mit diesem vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Bestandteil eines Anlageprospektes im Rechtssinn sein. Wenn eine Person keinerlei Einfluss ausübt und keinerlei Prüfungen vorgenommen haben sollte, darf sie nicht - wie im vorliegenden Fall geschehen - werben oder müsste ihr in den Mund gelegten Äußerungen widersprechen.

Fazit Zu Beginn der Beteiligungsmodelle (Bauherrnmodelle, geschlossene Fonds, Erwerbermodelle) war es weit verbreitet, Prospekte in verschiedene Teile zu unterteilen. In den letzten Jahren war - auch aus Haftungsgründen - das Beteiligungsangebot meist in einem umfangreichen Emissionsprospekt vorgestellt. Der BGH weist zum einen darauf hin, dass auch verschiedene getrennte Teile ungeachtet der körperlichen Trennung einen einheitlichen Anlageprospekt im Rechtssinn darstellen können. Eine Prospektverantwortung kann deshalb auch dann gegeben sein, wenn in einem vom eigentlichen Prospekt getrennten Druckwerk unzutreffende oder irreführende Aussagen getroffen werden. Des Weiteren sollten sich diejenigen, die einerseits im Rampenlicht stehen und andererseits aufgrund ihrer Stellung gerne als Werbeträger genommen werden, darüber bewusst sein, dass sie Mitverantwortung übernehmen und dadurch auch selbst zum Haftungsadressaten werden können.

Da noch einige Tatsachen aufgeklärt werden mussten, hob der BGH die die Klage abweisende Entscheidung des OLG Karlsruhe auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurück. Bildquelle: © markus dehlzeit - Fotolia.com

1.2

Zur Haftung im Konzernverbund für fehlerhafte Prospekte (BGH, Urt. v. 18.09.2012, XI ZR 344/11)

Sachverhalt Die Wohnungsbau Leipzig-West AG (nachfolgend: Emittentin) legte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt 25 Inhaberschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung auf. Dazu gehörte auch eine mit einem Prospekt „ausgewogene Konditionen“ beworbene Anleihe. Eine solche erwarb der klagende Anleger im April 2005. Er nimmt mit der Begründung, der Emissionsprospekt sei unvollständig, den Mehrheitsaktionär der Emittentin persönlich in Anspruch. Dieser sei wegen eines Gewinnabführungsund Beherrschungsvertrages herrschender Unternehmer. Unstreitig erfolgten hohe Zahlungen von der Emittentin an den beklagten Mehrheitsaktionär. Entscheidung Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob der Prospekt „ausgewogene Konditionen“ fehlerhaft ist. Bejaht wird eine Unvollständigkeit, weil aus dem Prospekt nicht ersichtlich ist, dass der Mehrheitsaktionär als Begünstigter des Gewinnabführungs- und 8

Beherrschungsvertrages dem Vorstand der Emittentin nachteilige Weisungen erteilen konnte. Die Möglichkeit, dass derartige nachteilige Weisungen durch eine beherrschende Konzern-Muttergesellschaft an eine beherrschte Konzern-Tochtergesellschaft erteilt werden, und die damit verbundene erhöhte Gefahr für an die Konzern-Tochtergesellschaft gezahlte Anlegergelder, bei Fälligkeit keine Rückzahlung leisten zu können, ist ein Umstand, der richtig und vollständig in einem Wertpapierverkaufsprospekt darzustellen ist. Hier wendet sich der Emissionsprospekt ausdrücklich auch an das unkundige und börsenunerfahrene Publikum. An den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten des angesprochenen Adressatenkreises bestimmt sich, welche Maßstäbe an Inhalt und Verständlichkeit eines Prospektes anzulegen sind. Im zweiten Schritt geht das Gericht der Frage nach, ob der Mehrheitsaktionär für den fehlerhaften Prospekt auch verantwortlich ist. Prospektveranlasser gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG in der zwischen Juli 2002 und Oktober 2007 geltenden Fassung sind Personen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Emission der Wertpapiere haben und darauf hinwirken, dass ein unrichtiger oder unvollständiger


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Prospekt veröffentlicht wird. Es gehe darum - so das Gericht weiter - mit dieser Regelung eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten zu schließen. Insbesondere sollen auch Konzern-Muttergesellschaften in die Haftung einbezogen werden, wenn eine Konzern-Tochtergesellschaft Wertpapiere emittiert. Der Mehrheitsaktionär hatte als unmittelbar Begünstigter des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Einwerbung weiterer Anlegergelder. Er hatte durch Erteilung von Weisungen zu Zahlungsflüssen auch tatsächlich in das Geschäft der Emittentin eingegriffen. Das Gericht bejahte deshalb eine Schadenersatzpflicht des Mehrheitsaktionärs. Fazit Nach § 44 BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und von denjenigen, von denen der Erlass des Prospektes ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen, wenn der Wertpapierprospekt unrichtig oder unvollständig ist. Nach § 13 VerkProspG gilt diese Vorschrift für die Haftung bei einem fehlerhaften Prospekt gem. § 13 VerkProspG a.F. entsprechend. Die Schutzbedürftigkeit des Anlegers ist dieselbe wie in den Fällen, in denen der BGH die persönliche Prospektverantwortung und Haftung von Hintermännern bejaht hat.

1.3

Zum Schadenersatzanspruch eines Treugebers gegen Gründungsgesell- schafter (BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09)

Sachverhalt Ein Anleger beteiligte sich mittelbar über eine Treuhandkommanditistin an einem geschlossenen Immobilienfonds. Mit seiner Klage unmittelbar gegen die geschäftsführende Gründungskommanditistin macht er eine Vielzahl von Prospektmängeln geltend und beruft sich auf eine Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn. Der Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft sah vor, dass die Treugeber im Innenverhältnis den unmittelbaren Kommanditisten gleichgestellt sind. Entscheidung Der BGH bejahte zunächst die Eigenschaft der geschäftsführenden Gründungsgesellschafterin als möglichen Haftungsadressaten einer Prospekt-

haftung im weiteren Sinn. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll. Es spielt also keine Rolle, dass der Treugeber formalrechtlich nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt war. Einem Anleger muss vor seinem Beitritt ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden. Dazu gehört auch eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung, so ist in einem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit der Einnahmen entgegenstehende Umstände hinzuweisen. Außerdem müssen die sich hieraus für einen Anleger erbebenden Risiken erläutert werden. Erweckt ein Prospekt den Eindruck, dass leerstandsbedingte Nebenkosten bei den einer Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern vom Mieter bzw. Garanten zu tragen sind und ist dieser Eindruck unzutreffend, liegt ein Prospektfehler vor. Werden in einem Prospekt die Begriffe „Generalmietvertrag“ und „Mietgarantie“ stets unterschiedslos nebeneinander verwendet, muss auch dies beim Anleger den Eindruck hervorrufen, dass die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit bei beiden Vertragsarten deckungsgleich ist. Kann entgegen diesem Eindruck ein Fonds mit leerstandsbedingten Nebenkosten belastet werden, weil der Mietgarant hierfür nicht einzustehen hat, ist dies ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen. Vom Anleger wird deshalb nicht gefordert, dass er näher darlegt, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der leerstandsbedingten Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist. Sodann weist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung hin, dass ein Prospektfehler nach der Lebenserfahrung für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sichert das Recht des Anlegers, in eige9


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ner Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht. Beim Schaden kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligung werthaltig ist oder nicht. Grund für die Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung ist der Eingriff in das Recht des Anlegers, nach zutreffender Information über die Verwendung seines Vermögens selbst zu bestimmen und sich für oder gegen die Anlage entscheiden zu können. Fazit Das Urteil fußt auf altbekannten Grundsätzen. Es ist gleichwohl lesenswert, weil es die Voraussetzungen für die Prospekthaftung im weiteren Sinn einschl. des Kreises möglicher Haftungsadressaten noch einmal nahezu schulmäßig zusammenfasst.

1.4

Falschberatung auch bei der Empfeh- lung einer Beteiligung am „Singapore-Flyer“ (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.07.2012, 2-10 O 478/11, nrkr.)

Sachverhalt Ein Anleger machte Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer KG-Beteiligung geltend. Investitionsgegenstand war insbesondere das Riesenrad „Singapore-Flyer“. Der Anleger stützte seine Vorwürfe auf Prospektfehler, aber auch auf individuelle Pflichtverletzungen aus einem Beratungsvertrag. Die in Anspruch genommene Bank war der Ansicht, keine Beratung, sondern bloße Vermittlungsleistungen erbracht zu haben. Entsprechend geringer sei ihr Pflichtenkatalog. Unstreitig hatte die Bank eine Vergütung erhalten. Sie war im Prospekt auch nicht als Provisionsempfängerin aufgeführt. Mit dem Einwerben von Anlegern war eine GmbH beauftragt. Sie durfte im Namen der Fondsgesellschaft aufgrund ihr erteilter Vollmacht „entsprechende Vereinbarungen mit geeigneten Kapitalanlageberatern (z.B. Privatbanken)“ abschließen. Diese sollten dann „jeweils eine individuell vereinbarte Provision“ erhalten, die sich die GmbH auf ihre Vermittlungsvergütung anrechnen lassen musste. Entscheidung Die auf Rückzahlung der Einlagesumme zzgl. 3 % Zinsen gerichtete Klage Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligung hatte bis auf den entgangenen Gewinn Erfolg. Das Gericht fasste dabei 10

noch einmal die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Anlageberatung zusammen. In Abgrenzung zu einer bloßen Anlagevermittlung setze ein Beratungsvertrag voraus, dass die Bank unter fachkundiger Bewertung von Tatsachen und den aus ihnen zu ziehenden Schlüssen unter Berücksichtigung der besonderen Interessenlage des Anlegers eine konkrete Anlageempfehlung ausspricht. Für die Bank ist dabei regelmäßig erkennbar, dass die Beratung für den Kunden von erheblicher Bedeutung ist, da er sie zur Grundlage einer Kapitalanlageentscheidung machen will. Für eine Beratung spreche, wenn ein Bankmitarbeiter persönliches Vertrauen in Anspruch nehme und beispielsweise den Eindruck erwecke, die Anlage sei zuvor eingehend geprüft und deshalb erst in den Vertrieb aufgenommen worden. Gleiches gilt, wenn die Bank im Prospekt als Referenz genannt werde. Im Zweifel ist regelmäßig vom Vorliegen eines Beratungsvertrages und nicht nur eines Vermittlungsvertrages auszugehen. Ob noch weitere Aufklärungspflichtverletzungen und Prospektfehler vorlagen, ließ das Gericht offen. Die Bank habe jedenfalls bereits dadurch schuldhaft Pflichten verletzt, dass sie über von ihr vereinnahmte Provisionen nicht informiert hat. Auf die Prospektangaben konnte sie sich nicht berufen. Aus diesem ergab sich nicht, dass die Bank Empfängerin von Provisionen ist. Erst recht ergab sich nicht deren genaue Höhe. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn lediglich darauf hingewiesen wird, dass für die Eigenkapitalbeschaffung ein bestimmter Betrag aufgewendet wird. Fazit Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt bewegt sich auf inzwischen vertrauten Pfaden. Banken versuchen häufig, ihre Tätigkeit als bloße Vermittlungsleistung darzustellen, auch wenn sie seit Jahr und Tag Kunden in Angelegenheiten der Vermögensvorsorge betreuen. Das Vorliegen eines Beratungsvertrages ist deshalb der Regelfall, die bloße Vermittlung die Ausnahme. Das Gericht hatte davon abgesehen, sich mit den Fragen des Vorliegens weitere Prospektfehler auseinanderzusetzen, auf die die Bank im Rahmen der von ihr zweifelsfrei geschuldeten Plausibilitätsprüfung, erst recht aber bei Prüfung des Angebots mit bankkritischem Sachverstand hätte hinweisen müssen. Dass kein entgangener Gewinn zugesprochen wurde, war offenbar noch dem Urteil des XI. Zivilsenats vom 24.04.2012 geschuldet. Von dieser Rechtsprechung ist der XI. Zivilsenat mittlerweile selbst wieder abgerückt (vgl. oben die Besprechung des Urteils vom 08.05.2012).


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1.5

OLG Frankfurt am Main verneint im KapMuG-Verfahren gegen die Telekom Prospektfehler (OLG Frankfurt am Main, Musterentscheid im KapMuG-Verfahren vom 16.05.2012, 23 Kap 1/06)

Sachverhalt Die Aktie der Deutschen Telekom war seit Sommer 2000 auf rund 1/6 ihres damaligen Wertes gefallen. Knapp 17.000 Telekom-Aktionäre warfen der Telekom ein grob fahrlässiges Verhalten bei der Erstellung des Börsenprospektes für den dritten Börsengang vor. Die Hauptaspekte, mit denen Kläger Unrichtigkeiten des Prospektes gerügt hatten, waren der Erwerb des amerikanischen Mobilfunkunternehmens Voicestream, die Darstellung zu den Immobilien der Telekom, die Vorgänge um die konzerninterne Übertragung der Aktien an dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Sprint, die Übernahme der Prospekthaftung durch die Telekom und schließlich das Bestehen einer sog. Eventualverbindlichkeit (hervorgerufen durch mögliche Ansprüche von Anlegern aus dem vorherigen Börsengang).

Entscheidung Das sog. Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz ist extra zur Bewältigung der Massenklagen, die wegen des dritten Börsengangs gegen die Deutsche Telekom erhoben wurden, geschaffen worden. Das Gesetz trat im November 2005 in Kraft. Es soll ermöglichen, aus einer Vielzahl gleichgelagerter Schadenersatzprozesse wegen falscher Prospekte oder fehlerhafter Kapitalmarktinformationen auf Antrag ein Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht zu bestimmen. Alle anderen Kläger können grundsätzlich Beigeladene dieses Musterverfahrens werden und gem. § 8 KapMuG auf den Musterprozess Einfluss nehmen. Die Verhandlungen im jetzt durch Musterentscheid (vorläufig) entschiedenen Rechtsstreit begannen im April 2008. Nach umfangreicher Beweisaufnahme mit Anhörung etlicher Zeugen kam das OLG Frankfurt zum Ergebnis, dass im Börsenverkaufsprospekt der Deutschen Telekom aus dem Jahr 2000 keine gravierenden Fehler enthalten seien. Der Erwerb von Voicestream habe zum Zeitpunkt des Börsengangs noch nicht festgestanden. Die Immobilien seien nicht unrichtig bewertet. Die angewandte Bewertungsmethode (das sog. Cluster-Verfahren) habe der damaligen Gesetzeslage entsprochen. Bei diesem Verfahren wird nicht jede einzelne von mehreren Tausend Immobilien bewertet. Vielmehr werden diese Immobilien zu Bewertungseinheiten zusammengefasst. Die konzerninterne Übertragung der Anteile an dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Sprint wäre ebenfalls in hinreichender Deutlichkeit im Prospekt erläutert worden. Aus dem Prospekt wäre auch abzuleiten gewesen, dass die Telekom zunächst allein und in vollem Umfang haftet. Ob ein Rückgriffsanspruch gegen Dritte bestünde, müsse in den Prospekt nicht aufgenommen werden. Schließlich sei es auch nicht erforderlich gewesen, im Prospekt für den dritten Börsengang einen Hinweis auf etwaige Prospekthaftungsansprüche aufzunehmen, die Aktionäre aufgrund des zweiten Börsengangs der Deutschen Telekom haben könnten. Fazit Das KapMuG konnte seit seiner Einführung im Jahr 2005 seine Praxistauglichkeit noch nicht überzeugend unter Beweis stellen. Zurzeit werden deshalb auch Pläne zur Reformierung des Gesetzes diskutiert. Der im vorliegenden Musterentscheid unterlegene Kläger hat nach Mitteilung der ihn vertretenden Anwälte auch sofort Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt. Es wird deshalb noch eine

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ganze Weile dauern, bis endgültig Klarheit herrscht, ob der von der Telekom zu verantwortende Prospekt ihres dritten Börsengangs vollständig und richtig ist oder Fehler enthielt.

1.6

Ausnahme von der Prospektpflicht: Formale oder wirtschaftliche Betrach- tungsweise? (OLG München, Urt. v. 02.11.2011, 20 U 2289/11; gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein- gelegt, dortiges Aktenzeichen: II ZR 268/11)

Sachverhalt Eine Anlegerin beteiligte sich im April 2006 als Kommanditistin einer GmbH & Co. KG. An dieser beteiligten sich nicht mehr als 20 Anleger. Daneben gab es einen zweiten und einen dritten Fonds desselben Emittenten mit ebenfalls weniger als 20 Anlegern. Unternehmensgegenstand aller drei Fondsgesellschaften war die Beteiligung an einer Holdinggesellschaft. Diese beteiligte sich an der Zielgesellschaft. Die Fonds unterschieden sich in ihrem Anlageverhalten und ihrem Investment nicht voneinander. Die Zielgesellschaft wurde im Jahr 2008 insolvent. Die Kommanditistin nahm die Initiatorin, die auch Komplementärin war, sowie deren Geschäftsführer und Gründungskommanditist auf Rückzahlung der Einlage Zug um Zug gegen Rückübertragung des Fondsanteils in Anspruch. Entscheidung Das OLG München bejahte eine Haftung der Beklagten wegen fehlenden Prospektes. Das Gericht vertrat die Ansicht, die Haftungsadressaten könnten sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. VerkProspG berufen. Nach dieser Bagatellgrenze bedarf es keines Prospektes, wenn nicht mehr als 20 Anteile von derselben Vermögensanlage öffentlich angeboten werden. Die Vorschrift stelle auf dieselbe Vermögensanlage ab. Hier sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, nicht eine rein formelle Betrachtungsweise. Für dasselbe Anlageobjekt könnten nicht mehrere Fondsgesellschaften aufgelegt werden, die jeweils nicht mehr als 20 Anteile begeben. Ansonsten würde der Schutzzweck der Prospektveröffentlichungspflicht umgangen werden. Das OLG München erachtete als unerheblich, dass sich die Fonds in unterschiedlichem Umfang an der Zielgesellschaft beteiligt hatten. Selbst eine - mündliche - Mitteilung der BaFin, dass keine Prospektpflicht bestünde, da auf die jeweilige Fondsgesellschaft und nicht das jeweilige 12

Anlageobjekt abzustellen sei, konnte die Haftungsadressaten nicht entlasten. Obgleich ein Prospekt vorlag, bejahte das OLG München eine Haftung wegen fehlenden Prospektes, da der Prospekt nicht gestattet war. Daneben bejahte das Gericht auch eine vorvertragliche Haftung wegen falscher Prospektaussagen unter Verweis auf die Grundsätze der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung. Fazit Das OLG München setzt mit dieser Entscheidung einen - vorläufigen - Schlussstrich unter die in der Literatur kontrovers diskutierten Ansichten, ob im Hinblick auf die Bagatellgrenze eine formale oder wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist. Der Ausnahmetatbestand in § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG (künftig: § 2 Nr. 3 lit. a) VermAnlG) ist wirtschaftlich auszulegen, nicht formal. Damit scheidet die Möglichkeit aus, die Prospektpflicht dadurch zu umgehen, indem mehrere Kleinfonds mit identischem Investitionsvorhaben und unterschiedlicher Anlegerstruktur emittiert werden.

1.7

VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig, unvollständig und irreführend (OLG München, Musterentscheid vom 30.12.2011, Kap1/07)

Sachverhalt Für die Beteiligung „VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG“ wurde ab März 2004 mittels eines Prospektes geworben, der die Anlageinteressenten über Chancen und Risiken der Beteiligung aufklären sollte. Mittels dieses Prospektes wurden zahlreiche Anleger geworben. Das OLG München hatte in einem Kapitalanleger-Musterverfahren darüber zu befinden, ob der Prospekt den rechtlichen Anforderungen entsprach. Das Musterverfahren richtete sich zum einen gegen den Fondsinitiator und zum anderen eine Bank, der vorgeworfen wurde, dass die Gelder der Fondsgesellschaft abweichend von den Vorschriften des Prospektes an verschiedene Firmen überwiesen worden sind. Entscheidung Nach den Feststellungen des OLG München flossen nur ca. 20 % der Fondsgelder in die Filmproduktion. Mit den restlichen rund 80 % sollte hingegen ein reines Einlagengeschäft bei einer Bank getätigt werden. Im Jahr 2014 sollte die Fondsgesellschaft dann einen festen Betrag erhalten, der unabhängig von dem wirtschaftlichen Erfolg der Filme bezahlt werden sollte. Wäre dies im Prospekt offengelegt


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worden, wäre eine solche Beteiligung nicht als unternehmerische Beteiligung mit einer großen Verlustzuweisung an die Anleger anerkannt worden. Tatsächlich liefen die Gelder deshalb zunächst über verschiedene Firmen, die sich mit der Produktion von Filmen befassten. Einen realistischen wirtschaftlichen Hintergrund hatte dies aber nicht. Steuerlich wurden die Vertragsgestaltungen deshalb nicht anerkannt. Das Gericht zog daraus die Schlussfolgerung, dass die gewählte vertragliche Gestaltung zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist und der Anleger darüber nicht informiert worden ist. Darüber hinaus wurde das tatsächlich bestehende Verlustrisiko verharmlost. Der Fonds wurde als „ein Garantiefonds“ bezeichnet, obwohl es keine Garantie gegenüber den Anlegern gab. In verschiedenen Textpassagen wurde darauf hingewiesen, dass das Kommanditkapital in Höhe von 115 % abgesichert sei. Eine derartige Absicherung existierte nicht. Schließlich stufte das Gericht auch die Prognoserechnung, die die Gewinnerwartung der Anleger beschreibt, als fehlerhaft ein. Die mit der Gewinnprognose verbundenen Risiken wurden nicht im erforderlichen Umfang dargelegt. Sie basierte darauf, dass Gewinne mehrfach reinvestiert werden sollten. Die erste Investition sollte aus dem Geld der Anleger erfolgen, weitere Reinvestitionen aus den am Anfang erzielten Gewinnen. Der Prospekt verschwieg, dass die Gewinnprognose in sich zusammenbricht, wenn die ersten Filmproduktionen floppen und kein Geld mehr für Reinvestitionen zur Verfügung steht.

Fazit Durch diesen - noch nicht rechtskräftigen - Musterentscheid ist zunächst verbindlich für alle in der Bundesrepublik bei unterschiedlichen Gerichten anhängigen Klagen um den Medienfonds VIP 4 geklärt, dass der Prospekt teilweise unrichtig, unvollständig und irreführend ist. Ebenfalls ist die Prospektverantwortung der Musterbeklagten geklärt. Sie haben schuldhaft gehandelt. Für Anleger ist dies ein großer Schritt in Richtung „Zuspruch eines Schadenersatzanspruchs“. Darüber muss nun im jeweiligen Einzelfall befunden werden.

1.8

Zur Frage von Prospekthaftungsan - sprüchen bei Vermittlung von LehmanZertifikaten (OLG München, Urt. v. 22.05.2012, 5 U 1725/11)

Sachverhalt Eine Anlegerin hatte im November 2006 LehmanZertifikate erworben, die inzwischen weitgehend wertlos sind. Dem Erwerb war ein seinem Inhalt nach streitiges Gespräch vorausgegangen, welches ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens mit der Anlegerin geführt hatte. Die Anlegerin brachte vor, es sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Sie behauptete diverse Beratungsmängel und fehlerhafte Produktunterlagen. Eine schriftliche Produktbeschreibung wertete sie als Prospekt, für dessen Inhalt sie neben dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch die Prospektherausgeberin in Anspruch nimmt. Entscheidung Das OLG München bejaht sowohl das Zustandekommen eines Beratungsvertrages als auch dessen Verletzung, weil die der Anlegerin mittels Emissionsunterlagen erteilten Informationen in einem für die Anlageentscheidung wesentlichen und daher aufklärungs- und prospektpflichtigen Punkt vom wahren Sachverhalt zum Nachteil des Anlegers abweichen. Der Anlageberater ist für eine solche Fehlinformation mit verantwortlich. Wird in einer schriftlichen Produktbeschreibung fälschlicherweise behauptet, hinter einem garantierten Finanzprodukt stehe die US-amerikanische Investmentbank als Garant und handelt es sich nur um eine Tochtergesellschaft dieser Investmentbank, die über keinen Bankenstatus verfügt, handelt es sich sowohl um einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand als auch um einen unzutref-

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fenden Hinweis, der - wenn er nicht richtiggestellt wird - Haftungsfolgen nach sich zieht. Der Schadenersatzanspruch war auch nicht verjährt. Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne wegen fehlerhafter Prospektangaben verjähren in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in dem der Anleger von dem Prospektfehler Kenntnis erlangt hat, spätestens aber drei Jahre nach Abschluss des Beitrittsvertrages. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist ist hierbei nicht das Datum der Zeichnungserklärung, sondern der Zeitpunkt des Zustandekommens eines bindenden Vertrages. Nachdem kein Verzicht der Anlegerin auf eine Annahmeerklärung erklärt wurde, kannte die Anlegerin das Zustandekommen eines WertpapierKaufvertrages frühestens mit Unterrichtung über die Annahme des Zeichnungsangebotes. Die Klage war vor Ablauf des

für die Verjährung maßgeblichen 3-Jahreszeitraums eingereicht worden. Fazit In inzwischen mehreren Entscheidungen hat der BGH Klagen von Anlegern, die über ihre Bank Lehman-Zertifikate erworben haben und von ihrer Bank Schadenersatz forderten, abgewiesen. Maßgeblicher Gesichtspunkt war in diesen Entscheidungen regelmäßig, dass beim Verkauf von Indexzertifikaten im Wege des Eigengeschäfts keine Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über ihre Gewinnspanne besteht. Die Haftung eines Anlagevermittlers und erst recht die eines Anlageberaters können aber unter dem Gesichtspunkt fehlerhafter Produktinformationsunterlagen in Betracht kommen. Bildquelle: © vege - Fotolia.com

2.

Rechtsprechung zu Kick-Backs und Rückvergütungen

2.1

Neues zu Kick-Backs und verspäteter Prospektübergabe (BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10)

Sachverhalt Ein Anleger, der sich über seine Bank an einem Medienfonds beteiligt hatte, fühlte sich schlecht beraten und begehrte die Rückabwicklung der Beteiligung, weitergehenden Schaden (entgangenen Gewinn und vorgerichtliche Anwaltskosten) sowie noch zusätzliche Feststellungen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligung. Die in Anspruch genommene Bank hatte dem Anleger ein Jahr zuvor eine andere Medienfondsbeteiligung empfohlen. Damals hatte sie auf die Tatsache hingewiesen, dass sie für die Einwerbung von Anlegergeldern an der Eigenkapitalvermittlungsvergütung partizipiert. Sie hatte auch die genaue Höhe der Vergütung offengelegt. Bei der zweiten Beteiligung unterzeichnete 14

der Anleger einen Vermögensanlagebogen. Darin erklärte er sich einverstanden, dass der Bank im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile durch Dritte gewährt werden. Der Prospekt wurde erst am Zeichnungstag übergeben. Er enthielt keinen Hinweis darauf, dass die vermittelnde Bank an Provisionen partizipiert. Entscheidung Der BGH gibt zunächst einen Überblick über seine eigenen Rechtsprechungsgrundsätze der letzten Jahre. Bei nicht offengelegten Provisionen handele es sich um Rückvergütungen. Über Rückvergü-


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

tungen müsse aufgeklärt werden. Eine Aufklärung könne mittels Prospektes erfolgen, wenn der Prospekt rechtzeitig übergeben werde und im Prospekt die vermittelnde Bank als Provisionsempfängerin genannt ist und die Höhe der von der Bank zu beanspruchenden Vergütung genannt ist. Eine Prospektübergabe am Tag der Zeichnung ist zu spät. Wenn im Prospekt kein entsprechender Hinweis zu finden sei, sei die Offenlegung des Interessenkonfliktes auf anderem Weg geschuldet. Der Hinweis im Vermögensanlagebogen reiche nicht aus, denn ein Wertpapiergeschäft und der Erwerb einer Fondsbeteiligung seien zweierlei. Eine Pflichtverletzung war deshalb zu bejahen. Für den Anleger spricht die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dies führe zu einer Beweislastumkehr. Die sich verteidigende Bank müsse also darlegen und beweisen, dass auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Beteiligung gezeichnet worden wäre. An dieser Stelle entwickelt der BGH dann die bisherigen Grundsätze weiter. Die Beweislastumkehr greife bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein. Es komme nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte und er sich nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Das Abstellen auf einen fehlenden Entscheidungskonflikt sei mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren. Gerade wenn sich für den Kapitalanleger mehrere Handlungsalternativen stellen würden, ist dessen Aufklärung und Beratung von besonderer Wichtigkeit, um seine Entscheidungsfreiheit zu wahren.

hatte, dass an die Darlegungs- und Beweislast eines Geschädigten, der entgangenen Gewinn geltend macht, hohe Anforderungen zu stellen sind, legte er die Messlatte nunmehr wieder zumindest etwas tiefer. Eingesetztes Eigenkapital bleibe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt, sondern werde zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt. Ein Zinssatz von 2 % p.a. als entgangenem Gewinn sei deshalb angemessen. Zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes könne der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen. Fazit Die BGH-Entscheidung ist eine Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu KickBacks und zur Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Man muss nun kein Prophet sein, um den Ausblick zu wagen, wie sich die Banken, die auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, künftig verteidigen werden. Schon heute wird häufig der Zeugenbeweis oder die Parteivernehmung des Anlegers beantragt. Diesen Beweisantrag werden die Tatsachengerichte fortan nachzugehen haben. Erfreulich ist, dass der XI. Zivilsenat seine im Urteil vom 24.04.2012 getroffene Entscheidung wieder ein wenig revidiert hat. Sie stand auch im Widerspruch zur Entscheidung des II. Zivilsenats vom 23.04.2012. Dem Geschädigten bleibt es unbenommen, seinen konkreten Schaden geltend zu machen. Dann muss er allerdings darlegen und ggf. beweisen, welche Anlage er erworben hätte und welchen Gewinn er aus dieser Anlage erzielt hätte.

Den Entlastungsbeweis könne die in Anspruch genommene Bank auch dadurch führen, dass sie sich auf die Aussage des Anlegers selbst beruft. Dieser ist dann als Partei oder - wenn er zuvor die Beteiligung abgetreten haben sollte - als Zeuge zu vernehmen. Im konkreten Fall sah der BGH ein Indiz darin, dass der Anleger ein Jahr zuvor eine Medienfondsbeteiligung erworben hätte und damals wusste, in welcher Höhe seine Bank an den Provisionen partizipierte. Der BGH hob deshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts, welches der Klage weitestgehend stattgegeben hatte, auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Interessant und für die Praxis wichtig ist noch ein weiterer Hinweis des XI. Zivilsenats: Nachdem er genau zwei Wochen vor diesem Urteil entschieden

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2.2

Zur Frage der Aufklärungspflicht eines selbstständigen Unternehmens der „Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt über Provisionen aufzuklären (BGH, Urt. v. 19.07.2012, III ZR 308/11)

Sachverhalt Eine Anlegerin beteiligte sich im Dezember 2003 an einem Medienfonds. Vermittelt hatte diesen eine Vertriebsgesellschaft, die zur Finanzgruppe einer Sparkasse gehörte, aber ein rechtlich selbstständiges Unternehmen war. Für diese Vertriebsgesellschaft war ein freier Handelsvertreter tätig. Zwischen den Parteien ist streitig, wer auf wen zugekommen ist. Unstreitig hat die Anlegerin eine Agio-Erstattung von 3 % auf das 5 %-ige Agio erhalten sollen. Über die Frage der Höhe von Provisionszahlungen, die die Vertriebsgesellschaft für die Vermittlung der Anlage erhielt, wurde nicht gesprochen. Die Anlegerin forderte Schadenersatz und stützte ihren Anspruch u.a. auf die mangelnde Aufklärung über die von der Vertriebsgesellschaft vereinnahmte Provision. Entscheidung Der BGH führte zunächst aus, dass er im Rahmen des Revisionsverfahrens (nur noch) über den Vorwurf der unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung über die Provisionsoffenlegung zu befinden habe. Soweit ein behaupteter Pflichtverstoß von anderen Pflichtverstößen eindeutig abgegrenzt werden kann, kann er auch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht selbstständig beurteilt werden.

diesem Fall sowohl die Provisionsvergütung des Beraters als auch der damit möglicherweise verbundene Interessenkonflikt bewusst. Gleich betonte das Gericht, dass bezüglich der Aufklärungsbedürftigkeit eines Anlegers dahingehend differenziert werden müsse, ob die Beratung durch die (Haus-)Bank erfolgt oder durch einen freien und nicht an eine Bank gebundenen Anlageberater. Im konkreten Fall hatte die Anlegerin sogar über das Agio verhandelt und eine Rückerstattung von 60 % vereinbaren können. Der Anlegerin wäre es unschwer möglich gewesen, die konkrete Höhe der Provision vom Anlageberater zu erfragen. Vom (freien) Anlageberater kann nicht verlangt werden, dass er seine Kunden ohne Anlass oder Nachfrage über die Höhe ggf. sämtlicher Provisionen für die Vermittlung der in seinem Beratungsprogramm enthaltenen Anlagen aufklärt. Fazit Der III. Zivilsenat des BGH setzt damit seine eigene Rechtsprechung, insbesondere die Urteile vom 15.04.2012 (III ZR 196/09), vom 03.03.2011 (XI ZR 170/10) und vom 10.11.2011 (III ZR 245/10) fort.

Der III. Zivilsenat verwies auf seine Rechtsprechung, nach der ein freier und nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet ist, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären (sc. jedenfalls wenn eine bestimmte Provisionshöhe nicht überschritten wird; Anm. des Verfassers). Da ein Anlageberater mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, könne berechtigterweise nicht angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt. Regelmäßig sind die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und einem freien Anlageberater nicht in eine dauerhafte Geschäftsbeziehung eingebettet. Sind Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung deshalb offen ausgewiesen, besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf, dass der Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält. Einem Anleger sind in Bildquelle: © Felix Vogel - Fotolia.com

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2.3

Keine Aufklärungspflichten einer Bank bei Festpreisgeschäften (BGH, Urt. v. 26.06.2012, XI ZR 259/11, XI ZR 316/11, XI ZR 355/10 und XI ZR 356/10)

Sachverhalt In den vier vom BGH am 26.06.2012 entschiedenen Verfahren ging es erneut um Schadenersatzklagen von Anlegern, die Zertifikate von Lehman-Brothers in unterschiedlicher Höhe erworben hatten. Die Schadenersatzklage richtete sich jeweils gegen dieselbe Bank. Die Anleger erwarben im Februar 2007 die Zertifikate. Mit der Insolvenz der Emittentin im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos. In allen Fällen erhielt die in Anspruch genommene Bank von der Emittentin eine Vertriebsprovision von 3,5 %, die sie den Anlegern nicht offenbarte. Entscheidung Die Vorinstanzen hatten den jeweiligen Klagebegehren überwiegend stattgegeben. Sie hatten angenommen, dass es hierbei keine Rolle spiele, ob die Bank die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäftes oder eines Kommissionsgeschäftes angeboten habe. Bei einem Kommissionsgeschäft folge die Pflichtverletzung der Bank auf der Grundlage der Rechtsprechung, die fordert, über Rückvergütungen aufzuklären. Beim Festpreisgeschäft hätte die Bank auf ihre Verkäuferstellung und einen daraus folgenden Interessenkonflikt hinweisen müssen. Der BGH folgte diesen Begründungen nicht. Bei Festpreisgeschäften (Eigengeschäften) müsse eine Bank weder über ihre Gewinnmarge noch über den Umstand, dass es sich um ein Eigengeschäft handelt, aufklären. Bei einem Kommissionsgeschäft bestehe keine Aufklärungspflicht über eine allein von der Emittentin an die Bank gezahlte Vergütung. Es fehle an dem Umstand, dass Vertriebsprovisionen offen ausgewiesen seien und aus diesen offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen eine Rückvergütung erfolge. Offen blieb die Frage, ob eine Aufklärungspflicht einer Bank besteht, wenn der Kunde eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag an die Bank bezahlt und die Bank zusätzlich eine Vergütung von der Emittentin erhält. Weil die Anleger jeweils noch weitere Pflichtverletzungen behauptet hatten, über die die Vorinstanzen nicht entschieden hatten, wurden die den Klagen stattgebenden Berufungsurteile aufgehoben. Die Verfahren wurden zum Zwecke der weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanzen zurückverwiesen.

Fazit Der BGH bestätigt im Hinblick auf die Grundsätze bei einem Festpreisgeschäft seine Entscheidungen vom 27.09.2011. Bei Kommissionsgeschäften, bei denen der Kunde die Bank nicht extra bezahlt, muss eine Bank auch nicht über die Vergütung, die sie vom Emittenten erhält, aufklären. Es können sich aber in allen Fällen Schadenersatzansprüche ergeben, wenn der Kunde nicht anlage- oder anlegergerecht beraten worden sein sollte. Über solche individuellen Beratungspflichtverletzungen war in den Vorinstanzen nicht entschieden worden.

2.4

Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde einer Bank, die wegen Kick-Backs zum Schadenersatz ver- urteilt wurde, zurück (BVerfG, Beschl. v. 08.12.2011, 1 BvR 2514/11)

Sachverhalt Ein Kreditinstitut war vom OLG Celle zur Leistung von Schadenersatz verurteilt worden, weil die Bank gegenüber einem Anleger, dem sie Fondsbeteiligungen vermittelt hatte, verschwieg, dass sie sich wegen an sie geflossener Rückvergütungen in einem Interessenkonflikt befunden hat. Der BGH hatte die gegen die OLG-Entscheidung erhobene Revision zurückgewiesen. Die Bank erhob Verfassungsbeschwerde und rügte die Verletzung ihrer Rechte aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der Berufsausübungsfreiheit, ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter und wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde durch einstimmigen Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen. Entscheidung Das Gericht verneinte eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, aber auch zugleich die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde. Eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit ist zu verneinen. Das Kick-Back-Urteil des BGH vom 19.12.2006 (XI ZR 56/05) enthalte keine Rechtsprechungsänderung, die unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes bedenklich sein könnte. Es gab zuvor keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die der neuen Entscheidung entgegenstünde. Der BGH habe vielmehr eine bereits angelegte Rechtsprechungslinie fortgeführt. Schon in den Jahren 1989 und 1990 habe der BGH in zwei Entscheidungen bei Warentermingeschäften verheimlichte Kick-Back-Vereinbarungen zwischen 17


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Anlagevermittler und Broker zu Lasten des Anlegers missbilligt und den Vermittler zur Herausgabe der Rückvergütungen an den Anleger für verpflichtet gehalten. Das Bundesverfassungsgericht verweist des Weiteren auf das BGH-Urteil vom 19.12.2000 (XI ZR 349/99). Damals hatte der BGH entschieden, dass eine Bank gegenüber ihrem Kunden offenzulegen hat, wenn sie mit dessen Vermögensverwalter vereinbart, diesen an den von ihr vereinnahmten Provisionen und Depotgebühren des Kunden zu beteiligen. Des Weiteren ist der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass zwischen der Aufklärungspflicht eines Bankberaters und eines freien Anlageberaters differenziert wird. Das Abstellen auf die typischerweise bestehende Erwartungshaltung eines Anlegers ist im Rahmen der Festlegung von Aufklärungspflichten folgerichtig. Die Handhabung der Beweislastgrundsätze zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist von Verfassungswegen ebenfalls nicht zu beanstanden. Der BGH musste des Weiteren nicht den großen Senat für Zivilsachen anrufen, weil der III. Zivilsenat (für freie Anlageberater) und der XI. Zivilsenat (für Bankberater) unterschiedliche Grundsätze zur Aufklärungspflicht von Rückvergütungen aufgestellt haben. Auch der III. Zivilsenat des BGH hält beratende Banken für verpflichtet, über Rückvergütungen aufzuklären. Im Übrigen kommt es nicht

darauf an, ob Rückvergütungen aus dem Agio oder aus anderen offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen geflossen sind. Am Ende seines Beschlusses geht das Bundesverfassungsgericht sodann noch kurz darauf ein, dass der Anspruch der Bank auf Verletzung rechtlichen Gehörs nicht verletzt ist. Fazit Die Bank wollte nichts unversucht lassen, um sich der drohenden Zahlungspflicht zu entziehen. Hierbei dürfte durchaus eine Rolle gespielt haben, dass sowohl auf die Bank, die diese Beteiligung anbot, als auch auf andere geschlossene Fondsbeteiligung empfehlende Banken eine Prozesslawine rollt und sie Gefahr läuft, in Tausenden von Fällen verurteilt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht greift in seinem Beschluss viele der in den jüngeren BGHEntscheidungen zusammengetragenen Gesichtspunkte erneut auf. Sie können mithin als gefestigt angesehen werden.

2.5

Rentabilität einer Fondsbeteiligung und Interessenkonflikt durch Rückvergü- tung sind „zwei Paar Schuhe“ (OLG Celle, Urt. v. 28.12.2011, 3 U 173/11)

Sachverhalt Ein Anleger nimmt eine Sparkasse, die ihm 1994 den Erwerb der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds erworben hat, auf Schadenersatz wegen Verschweigung von Rückvergütungen in Anspruch. Das Besondere im konkreten Fall war, dass der Anleger schon im Jahr 2001 die ihn beratende Sparkasse auf Schadenersatz in Anspruch genommen hatte. Damals warf der Anleger der Sparkasse vor, sie habe ihn nicht über die Rentabilität der Fondsbeteiligung und die negativen Folgen einer teilweisen Darlehensfinanzierung des Anlagebetrags aufgeklärt. Diese Klage wurde - rechtskräftig - abgewiesen. Der Kläger wurde seinerzeit durch dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten, die auch jetzt für den Anleger den Schadenersatzanspruch mit der Begründung geltend machten, die Sparkasse habe Rückvergütungen erhalten und den Interessenkonflikt, der durch den Erhalt der Rückvergütungen begründet war, nicht offengelegt. Entscheidung Anders als die Vorinstanz bejahte das OLG Celle die Zulässigkeit auch der zweiten Klage. Der Streitgegenstand sei ein anderer. Bei der Frage der unzureichenden Aufklärung über die Rentabilität der

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Fondsbeteiligung einerseits und über an die beratende Bank fließende Rückvergütungen andererseits handele es sich um unterschiedliche Aspekte, auch wenn sie im Zusammenhang mit ein- und demselben Beratungsgespräch stehen. Durch die frühere Klage ist deshalb noch kein Klageverbrauch hinsichtlich eines anderen Aufklärungsfehlers eingetreten.

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Dem vom Anleger geltend gemachten Schadenersatzanspruch wurde sodann auch in der Sache stattgegeben. Die Bank ist ihrer Verpflichtung zur Offenlegung von Rückvergütungen nicht nachgekommen. Eine solche Aufklärung ist notwendig, um dem Kunden den Interessenkonflikt der Bank offenzulegen. Nur bei Kenntnis über das Umsatzinteresse der Bank kann der Kunde selbst einschätzen, ob die Bank wegen der mit den Rückvergütungen verbundenen Vertriebsanreize eine Empfehlung abgibt, die nicht allein nach den Kriterien der anleger- und objektgerechten Beratung im Kundeninteresse erfolgt, sondern auch im eigenen Interesse, eine möglichst hohe Rückvergütung zu erhalten.

wissen müssen, dass eine Bank, die eine Fondsbeteiligung vermittelt, eine Provision erhält. Schließlich habe der BGH ja geurteilt, von einer beratenden Bank hätte bereits Anfang der 90er Jahre erwartet werden dürfen, dass sie ihre Kunden beim Erwerb von Fondsbeteiligungen über die ihr zufließenden Rückvergütungen aufklären musste. Ein Rechtsanwalt, der im Jahr 2001 für seinen Mandanten einen Prospekt durchsieht, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen, hätte diese Kenntnis entweder haben müssen oder hätte zumindest grob fahrlässig gehandelt, wenn er keine Kenntnis gehabt hätte. Das OLG Celle ging dieser Frage nicht näher nach, denn eine Zurechnung fremden Wissens komme nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 166 BGB in Betracht, also nur, wenn bei Abgabe von Willenserklärungen bestimmte Kenntnisse des Vertretenen vorhanden sind. Die Prozessbevollmächtigten des Anlegers hatten im Jahr 2001 jedoch keine Willenserklärungen gem. § 166 BGB abgegeben. Fazit Die Frage der Rentabilität einer Fondsbeteiligung und die Frage eines Interessenkonflikts wegen nicht offengelegter Rückvergütungen sind „zwei Paar Schuhe“. Auch im Hinblick auf die Einrede der Verjährung gilt des Weiteren, dass sich ein Anleger die Kenntnis seiner Prozessbevollmächtigten nur in Ausnahmefällen zurechnen lassen muss, nämlich wenn diese für ihn Willenserklärungen innerhalb der ihnen zustehenden Vertretungsmacht abgeben.

Es war nicht ausreichend, dass im Prospekt der Hinweis enthalten war, dass ein Vertriebspartner beauftragt sei, gegen Zahlung einer Provision Anleger einzuwerben. Die Sparkasse war als Untervertriebspartner nicht genannt. Erst Recht ließ sich dem Prospekt nicht entnehmen, in welcher Höhe der Sparkasse eine Provision zufließen sollte und zugeflossen ist. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, auf welchem Weg die Provision bezahlt wird und die Bank daran partizipiert. Die Provision muss nicht über die Bank an die Fondsgesellschaft bezahlt werden und von der Fondsgesellschaft an die Bank zurückfließen. Entscheidend kommt es darauf an, dass die Vergütung ohne Kenntnis des Erwerbers an eine anlageberatende Bank bezahlt wird. Sodann setzte sich das OLG Celle mit dem Einwand auseinander, ob die Prozessbevollmächtigten des Anlegers nicht bereits 2001 wussten oder hätten Bildquelle: © Bambory - Fotolia.com

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2.6

Bankenhaftung wegen nicht offen gelegter Rückvergütung (VIP Medienfonds 4) (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.12.2011, 9 U 112/09)

Sachverhalt Auf Empfehlung einer Bank hatte sich eine Anlegerin mit 50.000,00 € zzgl. 5 % Agio an der VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG beteiligt. Die zu leistende Einlage war teilweise fremdfinanziert. Die Anlegerin forderte - im Wesentlichen unter Berufung auf nicht offengelegte Kick-Backs - die Rückzahlung der Einlage, soweit sie aus Mitteln der Anlegerin erbracht wurde, Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten, entgangenen Gewinn und Freistellung von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus der Beteiligung.

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Entscheidung Das OLG Frankfurt bejahte eine Pflichtverletzung, weil die beratende Bank nicht über die von ihr vereinnahmten Vergütungen aufgeklärt hat. Es war nicht ausreichend, dass der Prospekt zum VIP 4 einen Hinweis auf Vertriebsprovisionen enthielt. Selbst der Ausweis, dass der Provisionsempfänger Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung „auf Dritte“ übertragen konnte, war nicht ausreichend. Das Gericht sah es als erforderlich an, dass eine eine solche Beteiligung empfehlende Bank namentlich als Provisionsempfängerin genannt wird. Des Weiteren ist die Angabe zur genauen Höhe der an die beratende Bank fließenden Zahlungen anzugeben. Auf den konkreten Zahlungsfluss kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist, ob ein direkt oder über die Bank gezahlter Betrag, der aus Sicht des Anlegers an die Fondsgesellschaft zu leisten ist, anschließend hinter seinem Rücken der Bank wieder zufließt. Die Nichtursächlichkeit einer Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung muss der Aufklärungspflichtige beweisen. Der Umstand, dass ein Anleger 20

eine steueroptimierte Anlage wünschte, reicht nicht aus, um die für ihn streitende Vermutung zu widerlegen. Ein unvermeidbarer Rechtsirrtum lag ebenfalls nicht vor. Eine anlageberatende Bank kann sich jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Ebenso wenig kann sich die Bank darauf berufen, eine Verurteilung zum Schadenersatz Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung ist deshalb unzureichend, weil die in diesem Fall geschuldete Übertragung des Anteils von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, insbesondere der Zustimmung der Treuhänderin und der Komplementärin. Besteht eine Kapitalanlage in der Position als Treuhandkommanditist, genügt es, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug-umZug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Treuhandvertrag anbietet. Fazit Das OLG Frankfurt hat sich auch in dieser Entscheidung noch einmal mit allen denkbaren Einwendungen einer Bank, die wegen verschwiegener Rückvergütungen auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, auseinandergesetzt (keine Pflichtverletzung, Hinweis auf Provisionszahlungen im Prospekt, keine Kausalität, kein Verschulden, Schadensminderungspflicht eines Geschädigten, Vorteilsausgleichung). Die Einwendungen wurden allesamt als solche angesehen, die eine Schadenersatzpflicht nicht zu verneinen vermögen bzw. die neben der Sache liegen.

2.7

Und noch einmal: Zur Aufklärungs- pflicht über Rückvergütungen beim geschlossenen Immobilienfonds (BGH, Urt. v. 11.09.2012, XI ZR 363/10)

Sachverhalt Eine Anlegerin machte - in der Revisionsinstanz nur noch gegen die sie beratende Bank - Ansprüche wegen Verletzung eines Beratungsvertrages im Zusammenhang mit der Empfehlung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend. Neben ihrer Beitrittserklärung unterzeichnete die Anlegerin einen Darlehensvertrag und übernahm anteilig - ein bereits aufgenommenes Darlehen. Infolge ausbleibender Mietzahlungen kam die Fondsgesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Fondsobjekte wurden mit Verlust veräußert. Die


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Anlegerin machte u.a. Prospektfehler wegen nicht ausreichender Information über das Totalausfallrisiko, die Kommanditistenhaftung und den Interessenkonflikt der Bank wegen an sie bezahlter Rückvergütungen geltend. Entscheidung Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zu geringer Aufklärung über die Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB und das Totalverlustrisiko sah das Gericht nicht. Auf das Totalverlustrisiko bei einem Immobilienfonds müsse grundsätzlich nicht gesondert hingewiesen werden. Anderes gelte bei besonderen gefahrerhöhenden Umständen, die aber nicht vorlägen. Die in Anspruch genommene Bank habe aber über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen nicht aufgeklärt. Sodann wird noch einmal definiert, was der BGH unter aufklärungspflichtigen Rückvergütungen versteht: Solche sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbar wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen.

Um aufklärungspflichtige Rückvergütungen handelt es sich also auch dann, wenn diese nicht aus einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren bezahlt werden, sondern sie aus sonstigen offen ausgewiesenen Vertriebskosten fließen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Zahlung des Anlegers „über die Bank“ oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt. Da das Berufungsgericht, welches die Klage der Anlegerin abgewiesen hatte, keine Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB getroffen hat, wurde das die Klage abweisende Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Fazit Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs differenziert zwischen dem bankengebundenen und dem bankenungebundenen (freien) Anlageberater. Erstere sind - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen - Aufklärungspflichten, was den Umstand, dass eine Provision bezahlt wird, und deren Höhe anbelangt. Letztere waren - jedenfalls bis Ende 2012 - grundsätzlich nicht aufklärungspflichtig, soweit bestimmte Provisionssätze nicht überschritten waren (bisher von der Rechtsprechung bei 15 % Innenprovision angesehen). Ab 01.01.2013 hat eine neue Zeitrechnung begonnen. Nunmehr müssen alle Finanzdienstleister, die Fondsbeteiligungen vermitteln, ihre Zuwendungen offenbaren.

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

3.

Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- und Informationspflichten

3.1

Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters (BGH, Urt. v. 01.12.2011, III ZR 56/11)

Sachverhalt Zwei Anleger nehmen ihren Anlageberater auf Schadenersatz in Anspruch, nachdem sie auf dessen Empfehlung hin zwei Beteiligungen als atypisch stille Gesellschafter einer Aktiengesellschaft übernommen hatten. Sie warfen dem Anlageberater vor, keine genügende Plausibilitätsprüfung vorgenommen zu haben, die Risiken der Anlage verschwiegen oder verharmlost zu haben und eine Information über eine Gesetzesänderung (es ging um die 6. KWG-Novelle) sowie die damit für die atypisch stillen Beteiligungen verbundenen Risiken unterlassen zu haben. Entscheidung Zunächst nimmt der BGH einmal mehr zum unterschiedlichen Pflichtenkreis eines Anlageberaters im Vergleich zum Anlagevermittler Stellung. Ein Anlagevermittler schuldet dem Interessenten eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Ein Anlagevermittler muss das Anlagekonzept wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Vertreibt ein Vermittler die Anlage anhand eines Prospektes, muss er, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und die darin enthaltenen Informationen sachlich vollständig und richtig sind. Der dabei entstehende Aufwand darf einen Vermittler allerdings nicht übergebühr belasten. Er muss ihm zumutbar sein. Der Anlageberater muss eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischen Sachverstand prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen. Ein Berater, der sich in Bezug auf die von ihm angebotene Beteiligungsmöglichkeit als kompetent geriert, hat sich auch aktuelle Informationen über das Objekt, welches er empfehlen will, zu verschaffen. Dazu gehört die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Nach diesem Vorspann führte das Gericht aus, dass der in Anspruch genommene Berater bei Empfehlung der streitgegenständlichen Beteiligungen 22

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diesen Pflichtenkreis nicht verletzt hat. Jedenfalls konnten die Anleger keine Pflichtverletzungen substantiiert beweisen. Durch die 6. KWG-Novelle habe zwar die Gefahr bestanden, dass die Aufsichtsbehörde eine ratierliche Auszahlung eines späteren Auseinandersetzungsguthabens der Anleger als ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ansehen könnte. Ein Emittent ist deshalb gehalten, die Anlageinteressenten darauf hinzuweisen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung rechtliche Bedenken gegen die ratierliche Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bestehen könnten. Eine entsprechende Aufklärungs- und Haftungspflicht eines Anlageberaters ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht ohne weiteres gegeben. Für den Anlageberater gelten zwar hohe Maßstäbe, allerdings nicht dieselben wie für die Anlagegesellschaft. Zu aufklärungspflichtigen Umständen eines Anlageberaters können auch Gesetzesänderungen gehören, sofern sie für die empfohlene Kapitalanlage erhebliche Auswirkungen haben können. Ein Anlageberater muss allerdings - anders als die Anlagegesellschaft


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

- nicht ohne besondere Anhaltspunkte Rechtsfragen, die schwierig zu bewerten und ungeklärt sind und die sich infolge einer Gesetzesänderung ergeben können, nachgehen. Die Anleger konnten nicht nachweisen, dass ihr Berater über die mögliche Problematik der Gesetzesänderung schon aus der Wirtschaftspresse erfahren hätte oder jedenfalls hätte erfahren müssen. Da der Anlageberater im konkreten Fall zu entsprechenden Nachforschungen nicht verpflichtet war, konnten die Anleger auch nicht erwarten, dass der Anlageberater sie über die nicht erfolgte Überprüfung hätte informieren müssen. Fazit Der Pflichtenkreis eines Anlageberaters ist weitreichend und die Anforderungen werden immer weiter in die Höhe geschraubt. Der BGH stellt allerdings klar, dass ein Berater nicht gehalten ist, schwierige Rechtsfragen durch Einholung eines Rechtsgutachtens abzuklären. Dies würde den Bogen überspannen.

3.2

Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm bekanntes strafrechtliches Ermittlungs- verfahren aufklären (BGH, Urt. v. 10.11.2011, III ZR 81/11)

der Fondsverantwortlichen wichtig sind oder sein können. Dazu kann auch das Wissen um ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Fondsverantwortliche gehören. Bei von vornherein erkennbar substanzlosen Vorwürfen mag zwar eine Aufklärungspflicht zu verneinen sein, nicht jedoch, wenn ein über bloße Vermutungen hinausreichender und auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter Verdacht besteht. Mögliche datenschutzrechtliche Gründe treten in einem solchen Fall stets zurück. Fazit Schon ein konkreter Anfangsverdacht kann einen durchschnittlich vorsichtigen Interessenten davon abhalten, sein Vertrauen der oder den Personen entgegenzubringen, gegen die sich ein solcher Verdacht richtet. Menschlich mag es durchaus nachvollziehbar sein, wenn sich der in Anspruch genommene Anlageberater auf Gründe des Datenschutzes berufen wollte und der Ansicht war, bei Vornahme einer Güteabwägung wäre dem Persönlichkeitsrecht derer, gegen die sich die Ermittlungen richteten, Vorrang einzuräumen gewesen. Dies entspreche den Grundsätzen zur sog. Verdachtsberichterstattung. Der BGH stellte den Anlegerschutz über diese Erwägungen. Er folgte damit der Entscheidung des Berufungsgerichts und eigentlich muss man sich wundern, dass die Klage in erster Instanz noch keinen Erfolg hatte.

Sachverhalt Ein Anleger hatte sich - mittelbar über einen Treuhänder - an einer Publikums-Personengesellschaft beteiligt. Wegen Verdachts diverser Verstöße gegen das Kreditwesengesetz waren schon geraume Zeit vor Erwerb der Beteiligung die Geschäftsräume der Komplementär-GmbH durchsucht worden, die auch Komplementär-GmbH früherer Gesellschaften war. Gegen den Geschäftsführer und Hauptgeschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie gegen die Geschäftsführerin und Hauptgesellschafterin der Treuhandgesellschaft und Mittelverwendungskontrolleurin liefen Ermittlungsverfahren. Dem in Anspruch genommenen Anlageberater war das Ermittlungsverfahren bekannt. Entscheidung Ein Anlageberater hat die Pflicht, seinen Kunden über alle Eigenschaften und Risiken richtig und vollständig zu informieren, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dies betrifft nicht nur Umstände, die sich auf das Anlageobjekt selbst beziehen, sondern auch solche die für die Seriosität und Zuverlässigkeit

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

3.3

Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insider-Informa- tionen (BGH, Urt. v. 13.12.2011, XI ZR 51/10)

Sachverhalt In diesem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Frage der Haftung der in Anspruch genommenen Bank, von der ein Privatanleger Aktien erworben hatte, deren Kurs nach Erwerb kräftig viel. Der Aktienkauf fand wenige Tage nach einer Presseerklärung statt, in der der Vorstandsvorsitzende der Bank - der Wahrheit zuwider - ein lediglich geringes Engagement der Bank auf dem Kapitalmarkt für strukturierte Forderungsportfolien behauptete.

Bank rechtzeitig darüber informiert hätte, wie stark sie auf dem Markt für strukturierte Forderungsportfolien engagiert war. Damit diese offene Frage geklärt werden konnte, verwies der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Fazit Da damit gerechnet werden kann, dass die bislang offene Frage bejaht wird, wird Schadenersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 37b WpHG zuzusprechen sein. Der BGH hat bereits in seinem Urteil zum Umfang eines Schadenersatzanspruches Stellung genommen. Entweder kann die Erstattung des Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren Rückgabe gefordert werden, alternativ aber auch die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei Erwerb der Aktien und deren fiktiven Kurs bei Veröffentlichung einer unverzüglichen ad-hoc-Mitteilung.

Einen Tag nach Aktienkauf schloss die Deutsche Bank AG gegenüber der in Anspruch genommenen Bank die Handelslinien im Interbankenverkehr. Andere Banken schlossen sich an. Im Ergebnis wurde ein Rettungsschirm zugunsten der Beklagten gespannt. Entscheidung Der BGH hob die die Klage abweisende Entscheidung der Vorinstanz auf. Zwar scheide eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 20a WpHG aus, weil das in § 20h WpHG geregelte Verbot der Marktmanipulation nicht dem Schutz einzelner Anleger dient, sondern der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts. Die Vorschrift ist deshalb kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Anders ist dies bei der Vorschrift des § 37b WpHG. Die Pflicht, unverzüglich Insiderinformationen zu veröffentlichen, anderenfalls Schadenersatz geschuldet wird, hat anlegerschützende Wirkung. Das Berufungsgericht hatte die Frage bislang offengelassen, ob die Aktien auch dann erworben worden wären, wenn die in Anspruch genommene

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3.4

Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesell- schaft bestehende Vertriebsvereinba- rung (BGH, Urt. v. 06.12.2012, III ZR 307/11)

Sachverhalt Ein Anleger nimmt wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung die Tochtergesellschaft einer Sparkasse in Anspruch. Diese Tochtergesellschaft wirbt mit einer sog. Imagebroschüre unter Verwendung des Firmenlogos der Sparkasse. Sie war Vertriebspartner für die Eigenkapitalvermittlung eines Medienfonds. Im Beratungsgespräch zwischen Anleger und Banktochter ging es auch um die Vergütung, die diese von der Fondsgesellschaft erhalten sollte. Der Anleger war davon ausgegangen, dass die Provisionszahlung an die Banktochter aus dem Agio in Höhe von 5 % der Zeichnungssumme gezahlt würde. Dazu war er nicht bereit. Mit dem Kundenberater einigte er sich darauf, dass die Hälfte des von ihm zu entrichtenden Agios wieder zurückfließt. Das Beru-


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

fungsgericht (OLG Hamm) hatte die Banktochter für schadenersatzpflichtig gehalten, weil sie nicht über eine Provision oder Rückvergütung aufgeklärt habe, die sie zusätzlich zum Agio erhalten habe. Entscheidung Der BGH verwies auf seine gefestigte Rechtsprechung, nach der ein freier und nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet ist, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe seiner Provision aufzuklären. Da der Anlageberater mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, könne berechtigterweise nicht angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt. Sind ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen, so ist es für den Anleger klar erkennbar, dass aus diesen Mitteln auch Vertriebsprovisionen bezahlt werden, an denen sein Anlageberater partizipiert. Ein selbstständiges Unternehmen einer Sparkasse, das als 100 %-ige Tochtergesellschaft der Bank hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln. Auch ergebe sich allein aus dem Umstand, dass sich die Parteien über den Rückfluss des hälftigen Agio-Betrages geeinigt hätten, kein hinreichender Anhalt für die Annahme, dass der Sparkassentochter im Erfolgsfall allenfalls eine Provision in

dieser Höhe zukommt. Ein Beratungsfehler ließ sich auch damit nicht begründen, dass der Anlageberater gehalten war, ausschließlich Informationsmaterialien der Fondsgesellschaft zu nutzen. Aus dieser internen Verpflichtung ergibt sich kein informationsbedürftiger Interessenkonflikt. Da das Berufungsgericht weitere vom Anleger geltend gemachte Aufklärungspflichtverletzungen und diesbezügliche Einwendungen nicht weiter geprüft hat, hob der BGH das Urteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück. Fazit Der BGH hält an seinen Grundsätzen, dass für Banken und freie, nicht bankgebundene Anlageberater bezüglich der Aufklärungspflichten über Provisionen unterschiedliche Anforderungen bestehen, fest. Er wiederholt in der Entscheidung des Weiteren die vom Anlageberater generell zu beachtenden Grundsätze. Die interne Vertriebsvereinbarung mit einer Fonds- oder Vertriebsgesellschaftet bedeutet nicht ohne weiteres einen aufklärungspflichtigen Interessenkonflikt bzw. eine Fehlerhaftigkeit der Beratung. Im Falle einer unrichtigen Anlageberatung haftet der Anlageberater unabhängig davon, ob er sich intern verpflichtet hat, nur die Informationsmaterialien der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zu benutzen. Dies könnte sein Verschulden nicht ausschließen.

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4.

Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird

Zur Darlegungslast bei der Verletzung von Beratungspflichten eines Kapitalanlageberatungsvertrages (OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.07.2012, 17 U 36/12) Sachverhalt Ein Zahnarzt im Ruhestand hatte auf Empfehlung des Anlageberaters seiner Hausbank, bei der er seit 2005 Kunde war, im April 2008 100 Lehman-Zertifikate zum Nennwert von je 1.000,00 € zzgl. 2 % Ausgabeaufschlag erworben. Der Auftrag wurde Anfang Mai 2008 abgerechnet. Über das Vermögen der Emittentin wurde im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die die Empfehlung aussprechende Bank hatte wiederholt ein Risikoprofil des Anlegers erstellt, zuletzt am Tag der Empfehlung der Lehman-Zertifikate.

Beratungsvertrages erfüllt. Ein zur Aufklärung Verpflichteter muss diese Informationen bei einem konkreten Beratungsbedarf erteilen. Er darf sie nicht als „Vorrats-Information“ unabhängig von einer konkreten Beratungssituation erteilen. Die Aushändigung schriftlicher Basisinformationen bei Eröffnung eines Wertpapierdepots macht es deshalb erforderlich, beim Erwerb von Wertpapieren noch einmal gesondert auf dieses schon zuvor ausgehändigte Papier hinzuweisen.

Der Zahnarzt trat seinen Anspruch ab. Der Zedent nimmt die Bank aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung der Anlagesumme in Anspruch. Entscheidung Das OLG Karlsruhe verneinte einen Schadenersatzanspruch wegen des streitigen Wertpapiergeschäfts. Es bestünde zwar eine Pflicht zur vollständigen Risikodarstellung eines empfohlenen Anlageprodukts. Hierzu gehört bei einem Zertifikat auch die Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko. Diese Pflicht besteht aber dann nicht mehr, wenn einem Anleger dieses Risiko aus seinem bisherigen Anlageverhalten geläufig war. Im konkreten Fall war es streitig, ob die Bank bei - unstreitig früheren Erwerben von Zertifikaten - über das Bonitätsrisiko des Emittenten aufgeklärt hat. Verbleiben trotz Beweisaufnahme Zweifel bezüglich eines solchen entscheidungserheblichen Umstandes, geht dies zu Lasten der darlegungsbelasteten Partei. Darlegungsbelastet ist der Anleger, soweit die Bank ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist. Zur Frage der Verletzung der konkreten Beratungspflicht gehört auch die Darlegung, dass insoweit ein Aufklärungsbedarf noch bestand. Das OLG Karlsruhe verneint die Richtigkeit des vom erstinstanzlichen Gericht aufgestellten Rechtssatzes, dass jeder neu abgeschlossene Beratungsvertrag eine neue selbstständige Beratungsverpflichtung begründet. Ist ein Anleger über ein allgemeines Anlagerisiko informiert, ist der Schutzzweck des 26

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Ein Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten von Lehman Brothers war im April 2008 noch nicht erforderlich. Lehman musste erstmals im Juni 2008 einen Quartalsverlust bekanntgeben. Eine Bank durfte sich deshalb im April 2008 auf positive Bewertungen der Standardagenturen verlassen. Aus den Veröffentlichungen der Wirtschaftspresse im April 2008 waren noch keine Negativnachrichten über eine sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Situation von Lehman bekannt, die einen Anlageberater verpflichtet hätten, konkrete Bedenken aufgrund aktueller Informationen gegenüber einem interessierten Anleger zu äußern. Da ein Festpreisgeschäft vorlag, musste auch nicht über die Gewinnspanne der Bank informiert werden.


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Fazit Im Rahmen der allgemeinen Regeln trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich früherer ordnungsgemäßer Aufklärungen ebenfalls der Anleger. Zur Darlegung der Verletzung der Beratungspflicht gehört auch der Umstand, dass insoweit noch ein Aufklärungsbedarf bestand. Ist eine Aufklärung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt und gibt es keine neueren aufklärungsbedürftigen Informationen (z.B. auf der Wirtschaftspresse), ist über Risiken, die einem Anleger bereits bekannt sind, nicht noch einmal aufzuklären.

5.

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Haftung aus unerlaubter Handlung

Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe einer unerlaubten Anlagevermittlung (BGH, Urt. v. 15.05.2012, VI ZR 166/11) Sachverhalt Eine GmbH betrieb ein Effekten- und Depotgeschäft. Sie vertrieb amerikanische Aktien und vermittelte sie an von ihr beratene Kunden. Über eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz verfügte sie nicht. Ein Anleger wurde von dieser GmbH beraten und erwarb aufgrund deren Empfehlung bestimmte Aktien. Mit seiner Klage begehrte er Schadenersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Haftungsadressat war der Vater des Gesellschaftsgründers. Dieser war in den Anfangsjahren Geschäftsführer und später Prokurist. Der Anleger warf ihm vor, den unerlaubten Geschäftsbetrieb nicht unterbunden zu haben. Entscheidung Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG gegeben ist, weil die GmbH ohne die erforderliche Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes eine erlaubnispflichtige Anlagevermittlung in Form der Nachweismakelei betrieben hat. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers. Die im Jahr 1998 bereits erlaubnispflichtige Anlagevermittlung ist von der damals noch erlaubnisfreien Anlageberatung abzugrenzen. Hierzu - so der BGH - seien aber noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden. Eine erlaubnispflichtige Tätigkeit unterstellt, trifft die Verantwortlichkeit zivilrechtlich den Betreiber. Strafrechtlich trifft die Verantwortlichkeit denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin den oder die Geschäftsführer. Das Berufungsgericht

hatte nicht festgestellt, ob der Sohn des Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer war. Täter gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. kann neben dem vertretungsberechtigten Organ einer juristischen Person auch derjenige sein, der für den Betrieb in leitender Funktion tätig ist oder mit weitreichenden Befugnissen beauftragt ist. Insoweit wäre auch eine Haftung als Gehilfe denkbar. Allerdings besteht keine Verpflichtung eines Prokuristen, den Geschäftsführer dahingehend zu kontrollieren, ob dieser die ihm nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG obliegenden Pflichten erfüllt hatte. Schließlich muss auch der Schutzzweck der verletzten Norm erfüllt sein. Da diese erforderlichen Feststellungen vom Berufungsgericht allesamt nicht getroffen worden waren, hob der BGH die der Klage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung zurück. Fazit Dieser sicherlich nicht alltägliche Fall zeigt, wie umfangreich und schwierig Prüfungen sind, die im Bereich des Strafrechts anzusiedeln sind. Dies beginnt bei den Tatbestandsvoraussetzungen (hier Abgrenzung einer erlaubnispflichtigen Nachweismakelei oder einer nicht erlaubnispflichtigen Anlageberatung), führt weiter zum Vorsatz und zur Frage eines möglichen Verbotsirrtums über die Gehilfenhaftung, die wiederum eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt. Last but not least geht es um die Frage, ob der geltend gemachte Schaden bei wertender Betrachtung nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. 27


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6.

Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter

6.1

Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch eine namensgleiche Einzelfirma (BGH, Urt. v. 05.07.2012, III ZR 116/11)

Sachverhalt (vereinfacht) Eine Anlegerin beteiligte sich als atypisch stille Gesellschafterin an einer AG. Sie leistete eine Einmalanlage und sollte des Weiteren monatliche Raten erbringen. Die Beteiligung hatte ein Anlageberater empfohlen. Es war strittig, ob dieser Anlageberater im eigenen Namen aufgetreten ist oder als Mitarbeiter einer Einzelfirma mit deren Vertretungsbefugnis. Neben der Einzelfirma wurde eine GmbH gegründet. Zwischen der Einzelfirma und der GmbH bestand Namensgleichheit. Die Anlegerin forderte von der GmbH Schadenersatz unter den Gesichtspunkten der Firmenfortführung der Einzelfirma und Rechtsscheingesichtspunkten. Der Anlageberater hatte Visitenkarten, die das Logo und den Namen der Einzelfirma trugen. Im Zeichnungsschein ist in der Rubrik „Vermittler“ die Einzelfirma angegeben. Der Anlageberater hatte in seiner Befragung als Zeuge des Weiteren angegeben, sowohl für die Einzelfirma als auch für die GmbH tätig gewesen zu sein. Entscheidung Der BGH hält eine Haftung der GmbH für denkbar. In Betracht kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sowie eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung. Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Rechtsverkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie die Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden. Unerheblich ist dabei die Hinzufügung oder Weglassung eines auf eine Gesellschaftsform deutenden Zusatzes. Der Anwendungsbereich für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung wird auch eröffnet, wenn eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme vorliegt, also zeitweilig Alt- und Neu-Unternehmen nebeneinander existieren. Hier sprachen zahlreiche Indizien für eine Firmenfortführung der Einzelfirma durch die GmbH. 28

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Das Betätigungsfeld beider Firmen war identisch, ferner die Firmierung, das Firmenlog, der Geschäftssitz, Telefon- und Telefaxnummer sowie auch die Selbstdarstellung der GmbH, die im Internet eine 20 Jahre zurückreichende Unternehmensgeschichte schilderte. Dies spricht für eine nach außen in Erscheinung getretene Unternehmenskontinuität. Dass in der Firma der Zusatz „GmbH“ geführt wurde, sah das Gericht insoweit als belanglos an. Sodann ging es noch um die Frage, ob der Anlageberater in eigenem Namen oder für die zum Zeitpunkt der Zeichnung existente Einzelfirma gehandelt hat. Aufgrund der Visitenkarte und der Angabe im Zeichnungsschein sowie auch der Einladung der Anlegerin zu einer Informationsveranstaltung der Einzelfirma lag es nahe, von einem Handeln des Beraters für die Einzelfirma auszugehen. In Betracht kommt ein Handeln als Vertretet sowohl unter den Gesichtspunkten der Duldungs- als auch der Anscheinsvollmacht. Des Weiteren hatte der Anlageberater als Zeuge ausgesagt, für beide Gesellschaften tätig gewesen zu sein (sowohl für die Einzelfirma als auch für die GmbH).


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Da noch Feststellungen tatsächlicher Art zu treffen waren, hob der BGH das die Klage abweisende Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Fazit Für die Frage, ob jemand im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten handelt, kommt es darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärungen und das Gesamtverhalten der handelnden Person verstehen und werten durfte. Entscheidend ist die objektivierte Empfängersicht. Diese Punkte sprachen für ein Handeln des Beraters als Bevollmächtigter der damals (nur) existenten Einzelfirma. Im konkreten Fall gab es auch zahlreiche Indizien dafür, dass die GmbH den wesentlichen Kern des Geschäftsfeldes der Einzelfirma übernommen hatte. Der Gründer der GmbH versuchte offensichtlich wieder einmal die Quadratur des Kreises. Einerseits wollte er die GmbH von Altlasten freihalten. Andererseits warb er mit einer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.

6.2

Zur Haftung eines Gründungsgesell- schafters für Fehlverhalten von Erfüllungsgehilfen (hier: Aufklärungs- pflichtverletzungen durch eingeschaltete Untervermittler) (BGH, Urt. v. 14.05.2012, II ZR 69/12)

Sachverhalt Eine Anlegerin nahm im Wege des Schadenersatzes den Gründungs- und Treuhandkommanditisten einer Kommanditgesellschaft auf Rückabwicklung einer KG-Beteiligung in Anspruch. Der Anleger war mittelbar beteiligt. Die Beteiligung zzgl. Agio wurde fremdfinanziert. Die Beteiligung wurde durch einen Untervermittler vermittelt. Nach den Angaben der Anlegerin wurde vom Untervermittler für die Beteiligung damit geworben, dass es sich um eine gute Rentenanlage, die totsicher eine gute Rendite erwirtschafte und keinerlei Risiken aufweise, geworben. Im Prospekt waren hingegen zahlreiche Risiken beschrieben. Entscheidung Ein Gründungsgesellschafter hat die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und den Anlageinteressenten über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufzuklären. Ein Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt

eines Vertriebs bedient, haftet über § 278 BGB für unrichtige oder unzureichende Angaben des Vertriebs. Dies gilt auch, wenn der Vertrieb seinerseits Untervermittler einschaltet. Ein Gründungsgesellschafter muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen. Grundsätzlich kann eine Aufklärung mittels eines vollständigen und fehlerfreien Prospektes erfolgen. Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies allerdings, kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert. Ein Schuldner haftet für Pflichtverletzungen eines Erfüllungsgehilfen auch dann, wenn der Erfüllungsgehilfe von Weisungen abweicht, solange sein Handeln noch im Zusammenhang mit den ihm übertragenen Aufgaben steht. Ein Verschulden von Untervermittlern ist schon dann zuzurechnen, wenn mit ihrem Einsatz gerechnet werden musste. Fazit Wir hatten schon früher darauf hingewiesen, dass auch ein einwandfreier Prospekt kein Vermittlerfreibrief ist und eine Haftung des Vermittlers nach sich zieht, wenn er von Prospektaussagen abweicht. Dererlei „Unwahrheiten“ muss sich auch der Gründungsgesellschafter zurechnen lassen, mit dessen Wissen und Wollen Vertriebe und Untervertriebe eingesetzt werden. Diese werden im Pflichtenkreis eines Gründungsgesellschafters tätig, weil dieser bekanntlich den später beitretenden Gesellschaftern ein zutreffendes Bild von einer Gesellschaftsbeteiligung vermitteln muss. Umso wichtiger ist es, bei der Auswahl derjenigen, die im eigenen Pflichtenkreis tätig sein sollen, auf Kompetenz und Redlichkeit zu achten.

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7.

Schadensumfang

7.1

Zu den Anforderungen, die an die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu stellen sind (BGH, Urt. v. 24.04.2012, XI ZR 360/11)

Sachverhalt Eine Anlegerin, die zuvor ihr Geld in Sparbüchern, Festgeldanlagen und Sparkassenbriefen angelegt hatte, zeichnete auf Empfehlung einer Sparkasse eine KG-Fondsbeteiligung. Sie nahm Jahre später die Sparkasse, die auch Gründungskommanditistin des Fonds war, wegen diverser Pflichtverletzungen in Anspruch. Sie begehrte u.a. die Erstattung entgangener Anlagezinsen in Höhe der damaligen Rendite von Sparbriefen oder Bundeswertpapieren. Deren Rendite gibt die Anlegerin mit 5,8 % p.a. bzw. 5,16 % p.a. an. Mindestens sei ihr aber ein Gewinn von 4 % p.a. zu erstatten. Das Berufungsgericht hatte Pflichtverletzungen der Sparkasse bejaht und diese zur Rückabwicklung verpflichtet. Allerdings wurde die Klage in Bezug auf die geltend gemachten Anlagezinsen abgewiesen. Hierüber hatte nun der BGH zu befinden. Entscheidung Zunächst weist der XI. Zivilsenat des BGH auf die Norm des § 152 Satz 1 BGB hin. Hiernach ist grundsätzlich auch entgangener Gewinn geschuldet, wenn eine Schadenersatzpflicht feststeht. Zu ersetzen sei der Schaden, der sich typischerweise daraus ergebe, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben wäre, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre. Sodann weist der BGH darauf hin, dass nach allgemeinen Beweislastregeln der Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet ist. Ein Anleger könne sich auch nicht auf § 252 Satz 2 Fall 1 BGB berufen, wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies jedenfalls dann nicht, wenn nach einer durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass die Anlegerin keinen Sparbrief oder kein Bundeswertpapier erworben hätte, sondern eine andere Fondsbeteiligung gezeichnet hätte. Es gäbe auch keinen Grundsatz dahingehend, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % p.a. verzinse. 30

Fazit Die Ausführungen und Überlegungen des XI. Zivilsenats, die sich im Urteil vom 24.04.2012 wiederfinden, dürften sich inzwischen bereits wieder als überholt erweisen. Der II. Zivilsenat hatte nur einen Tag vorher noch zugunsten eines Anlegers entschieden und ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass Eigenkapital erfahrungsgemäß nicht ungenutzt bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (vgl. BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09 Rn. 36). Der Streit dürfte sich deshalb künftig auf die Höhe eines entgangenen Gewinns fokussieren.

7.2

Zur Frage der Anrechnung von Steuer- vorteilen bei Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs im Wege des großen Schadensersatzes (BGH, Versäumnis- und Endurteil v. 26.01.2012, VII ZR 154/10)

Sachverhalt Anleger erwarben im Jahr 1999 eine Wohnungseinheit in einem vom Verkäufer zu sanierenden denkmalgeschützten Gebäude. Der Wohnungserwerb wurde voll fremdfinanziert. Steuerlich konnten die Anleger neben der normalen AfA die erhöhte Absetzung bei Baudenkmalen nach § 7i EStG geltend machen. Wegen Mängeln wurde der Verkäufer rechtskräftig verurteilt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu leisten und die Wohnung Zug um Zug gegen Freistellung der Anleger aus den Darlehensverbindlichkeiten zurückzunehmen. Jetzt begehren die Anleger im Wege des großen Schadenersatzes u.a. Steuernachbelastungen und in der Zukunft entgehende Steuervorteile. Entscheidung Der BGH weist zunächst darauf hin, dass den Anlegern aufgrund der Rückabwicklung des Immobilienerwerbs Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dadurch zufließen, dass sich zuvor die


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Anschaffungskosten aufgrund der Absetzbarkeit steuerrechtlich ausgewirkt haben. Steuerrechtlich seien Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse von Aufwendungen, die zuvor bei der Ermittlung der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten abgezogen worden sind. Im Wege des sog. großen Schadenersatzes könnte der Anspruch auch in der Weise geltend gemacht werden, dass der Erwerber die Eigentumswohnung zurückgibt und Ausgleich dafür verlangt, dass nach Rückgabe der Wohnung seinen Aufwendungen kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht. Infolge des Erwerbs einer Immobilie erzielte Steuervorteile sind nicht anzurechnen, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs im Wege des Schadenersatzes zu einer Besteuerung führt, die die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Hierbei spielt keine Rolle, ob ein Steuerbescheid bestandskräftig ist. Ansprüche aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Belastung mit einer Steuerverbindlichkeit stellt einen ersatzfähigen Schaden dar. Soweit ein Anspruch auf Befreiung von einer Steuerverbindlichkeit gerichtet ist und der in Anspruch Genommene die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Der Geschädigte kann dann unmittelbare Zahlung eines (konkret zu berechnenden) Schadens fordern. Fazit Bei der Berechnung eines Schadenersatzanspruchs ist die Steuerverbindlichkeit zu berücksichtigen, soweit der Geschädigte sich zuvor von ihm erzielte Steuervorteile auf den Schadenersatzanspruch anrechnen lässt.

7.3

Zur Frage der Anrechenbarkeit von Steuervorteilen bei Prospekthaftung (OLG München, Urt. v. 28.10.2011, 5 U 5544/10)

Sachverhalt Anleger nehmen Gründungsgesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds auf Schadenersatz in Anspruch und machen eine Reihe von Prospektfehlern geltend, u.a. eine irreführende Darstellung der Weichkostenquote. Auf die Schadenersatzforderung lassen sich die Anleger Ausschüttungen anrechnen, nicht jedoch Steuervorteile. Die Gründungsgesellschafter verneinen ihre Schadenersatzpflicht und sind des Weiteren der Ansicht, die Anleger müssten sich jedenfalls die Steuervorteile anrechnen lassen. Entscheidung Der Ausgangspunkt bewegt sich auf vertrauten Pfaden: Gründungsgesellschafter haben unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) für die Richtigkeit und Vollständigkeit eines in den Verkehr gebrachten Prospektes einzustehen. Die Haftung besteht auch gegenüber Kapitalanlegern, die über einen Treuhandkommanditisten nur mittelbar beteiligt sind, wenn der Gesellschaftsvertrag der Fonds-KG mittelbar beteiligte Anleger im Innenverhältnis unmittelbaren Gesellschaftern gleichstellt. Das Gericht bejahte sodann das Vorliegen zumindest eines Prospektfehlers. Dieser war auch für die Anlageentscheidung ursächlich, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich vermutet. Bei Immobilien, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit und Rentabilität geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht geeignet, die auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung zu entkräften. Bei der Verletzung einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht ist ein Vermögensschaden des Anlegers, der sich bei zutreffender Unterrichtung nicht an dem Anlagemodell beteiligt hätte, schon immer dann zu bejahen, wenn die Anlage für ihn den gezahlten Preis nicht wert ist. Auf die Frage des Wertes oder der Wertgleichheit der Gegenleistung (hier also des Fondsanteils) kommt es deshalb nicht an.

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Auch Steuervorteile sind nach Ansicht des Gerichts nicht schadensmindernd anzurechnen, weil der Schadenersatz (Rückerstattung der Beteiligungssumme abzüglich erlangter Ausschüttungen) als steuerpflichtige Rückerstattung von Werbungskosten zu qualifizieren ist. Erwirbt ein Anleger eine Fondsbeteiligung und erzielt hierbei Steuervorteile, resultieren diese aus geltend gemachten Verlusten für Vermietung und Verpachtung, also aus Werbungskosten. Steuervorteile, die sich zunächst aus Werbungskosten ergeben haben, werden jedoch bei einer Rückabwicklung im Wege des Schadenersatzes im Veranlagungszeitraum ihres Zuflusses als Einkünfte in derjenigen Einkunftsart qualifiziert, und damit der Steuer unterworfen, in der sie zuvor geltend gemacht wurden. Der Anleger muss sich deshalb Steuervorteile nicht auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen. Fazit Die Frage der Anrechenbarkeit von Steuervorteilen ist bis in die jüngste Zeit hinein umstritten. Ein anderer Senat des OLG München hatte wenige Monate vor dem 22. Zivilsenat noch gegenteilig entschieden. Allerdings geht auch die jüngere Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH von der Steuerpflichtigkeit eines zugesprochenen Schadenersatzbetrages aus. Diese vom BGH entwickelten Grundsätze über die Besteuerung der Schadensersatzleistung bei Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs sind auch bei der Rückabwicklung des Erwerbs einer treuhänderischen Beteiligung an einem Immobilienfonds anzuwenden. (Anmerkung: siehe dazu auch das BGH-Urteil vom 18.12.2012, II ZR 259/11 nachfolgend I 7.4)

7.4

Zur Anrechnung von Steuervorteilen auf den Schadenersatzanspruch des Anlegers bei Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung (BGH, Urt. v. 18.12.2012, II ZR 259/11)

Sachverhalt Bei diesem in der ersten und zweiten Instanz von unserem Kollegen RA. Dr. Sieprath geführten Rechtsstreit ging es um die Frage, ob bei der Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung Steuervorteile auf den Schadenersatzanspruch des Anlegers anzurechnen sind oder nicht. Unter Berufung auf verschiedene Prospektmängel wurden die Gründungskomplementärin und die Gründungskommanditistin in Anspruch genommen. Das OLG München als Vor32

instanz hatte anders als das Landgericht die mit der Beteiligung verbundenen Steuervorteile nicht schadensmindernd angerechnet. Darum ging es in der Revisionsinstanz. Entscheidung Zunächst wies der BGH darauf hin, dass im Hinblick auf die Frage der Vorteilsanrechnung steuerliche Entlastungen eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Eine Vorteilsanrechnung scheidet deshalb grundsätzlich aus, wenn die Schadenersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise kommt es nun nicht darauf an, ob der Anleger die Schadenersatzleistung tatsächlich versteuert. Deshalb sind die erzielten Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn Anhaltspunkte für derart außergewöhnliche Steuervorteile vorhanden sind, dass es unbillig wäre, einem Geschädigten diese zu belassen. Ausdrücklich weist der BGH darauf hin, dass die Absenkung des Einkommenspitzensteuersatzes von 53 % auf 45 % hierfür nicht ausreicht. Sodann ging es um die Frage der Steuerbarkeit der Schadenersatzleistung. Diesbezüglich wies der BGH darauf hin, dass Erstattungsbeträge, die Werbungskosten ersetzen, im Jahr ihres Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart sind, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind. Dies gilt auch für Absetzungen für Abnutzung (AfA) und nicht nur für Finanzierungskosten. Unerheblich wäre sogar, wenn ein Fonds Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch genommen hat. Fazit Ob der BGH mit dieser Entscheidung endgültig einen Schlussstrich unter eine sich seit vielen Jahren hinziehende Diskussion gesetzt hat, bleibt abzuwarten. Aktuell werden noch zahlreiche Verfahren geführt, bei denen die Frage der Anrechenbarkeit von Steuervorteilen auf den Schadenersatzanspruch eine wichtige Rechtsfrage ist. Ein (bei Immobilienveräußerungen derzeit nach zehn Jahren steuerfreier) Kaufpreis ist jedenfalls etwas anderes als ein Schadenersatzanspruch. Da nach dieser Entscheidung Steuervorteile, die Werbungskosten sind, bei der Bemessung des Schadenersatzanspruchs nicht gegenzurechnen sind, stellt sich eher die weitere Frage, dass Schädiger noch zusätzlich etwaige Steuernachteile zu ersetzen haben, die beispielsweise aus der Steuerpflicht der Schadenersatzleistung resultieren, wenn Geschädigte in einer anderen (höheren) Steuerklasse sind.


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

8.

Verjährung

Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach § 37a WpHG (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.04.2011, 17 U 128/10) Sachverhalt Anleger erwarben Ende 2006 Anteile an einer Hybrid-Anleihe. Der Auftrag zum Erwerb der Anleihe wurde von den Anlegern am 30.11.2006 im Anschluss an ein etwa 30 Minuten dauerndes Beratungsgespräch in einer Bankfiliale erteilt. Eine Abrechnung erfolgte am 14.12.2006. Der Inhalt des Beratungsgesprächs war streitig. Die Anleger behaupteten, ihnen wäre es nicht um Rendite, sondern um Sicherheit und auch mittelfristige Verfügbarkeit des Anlagebetrages gegangen. Auf ein Totalverlustrisiko sei nicht hingewiesen worden. Die in Anspruch genommene Bank trug hingegen vor, im Beratungsgespräch seien die mit der HybridAnleihe verbundenen Chancen und Risiken erörtert worden einschl. des Kapitalverlustrisikos, Ausgabeaufschlag, Kostenstruktur sowie fehlende Einlagensicherung. Des Weiteren berief sich die beklagte Bank auf Verjährung. Entscheidung Das OLG Frankfurt am Main wies die Klage ab. Ein Schadenersatzanspruch scheiterte aber nicht an einer möglichen Verjährung. Die Verjährung begann nicht bereits mit Abschluss der Kaufverhandlungen und damit bereits am 13.11.2006, sondern erst mit dem 14.12.2006, denn an jenem Tage wurde die

Order ausgeführt und die Hybrid-Anleihe gekauft. Die Klageerhebung am 14.12.2009 (exakt drei Jahre nach erfolgtem Kauf des Wertpapiers) war deshalb noch rechtzeitig. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Order an, sondern auf den Abschluss des Kaufvertrages. Das Gericht verneinte aber einen Anspruch wegen Pflichtverletzung des konkludent zustande gekommenen Beratungsvertrages. Dies wurde im Wesentlichen mit ungenügendem Beweisantritt bzw. verspätetem Vorbringen begründet. Fazit Die Entscheidung ist vor allem deshalb von Interesse, weil sie sich näher mit der Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG befasst. Von einem Beginn der Verjährungsfrist ist dann auszugehen, wenn der Erwerb von Wertpapieren vorliegt. Dabei ist es nicht entscheidend, ob schon tatsächlich eine Vermögensminderung eingetreten ist. Selbst bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung kann ein zum Schadenersatz verpflichtender Vermögensschaden dadurch entstanden sein, dass die Leistung für Zwecke des Anlegers nicht voll brauchbar ist.

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

II. Anlegerrechte und Anlegerpflichten (einschl. Anlegerhaftung und Nachschusspflichten)

D

er Erwerb jeder Kapitalanlage ist mit dem Abschluss eines oder mehrerer Verträge verbunden. Aus deren Abschluss resultieren gleichermaßen Rechte wie Pflichten. Bestimmte Pflichten ergeben sich des Weiteren aus dem Gesetz. Hier muss ggf. die Rechtsprechung darüber befinden, welche Pflichten im Einzelnen abdingbar sind und welche zwingendes Recht sind. Auch können verschiedene Klauseln als überraschende oder unangemessene Klauseln für unwirksam erklärt werden. Nach wie vor geht es des Weiteren um Fragen, unter welchen Voraussetzungen mittelbar beteiligte Gesellschafter Anspruch darauf haben, Namen und Anschriften ihrer Mitgesellschafter (der anderen Treugeber) zu erfahren. Schließlich ging es auch im Jahr 2012 wiederholt um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Treuhänder Freistellung von seiner Haftung fordern kann oder ein Gläubiger den Treugeber auch unmittelbar in Anspruch nehmen kann.

1.

Zu Fragen der Rückabwicklung einer mittelbaren Medienfondsbeteiligung; hier: Was muss der Anleger tun? Wann beginnt der Annahmeverzug? (BGH, Urt. v. 10.07.2012, XI ZR 272/10)

Sachverhalt Ein Anleger hatte sich auf Empfehlung seiner Bank an einem Medienfonds beteiligt. Die Beteiligung erfolgte mittelbar über eine Treuhandkommanditistin. Zur Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung ist gem. § 6 des Gesellschaftsvertrages die Zustimmung der Komplementärin der Fondsgesellschaft und gem. § 7 des Treuhandvertrages die Zustimmung der Treuhandkommanditistin erforderlich. Außerdem bedarf es gem. einer Bestimmung der Anteilsübernahmeerklärung der Zustimmung der finanzierenden Bank. Die Haftung der Bank steht dem Grunde nach nicht mehr im Streit. Anleger und Bank streiten insbesondere um die Frage, mit welchem Inhalt der Anleger die Übertragung der Fondsbeteiligung an die Bank vornehmen muss 34

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und ob sich diese in Annahmeverzug befindet. Der Anleger hatte Schadenersatz und Freistellung von einer Finanzierung Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übertragung der von ihm gezeichneten Fondsbeteiligung und Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Bank gefordert. Entscheidung Der BGH bejahte diesen Anspruch auf Schadenersatz Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung. Dies gelte auch dann, wenn die Übertragung der Fondsanteile von der Zustimmung Dritter abhängig ist. Etwaige Schwierigkeiten in diesem Bereich fallen in die Verantwortung der schadenersatzpflichtigen Bank. Das Gegenrecht eines Schädigers kann sich nur auf Rechtspositionen beziehen, die der geschädigte Kapitalanleger aufgrund der Zeichnung - hier der mittelbaren Fondsbeteiligung - erworben hat. Der Anleger hatte der Bank die Abtretung seiner Rechte aus der Fondsbeteiligung und dem Treuhandvertrag angeboten. Dies ist ausreichend.


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Fazit Im Falle der schadensrechtlichen Rückabwicklung einer mittelbaren Fondsbeteiligung muss der geschädigte Kapitalanleger dem Schädiger als Zug um Zug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung seiner Rechte aus der Beteiligung bzw. dem Treuhandvertrag anbieten. Ist eine Übertragung von der Zustimmung Dritter abhängig, liegt es im Risikobereich des Schädigers, dass der Dritte die Zustimmung erteilt.

2.

Zur Frage, wann ein Treugeber einer Publikums-Personengesellschaft im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters hat (BGH, Urt. v. 11.10.2011, II ZR 242/09)

Sachverhalt Eine Anlegerin hatte sich - mittelbar über eine Treuhänderin - an einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer oHG beteiligt. Die Fondsgesellschaft befindet sich in Liquidation. Sie fordert von der (mittelbar beteiligten) Anlegerin die Zahlung eines Liquidations-Fehlbetrages. Die Anlegerin hat in der Beitrittserklärung bestätigt, sowohl den Gesellschafts- als auch den Treuhandvertrag für sich verbindlich anzuerkennen. Im Treuhandvertrag war u.a. geregelt, dass die Gesellschaftseinlage dem Treugeber gebührt und dieser wie ein unmittelbar beteiligter Gesellschafter zu behandeln sei. Entscheidung Der BGH hob die die Klage der Fondsgesellschaft abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts auf. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass im Falle einer sog. offenen oder qualifizierten Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschaftliches Innenverhältnis so gestalten können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Bei Publikumsgesellschaften ist eine solche Gestaltung regelmäßig anzunehmen, wenn die mittelbare Beteiligung von Anlegern und damit eine Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand von vornherein vorgesehen ist und der Gesellschaftsvertrag entsprechende Rechte und Pflichten der Anleger regelt. In der Beitrittserklärung wurde dem Anleger deutlich vor Augen geführt, dass seine Rechte und Pflichten als mittelbar beteiligter Gesellschafter den Rechten und Pflichten eines unmittelbar Beteiligten Gesell-

schafters entsprechen. Der über einen Treuhänder beteiligte Treugeber ist im Außenverhältnis der Haftung ausgesetzt und kann auch im Innenverhältnis auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Treuhänder seinen Freistellungsanspruch abtritt. Zugleich weist der BGH darauf hin, dass die nach Auflösung der Gesellschaft bestehende Verlustausgleichspflicht aus dem Gesetz folgt und anders als die nachträgliche Begründung einer Nachschusspflicht nicht von der Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters abhängig ist. Fazit Auch einem nur mittelbar über einen Treuhänder beteiligtem Gesellschafter einer Publikums-Personengesellschaft sollte klar sein, dass er regelmäßig wie ein unmittelbar beteiligter Gesellschafter behandelt wird. Ihm stehen Ausschüttungen oder Ansprüche auf einen Liquidationserlös zu. Er muss aber - jedenfalls bei entsprechender Rechtsform - auch für einen Liquidationsfehlbetrag geradestehen. Ein Treuhänder ist nicht durch § 242 BGB daran gehindert, seinen Freistellungsanspruch gegen den Treugeber geltend zu machen oder diesen Freistellungsanspruch an die Gesellschaft abzutreten.

3.

Der Streitgegenstand ist entscheidend - Zur Frage, wann ein Anleger ein zweites Mal auf Schadenersatz klagen kann (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.05.2012, 17 W 36/12)

Sachverhalt Ein Ehepaar kaufte 1996 zwecks Steuerersparnis ohne Einsatz von Eigenmitteln eine Eigentumswohnung. Der Erwerb wurde durch einen Vermittler empfohlen. Zur Finanzierung des Gesamtaufwandes schloss das Ehepaar einen Darlehensvertrag bei einer Bank sowie zwei nacheinander anzusparende Bausparverträge mit der Bausparkasse. Eine Schadenersatzklage des Ehepaars gegen die Bausparkasse im Jahr 2001 wurde rechtskräftig abgewiesen. Jetzt begehren die Eheleute Prozesskostenhilfe, um die Bausparkasse mit neuen Argumenten erneut auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht wies ihren PKH-Antrag mit der Begründung zurück, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Entscheidung Das OLG Karlsruhe hob diesen Beschluss auf. Im Rahmen der gebotenen summarischen Betrachtung 35


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Auch wenn die Voraussetzungen für die Zurechnung einer Kenntnis streng sind, konnte dies im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Täuschung eines Vermittlers durch Fehlangaben zum Anlageobjekt oder zur Rendite oder zu den Innenprovisionen begründet eine Haftungsverantwortlichkeit der Bank oder Sparkasse nur dann, wenn sie sich selbst arglistig verhält bzw. an unlauteren Machenschaften von Verkäufern oder Vertrieb beteiligt ist oder hierüber einen Wissensvorsprung hat. Die von den Anlegern behauptete Kenntnis der Bausparkasse über eine erhöhte Innenprovision war nicht Gegenstand des Ursprungsprozesses. Die Erfolgsaussichten einer Klage müssen deshalb vom Landgericht erneut überprüft werden. Fazit Da es um einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ging, werden die Erfolgsaussichten lediglich summarisch überprüft. Erst spät stellte sich heraus, wie stark die Badenia Bausparkasse in anderen Verfahren über die Vertriebsaktivitäten und Vertriebsmethoden Bescheid wusste. Deshalb konnte den Anlegern hier auch nicht von vornherein grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Weder sie noch die sie damals vertretenden Anwälte mussten Kenntnis von der Mitwirkung bzw. „Mitwisserschaft“ der Bausparkasse haben. Auch von einer grob fahrlässigen Unkenntnis konnte in diesem Fall nicht ausgegangen werden.

4.

Zur Verlustausgleichspflicht einer Publikums-GbR nach Auflösung der Gesellschaft (BGH, Urt. v. 15.11.2011, II ZR 272/09)

Sachverhalt Ein Anleger trat im Jahr 1994 einem geschlossenen Immobilienfonds bei, der in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft gegründet wurde. Zweck des Fonds war es, eine Wohnanlage zu errichten und zu bewirtschaften. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine quotale Haftungsbeschränkung (Haftung der Höhe nach unbegrenzt, aber nur bezogen auf die 36

Beteiligungsquote). Beschlussfassungen über die Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung der Gesellschaft bedurften einer ¾-Mehrheit. Die Gesellschafterversammlung des Fonds fasste im Jahr 2007 mit der erforderlichen Mehrheit den Beschluss, die gesellschaftseigene Immobilie zu veräußern und die Gesellschaft zu liquidieren. Ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erstellte eine Liquidationseröffnungsbilanz. Die Gesellschafter beschlossen mit einfacher Mehrheit, die Liquidationseröffnungsbilanz als Schlussbilanz anzuerkennen. Der Liquidator wurde angewiesen, zum Ausgleich von Unterdeckungen erforderliche Nachschüsse bei den Gesellschaftern einzufordern.

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sei die Erfolgsaussicht der neuen Schadenersatzklage zu Unrecht verneint worden. Entscheidend sei, ob die Streitgegenstände unterschiedlich seien. Beim Schadenersatzprozess im Jahr 2001 war es aber nicht um die Frage gegangen, ob die Anleger über Innenprovisionen durch den Vertrieb arglistig getäuscht wurden und ob die Bausparkasse Kenntnis über die arglistige Täuschung hatte.

Entscheidung Der BGH bestätigte die Rechtmäßigkeit der auf § 735 BGB gestützten Nachschussforderung. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Verlustausgleichs ergebe sich kraft Gesetzes. Die quotale Beschränkung der Gesellschafterhaftung im Gesellschaftsvertrag betreffe das Außenverhältnis. Die Verlustausgleichshaftung betreffe hingegen die Haftung im Innenverhältnis. Bei der Innen- und Außenhaftung handele es sich um unterschiedliche Haftungsebenen. Diese sind in ihren Voraussetzungen und Folgen nicht vergleichbar. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die Haftung im Innen- und Außenverhältnis aufgrund einer eindeutigen Vereinbarung ausnahmsweise deckungsgleich ist. Der Beschluss, die Liquidationseröffnungsbilanz als Schlussbilanz anzuerkennen, war ebenfalls nicht unwirksam. Grundsätzlich gilt


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im Recht der BGB-Gesellschaft das Einstimmigkeitserfordernis. Dieses kann durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden. Verlangt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts für die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit, ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt, nach der Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen sind. Fazit Die im Stadium der Abwicklung einer BGB-Gesellschaft erstellte Auseinandersetzungsbilanz dient dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Überschuss verteilt werden kann oder von den Gesellschaftern Nachschüsse benötigt werden. Bei Verlustausgleichsansprüchen im Innenverhältnis handelt es sich um Forderungen der Gesellschaft, die das zur Begleichung der Verbindlichkeiten und Erstattung der Einlagen unzureichende Aktivvermögen ergänzen. Drinnen (in einer BGB-Gesellschaft) ist man in aller Regel schnell. Das Wiederherauskommen ist häufig mühseliger und kann manchmal auch eine größere finanzielle Belastung darstellen. (Anmerkung: Um denselben Themenkomplex ging es auch im BGH-Urteil II ZR 266/09, ebenfalls vom 15.11.2011)

5.

Zu den Anforderungen an einen wich- tigen Grund, um ein (langfristiges) Beteiligungsverhältnis an einer BGB-Gesellschaft außerordentlich zu kündigen (BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 2/11)

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sellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach Anfechtung und Widerruf wurde das Insolvenzverfahren über die zweite Gründungsgesellschafterin eröffnet. Die Fondsgesellschaft forderte die Bezahlung rückständiger Monatsraten. Entscheidung Zunächst befasste sich das Gericht mit Fragen gesetzlicher und vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte. Bei vertraglich vereinbarten Widerrufsrechten entspreche es nicht dem Willen des die Widerrufsmöglichkeit Einräumenden, nicht bestehende Belehrungspflichten übernehmen und erfüllen zu wollen. Sodann ging das Gericht der Frage nach, ob die Anlegerin zur außerordentlichen Kündigung ihrer Beteiligung berechtigt war. Sie stützte das Kündigungsrecht auf die Insolvenz einer der Gründungsgesellschafterinnen. Allerdings lagen zwischen Insolvenz und Kündigung aus wichtigem Grund fast drei Jahre. Wird ein Kündigungsrecht in Kenntnis des Bestehens seines Grundes über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt, kann eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund nicht so schwer wiegt, dass dem Kündigenden die Fortsetzung der Gesellschaft unzumutbar ist oder dass der Grund dieses Ge-

Sachverhalt In dieser Entscheidung ging es ebenfalls um eine Anlegerin, die sich als Ratensparerin langfristig an einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft beteiligt hatte. Sie hatte sich zur Leistung einer Einmal-Anlage verpflichtet sowie zur Bezahlung monatlicher Raten über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die Anlegerin zahlte den EinmalBeitrag und leistete Raten für fünf Monate, bevor sie die Zahlungen einstellte und später die Beitrittserklärung anfocht und widerrief. Zuvor war über das Vermögen einer Gründungsge-

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wicht jedenfalls in der Zwischenzeit verloren hat. Hinzu kommt, dass bei einer Publikumsgesellschaft die Insolvenz eines Gesellschafters regelmäßig zum Ausscheiden des Gesellschafters und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern führt. Angesichts eines solchen jederzeit möglichen Ereignisses bedürfte es besonderer Umstände, wenn ein Gesellschafter gleichwohl die Gesellschaft aus wichtigem Grund zu kündigen berechtigt sein soll. Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zu Pflichtverletzungen getroffen hat, die ggf. auch ein außerordentliches Kündigungsrecht/ Sonderkündigungsrecht begründen konnten, hob der BGH das die Klage abweisende Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuen Verhandlung zurück. Fazit Im Falle eines Sonderkündigungsrechtes (z.B. auch wegen Aufklärungspflichtverletzungen infolge Prospektfehlers) gelten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft. Ein Gesellschafter scheidet mit Zugang der außerordentlichen Kündigung mit Wirkung „ex nunc“ aus der Publikums-Personengesellschaft aus. Er bleibt zur Zahlung rückständiger und noch nicht erbrachter (Einlage-)Leistungen verpflichtet. Diesen Anspruch kann eine Beteiligungsgesellschaft jedoch mehr isoliert geltend machen. Sie spielt im Rahmen der Feststellung des Abfindungsanspruchs eine Rolle. Insoweit werden die gegenseitigen Ansprüche zu unselbstständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung.

6.

Zum Kündigungsrecht eines BGB-Gesellschafters, der sich für einen langen Zeitraum gegenüber der Gesell- schaft zur Erbringung von Sparraten verpflichtet hat (BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 205/10)

Sachverhalt Ein Anleger beteiligte sich an einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft. Die Erklärung des Beitritts war in verschiedenen Varianten möglich. Neben der Kündigungsmöglichkeit zum Ende des 12. Beteiligungsjahres gab es Kündigungsmöglichkeiten zum Ende des 19., 26., 31. oder 41. Beteiligungsjahres. Der Anleger wählte einen Vertragszeitraum von 30 Jahren und verpflichtete sich zur Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 50,00 € zzgl. 5 % 38

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Agio. Nach der Bezahlung zweier Raten stellte er weitere Zahlungen ein. Die Fondsgesellschaft machte rückständige Beiträge geltend. Der Anleger berief sich auf ein Widerrufsrecht und hilfsweise darauf, die Beteiligung wirksam gekündigt zu haben. Entscheidung Nach § 723 Abs. 3 BGB ist eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht bei einer BGBGesellschaft ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, nichtig. Bei dieser Rechtsnorm setzte der BGH an und führte aus, dass es grundsätzlich der allgemeinen Vertragsfreiheit entspricht, rechtsgeschäftliche Bindungen über einen langen Zeitraum eingehen zu können. Eine Grenze bilden die §§ 138, 242 und 723 Abs. 3 BGB, ggf. auch § 307 Abs. 1 BGB, soweit Vertragsbedingungen vom gesetzlichen Leitbild unangemessen abweichen. Eine langfristige Bindung ist immer dann sittenwidrig, wenn durch sie die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit so beschränkt wird, dass die eine Seite der anderen in einem nicht mehr hinnehmbaren Maß „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert ist. Jedenfalls bei einem Anleger, der an der Publikums-


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Personengesellschaft kapitalmäßig nur ganz gering beteiligt ist, stellt eine Beteiligungsdauer von 31 Jahren mit entsprechender Einzahlungspflicht eine solche unangemessene Benachteiligung dar. Hier ist die Bindung des Gesellschafters an die Gesellschaft zeitlich unüberschaubar. Infolge dessen wird seine persönliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit unvertretbar eingeengt. Insoweit war die befristete Kündigungsausschlussklausel unwirksam. Anstelle der unwirksamen Klausel tritt das (dispositive) Recht. Nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis jederzeit ordentlich kündigen. Deshalb war es nicht zu beanstanden, dass die Forderung der Gesellschaft gegen den Anleger nur als unselbstständiger Rechnungsposten im Rahmen der Berechnung des Abfindungsguthabens einzustellen war. Fazit Ob der Anleger im Rahmen der Berechnung seines vermutlich negativen Abfindungsguthabens noch einen Ausgleich schuldet, war vom BGH nicht zu entscheiden. Hierbei wird dann zu beachten sein, dass ein Anleger keinen Schadenersatzanspruch gegen die Fondsgesellschaft wegen Aufklärungspflichtverletzung durch Initiatoren bzw. Vertriebsorganisationen hat.

7.

Voraussetzungen und Folgen eines Widerrufs im Zusammenhang mit dem Erwerb von (fremdfinanzierten) Anteilen an geschlossenen Immobilien- fonds (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.09.2011, 4 U 196/10)

Sachverhalt Ein Anleger beteiligte sich aufgrund der Empfehlung eines Anlagevermittlers an einem geschlossenen Immobilienfonds der Falk-Gruppe. Handelnde Person auf Seiten des Vermittlers war seinerzeit der Bruder des Anlegers. Der Anleger erwarb eine mittelbare Beteiligung. Die Einlagepflicht wurde über eine Bank fremdfinanziert. Die Zeichnung erfolgte am 22.12.2000. Die Endfinanzierung, die eine Zwischenfinanzierung ablöste, wurde am 22.03./10.04.2001 eingedeckt. Im Prospekt ist eine Vertriebsbeauftragte genannt, an die die Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung und das Agio bezahlt werden sollten. Die Vermittlerin war als Untervermittlerin der im Prospekt genannten Vertriebsbeauftragten tätig. Dass diese eine Provision erhielt, wurde dem Anleger im Verkaufsgespräch nicht mit-

geteilt. Nach Insolvenz der Falk-Gruppe wurde der Immobilienfonds im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung aufgelöst. Das Fondsvermögen wurde zugunsten der Gläubigerbanken verwertet. Die Anleger fielen aus. Der Anleger widerrief seinen Darlehensvertrag und nimmt die kreditgebende Bank und den Anlagevermittler (Untervermittler) auf Schadenersatz wegen Aufklärungspflichten bzw. aufgrund des Widerrufs des Darlehensvertrages in Anspruch. Entscheidung Das OLG Brandenburg wies die Klagen sowohl gegen den Vermittler als auch die finanzierende Bank ab. Pflichtverletzungen des (Unter-)Vermittlers waren entweder nicht feststellbar oder jedenfalls verjährt. Eine Pflicht zur Offenlegung der Vertriebsprovision bestand im konkreten Fall nicht, denn die Provisionsgrenze von 15 % war nicht überschritten. Der Vorwurf weiterer Pflichtverletzungen, z.B. über die Sicherheit und Werthaltigkeit der Beteiligung, konnte dahingestellt bleiben, da dem Anleger sich spätestens mit Ausbleiben der halbjährlichen Ausschüttungen förmlich aufdrängen musste, dass sich der Fonds anders als erwartet entwickelte. Auch war in Geschäftsberichten für das Jahr 2004 bereits auf Unterdeckungen der Fondsgesellschaft hingewiesen worden. Den Geschäftsbericht hatte der Anleger spätestens im Jahr 2006 erhalten. Die im Juli 2010 eingereichte Klage erfolgte daher nach Ablauf der Verjährungsfrist. Das Gericht verneinte sodann auch einen Anspruch gegen die finanzierende Bank nach dem Haustürwiderrufsrecht. Sinn dieses Rechts ist es, einen Betroffenen vor einer Überrumpelung zu schützen. Zwischen Zeichnung der Beteiligung und Abschluss des Darlehensvertrages lag aber ein Zeitraum von ca. 13 Wochen, so dass von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Haustürsituation und der Abgabe der Willenserklärung keine Indizwirkung für die Kausalität mehr ausging. Die finanzierende Bank hatte des Weiteren keine eigenen Aufklärungspflichten verletzt. Bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen ist eine kreditgebende Bank nach ständiger Rechtsprechung nur unter ganz besonderen Voraussetzungen zur Risikoaufklärung des Kunden über das finanzierte Geschäft verpflichtet. In Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts kann sich der Anleger jedoch unter einer Beweiserleichterung in Form einer widerleglichen Vermutung auf ei39


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nen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben des Vermittlers, Verkäufers oder von Fondsinitiatoren oder auch durch unrichtige Angaben des Fondsprospektes berufen. Im konkreten Fall konnte der Anleger aber weder etwas zur Täuschungshandlung noch zur Arglist des Vermittlers vortragen. Schließlich verneinte das Gericht das Vorliegen eines verbundenen Geschäftes. Es ließen sich bereits keine ausreichenden Indizien für eine objektive Einheit zwischen Fondsbeitritt und Darlehensvertrag finden. Es fehlte des Weiteren an einem persönlichen Kontakt zwischen dem Anleger und der finanzierenden Bank. Fazit Damit Kreditvertrag und finanziertes Geschäft als wirtschaftliche Einheit und damit als ein verbundenes Geschäft anzusehen sind, ist im Regelfall erforderlich, dass sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers bedient hat und der Vertrieb dem Interessenten zusammen mit dem Kauf- bzw. Beitrittsvertrag den Kreditantrag vorlegt. Voraussetzung ist des Weiteren, dass sich Finanzierungsvertrag und zu finanzierender Vertrag wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen Sinn erst durch den anderen erhält.

8.

Kein Auskunftsanspruch bei zu vernei- nender Interessenkollision (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.02.2012, 19 U 188/11)

Sachverhalt Ein Anleger wickelte über seine Bank im Zeitraum von rund fünf Jahren 23 Wertpapiergeschäfte ab. Das Volumen betrug mehr als 600.000,00 €. Er begehrt nunmehr für jede einzelne Transaktion Auskunft über die von der Bank erhaltenen Provisionen (Zuführungs-, Bestands- und sonstige Provisionen, insbesondere sog. Rückvergütungen). Entscheidung Das Gericht wies die Klage ab. Zwar läge den Wertpapiertransaktionen jeweils ein Beratungsvertrag zugrunde. Dabei handele es sich um einen unentgeltlichen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter im Sinne der §§ 611, 675, 662 BGB. Allerdings richteten sich Inhalt und Umfang der 40

Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach Treu und Glaube, der Verkehrssitte und den Umständen des Einzelfalls, sofern besondere Vereinbarungen fehlen. Inhalt und Grenzen der Informationspflicht beziehen sich dabei stets auf das konkrete Rechtsverhältnis. Auch der Auskunftsanspruch nach § 666 BGB ist kein Selbstzweck. Er orientiert sich u.a. am Maßstab der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. In Fällen, in denen die Gefahr einer Interessenkollision und damit das Bestehen einer Aufklärungspflicht über erhaltene Zuwendungen zu verneinen ist, fehlt es auch an einem konkreten Auskunftsinteresse. Bei „Verkaufsfällen“ ohne kommissionsrechtlichen Bezug fehlt es an der Verpflichtung, über das eigene Gewinninteresse aufzuklären, weil dieses offenkundig ist. Es ist Sache des Anlegers, konkrete Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass es sich bei Erwerbsvorgängen um andere Rechtsverhältnisse als Kaufverträge im Sinne von Eigengeschäften handelt. Mangels Aufklärungspflichtverletzung hatte sich die Bank im konkreten Fall nicht pflichtwidrig verhalten. Ein Anspruch aus § 667 BGB wurde deshalb verneint. Fazit Durch Urteil vom 25.06.2002 (XI ZR 239/01) hatte der BGH noch eine Vermutung dafür aufgestellt, dass es sich bei einem Wertpapiergeschäft im Regelfall um ein Kommissionsgeschäft handele. Ob der BGH heute noch an dieser Auffassung festhält, ist fraglich und wurde auch vom OLG Frankfurt in Zweifel gezogen, denn mit den Lehman-Entscheidungen vom 27.09.2011 hat der BGH eine Offenlegungspflicht einer Bank hinsichtlich erhaltener Zuwendungen oder Gewinne grundsätzlich verneint. Dabei ging er - ohne dies näher darzulegen - von Wertpapiertransaktionen in Form von Kaufgeschäften aus. Jedenfalls ein sehr erfahrener Anleger, der seine Bank nicht bezahlt, müsste davon ausgehen, dass eine Bank bei der Besorgung von Wertpapieren Provisionen vereinnahmt oder eine Gewinnmarge einkalkuliert hat. Mit der Auftragserteilung soll - jedenfalls der erfahrene Anleger - konkludent seine Einwilligung erteilen, dass eine die Order ausführende Bank auch bei einem Kommissionsgeschäft eine Provision einkalkulieren und behalten darf. Letzteres erscheint zweifelhaft, denn es geht nicht nur um das „Ob“ einer Provision, sondern auch deren Höhe. Die Ausführungen des OLG Frankfurt überzeugen deshalb nur im Hinblick auf Wertpapiergeschäfte im Sinne von Eigengeschäften („Verkaufsfälle“).


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Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung kann die Gesellschaft die Einlagever- pflichtung unmittelbar fordern (BGH, Urt. v. 18.09.2012, II ZR 201/10)

Sachverhalt Ein Anleger war über einen Treuhandkommanditisten mittelbar an einem Immobilienfonds beteiligt. Er hatte sich verpflichtet, seine Einlage in 190 Monatsraten zu leisten. Nach sieben Jahren stellte er die Zahlungen ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft waren mittelbar beteiligte Gesellschafter im Innenverhältnis unmittelbar beteiligten Gesellschaftern gleichgestellt. Laut Gesellschaftsvertrag schieden Gesellschafter, die ihre Einzahlungen gem. vereinbarten Einzahlungsplan nicht vertragsgerecht erfüllten, unter bestimmten Voraussetzungen aus der Gesellschaft aus. Soweit die Voraussetzungen für ein Ausscheiden nicht vorlagen, regelte der Gesellschaftsvertrag, dass die Gesamteinlage des Gesellschafters herabgesetzt wird. Die Fondsgesellschaft nahm den Anleger auf Bezahlung nicht mehr geleisteter Raten in Anspruch.

Entscheidung Der BGH verneinte einen (weiteren) Anspruch der Fondsgesellschaft. Anders als das Berufungsgericht scheiterte die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs aber nicht an der der Fondsgesellschaft fehlenden Aktivlegitimation. Da der mittelbar beteiligte Gesellschafter im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters erlangt hat, konnte die Gesellschaft einen gegen einen Treugeber gerichteten Anspruch auf Leistung unmittelbar als Anspruch aus eigenem Recht geltend machen. Hier scheiterte der Anspruch der Fondsgesellschaft aber daran, dass laut Gesellschaftsvertrag ein Gesellschafter, der seine Ratenverpflichtungen nicht mehr erbringt, entweder aus der Gesellschaft ausscheidet oder die Höhe der Beteiligung abgesenkt wird. Die Herabsetzung der Gesamteinlage war dabei auch nicht von einer Entscheidung der Fondsgesellschaft abhängig. Nach dem Wortlaut der Regelung des Gesellschaftsvertrages war die Herabsetzung der Gesamteinlage die zwingende Folge eines nicht zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führenden Abbruchs des Einzahlungsplanes. Die Herabsetzung der Gesamteinlage hat zur Folge, dass ein Gesellschafter oder Treugeber keine weiteren Raten mehr zu leisten hat. Der Anspruch der Fondsgesellschaft war deshalb abzuweisen.

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9.

Fazit Die Entscheidung bringt vor allem in einem Punkt Klarheit: Der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch auf Leistung der Einlage kann unmittelbar von der Fondsgesellschaft geltend gemacht werden, wenn der mittelbar beteiligte Gesellschafter einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter im Innenverhältnis gleichgestellt ist. In den weiteren Entscheidungsgründen ging es um die Frage der Auslegung gesellschaftsvertraglicher Regelungen. Hier wurde vom BGH genau differenziert, ob es um einen Verzicht der Fondsgesellschaft auf weitere Einlagen ginge (hier verbietet sich im Allgemeinen die Annahme, ein Gläubiger wolle auf ein Recht wieder ohne weiteres verzichten) bzw. ob der Anspruch der Fondsgesellschaft von vornherein nur beschränkt vorhanden war. Der BGH nahm letzteres an, zumal sich die Herabsetzung der Gesamteinlage zugleich zum Nachteil des betroffenen Gesellschafters auswirkt. Bildquelle: © mamastock - Fotolia.com

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

10.

Freistellungsanspruch des Treuhänders geht möglichem Schadenersatzanspruch aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung des Treuhänders vor (BGH, Urt. v. 18.10.2012, III ZR 150/11)

Sachverhalt Ein Anleger hatte sich mittelbar über einen Treuhänder an einer Immobilienfondsgesellschaft beteiligt. Gegenstand war der Erwerb und die Bebauung sowie anschließende Vermietung und Verwaltung von Wohngebäuden im geförderten freifinanzierten Wohnungsbau. Die Treugeber waren im Innenverhältnis unmittelbar Beteiligten Gesellschaftern gleichgestellt. Der Treugeber stellte den Treuhänder von Pflichten, die das Treuhandverhältnis betreffen, frei. Der Gesellschaftsvertrag sah eine quotale Haftung der Gesellschafter vor.

Fazit Der BGH stellte klar, dass es keine Differenzierung zwischen „normalen“ und „bösgläubigen“ Gesellschaftsgläubigern gibt. Einem Gesellschaftsgläubiger, der weiß, dass die einzelnen Gesellschafter nur quotal haften und der weiterhin weiß, dass Treuhandverhältnisse begründet sind, hat zwar Kenntnis darüber, dass Störungen im Treuhandverhältnis seinen Zugriff auf das Vermögen der mittelbaren Gesellschafter erschweren können. Ein mittelbar beteiligter Gesellschafter soll aber gegenüber einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter nicht besser gestellt werden. Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbar und unmittelbar beteiligter Gesellschafter. Ein Anleger kann deshalb nur solche Einwendungen geltend machen, die der Gesellschaft selbst zustehen (vgl. § 129 HGB).

Mit seiner Klage begehrte der Treuhänder zunächst Freistellung von der Forderung auf Rückzahlung eines anteiligen Darlehensbetrages. Im Berufungsverfahren stellte er den Freistellungsanspruch auf einen Zahlungsanspruch um. Der Anleger berief sich - u.a. - auf Gegenansprüche gegen den Treuhänder wegen Verletzung von Aufklärungspflichten. Entscheidung Der BGH bejahte einen Zahlungsanspruch. Nachdem sich der Anleger geweigert hatte, den Treuhänder von einem Anspruch eines Gesellschaftsgläubigers freizustellen, konnte unmittelbar Schadenersatz in Geld gefordert werden. Der Anspruch war auch begründet, denn aus den Abreden im Treuhandvertrag folgte u.a. die Pflicht, dass der Anleger im Innenverhältnis quotal für Ansprüche auf Rückzahlung eines der Fondsgesellschaft gewährten Darlehens haftet. Gegen diesen Anspruch kann auch nicht mit einem möglichen Schadenersatzanspruch des Anlegers wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Eingehen der Beteiligung aufgerechnet werden. Hier gilt nichts anderes als im Hinblick auf einen an einen Insolvenzverwalter abgetretenen Freistellungsanspruch des Treuhänders. Über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ist eine Aufrechnung verboten, wenn nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss der Aufrechnung als stillschweigend vereinbart angesehen werden muss oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glaube unvereinbar erscheinen lassen. 42

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11.

Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz (BGH, Urt. v. 27.11.2012, XI ZR 384/11 und XI ZR 439/11)

Sachverhalt Zwei Anleger hatten von einer Bank Lehman-Zertifikate erworben. In einem der Fälle war streitig, ob das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch erfolgt war. Im anderen Fall wurde der Kaufauftrag teilweise aufgrund von Telefonaten und teilweise aufgrund E-Mails ausgeführt. In beiden Fällen erklärten die Anleger den Widerruf aller von ihnen im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen. Entscheidung Der BGH verneinte einen Anspruch darauf, die auf Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichteten Willenserklärungen nach den Regeln über den Fernabsatz widerrufen zu können. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB kann eine auf Abschluss eines


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen ist, deren Preis innerhalb der Widerrufsfrist Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dabei sei - so der BGH - der Begriff des Preises nach der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte weit zu verstehen. Preis sei nicht nur der Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. Preis im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB könnten vielmehr auch die Parameter sein, von denen der Wert des Finanzproduktes abhängt. Das war hier der Fall, da Bonuszahlungen und die Rückzahlung der Lehman-Zertifikate in Abhängigkeit von der Entwicklung dreier Aktienindizes während dreier aufeinander folgender Beobachtungszeiträume erfolgen sollten. Fazit Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB beim Erwerb von Finanzdienstleistungen soll das Risiko eines zumindest mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien verteilen. Der Anleger soll einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf einen Unternehmer abwälzen können, auch wenn der Anleger Verbraucher ist. Weil ein Widerrufsrecht hier nicht in Betracht kam, konnte das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages dahinstehen.

12.

Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers über Name und Anschriften der weiteren Treugeber (BGH, Urt. v. 05.02.2013, II ZR 134/11 und II ZR 136/11)

Sachverhalt Während in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts Gesellschafter von Publikums-Personengesellschaften häufig noch unmittelbar beteiligt waren, überwiegt seit langem die mittelbare Beteiligung von Anlegern über einen Treuhandkommanditisten. Regelmäßig besteht in diesen Fällen dann auch die Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung als Kommanditist. Aufgrund zu erteilender und mit Kosten verbundener Vollmachten wählen die meisten Anleger den anderen Weg. Im Gesellschaftsvertrag und Treuhandvertrag wird die Rechtsstellung des mittel-

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bar beteiligten Gesellschafters und des unmittelbar beteiligten Gesellschafters gleichgestellt, d.h. dem mittelbar beteiligten Gesellschafter werden dieselben Rechte, insbesondere das Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und an der Abstimmung, eingeräumt. In den zwei nunmehr vom BGH entschiedenen Fällen ging es um den geltend gemachten Anspruch von mittelbar beteiligten Anlegern, Auskünfte über die Identität der anderen treugeberisch beteiligten Anleger zu bekommen. Sie haben vorgebracht, ohne diese Kenntnis ihre Gesellschafter- oder Treugeberrechte nicht ordnungsgemäß ausüben zu können. Die Anspruchsgegner (Fondsgesellschaft bzw. geschäftsführender Gesellschafter bzw. Treuhandkommanditist) haben eingewandt, die Treugeber hätten ein schützenswertes Anonymitätsinteresse. Außerdem bestünde die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der Daten. Entscheidung Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen der Oberlandesgerichte bestätigt, die den Anlegern einen Auskunftsanspruch zugestanden haben. Maßgeblicher Gesichtspunkt war dabei, dass die als Treugeber beigetretenen Anleger nach den Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der Fondsgesellschaften, auf die die jeweiligen Treuhandverträge Bezug nahmen, im Innenverhältnis den als Kommanditisten beigetretenen Anlegern in Rechten und Pflichten gleichgestellt waren. Wegen dieser Gleichstellung besteht auch ein Interesse, mit den anderen Treugebern in Kontakt treten zu können. Da hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr des Missbrauchs der Daten nicht dargelegt waren, wies der BGH die Revisionen zurück. In zwei Verfahren hatten die Beklagten ihre Revisionen bereits vor Verkündung der Urteile zurückgenommen. Fazit Bislang hat der BGH den Anspruch von Treugebern auf Auskunftserteilung in Fällen bejaht, in denen die Treugeber eine Innengesellschaft gebildet haben. Die beiden neuen Entscheidungen gehen darüber hinaus. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob den Treugebern vertraglich dieselben Rechte und Pflichten zugestanden werden wie direkt beteiligten Gesellschaftern. Da dies meist der Fall ist, besteht auch ein entsprechender Auskunftsanspruch. 43


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

13.

Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen bei Publikums-Personengesellschaften (BGH, Urt. v. 16.10.2012, II ZR 251/10)

Sachverhalt Ein Anleger war an einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer KG beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass Änderungen des Vertrages einer Mehrheit von ¾ der anwesenden Stimmen bedürfen. Sind 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger Personen vereinigt, sind Beschlüsse, für die es ansonsten einer qualifizierten Mehrheit von 75 % bedarf, einstimmig zu fassen. Des Weiteren ist in der Satzung geregelt, dass die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses nur durch Klage, die gegen die Gesellschaft zu richten ist, geltend gemacht werden kann.

unterworfen sein soll. Das war hier gesellschaftsvertraglich geregelt. Der Beschluss verletzte auch nicht treupflichtwidrig die Rechte der Minderheitsgesellschafter. Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von einer Regelung im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als treuwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit darstellt und deshalb inhaltlich unwirksam ist. Gesellschaftsvertragliche Einstimmigkeitserfordernisse oder Sperrminoritäten gehören aber nicht zu dem Mehrheitsentscheidungen entzogenen Bereich der individuellen Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters. Sie schützen die Minderheit insgesamt. Fasst die Mehrheit auf Grundlage des geänderten Gesellschaftsvertrages künftig dann treuwidrige Entscheidungen zu Lasten der Minderheit, ist die Minderheit durch die gegen diese Beschlüsse gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten hinreichend geschützt.

Aufgrund eines Beschlussantrages des Komplementär-Gesellschafters sollte die Vorschrift aufgehoben werden, dass es eines einstimmigen Beschlusses bedarf, wenn 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger Personen vereinigt sind. Der Beschluss wurde gefasst. Hiergegen wendet sich der Anleger mit seiner Klage gegen die Gesellschaft. Entscheidung Der BGH führt aus, dass die Klage zu Recht gegen die Gesellschaft erhoben worden ist. Die Nichtigkeit von Beschlüssen einer Gesellschafterversammlung einer KG werde zwar durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht. Dies gelte aber nicht, wenn der Gesellschaftsvertag bestimmt, dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen ist. Der BGH führte dann weiter aus, dass der Beschluss über die Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses mit einer im Gesellschaftsvertrag bestimmten ¾-Mehrheit gefasst werden konnte. Beschlüsse in einer Personengesellschaft sind grundsätzlich einstimmig zu fassen, wenn und soweit nicht im Gesellschaftsvertrag für den betreffenden Beschlussgegenstand das Einstimmigkeitsprinzip durch das Prinzip einfacher oder qualifizierter Mehrheit ersetzt worden ist (vgl. § 709 Abs. 2 BGB), um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen. Für die formelle Legitimation eines Mehrheitsbeschlusses genügt es grundsätzlich, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder durch Auslegung eindeutig ergibt, dass der jeweilige Beschlussgegenstand einer Mehrheitsunterscheidung 44

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Fazit In der Entscheidung ging es noch um eine Reihe weiterer Streitpunkte, ob beispielsweise der Beschlussantrag die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung rechtfertigte und ob bei einem schriftlichen Abstimmungsverfahren alle Gesellschafter als anwesend anzusehen seien. Hierzu stellte der BGH fest, dass auch im schriftlichen Abstimmungsverfahren Beschlüsse mit der qualifizierten Mehrheit gefasst werden konnten. Sollte dies anders sein, bedürfte es einer ausdrücklichen gesellschaftsvertraglichen Regelung. Anderenfalls sind unter der Mehrheit der anwesenden Stimmen bei schriftlicher Beschlussfassung nicht alle, sondern nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der schriftlichen Abstimmung beteiligen. Die Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters, somit auch derjenigen Gesellschafter, die an der Abstimmung nicht teilnehmen, ist dann erforderlich, wenn in den sog. individuellen „Kernbereich“ der Gesellschafterrechte eingegriffen wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Beitragserhöhungen beschlossen werden sollen. Die Änderung der KG-Satzung fiel nicht darunter.


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen und Finanzierung

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mmobilien oder auch Immobilienbeteiligungen stellen seit jeher einen wichtigen Baustein beim Vermögensaufbau und der Vermögensabsicherung dar. Während in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts insbesondere auch steuerliche Vergünstigungen beim Immobilienerwerb eine große Rolle spielten, steht heute der Nachhaltigkeits- und Renditegedanke an vorderer Stelle. Investitionen in Immobilien und Immobilienbeteiligungen haben auch ihre unrühmliche Seite. Manche Investition hat sich nicht so entwickelt wie erhofft. In diesen Fällen stellt sich dann wiederum die Frage, ob sich ein Anleger bei einem Dritten schadlos halten kann. Nicht selten wird versucht, die finanzierenden Banken in Anspruch zu nehmen. Bei diesen kommt es dann vor allem darauf an, ob sich ihre

Rolle ausschließlich auf diejenige eines Kreditgebers beschränkte. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine finanzierende Bank nämlich nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen. Dennoch kommen bei bestimmten Konstellationen auch Banken als Haftungsadressaten in Betracht. Dies gilt vor allem dann, wenn Banken aktiv Kapitalanlagen bewerben. Immer wenn eine Bank nicht nur Kreditgeber ist, sondern sich darüber hinaus am finanzierten Geschäft beteiligt oder wenn sich Banken wiederum in einem Interessenkonflikt befinden oder einen Wissensvorsprung besitzen, können sich - zusätzliche - Aufklärungspflichten ergeben. Werden diese nicht erfüllt, können sich Banken gegenüber dem Anleger haftbar machen.

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1.

Aufklärungspflichten beim Grundstückskauf (BGH, Urt. v. 11.11.2011, V ZR 245/10)

Sachverhalt Ein Käufer erwarb von einem geschiedenen Ehepaar ein Hausgrundstück, welches mit einem massiven Holzzaun eingefriedet war. In dieser Einfriedung war ein ca. 185 m² großer Grundstücksteil des Nachbargrundstücks einbezogen. Für den unbefangenen Betrachter schien diese Teilfläche als zum verkauften Grundstück zugehörig. Vor Abschluss des Kaufvertrages hatte einer der Verkäufer dem Käufer einen Ordner überlassen, in dem sich neben dem Exposé und anderen Unterlagen auch ein Lageplan des Grundstücks befunden hatte. Der Käufer hatte die Unterlagen für die von ihm einzudeckende Finanzierung erbeten. Der Käufer machte nun wegen dieser Minderfläche einen Minderungsanspruch geltend

und forderte die Feststellung, dass die Verkäufer die erforderlichen Rückbaukosten zu tragen haben, falls der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Rückbau der eingezäunten Teilfläche fordert. Entscheidung Bei Vertragsverhandlungen besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für den Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung sind. Im konkreten Fall bejahte der BGH eine Pflicht zur Aufklärung darüber, dass der in die Einfriedung einbezogene Grundstücksteil 45


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

des Nachbarn nicht zum Kaufobjekt gehörig sei. Es ging sodann um die Frage, ob die Verkäufer mit der Übergabe des Ordners von Unterlagen, u.a. dem Lageplan des Grundstücks, ihrer Aufklärungspflicht genügten. Dies verneinte der BGH. Ein Verkäufer erfülle mit der Übergabe von Unterlagen seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Die Verkäufer hatten behauptet, mündlich ausdrücklich auf den tatsächlichen Grenzverlauf hingewiesen zu haben. Hier fehlten diesbezügliche Aufklärungen des Berufungsgerichts, welches die Klage mangels arglistigen Verhaltens der Verkäufer abgewiesen hatte. Der Rechtsstreit wurde deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Fazit Lieber ein Hinweis mehr als einer zu wenig, kann man auch aus dem vorliegenden Sachverhalt als Schlussfolgerung ziehen. Und falls den beweisbelasteten Verkäufern der erforderliche Aufklärungsnachweis nicht gelingen sollte, gab der BGH gleich noch Hinweise, wie sich der Schadensersatzanspruch der Höhe nach bemisst: Zu ersetzen ist nicht die Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks mit und ohne Teilfläche, sondern der Betrag, um den der Käufer wegen der unterlassenen Aufklärung das verkaufte Grundstück zu teuer erworben hat. Der Käufer ist also so zu behandeln, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen.

2.

Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche einer verkauften Eigentumswohnung der Kaufpreis gemindert werden kann (OLG Saarbrücken, Urt. v. 01.12.2011, 8 U 450/10)

Sachverhalt Eine vermietete Eigentumswohnung wurde verkauft. Der Mietvertrag wurde dem Kaufvertrag als Anlage beigefügt. Die Mietfläche ist dort mit etwas mehr als 111 m² angegeben. Für den Käufer war die Größe der Wohnung ein entscheidendes Merkmal. Die Abrede über die Wohnungsgröße war aber nicht in den Kaufvertrag aufgenommen worden. Die tatsächliche Größe lag um knapp 10 % unter der im Mietvertrag ausgewiesenen Fläche. Der Käufer machte einen Anspruch auf Kaufpreisminderung geltend. Entscheidung Das OLG Saarbrücken gab ihm Recht. Auch wenn die Wohnfläche im notariellen Kaufvertrag nicht ausdrücklich vereinbart worden ist, wurde sie durch eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zum Vertragsgegenstand. Dass diese Abrede über das Vertrags-Soll nicht beurkundet wurde, ist unbeachtlich, denn der Formmangel war durch Eintragung des Käufers im Grundbuch geheilt worden. Darauf, dass die Flächenabweichung geringer als 10 % ist und nach der im Mietrecht geltenden Judikatur insoweit kein Anspruch auf Minderung des Mietzinses besteht, ist unbeachtlich. Fazit Ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises liegt vor, wenn die Kaufsache mangelbehaftet ist. Weicht die Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit ab, ist von einem Mangel auszugehen. Beim Wohnungskauf gilt die Mindestschwelle, die im Mietrecht gilt, nicht.

3.

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Kapitalanlegereigentumswohnung: Grundsätzlich keine Pflicht zur Aufklärung über die Höhe der Innenprovision (BGH, Urt. v. 05.06.2012, u.a. XI ZR 149/11)

Sachverhalt Die Entscheidungen des BGH vom 05.06.2012 betreffen acht Parallelfälle, in denen Anleger fremdfinanzierte Eigentumswohnungen erworben hatten. Die finanzierende Bank betrieb aus einer notariellen


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Urkunde die Zwangsvollstreckung. Dagegen wandten sich die Anleger mit einer Vollstreckungsgegenklage. Sie warfen der Bank vor, über einen Wissensvorsprung verfügt zu haben und sie nicht über die Höhe der im Kaufpreis enthaltenen Vertriebsprovision (Innenprovision) aufgeklärt zu haben. Für den Erwerb der Wohnungen war mittels eines Verkaufsprospektes geworben worden. In diesem war zu lesen, dass für den Erwerb der Immobilie 76,7 % auf Grundstück, Gebäude inkl. Vertrieb und Marketing entfiel. Dass im Kaufpreis eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24 % eingepreist war, war nicht offengelegt. In Vermittlungsaufträgen und Berechnungsbeispielen wurde auf eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3,42 % des Gesamtaufwandes hingewiesen.

bestehen können. Der BGH sah es als ausreichend an, dass der Anfall von Vertriebsprovisionen (Innenprovisionen) im prospektierten Bildquelle: © xmasarox - Fotolia.com Gesamtaufwand unter der Rubrik „Grundstück, Gebäude inkl. Vertrieb und Marketing“ kenntlich gemacht und dem Grunde nach mitgeteilt worden sind. Ungefragt musste auf die Höhe der Innenprovision nicht hingewiesen werden. Da also eine arglistige Täuschung der Anleger durch die Vermittler zu verneinen war, fehlte es bereits an der Grundvoraussetzung, so dass sich die weitere Frage, ob eine arglistige Täuschung einer finanzierenden Bank zuzurechnen ist, gar nicht mehr stellte.

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Fazit Der Erwerb von Kapitalanlegereigentumswohnungen wird von der Rechtsprechung anders bewertet als der Erwerb von geschlossenen Fondsbeteiligungen. Auch der freie Anlageberater ist bei geschlossenen Fondsbeteiligungen ab einer Provisionshöhe von 15 % verpflichtet, ungefragt die Höhe zu offenbaren. Beim Erwerb von Eigentumswohnungen durch Kapitalanleger wird die Grenze nach allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen erst dort zu ziehen sein, wo der Tatbestand des Wuchers erfüllt ist. Anders dürften des Weiteren auch Fälle beurteilt werden, in denen vom als für beide Vertragsseiten tätigen Makler nicht auf die Doppelmaklerschaft hingewiesen wird oder in denen Vermittler explizit nach der Höhe der Innenprovision gefragt werden und hier unzutreffend die Höhe zu niedrig angeben würden.

Entscheidung Der Bundesgerichtshof verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung wegen arglistiger Täuschung der Anleger durch den Vertrieb, die der die Zwangsvollstreckung betreibenden Bank zuzurechnen wäre. Es fehlt bereits an einer arglistigen Täuschung des Anlegers. Die Vermittler waren zur Offenlegung der Höhe der Innenprovision nicht verpflichtet. Aus den Verkaufsunterlagen ergab sich, dass die Vermittler nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft tätig werden und Provisionsansprüche auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte

4.

Zur Wirksamkeit einer Treuhandvoll- macht, die zur Vertretung von Anlegern im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem Beitritt zu einer Beteili- gungsgesellschaft einschl. der Finanzierung der Beteiligung berechtigt (BGH, Urt. v. 11.10.2011, XI ZR 415/10)

Sachverhalt Anleger wurden im Jahr 1997 dafür geworben, sich an einem geschlossenen Immobilienfonds zu beteiligen. Sie erteilten im Zeichnungsschein einem Treuhänder, der über keine Erlaubnis nach dem 47


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Rechtsberatungsgesetz verfügte, Vollmacht, ihren „wirtschaftlichen Beitritt“ zur Fondsgesellschaft zu bewirken. Weiter wurde vereinbart, dass die Anleger eine eventuelle Refinanzierung des Gesellschaftsanteils selbst durchführen würden. Eine finanzierende Bank gewährte den Anlegern ein Finanzierungsdarlehen. Die Bank schrieb den Kreditbetrag dem Konto des Treuhänders gut. Dieser verwendete ihn zum Erwerb des Fondsanteils.

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Die finanzierende Bank klagte auf Feststellung der Wirksamkeit des Darlehensvertrages und das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts. Die Anleger forderten widerklagend die Entlastung aus dem Darlehensvertrag Zug um Zug gegen Abtretung des Fondsanteils. Sie beriefen sich u.a. darauf, der Treuhandvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Entscheidung Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells besorgt, der Erlaubnis nach dem früheren Rechtsberatungsgesetz (heute: Rechtsdienstleistungsgesetz). Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung ist auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung fremder Geschäfte außer mit wirtschaftlichen Belangen vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. 48

Maßgeblich ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt, oder ob die rechtliche Seite im Vordergrund steht und es im Wesentlichen um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Hier erteilten die Anleger dem Treuhänder die Vollmacht, die Anleger in allen Angelegenheiten, die mit dem wirtschaftlichen Beitritt des Treugebers zur Gesellschaft zusammenhängen, zu vertreten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt damit auf wirtschaftlichem Gebiet. Der Treuhänder war weder bevollmächtigt, für die einzelnen Treugebergesellschafter Finanzierungsdarlehen aufzunehmen noch dafür Konten zu eröffnen und über diese zu verfügen noch für einzelne Treugebergesellschafter die persönliche Mithaftung z.B. für die Gesellschaftsschulden zu übernehmen. Die Vollmacht war somit wirksam. Die Widerklage der Anleger war abzuweisen. Fazit Von einer erlaubnispflichtigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist insbesondere auszugehen, wenn die Tätigkeit des Treuhänders den Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen für den Treugeber zum Gegenstand hat und in diesem Zusammenhang mannigfaltiger rechtlicher Beratungsbedarf besteht. Dies festzustellen ist Tatsache des Tatrichters. Wie so oft, kommt es auf den Wortlaut an, aber natürlich auch darauf, ob geregeltes und tatsächliches Verhalten übereinstimmen. Papier ist bekanntlich geduldig. Im konkreten Fall waren jedoch keine Unregelmäßigkeiten festzustellen.

5.

Zur Frage der arglistigen Täuschung eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen (BGH, Urt. v. 05.06.2012, XI ZR 175/11)

Sachverhalt Anleger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, in der sie sich - vertreten durch eine Treuhänderin - der persönlichen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen hatten. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolgte durch die den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzierenden Bank. Die Bank hatte die zur Finanzierung aufgenommenen Darlehensverträge gekündigt und betrieb die Zwangsvollstreckung.


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Die Anleger wurden von einem Anlagenvermittler geworben, der für die Wohnung mittels eines Verkaufsprospektes warb. In diesem heißt es, dass für Grundstück, Gebäude inkl. Vertrieb und Marketing 76,70 des kalkulierten Gesamtaufwandes aufzuwenden sind. Dass hierbei eine Innenprovision in Höhe von 18,24 % eingepreist wurde, ergibt sich aus dem Prospekt nicht. Die Anleger halten die Zwangsvollstreckung für unzulässig, weil Schadenersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzungen bestünden. Diese könnten ihrer Inanspruchnahme aus der Vollstreckungsunterwerfung entgegengehalten werden. Entscheidung Eine lediglich kreditgebende Bank ist bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Grundsätzlich muss eine den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzierende Bank, mit der ein Anleger keinen Beratungsvertrag abgeschlossen hat, nicht darüber informieren, dass im Kaufpreis eine „versteckte Innenprovision“ enthalten ist, die an den Vertrieb bezahlt wird. Ein Käufer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objektes zu dessen Verkehrswert. Es bleibt vielmehr den Vertragsparteien bis an die

Grenzen der Sittenwidrigkeit und des Wuchers überlassen, welchen Kaufpreis sie vereinbaren. Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung liegt aber dann vor, wenn eine Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde. Im vorliegenden Fall war der für Vertriebs- und Marketingkosten entfallende Anteil am Gesamtaufwand nicht näher aufgeschlüsselt. Neben dem Hinweis auf die Außenprovision enthielt der Prospekt den ausdrücklichen Hinweis auf weitere Vergütungsansprüche des Vermittlers. Eine arglistige Täuschung über Vertriebsprovisionen schied deshalb aus. Fazit Diese Entscheidung ist ein weiterer Fall verschiedener Parallelverfahren, die der BGH durch Urteile vom 05.06.2012 entschied (vgl. vorstehend III. 3.). Ob ein Anleger durch unrichtige Angaben eines Vermittlers arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalls. Auch wenn ein Vermittler im persönlichen Beratungsgespräch nicht auf den Anfall von Innenprovisionen hinweist, reicht es aus, wenn sich dieser Umstand aus dem Prospekt und dem Vermittlungsauftrag ergibt.

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

IV. Vermittler- und Maklerrecht

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ie fortschreitende Regulierung des Rechts der Kapitalanlagen betrifft vor allem auch die Rechtsvorschriften derer, die diese Produkte vermitteln sollen. Seit 01.01.2013 gilt die Finanzanlagenvermittlungsverordnung. Ihre Grundlage findet sich im Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts. Durch den neuen § 34f GewO wurde für Finanzanlagenvermittler ein eigenständiger Erlaubnistatbestand für die Berufsausübung geschaffen. Die Erlaubnis erhält grundsätzlich nur, wer • in geordneten Vermögensverhältnisse lebt und einen guten Leumund hat, • eine Berufshaftpflichtversicherung nachweist, • seine Sachkunde nachgewiesen hat. Der neue § 34f GewO unterteilt die Vermittlung in die Bereiche Investmentfonds, die Vermittlung von Anteilen an geschlossenen Fonds und die Vermittlung von sonstigen Vermögensanlagen. Mit dem Gesetzesentwurf über die Honoraranlageberatung steht schon das nächste Gesetz „in den Startlöchern“. Wir geben nachfolgend einen Überblick über Auslegungsfragen bei gesetzlichen und vertraglichen Vereinbarungen. Es geht um die Themen des Lohnanspruchs bei Verflechtungen, zum Recht auf fristlose Kündigungen eines Absatzmittlungsvertrages, um Wettbewerbsverbote, um Ausgleichsansprüche u.a.m.

1.

Kein Maklerlohnanspruch bei unechter Verflechtung (BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 213/11)

Sachverhalt Ein Versicherungsvermittler forderte von einem von ihm vermittelten Kunden die Restzahlung von Maklerlohn. Der Vermittler hatte dem Kunden eine Versicherung mit sog. Netto-Tarif vermittelt, also einem Tarif, in dem keine Abschlusskosten einkalkuliert sind. Die Versicherungsunterlagen waren nach der Firma des Vermittlers benannt. Der Kunde unterzeichnete eine vorformulierte Vermittlungsgebührenvereinbarung, in der er sich zur Zahlung des Maklerlohns in 60 gleichhohen Raten verpflichtete. Den Einzug der Raten übernahm eine Tochtergesellschaft des Ver50

sicherers. Nach nicht einmal einem Jahr stellte der Kunde die Zahlung der monatlichen Raten ein. Entscheidung Der BGH wies die Zahlungsklage des Versicherungsvermittlers ab, weil im konkreten Fall der Vermittler keine Tätigkeit ausübte, die mit dem gesetzlichen Leitbild eines (Versicherungs-)Maklers im Einklang steht. Es lag eine „unechte Verflechtung“ zwischen Vermittler und Lebensversicherer vor. Kommt aufgrund der Tätigkeit eines Maklers aber ein Hauptanspruch zwischen Kunde und einer Person zustande, mit der der Makler gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise verflochten ist, steht dem Makler kein Vergütungsanspruch zu. Ein Makler schuldet die Beratung auf der Grundlage einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und einer hinreichenden Zahl von Versicherern. Lässt ein Versicherungsmakler Fondspolicen eines Versicherers mit seinem Namen versehen und stellt das Produkt in Informationsbriefen als eigene konzeptionelle Leistung für die private Altersversorgung heraus, ist die Gefahr des Interessenkonfliktes gegeben, denn es kann davon ausgegangen werden, dass ein auf diese Art werblich besonders herausgestelltes Produkt für einen Vermittler von ganz erheblichem wirtschaftlichen Interesse ist. Das Interesse ist auch dauerhaft. Ein solcher (Versicherungs-)Makler entspricht mithin nicht dem gesetzlichen Leitbild des im Lager des Versicherungskunden stehenden Sachwalters. Fazit Wo Makler draufsteht muss auch Makler drin sein. Wer sich als Makler bezeichnet, tatsächlich aber ein dauerhaftes Interesse daran hat, überwiegend Produkte eines bestimmten Produktpartners zu vermitteln, hat seinen Lohnanspruch verwirkt.

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

2.

Zum Recht auf fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrages bei Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot (BGH, Urt. v. 10.11.2010, VIII ZR 327/09)

Sachverhalt Ein Versicherungsvermittler vermittelte über mehrere Jahrzehnte Versicherungen für eine Versicherungsgesellschaft. Zuerst war er als Angestellter in der Agentur seines Vaters tätig. Seit 1984 war er als selbstständiger Handelsvertreter für die Versicherungsgesellschaft unterwegs. Im Handelsvertretervertrag war ein Wettbewerbsverbot vertraglich vereinbart. Im Jahr 2006 erfuhr die Versicherungsgesellschaft, dass der Handelsvertreter rund 10 Kfz-Versicherungsverträge, die die Versicherungsgesellschaft, für die der Handelsvertreter „exklusiv“ tätig war, gekündigt hatte, bei einer anderen Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ hatte. Daraufhin erklärte die Versicherungsgesellschaft die fristlose Kündigung des Agenturvertrages. Ein halbes Jahr später nahm der Handelsvertreter einen selbstständigen Agenturbetrieb für eine andere Versicherung auf. Wegen dieser Tätigkeit sprach der Prinzipal erneut die fristlose Kündigung des seit 1984 bestehenden Handelsvertretervertrages aus. Der Handelsvertreter begehrte die Feststellung, dass durch die beiden fristlosen Kündigungen das seit 1984 bestehende Handelsvertreterverhältnis nicht beendet worden ist. Entscheidung Der BGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach der Handelsvertretervertrag durch keine der ausgesprochenen fristlosen Kündigungen beendet worden ist. Der Handelsvertreter habe zwar zweimal gegen das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen, indem er die Kfz-Versicherungsverträge bei einer anderen Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ habe und einen zweiten Agenturvertrag mit einer anderen Versicherungsgesellschaft begründet habe. Die Wettbewerbsverstöße stellen sich bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen jedoch als so geringfügig dar, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust und ein damit einhergehendes fristloses Kündigungsrecht ohne vorherige Abmahnung nicht begründet haben. Was die zweite fristlose Kündigung anbelangte, kam noch der Aspekt hinzu, dass die fristlose Kündigung erst fünf Monate nach Kenntnis von der Übernahme des zweiten Agenturverhältnisses ausgesprochen wurde.

Fazit Geringfügige Vertragsverletzungen können nicht immer einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertragsverhältnisses sein. Im Handelsvertreterrecht ist die Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung auf schwerwiegende Vertragsverletzungen in besonderer Weise geboten, weil das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Handelsvertreters den Verlust des Ausgleichsanspruchs zur Folge hat. Die Beurteilung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar ist und aus diesem Grund eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Diese Beurteilung obliegt dem Tatrichter.

3.

Zur Frage, wann vom Handelsvertreter geworbene Kunden Neukunden eines Unternehmens sind, wenn dieses einen Kundenstamm von einer insolventen Gesellschaft erworben hat (BGH, Urt. v. 26.10.2011, VIII ZR 222/10)

Sachverhalt Ein Handelsvertreter war für ein Unternehmen tätig, welches insolvent wurde. Eine neu gegründete Gesellschaft übernahm den Geschäftsbetrieb der insolventen Gesellschaft und schloss mit dem Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft einen Kaufvertrag, durch den bestimmte Gegenstände der insolventen Gesellschaft erworben wurden. Der Handelsvertreter war auch während des Insolvenzverfahrens für die insolvente Gesellschaft tätig. Auch mit der neu gegründeten Gesellschaft schloss er einen Handelsvertretervertrag. Diese kündigte den Handelsvertretervertrag ordentlich. Der Handelsvertreter forderte einen Ausgleichsanspruch auch unter Berücksichtigung des Kundenstamms, den er schon in der alten (insolventen) Gesellschaft betreut hatte und den die neue Gesellschaft vom Insolvenzverwalter übernommen hatte. Entscheidung Ein Handelsvertreter hat im Rahmen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs einen Anspruch für von ihm an den Prinzipal vermittelte Neu-Kunden oder für Alt-Kunden, wenn die diesbezügliche Geschäftsverbindung wesentlich erweitert oder wiederbelebt wurde. Übernimmt nun eine neu gegründete Gesellschaft sowohl die Kunden als auch den Handelsvertreter eines insolvent gewordenen Unterneh51


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mens, sind die bisherigen Kunden des insolventen Unternehmens, die aufgrund der Tätigkeit des Handelsvertreters erstmals ein Geschäft mit dem neu gegründeten Unternehmen abgeschlossen haben, als vom Handelsvertreter geworbene Neu-Kunden dieses Unternehmens anzusehen. Ein neu gegründetes Unternehmen hat noch keine Alt- oder Bestands-Kunden. Es kann diese aufgrund der Neugründung noch gar nicht haben. Im Rahmen des Kaufs eines Kundenstamms kann ein neu gegründetes Unternehmen auch nicht die Kunden erwerben, sondern lediglich die Information über die Kundenbeziehungen. Diese Information über Stammkunden eines insolventen Unternehmens begründet noch keine Geschäftsbeziehung des neuen Unternehmens mit diesen Kunden. Es eröffnet nur die Chance, dass die Stammkunden des insolventen Unternehmens auch mit dem neu gegründeten Unternehmen eine Geschäftsbeziehung eingehen werden. Der Umstand, dass der Inhaber des neu gegründeten Unternehmens einen Kundenstamm käuflich erworben hat, kann unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (vgl. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) zu einer Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen, wenn dem Handelsvertreter dadurch die Werbung dieser Kunden für das neu gegründete Unternehmen erleichtert wird. Fazit Jedenfalls bei neu gegründeten Unternehmen steht nach dieser Entscheidung fest, dass dieses keine „Alt-Kunden“ haben kann, selbst wenn es einen Kundenstamm übernimmt. Neue Kunden, die ein Handelsvertreter geworben hat, sind alle Kunden, die mit einem Unternehmen noch nicht in geschäftlicher Beziehung standen, sondern erstmals unter Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit dem Unternehmen abgeschlossen haben.

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4.

Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im strukturierten Vertrieb (BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10)

Sachverhalt Ein Finanzdienstleister, der in einem Strukturvertrieb, zuletzt auf der Stufe eines Regionaldirektionsleiters, tätig war, machte Ansprüche auf einen Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend, nachdem ihm seitens des Strukturvertriebs gekündigt worden war. Als Basis für den Ausgleichsanspruch bezog sich der Finanzdienstleister auf die sogenannten Grundsätze, die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes vereinbart worden sind. Im Vertrag zwischen Finanzdienstleister und Prinzipal war die Geltung dieser Grundsätze aber nicht explizit vereinbart. Entscheidung Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Versicherungs- und Bausparkassenvertreter von der Handelsvertreterrichtlinie, die im Jahr 2009 in deutsches Recht umgesetzt wurde, nicht erfasst wird. Die Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung ergibt sich deshalb nicht. Durch den Ausgleichsanspruch abzugelten sind deshalb Provisionsverluste für noch nicht vollständig ausgezahlte Vermittlungsprovisionen aus bestehenden, vom Vertreter vermittelten Verträgen, soweit diese infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen. Gleichgestellt sind solche Verträge, die zwar erst nach dem Ausscheiden des Vertreters zustande kommen, sich aber bei natürlicher Betrachtungsweise lediglich als Verlängerung oder Summenerhöhung der vom Vertreter vermittelten Verträge darstellen, also in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Altverträgen stehen und dem gleichen Versicherungs- oder Bausparbedürfnis dienen. Ausgleichsrechtlich irrelevant sind Verwaltungsprovisionen, die für Tätigkeiten wie die Bestandspflege und die Kundenbetreuung gezahlt werden. Speziell in Bezug auf Finanzdienstleister, die innerhalb eines Strukturvertriebes tätig sind, können auch Superprovisionen ausgleichspflichtig sein. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit des Strukturhöheren zumindest mit ursächlich für die von Strukturunteren vermittelten Abschlüsse ist. Eine solche Mitursächlichkeit setzt nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich betreut. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann schon die Mitursächlichkeit der Einstellung und Einarbeitung von Untervertretern ausreichen.


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Die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes seit 1998 entwickelten sog. „Grundsätze“ können angesichts ihrer Entstehungsgeschichte als Schätzgrundlage herangezogen werden, soweit es um die Ermittlung eines Ausgleichsanspruchs geht. Es ist nicht erforderlich, dass auf diese „Grundsätze“ explizit im Vermittlervertrag verwiesen wird. Eine Einschränkung erfährt diese Sichtweise, soweit es um die „Grundsätze Finanzdienstleistungen“ geht. Finanzdienstleistungen von Bausparkassen stellen nur einen Ausschnitt sämtlicher Finanzdienstleistungen dar, denn Bausparkassen dürfen wegen § 4 Bausparkassengesetz nicht uneingeschränkt Finanzdienstleistungsgeschäfte vornehmen. Hier muss ein Finanzdienstleister, der für diesen Bereich einen Ausgleichsanspruch fordert, seinen Anspruch anhand der gesetzlichen Vorgaben darlegen. Insoweit ist es erforderlich, Angaben zur Stammkundenquote zu machen. Fazit Die „Grundsätze Finanzdienstleistungen“ sind nicht maßgeblich, sofern der Handelsvertreter nicht für eine private Bausparkasse, sondern für ein eigenständiges Finanzdienstleistungsunternehmen tätig ist. Die „Grundsätze - Sach“, „Grundsätze - Leben“, „Grundsätze - Kranken“ und „Grundsätze - Bauspar“ können hingegen als Grundlage für die richterliche Schätzung eines Mindestausgleichsbetrages dienen.

5.

Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs bei zwischenzeitlich beendetem und anschließend neu begründetem Handelsvertretervertrag (OLG München, Urt. v. 14.09.2011, 7 U 1348/11)

Sachverhalt Ein Versicherungsvertreter stritt mit seinem Prinzipal (einer Versicherung) um Auskunfts- und Ausgleichsansprüche nach beendetem Versicherungsvertreterverhältnis. Der Versicherungsvertreter war fast zehn Jahre für die Versicherung vermittelnd tätig, bevor er sich entschloss, das Versicherungsvertreterverhältnis zu kündigen und zu einem Wettbewerber zu wechseln. Sein in den fast zehn Jahren betreuter und aufgebauter Bestand wurde einem anderen Agenten zugewiesen. Wenige Monate später kehrte der Versicherungsvertreter zur „alten“ Versicherung zurück und begründete einen neuen Versicherungsvertretervertrag. In diesem war hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Versicherung geregelt, dass der Vermittler so behandelt wird, als wäre das Eintrittsdatum

der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses. Nach Kündigung des (zweiten) Vertretervertrages - die Kündigung wurde dieses Mal von der Versicherung erklärt - begehrte der Vermittler Auskunft und Zahlung auch für die im Rahmen des ersten Vertreterverhältnisses von ihm selbst vermittelten dynamischen Lebens- und Rentenversicherungsverträge

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Entscheidung Das Gericht gestand dem Versicherungsvertreter (nur) einen Anspruch auf Auskunft für dynamische Lebens- und Rentenversicherungsverträge zu, die er während der Vertragslaufzeit des zweiten Versicherungsvertretervertrages vermittelt hat. Eine während der Laufzeit des zweiten Vertretervertrages getroffene Vereinbarung des Inhalts, das Eintrittsdatum sei der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses, führe nicht dazu, dass dem Vertreter Ausgleichsansprüche auch für diesen Zeitraum zustehen und Auskunft zu gewähren ist. Nur insoweit verliert er infolge der Beendigung des Vertrages Ansprüche auf Provision, die er bei Fortsetzung des Vertrages aus diesen Versicherungsverträgen gehabt hätte. Fazit Das Problem wäre vermutlich gar nicht erst aufgetreten, wenn sich die Versicherung nicht bereiterklärt hätte, den Versicherungsvertreter bezüglich der Zugehörigkeit zur Versicherung so zu behandeln, als wäre das Datum des Abschlusses des ersten Vertretervertrages maßgeblich. Die Versicherung wollte dem Vertreter - so ihre Einlassung im Prozess - gewisse Vergünstigungen zukommen lassen z.B. bezüglich der Berechnung des zehnjährigen Dienstjubiläums oder der Kündigungsfristen. Eine darüber hinausgehende Aussage sollte die Vereinbarung nicht zum Inhalt haben. Die Entscheidung zeigt aber mehr, wie wichtig es ist, möglichst klare Absprachen zu treffen. 53


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6.

Zur Frage der Wirksamkeit einer Kündigung eines Handelsvertretervertrages per E-Mail (OLG München, Urt. v. 26.01.2012, 23 U 3798/11)

Sachverhalt Ein Unternehmen hatte mit seinem Handelsvertreter im Handelsvertretervertrag vereinbart, dass eine ordentliche Kündigung schriftlich erfolgen muss. In einem Vorgängervertrag hatten die Vertragsparteien weitergehend gefordert, dass eine Kündigung per eingeschriebenen Brief zu erfolgen hat. Für eine außerordentliche Kündigung sah der Handelsvertretervertrag kein Formerfordernis vor. Die Kommunikation zwischen den Vertragsparteien erfolgte üblicherweise per E-Mail. Der Prinzipal kündigte den Handelsvertretervertrag per EMail. Der Handelsvertreter forderte Schadenersatz und berief sich hierbei vor allem auf die Unwirksamkeit der Kündigung.

Fazit Das OLG München erteilt all denen eine Abfuhr, die bei gewillkürtem Schriftformerfordernis eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung durch einfache E-Mail als nicht ausreichend anerkennen. Umgekehrt weist das Gericht auf die „besonderen Umstände des Einzelfalls“ hin, die stets heranzuziehen sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, bereits im Vertrag selbst festzuhalten, ob ein vereinbartes Schriftformerfordernis auch durch eine einfache E-Mail gewahrt sein soll oder nicht.

Entscheidung Das OLG München wies die Schadenersatzklage ab und bejahte die Wirksamkeit der Kündigung. Grundsätzlich könne die Kündigung eines Handelsvertretervertrages formlos, also sogar konkludent erfolgen. Die Vertragsparteien können jedoch vertraglich etwas anderes vereinbaren. Dies war mit der Regelung, dass die ordentliche Kündigung schriftlich zu erfolgen habe, geschehen. Allerdings genüge zur Wahrung der durch das Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative Übermittlung, soweit kein anderer Wille der Vertragsparteien anzunehmen sei. Demzufolge genüge grundsätzlich auch eine Erklärung per E-Mail, sofern aus der Erklärung erkennbar ist, von wem sie abgegeben wurde. Wegen der nicht zu verkennenden Missbrauchsgefahr wies das Gericht zugleich darauf hin, dass in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen sei, ob ein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist und eine einfache E-Mail ohne eingescannte Unterschrift oder ohne elektronische Signatur nicht genügen soll. Im konkreten Fall stellte das Gericht darauf ab, dass für eine außerordentliche Kündigung, die wesentlich schwerwiegender wiege, kein Formerfordernis vereinbart war. Außerdem war die Kommunikation per E-Mail üblich, so dass keine Unklarheiten über den Absender herrschen konnten. Deshalb sah das Gericht die mit der Schriftformklausel bezweckte Klarheit auch durch eine einfache E-Mail als erreicht an. 54

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7.

Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft, unlauter verhält (OLG Naumburg, Urt. v. 24.05.2012, 9 U 218/11, nrkr.)

Sachverhalt Ein Versicherungsvertreter vermittelte sogenannte Netto-Policen. Im Zuge der Vermittlung der NettoPolice schloss er mit dem Kunden eine Honorarvereinbarung. Beim Erstkontakt mit dem Kunden hatte der Vermittler wahrheitsgemäß angegeben,


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als Versicherungsvertreter im Vermittlerregister eingetragen zu sein. Ein Wettbewerber des Versicherungsvertreters forderte die Unterbindung des Vertriebsmodells, weil dieses beim Versicherungsvertreter eine unlautere Wettbewerbshandlung darstelle. Entscheidung Das OLG Naumburg verneinte sowohl einen Verstoß gegen Marktverhaltensregeln noch eine Unlauterkeit wegen Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Es sei zwar zutreffend, dass § 34d GewO nicht nur den Marktzugang regele, sondern auch das Marktverhalten eines Versicherungsvermittlers. Der Versicherungsvertreter verstoße aber nicht gegen § 34d GewO, wenn er als Versicherungsvertreter Netto-Policen vermittle und vom Kunden eine Vergütung über eine separat zu vereinbarende Vergütungsvereinbarung fordere. Es gebe keinen Grundsatz, dass nur Versicherungsmakler eine solche Vergütung zu fordern berechtigt seien. Auch ein Versicherungsvertreter, der seine Agenturbindung offenlegt, könne eine Vergütungsvereinbarung treffen. Des Weiteren verneinte das Gericht ein unlauteres Wettbewerbsverhalten durch unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die formularmäßigen Vergütungsverträge stellten solche dar. Das gesetzliche Regelungsmodell beim Versicherungsvertreter sehe auch den Schicksalsteilungsgrundsatz vor, nach dem der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters das Schicksal der Prämie teilt. Von diesem Vergütungsmodell werde bei einer Netto-Po-

lice mit Honorarvereinbarung abgewichen. Da aber auch eine Ansparversicherung mit Brutto-Prämie in der Regel mit nicht unerheblichen Verlusten verbunden ist, wenn diese vorzeitig gekündigt wird, seien die Unterschiede allenfalls marginal. Außerdem weise eine Netto-Police größere Transparenz auf. Es erscheine des Weiteren zweifelhaft, ob ein Kunde im Abschluss eines gesonderten Vergütungsvertrages den Hinweis auf die Maklereigenschaft eines Vermittlers sehe. Der Makler steht bekanntlich als treuhänderischer Sachwalter der Kundeninteressen im Lager des Kunden, während der Versicherungsvertreter dem Lager des Versicherers zugerechnet wird. Wenn ein Versicherungsvertreter im Rahmen der Erstkontaktinformation auf seinen Vertreterstatus hinweise, könne der Kunde nicht irregeführt werden. Außerdem würde in der Vergütungsvereinbarung noch einmal explizit auf die Vertretereigenschaft hingewiesen werden. Fazit Auch ein Versicherungsvertreter darf Netto-Policen vermitteln und separate Vergütungsvereinbarungen treffen, wenn er seine Agenturbindung offenlegt. Er handelt in einem solchen Fall nicht unlauter und verstößt weder gegen Marktverhaltensregeln noch verhält er sich irreführend, weil er durch die separate Honorarvereinbarung vom Schicksalsteilungsgrundsatz abweicht.

8.

Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem Kunden gegenüber als Versicherungsmakler in Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler) (LG Dortmund, Urt. v. 24.02.2012, 2 O 144/11)

Sachverhalt Ein Versicherungsnehmer und eine Versicherung stritten darüber, ob eine Kranken- und Krankentagegeldversicherung fortbesteht, obgleich der Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat. Der Versicherer berief sich zur Begründung auf die Nichtangabe von Krankheitsbehandlungen im Rahmen gestellter Gesundheitsfragen. Die Gesundheitsfragen fanden sich in einem Formular des Versicherungsvermittlers, der dem Kunden gegenüber als „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ gegenübertrat.

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Entscheidung Nach § 19 Abs. 2 VVG kann ein Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsneh55


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mer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt. Hiernach muss ein Versicherungsnehmer ihm bekannte erhebliche Gefahrumstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, diesem anzeigen. Das Gericht verneinte allerdings ein Rücktrittsrecht des Versicherers, weil Gesundheitsfragen, die ein Versicherungsmakler stellt, dem Versicherer grundsätzlich nicht zuzurechnen sind. Der Versicherer hatte sich darauf berufen, der Vermittler sei Mehrfachagent. Schon deshalb seien die vom Vermittler gestellten Fragen als Fragen des Versicherers anzusehen. Vertragliche Beziehungen zwischen Versicherer und Vermittler sind aber irrelevant, soweit es um die Frage geht, welchen Status ein Vermittler für den Versicherungsnehmer hat. Tritt ein Versicherungsvermittler als „unabhängiger Finanzoptimierer“ auf, handelt er nach außen als Makler. Bei einem als Makler auftretenden Mehrfachagenten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordern, dass die Agentenstellung offengelegt wird. Nur dann können Fragen des Vermittlers dem Versicherer zugerechnet werden. Des Weiteren ist es dem Versicherungsnehmer nicht anzulasten, wenn ihm sein Versicherungsmakler verdeckt als Mehrfachagent gegenübertritt, ohne über die daraus folgende Interessenkollision aufzuklären. Fazit Tritt ein Vermittler als Pseudomakler auf, muss sich der Versicherer diesen Umstand zurechnen lassen. Auf das Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Pseudomakler kommt es nicht an. Gesundheitsfragen, die ein Pseudomakler stellt, können nur dann als Fragen des Versicherers gelten, wenn sich der Versicherer die Fragen zu eigen macht, was für den Versicherungsnehmer bei der Antragsaufnahme ersichtlich sein muss.

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9.

Zur Frage der Verantwortlichkeit einer Vertriebsorganisation für ein strafbares Verhalten ihres Handelsvertreters (BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)

Sachverhalt Ein Anleger erwarb auf Empfehlung eines Handelsvertreters eines großen deutschen Strukturvertriebs Anteile an Aktienfonds. Er leistete längere Zeit monatliche Zahlungen zum Erwerb von Aktienfondsanteilen. Schon im Kontoeröffnungsantrag hatte der Anleger die Fondsverwaltungsgesellschaft ermächtigt, sowohl dem Handelsvertreter als auch dessen Prinzipal Anlegerdaten zu übermitteln. Drei Jahre nach Kontoeröffnung hatte der Handelsvertreter die Fondsanlage aufgelöst. Dabei hatte er die Unterschrift des Anlegers gefälscht und den Verkaufswert auf sein Privatkonto überweisen lassen. Die Ehefrau des Anlegers nimmt aus abgetretenem Recht die Vertriebsorganisation auf Schadenersatz in Anspruch. Entscheidung Der BGH bejahte einen Schadenersatzanspruch aus der Verletzung von Pflichten eines Schuldverhältnisses. Dieses ist dadurch zustande gekommen, dass der Handelsvertreter das Einverständnis des Anlegers einholte, ihm und seiner Vertriebsorganisation den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die das Anlagekonto zwischen dem Anleger und der Fondsverwaltungsgesellschaft betreffen. Die Datenweitergabe diente dem Zwecke der Beratung. Die Beratung erfolgte mit Wissen und Wollen der Vertriebsorganisation. Die Vertriebsorganisation stattete den Handelsvertreter sogar mit Formularen aus, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichten. Sie hat deshalb für Pflichtverletzungen ihres Erfüllungsgehilfen wie für eigene Pflichtverletzungen einzustehen. Fazit Im Volksmund heißt es, dass man niemandem hinters Gesicht schauen kann. Der Anleger kann dies im Hinblick auf seinen ihn beratenden Finanzdienstleister genauso wenig wie die Vertriebsorganisation, für den ein Finanzdienstleister tätig ist. Dennoch ist es recht und billig, die Vertriebsorganisation für ein schuldhaftes Verhalten eines von ihr eingesetzten Handelsvertreters eintreten zu lassen. Sie ist insoweit „näher dran“. Nicht selten sind es die klangvollen Namen der großen Vertriebsorganisationen, die die Türen zum Anleger erst öffnen. Die Vertriebsorganisationen han-


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deln - wenn etwas schief läuft - meist nach dem Motto „wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Der BGH hat dieser Einstellung eindeutig eine Absage erteilt.

10.

Zu den Rechtsfolgen eines Wettbewerbsverbots, welches die Grenzen von § 90a HGB überschreitet (BGH, Urt. v. 25.10.20012, VII ZR 56/11)

Sachverhalt Ein Versicherungsvertreter hatte sich mit einem Versicherungsunternehmen darauf verständigt, nach seinem Ausscheiden ein Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Unter bestimmten Voraussetzungen sollte eine Mindestzahlung in Höhe einer durchschnittlichen Jahresprovision garantiert sein. Diese Mindestzahlung sollte auf etwaige Ausgleichsansprüche gem. § 89b HGB angerechnet werden. Nach Kündigung des Vermittlervertrages vereinbarten die Vertragsparteien ein Wettbewerbsverbot von drei Jahren im Inland und zwei Jahren im Ausland, soweit der Versicherer dort tätig war. Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot sollte eine Vertragsstrafe von 10.000,00 € gefordert werden können. Im Gegenzug wurde dem Versicherungsvertreter ein Betrag von über 700.000,00 € garantiert. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Wettbewerbsabrede und die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 90a HGB. Entscheidung Das vereinbarte Wettbewerbsverbot stellte eine Wettbewerbsabrede im Sinne des § 90a Abs. 1 Satz 1 HGB dar. Es kommt hier nicht darauf an, ob eine Wettbewerbsabrede vor oder nach Beendigung eines Vertragsverhältnisses getroffen wird. Da die Grenzen des § 90a HGB überschritten waren, kam es auf die Rechtsfolgen an. Überschreitet die Wettbewerbsabrede die durch das Gesetz gezogenen Grenzen, führt dies nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Die Wettbewerbsabrede bleibt

in diesen Grenzen wirksam. Dies gilt sowohl im Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Wettbewerbsverbotes als auch bei Überschreitung der örtlichen und gegenständlichen Vorgaben der Vorschrift. An die Stelle einer unzulässig langen Frist tritt die gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren. Fordert der Vertreter vom Versicherer eine Erklärung, dass das Wettbewerbsverbot nicht über diese maximale Dauer reicht und erklärt ein Versicherer nicht den geforderten (Teil-)Verzicht, kann er sich schadenersatzpflichtig machen. Die außerprozessuale Geltendmachung unberechtigter Ansprüche oder nicht bestehender Rechte kann innerhalb einer Vertragsbeziehung eine Pflichtverletzung darstellen, die zu einem Schadenersatzanspruch führen kann. Dies gilt sowohl im Fall der Anmaßung eines Rechts als auch bei einer Weigerung, auf die Durchsetzung eines nicht bestehenden, aber zwischen den Parteien streitigen Rechts zu verzichten. Behauptet der Versicherer in dieser Situation, nicht schuldhaft gehandelt zu haben, hat er sein fehlendes Verschulden darzulegen und ggf. zu beweisen. Fazit § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB ist als Spezialregelung zu § 138 BGB anzusehen, soweit es um die Wirksamkeit einer Wettbewerbsabrede in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht geht. Eine solche Wettbewerbsabrede ist deshalb grundsätzlich nicht nach § 138 BGB nichtig, sondern innerhalb der gesetzlich zulässigen Dauer wirksam und nur im Umfang der Überschreitung unwirksam.

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

V. Versicherung

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er umfassenden Beratung bei Eindeckung des Versicherungsschutzes kommt eine wichtige Rolle zu. Der Kunde als Laie kann regelmäßig nicht beurteilen, welcher Versicherungsschutz der für ihn passende ist. Angesichts der Bedeutung des Anleger- und Verbraucherschutzes war es nur konsequent, dass der Gesetzgeber im neuen VVG die Beratungs- und Informationspflichten erheblich ausgedehnt hat. Ein Versicherer soll aber nach wie vor darauf vertrauen können, dass ein Versicherungsmakler, mit dem er zusammenarbeitet, seinen Pflichtenkatalog erfüllt. Bestimmte Pflichten des Versicherers gelten nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird (§ 6 Abs. 6 VVG). Nachfolgend stellen wir Ihnen verschiedene Entscheidungen vor, bei denen es um den AVADAuskunftsverkehr, Kostenausgleichsvereinbarungen bei Netto-Policen, Widerrufsrechte und Rechtsfolgen von Vertragskündigungen geht.

1.

AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer darf keine strittigen Umstände als zweifelsfreie Tatsachen melden (BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)

Sachverhalt Ein Versicherungsvermittler war als Handelsvertreter für eine Versicherungsgesellschaft tätig und vermittelte für diese sowie für verbundene Konzerngesellschaften Versicherungsverträge und Finanzdienstleistungsprodukte. Zunächst beendete der Versicherungsvermittler das Vertragsverhältnis durch eigene fristlose Kündigung. Die Versicherung wies die Kündigung zurück und kündigte ihrerseits das Vertragsverhältnis außerordentlich. Sie meldete der Auskunftsstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e.V. (AVAD), dass das Vertragsverhältnis durch ihre außerordentliche Kündigung beendet worden sei und dass zu Lasten des Vermittlers ein rückforderbarer Saldo bestünde. Der Vermittler beantragte eine einstweilige Verfügung, in der der Versicherung verboten wurde, gegenüber Dritten zu behaupten, sie habe noch Forderungen aus Provisionen und das Vertragsverhältnis sei durch ihre außerordentliche Kün58

digung beendet worden. Die einstweilige Verfügung wurde erlassen. Die Versicherung legte Widerspruch ein. Entscheidung Das Landgericht München I bestätigte die einstweilige Verfügung und wies den Widerspruch zurück. Ein Wettbewerbsverhältnis bestand, nachdem sich der Vermittler inzwischen als Versicherungsmakler selbstständig gemacht hatte. Der Vermittler musste sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass er bei der AVAD Widerspruch gegen AVAD-Informationen erheben kann. Bei zu beanstandenden Mitteilungen ist es legitim, schon ihr erstes Entstehen in der Datei der AVAD oder sonstigen Dritten gegenüber zu verhindern. Es ist unlauter, strittige Umstände als unstreitig darzulegen. Für die Versicherung war auch erkennbar, welche Nachteile einem Versicherungsvermittler drohen, wenn bei der AVAD negative Merkmale registriert sind und im Auskunftsverkehr Negativmeldungen weitergegeben werden. Auch wer sich selbst den Regelungen über den AVAD-Auskunftsverkehr unterwirft, verzichtet damit nicht auf die Wahrung seiner wettbewerblichen Schutzrechte. Fazit Die Versicherungs- und Bausparkassenwirtschaft hat bereits im Jahr 1948 mit der Förderung der Versicherungsaufsichtsbehörde eine Selbsthilfeeinrichtung geschaffen, die heute allgemein als AVAD bekannt ist. Die AVAD unterhält einen Auskunftsverkehr sowohl in schriftlicher Form als auch über EDV online. AVAD-Meldungen haben im Rechtsverkehr großes Gewicht. Das Landgericht München I hat klargestellt, dass Versicherungen nicht leichtfertig einseitig einen Sachverhalt darstellen dürfen und strittige Tatsachen in einer Art und Weise offenbaren dürfen, als wären es harte Fakten.

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

2.

Zur Wirksamkeit einer Kostenaus- gleichsvereinbarung bei einer Netto-Police (LG Rostock, Urt. v. 10.08.2012, 1 S 315/10)

Sachverhalt Ein Versicherer schloss mit einem Versicherungsnehmer im November 2008 einen Versicherungsvertrag und eine Kostenausgleichsvereinbarung ab. Der Versicherungsnehmer verpflichtete sich für die Dauer von 44 Jahren monatliche Beiträge zu leisten. Der zur Anlage bestimmte Beitragsteil sollte sich in den ersten 48 Monaten reduzieren. In dieser Zeit sollten die Abschlusskosten gem. der separat abgeschlossenen Kostenausgleichsvereinbarung getilgt werden. In der Kostenausgleichsvereinbarung hieß es u.a., dass die Aufhebung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt. Im Versicherungsvertrag hieß es, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt.

Fazit Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock wendet sich in dieser Entscheidung ausdrücklich gegen eine gegenteilige Auffassung der 10. Zivilkammer desselben Gerichts. Dieses hatte im Urteil vom 06.08.2010 (10 O 137/10) entschieden, dass durch die Kostenausgleichsvereinbarung das gesetzliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers unterlaufen werde und die Regelung einer Vertragsstrafe gleich käme. Die 1. Zivilkammer betont die Vertragsfreiheit. Wenn ein Versicherungsnehmer das Risiko eines sich wirtschaftlich ggf. als nachteilig erweisenden Rechtsgeschäfts bewusst eingehe, muss er mit den Konsequenzen leben.

Acht Monate nach Abschluss der Versicherung kündigte der Versicherungsnehmer die Versicherung und berief sich auf die Unwirksamkeit der Kostenausgleichsvereinbarung. Der Versicherer forderte die Zahlung. Entscheidung Das Landgericht Rostock gab der Klage des Versicherers statt. Der Versicherungsnehmer sei trotz Kündigung des Versicherungsvertrages zur Zahlung der restlichen Raten, die er aufgrund der Kostenausgleichsvereinbarung schulde, verpflichtet. Die Kostenausgleichsvereinbarung würde durch die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht berührt. Sie stelle auch keine Umgehung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar. Nach dieser seit 01.01.2008 geltenden Norm soll das Risiko noch nicht verrechneter Abschlusskosten vom Versicherungsnehmer getragen werden, wenn aus den bisherigen Prämien die Abschlusskosten noch nicht getilgt werden konnten. Diese Norm betrifft jedoch nur sog. Brutto-Policen. Sie findet bei sog. Netto-Policen keine Anwendung. In der Gesetzesbegründung zu § 169 VVG hieße es insoweit ausdrücklich, dass die Norm nicht ausschließe, eine gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der Abschlusskosten zu treffen. Entscheidend sei, dass die Höhe der Abschlusskosten erkennbar ist, also dem Transparenzgebot genügt wird und die Höhe der Kosten nicht unangemessen ist. Beides sei hier zu verneinen.

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3.

Zur Frage der Reichweite des Widerrufs einer Bezugsrechtsbestimmung (BGH, Urt. v. 18.01.2012, IV ZR 196/10)

Sachverhalt Ein Versicherungsnehmer schloss eine Lebensversicherung auf sein Leben ab. Beim Abschluss der Versicherung setzte er widerruflich einen seiner Söhne als Bezugsberechtigten für die Todesfallleistung ein. In der Folgezeit trat der Erblasser sämtliche Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an eine finanzierende Bank ab. Der Formular-Abtretungsvertrag enthielt u.a. die Regelung, dass nach Befriedigung der durch die Abtretung gesicherten Ansprüche die Bank die ihr abgetretenen Rechte auf den Siche59


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

rungsgeber bzw. im Falle eines Todes an den bisherigen Bezugsberechtigten zurücküberträgt. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers übertrug die Rechtsnachfolgerin der Bank die ihr abgetretenen Ansprüche auf dessen Erben zurück. Die Versicherung zahlte die Versicherungssumme an den Sohn aus, der von seinem verstorbenen Vater ursprünglich als bezugsberechtigt eingesetzt worden ist. Der andere Sohn klagte auf Zahlung der Versicherungssumme an die Erbengemeinschaft. Entscheidung Der BGH wies die Klage ab. In der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank läge nicht zugleich ein Widerruf des widerruflichen Bezugsrechts. Ein Widerruf „für die Dauer dieser Abtretung“ ist vielmehr so zu verstehen, dass etwaige Bezugsrechte im Rang hinter das vereinbarte Sicherungsrecht zurücktreten und im Übrigen bestehen bleiben sollen. Wenn eine Sicherungsabrede nicht regelt, was gelten soll, wenn eine Bank die Sicherheit freigibt, obgleich sie auch das Recht hätte, die Sicherheit wegen Fortbestehens des besicherten Darlehens behalten zu dürfen, ist durch Auslegung zu ermitteln, wer Rechteinhaber der freigegebenen Sicherheit (hier also der Ansprüche aus der Lebensversicherung) werden soll. Im konkreten Fall kamen der Sohn in Betracht, der als ursprünglicher Bezugsberechtigter eingesetzt war, oder die Erbengemeinschaft, die das besicherte Darlehen weiterhin zu erfüllen hatte. Der BGH sprach sich für den Vorrang des eingesetzten Bezugsberechtigten aus. Das Bezugsrecht sei nur „für die Dauer der Abtretung“ widerrufen worden. Ein solcher Widerruf ist regelmäßig so zu verstehen, dass etwaige Bezugsrechte mit der Rückabtretung der Rechte aus der Lebensversicherung nach dem Tod des VN an die Erben wieder Gültigkeit haben. Dem Bezugsberechtigten ist der Vorrang vor den Erben des Versicherungsnehmers zu erhalten, soweit eine Sicherungsnehmerin die ihr abgetretenen Rechte aus der Lebensversicherung nicht verwerten will (was sie grundsätzlich könnte). Fazit Wird ein Bezugsrecht nur temporär ausgesetzt, nämlich bis ein Recht aus einer Sicherungsabtretung vom Sicherungsnehmer freigegeben wird, lebt mit der Rückabtretung das Bezugsrecht bei dem ursprünglich als Berechtigten benannten wieder auf. Der Bezugsberechtigte erhält den Anspruch auf die Todesfallleistung, auch wenn die Rückabtretung an die Erbengemeinschaft erfolgt. Im konkreten Fall hatte der verstorbene Vater ursprünglich einen seiner Söhne bevorzugt. Die zwischenzeitliche Abtretung hat daran nichts geändert. 60

4.

Zur Rechtsfolge der Kündigung eines Rürup-Vertrages (BGH, Beschl. v. 20.09.2011 und v. 21.11.2011, IV ZR 255/10)

Sachverhalt Ein Verbraucherschutzverein nimmt eine Versicherungsgesellschaft auf Unterlassung der Verwendung von AVB’s für eine sog. Rürup-Rentenversicherung in Anspruch. In § 6 der AVB war unter der Überschrift „Wann können Sie Ihre Versicherung kündigen oder beitragsfrei stellen?“ geregelt, dass bei der Kündigung die Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung umgewandelt wird und ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht. Der Verbraucherschutzverein hielt diese Klauseln für überraschend, mehrdeutig, intransparent und unangemessen. Entscheidung Nachdem der BGH im Beschluss vom 20.09.2011 zunächst darauf hingewiesen hatte, dass er beabsichtigt, die Revision des Verbraucherschutzvereins zurückzuweisen, erfolgte die Zurückweisung dann im Beschluss vom 21.11.2011. Durch die Bestimmung in § 6 AVB erfahre der Versicherungsnehmer, dass eine Kündigung nur mit der Rechtsfolge einer Beitragsfreistellung möglich ist und ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht. Dies ist weder intransparent noch unangemessen.

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

5.

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Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch wenn ein Versicherungsnehmer mit dem Begriff „Kündigung“ üblicherweise die Erwartung einer vollständigen Vertragsauflösung verbindet, hat der Gesetzgeber diese Rechtsfolge bei Lebens- oder Rentenversicherungen nicht ausnahmslos mit einer Kündigung verknüpft. Dies zeigt z.B. § 166 Abs. 1 VVG, wonach bei Kündigung einer Versicherung durch den Versicherer das Versicherungsverhältnis als prämienfreie Versicherung fortbesteht. Außerdem ist durch die Klausel in § 6 AVB ohne weiteres erkennbar, dass eine Kündigung nur im Sinne einer Beitragsfreistellung möglich ist und ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht. Eine solche Regelung weicht auch nicht vom gesetzlichen Leitbild ab. Nach § 168 Abs.1 VVG kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis bei Lebensversicherungen jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, wenn laufende Prämien zu zahlen sind. § 168 Ab. 3 VVG enthält für Rürup-Verträge eine dem Absatz 1 vorgehende Sonderregelung. Fazit Die Beschlüsse zeigen, wie wichtig es für Versicherer ist, ihre Bedingungen transparent zu gestalten. Dann ist es allerdings ohne weiteres möglich, bei Rürup-Verträgen eine Ausnahme vom Grundsatz der Kündbarkeit im Sinne von § 168 Abs. 3 VVG zu vereinbaren.

Zur Frage, ob bei unterjährlicher Zahlung von Versicherungsbeiträgen und Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen deren Höhe und der effektive Jahreszins anzugeben sind (OLG Hamburg, Urt. v. 18.11.2011, 9 U 103/11, nrkr.)

Sachverhalt Ein Verbraucherschutzverein fordert von einer Versicherungsgesellschaft, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Möglichkeit unterjährlicher Zahlungen zu ermöglichen, für die Ratenzuschläge erhoben werden, ohne deren Höhe und ohne den effektiven Jahreszins, der für die Zuschläge zu entrichten ist, anzugeben. Entscheidung Das Gericht verneinte sowohl einen Verstoß gegen Vorschriften der Preisangabenverordnung als auch einen Verstoß gegen § 506 BGB. Auch wenn der Begriff des Anbietens im Sinne von § 1 Preisangabenverordnung (PAngV) weit zu fassen ist, dienen Allgemeine Versicherungsbedingungen dazu, Regelungen oder Informationen für eine Vielzahl von Verträgen vorzuhalten. Sie stellen deshalb kein Anbieten im weitesten Sinn dar. § 6 PAngV ist auf Versicherungsverträge, die eine während des Bestands des Versicherungsvertrages wiederkehrende Beitragszahlung vorsehen, ebenso wenig anzuwenden wie die Regeln des BGB über den Verbraucherkreditvertrag. Das Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass die Widerrufsrechte von Versicherungsverträgen und Verbraucherkreditverträgen unterschiedlich ausgestaltet sind. Würden Versicherungsverträge in den Anwendungsbereich des § 506 BGB einbezogen, entstünden nur schwer lösbare Widersprüche. Im Übrigen liegt auch kein entgeltlicher Zahlungsaufschub vor. Ein Zahlungsaufschub ist das Hinausschieben der vereinbarten Fälligkeit der vom Verbraucher geschuldeten Zahlung gegenüber der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Leistungszeit, um ihm die Zahlung des vereinbarten Preises zu erleichtern. Durch die Vereinbarung unterjährlicher Prämienzahlung wird aber keine vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung der Fälligkeit im Sinne eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs vorgenommen. Insoweit ist es genügend, wenn in Allgemeinen Versicherungsbedingungen darauf hingewiesen wird, dass bei unterjährlicher Beitragszahlung Ratenzah61


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

lungszuschläge erhoben werden. Dies genügt dem Transparenzgebot. Angaben zur Höhe der Ratenzahlungszuschläge sind nicht erforderlich. Fazit Die praktische Bedeutung dieser - noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung ist enorm. Ratenzahlungszuschläge bei unterjährlicher Zahlungsweise sind in Versicherungsverträgen weit verbreitet. Aufsichtsrechtlich sind die Versicherer verpflichtet, alle Versicherungsnehmer gleich zu behandeln. Die in Raten gezahlte Jahresprämie trägt nicht in gleichem Umfang zu Ergebnissen einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung bei wie die zu Beginn des Versicherungsjahres gezahlte Jahresprämie. Ohne einen Zuschlag würde der Ratenzahler also einen höheren Ertrag erhalten als der Jahreszahler. Auch wenn das OLG Hamburg diese tragenden Gesichtspunkte detailliert herausgearbeitet hat, bleibt abzuwarten, wie sich der BGH zu diesen Grundsätzen äußern wird.

6.

Lebensversicherung: Kein Widerspruch oder Widerruf nach Kündigung und vollständiger Vertragsbeendigung (OLG Hamm, Beschl. v. 24.08.2011, I-20 U 50/11)

Sachverhalt Eine - ehemalige - Versicherungsnehmerin verlangt die Rückzahlung von ihr in eine Lebensversicherung einbezahlte Einmalprämie zzgl. Nutzungsersatz. Sie trägt vor, ihr sei nicht erinnerlich, ob sie den Versicherungsschein einschl. Bedingungen und Verbraucherinformationen erhalten habe. Die Versicherungsnehmerin meint deshalb, trotz von ihr erklärter Kündigung und trotz daraufhin erfolgter vollständiger Abwicklung und Beendigung des Versicherungsvertrages anschließend noch zum Widerruf bzw. Widerspruch berechtigt gewesen zu sein. Der Vertragsabschluss im sog. Policenmodell verstoße gegen Europarecht. Insbesondere sei auch die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtswidrig, nach der das Recht zum Widerspruch spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlosch. Entscheidung Das OLG Hamm wies die gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz eingelegte Berufung zurück. Soweit die Versicherungsnehmerin den Zugang von Vertragsunterlagen bestritten habe, hätte sie plausibel darlegen müssen, warum sie die nä62

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heren Umstände vergessen habe. Anderenfalls ist die Erklärung wie nichtbestreiten zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn ein Bestreiten einer Partei nicht plausibel ist, weil sich der Eindruck aufdrängt, mehrfach wechselndem Vortrag liegen prozesstaktische Erwägungen zugrunde. Sodann befasst sich das Gericht mit der Frage etwaiger europarechtlicher Bedenken gegen § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. Das Policenmodell verstoße nicht gegen Europarecht. Die Verbraucherinformationen und Versicherungsbedingungen müssen einem Versicherungsnehmer nicht zwingend bis zur Antragstellung ausgehändigt werden. Es reicht, wenn sie dem Versicherungsnehmer später übergeben werden. Erst dann beginne die 14bzw. 30-tägige Widerspruchsfrist. Bis dahin bleibe der Vertrag schwebend unwirksam. Durch diese rechtliche Konstruktion ist gewährleistet, dass die vertragliche Bindung eines Versicherungsnehmers erst nach der gebotenen Verbraucherinformation eintritt. Hinzu kam im konkreten Fall, dass die Versicherungsnehmerin den Vertrag gekündigt hatte. Die Versicherung hat das beendete Vertragsver-


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

hältnis abgerechnet und den Vertrag abgewickelt. Erst rund acht Monate später erfolgte dann ein Widerruf. Ein Widerruf ist nach vollständiger Vertragsbeendigung und Vertragsabwicklung jedoch nicht mehr möglich. Hat eine Vertragspartei mehrere Wahlrechte und übt sie eines aus, gibt sie eine eindeutige Erklärung ab. Wenn dadurch ein Recht gestaltet worden ist, bleibt für weitere Rechtsgestaltungen kein Raum mehr. Der Versicherungsnehmerin stand der Anspruch auf Rückzahlung der Prämie nebst entgangenem Gewinn auch nicht aus anderen Gründen zu. Selbst wenn Klauseln des Bedingungswerkes unwirksam gewesen wären, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages. Auch eröffnen intransparente Versicherungsbedingungen kein Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrecht. Schließlich stand der Versicherungsnehmerin auch kein Schadenersatzanspruch zu. Insoweit ist ausreichend, wenn über die Folgen einer vorzeitigen Vertragsauflösung in den Versicherungsbedingungen informiert wird. Die sog. Kick-Back-Rechtsprechung, die der BGH bei Anlageberatungsverträgen entwickelt hat, ist auf Versicherungsverträge nicht übertragbar. Fazit Der BGH hat bekanntlich einige Zeit nach dem vom OLG Hamm erlassenen Beschluss ein Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob europarechtliche Bedenken gegen § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bestehen (nicht gegen § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Für den Beschluss des OLG Hamm spielte dieser Aspekt ohnehin nur eine Nebenrolle. Jedenfalls nach Kündigung und vollständiger Vertragsbeendigung ist für anschließende Gestaltungserklärungen kein Raum mehr. Die Hinweise auf die Unanwendbarkeit der sog. Kick-Back-Rechtsprechung stehen in Einklang mit verschiedenen anderen obergerichtlichen Entscheidungen, u.a. OLG Celle vom 02.02.2012, 8 U 125/11, OLG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10 oder OLG Köln, Beschl. v. 29.10.2010, 20 U 100/10.

7.

Zur Frage, aus welchen Gründen das Policenmodell europarechtskonform ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.07.2012, 7 U 54/12)

Sachverhalt Ein Versicherungsnehmer begehrte Schadenersatz mit der Begründung, sein im Policenmodell abgeschlossener Versicherungsvertrag sei unwirksam.

Das sog. Policenmodell war bei verschiedenen Versicherern bis zum Jahr 2008 ein weit verbreitetes Modell zum Abschluss von Versicherungsverträgen. Der künftige Versicherungsnehmer stellte einen Antrag, bevor er die Verbraucherinformationen und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten hatte. Dieser Vertrag war schwebend unwirksam bis dem Versicherungsnehmer zusammen mit der Police die Verbraucherinformationen pp. übermittelt worden sind. Der Vertrag galt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprach. Zusätzlich zur vollständigen Übersendung der notwendigen Unterlagen war für den Vertragsschluss eine Belehrung des Versicherungsnehmers über das Widerspruchsrecht erforderlich. Außer durch die Erklärung des Widerspruchs oder das Verstreichenlassen der Widerspruchsfrist konnte der Schwebezustand des Weiteren durch das Erlöschen des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie beendet werden. In jüngerer Zeit wurde mehrfach thematisiert und problematisiert, ob einem Versicherungsnehmer ein ewiges Widerspruchsrecht zusteht, weil die bundesdeutsche Gesetzesnorm des § 5a VVG a.F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist. Das Landgericht Stuttgart hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Entscheidung Das OLG Stuttgart bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Für das Gericht ist es offenkundig, dass das Policenmodell gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbart ist. Das Gericht führt ferner aus, dass nach seiner Überzeugung auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit besteht. Entsprechend einheitlich sei insoweit gleichsam die jüngere obergerichtliche Rechtsprechung in Deutschland, die den einhelligen Konsens belege, dass das Policenmodell mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Auch der Vorlagebeschluss des BGH vom 28.03.2012 stelle die europarechtliche Vereinbarkeit des Policenmodells als solches nicht in Frage. Der BGH beschränke sich auf die Vorlagefrage, ob die Regelungen des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - also ein Vertragsschluss ohne jede Vorlage von Informationen und Versicherungsbedingungen an den Versicherungsnehmer - mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbart ist. 63


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Andere EU-Staaten hätten ihrerseits keine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken geltend gemacht und insbesondere keinen Anlass gesehen, eine Vorab-Entscheidung des EuGH herbeizuführen. Das Gericht sieht des Weiteren keine Parallelen zur sog. Heininger-Entscheidung. In der „HeiningerEntscheidung“ ging es um die Frage, ob das in der Haustürgeschäft-Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht ohne Befristungsmöglichkeit vom deutschen Gesetzgeber richtig umgesetzt wurde, indem der deutsche Gesetzgeber eine solche Befristung vornahm. Der europäische Gesetzgeber sah hingegen überhaupt kein Widerrufs- oder gar Widerspruchsrecht als Instrument zur Verwirklichung des Verbraucherschutzes bei Abschluss von Versicherungsverträgen vor. Wenn nun der deutsche Gesetzgeber ein solches Instrument eingesetzt habe, könne er sich demnach nicht von entsprechenden europarechtlichen Vorgaben unzulässig entfernt haben. Sodann setzt sich das Gericht noch intensiv mit den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung auseinander. Hierbei ging es um den Ausgleich widerstreitender Verbraucher- und Unternehmerinteressen. Durch das Policenmodell wird der Verbraucherschutz nicht ernsthaft gefährdet, sinnentleert oder in erheblichem Maß geschmälert, sondern es wird in einem ausgewogenen Maß den verschiedenen Interessen Rechnung getragen. Fazit Der Beschluss des OLG Stuttgart ist ein klares Bekenntnis zur Wirksamkeit des Policenmodells, welches in Deutschland zwischen 1994 und 2008 möglich war. Ein für das Gericht wesentlicher Gesichtspunkt ist hierbei, dass einem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformationen pp. mit dem Versicherungsschein übermittelt worden sind. Nicht streitrelevant war dagegen die vom BGH dem EuGH vorgelegte Frage, ob es mit dem EU-Recht vereinbar ist, wenn dem Versicherungsnehmer überhaupt keine Unterlagen ausgehändigt wurden.

8.

Zur Frage der Verteilung der Abschlussund Vertriebskosten in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen (BGH, Urt. v. 07.11.2012, IV ZR 292/10)

Sachverhalt Ein Anbieter von Riester-Produkten bietet u.a. fondsbasierte Altersvorsorgelösungen an. Die dabei verwendeten Geschäftsbedingungen informieren den Interessenten, dass die Abschluss- und Vertriebskosten während der ersten fünf Laufzeitjahre anteilig von den regelmäßigen Beiträgen einbehalten werden. In Höhe dieser Einbehalte werden keine Fondsanteile erworben. In dieser Klausel sieht ein Verbraucherschutzverband eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (Anlegers), weil diese Regelung mit § 125 InvG unvereinbar sei. Nach dieser Bestimmung ist im ersten Laufzeitjahr der für die Kostendeckung einzubehaltende Betrag auf 1/3 der regelmäßigen Beiträge begrenzt. Für die gesamte übrige Laufzeit des Anlageproduktes sind die Kosten gleichmäßig zu verteilen. Entscheidung Der BGH wies die auf Unterlassung der Verwendung der Klausel gerichtete Klage ab. Einschlägig für die in Rede stehenden Altersvorsorge-Fondssparpläne ist nicht § 125 InvG. Vielmehr darf sich der Anbieter bei seinen Altersvorsorgeprodukten hinsichtlich der Kostenvorausbelastung an § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) orientieren. Ein Altersvorsorgevertrag im Sinne dieses Gesetzes setzt u.a. voraus, dass die angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten gleichmäßig mindestens auf die ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden, soweit sie nicht als Prozentsatz von den Altersvorsorgebeiträgen abgezogen werden. Des Weiteren weist der BGH auf den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge hin. Durch dieses Gesetz soll ein § 2a in das AltZertG eingefügt werden, der klarstellt, dass bei Altersvorsorgeverträgen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 die Spezialvorschrift gegenüber § 125 InvG ist. Fazit Eine in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen verwendete Klausel, nach der die Abschluss- und Vertriebskosten gleichmäßig auf die ersten fünf Laufzeitjahre verteilt werden, benachteiligt Anleger nicht unangemessen.

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht eines Versicherers bei notleidenden (stornogefährdeten) Versicherungsverträgen (BGH, Urt. v. 28.06.2012, VII ZR 130/11)

Sachverhalt Ein Versicherer verlangt von einem für ihn vormals tätigen Mehrfachagenten die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen für eine Reihe von Versicherungsverträgen. Der Versicherer begründet seinen Anspruch damit, dass die vom Mehrfachagenten vermittelten Vertragsverhältnisse nach Beendigung des Versicherungsvertretervertrages storniert worden sind. Bis zum Ausscheiden des Mehrfachagenten habe der Vertriebspartner selbst rechtzeitig Mitteilungen über stornogefährdete Verträge erhalten. Nach seinem Ausscheiden habe der Versicherer eigene Stornoabwehrmaßnahmen getroffen, die aber erfolglos geblieben seien. Entscheidung Bekanntlich entfällt der Anspruch des Handelsbzw. Versicherungsvertreters auf Provision im Fall der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Eine Stornierung eines Vertrages ist bereits dann vom Versicherer nicht zu vertreten, wenn notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet wurden. Art und Umfang der dem Versicherer obliegenden Nachbearbeitung bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Entweder kann das Versicherungsunternehmen eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Die Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung eines notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen wurde, obliegt dem Versicherer. Entschließt sich nun ein Versicherer, einer Stornogefahr durch Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den Versicherungsvertreter entgegenzuwirken, ist der Versicherer seiner Pflicht zur Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maß nachgekommen, wenn die Stornogefahrmitteilung den Versicherungsvertreter in die Lage versetzt, seinerseits Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr zu ergreifen. Der Versicherer muss die Mitteilung so

rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages bemühen kann. Ein Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung wählt, muss sich daher sobald wie es ihm nach den Umständen möglich und zumutbar ist, gegenüber einem Versicherungsvertreter erklären. Es ist einem Versicherer dabei gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen. Es ist ihm des Weiteren gestattet, in dieser Situation erst eine Entscheidung zu treffen, ob er eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder ob er sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter eine Stornogefahrmitteilung zu übermitteln. Nicht ausreichend ist es, wenn ein Versicherer nur einem Nachfolger eines ausgeschiedenen Versicherungsvertreters die Stornogefahrmitteilung übermittelt. In einem solchen Fall muss ein Versicherer den Auftrag zur konkreten Nachbearbeitung erteilen und im Streitfall darlegen und nachweisen. Wenn sich ein Versicherer auf einen Erfahrungssatz berufen möchte, nach dem aus der Erfolglosigkeit bestimmter Rettungsbemühungen einzelner Verträge auf die Erfolglosigkeit von Rettungsversuchen auch bei den weiteren Verträgen geschlussfolgert werden könne, bedarf es hierfür tatsächlicher Anhaltspunkte. Weil die Instanzgerichte diese Grundsätze nicht richtig angewandt hatten, hob der BGH das die Klage des Versicherers abweisende Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Entscheidung zurück.

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9.

Fazit Der BGH hat Unternehmen, die mit Handelsvertretern zusammenarbeiten, noch einmal im Einzelnen den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten Verträgen zu beachten ist: Entweder übermittelt der Prinzipal unverzüglich Stornogefahrmitteilungen, damit der Handelsvertreter selbst Maßnahmen zur Rettung notleidender Verträge einleiten kann oder er ergreift eigene Maßnahmen, die er dann entsprechend belegen muss. Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger eines ausgeschiedenen Handelsvertreters ist hingegen keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrenabwehr. 65


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

I.

Haftungsrechtsprechung aktuell 1.

Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektverantwortung

2.

Rechtsprechung zu Kick-Backs und Rückvergütungen

3.

Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- und Informationspflichten

4.

Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird

5.

Haftung aus unerlaubter Handlung

6.

Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter

7.

Schadensumfang

8.

Verjährung

II. Anlegerrechte und Anlegerpflichten (einschl. Anlegerhaftung und Nachschusspflichten) III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen und Finanzierung IV. Vermittler- und Maklerrecht V. Versicherung

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

I. Haftungsrechtsprechung aktuell I. 1. Nr.

Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektverantwortung Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

III ZR 103/10

17.11.2011

Zur Prospekthaftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage

2.

BGH

XI ZR 344/11

18.09.2012

Zur Haftung im Konzernverbund für fehlerhafte Prospekte

3.

BGH

II ZR 211/09

23.04.2012

Zum Schadenersatzanspruch eines Treugebers gegen Gründungsgesellschafter

4.

LG Ffm.

2-10 O 478/11

20.07.2012

Falschberatung auch bei der Empfehlung einer Beteiligung am „Singapore-Flyer“

5.

OLG Ffm.

23 Kap 1/06

16.05.2012

OLG Frankfurt am Main verneint im KapMuG-Verfahren gegen die Telekom Prospektfehler

6.

OLG München

20 U 2289/11

02.11.2011

Ausnahme von der Prospektpflicht: Formale oder wirtschaftliche Betrachtungsweise?

7.

OLG München

Kap 1/07

30.12.2011

VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig, unvollständig und irreführend

8.

OLG München

5 U 1725/11

22.05.2012

Zur Frage von Prospekthaftungsansprüchen bei Vermittlung von Lehman-Zertifikaten

I. 2. Nr.

Rechtsprechung zu Kick-Backs und Rückvergütungen Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

XI ZR 262/10

08.05.2012

Neues zu Kick-Backs und verspäteter Prospektübergabe

2.

BGH

III ZR 308/11

19.07.2012

Zur Frage der Aufklärungspflicht eines selbstständigen Unternehmens der „Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt über Provisionen aufzuklären

3.

BGH

XI ZR 259/11

26.06.2012

Keine Aufklärungspflichten einer Bank bei Festpreisgeschäften

08.12.2011

Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde einer Bank, die wegen Kick-Backs zum Schadenersatz verurteilt wurde, zurück

XI ZR 316/11 XI ZR 355/10 XI ZR 356/10 4.

BVerfG

1 BvR 2514/11

5.

OLG Celle

3 U 173/11

28.12.2011

Rentabilität einer Fondsbeteiligung und Interessenkonflikt durch Rückvergütung sind „zwei Paar Schuhe“

6.

OLG Ffm.

9 U 112/09

13.12.2011

Bankenhaftung wegen nicht offengelegter Rückvergütung (VIP Medienfonds 4)

7.

BGH

XI ZR 363/10

11.09.2012

Und noch einmal: Zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen beim geschlossenen Immobilienfonds

I. 3. Nr.

Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- und Informationspflichten Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

III ZR 56/11

01.12.2011

Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters

2.

BGH

III ZR 81/11

10.11.2011

Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären

3.

BGH

XI ZR 51/10

13.12.2011

Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insider-Informationen

4.

BGH

III ZR 307/11

06.12.2012

Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft bestehende Vertriebsvereinbarung

67


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

I. 4. Nr. 1.

I. 5. Nr. 1.

I. 6. Nr.

Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird Gericht

Az.

Datum

Thema

OLG Karlsruhe

17 U 36/12

17.07.2012

Zur Darlegungslast bei der Verletzung von Beratungspflichten eines Kapitalanlageberatungsvertrages

Haftung aus unerlaubter Handlung Gericht

Az.

Datum

Thema

BGH

VI ZR 166/11

15.05.2012

Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe einer unerlaubten Anlagevermittlung

Eintretenmüssen für das Fehlverhalten Dritter Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

III ZR 116/11

05.07.2012

Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch eine namensgleiche Einzelfirma

2.

BGH

II ZR 69/12

14.05.2012

Zur Haftung eines Gründungsgesellschafters für Fehlverhalten von Erfüllungsgehilfen (hier: Aufklärungspflichtverletzungen durch eingeschaltete Untervermittler)

I. 7. Nr.

Schadensumfang Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

XI ZR 360/11

24.04.2012

Zu den Anforderungen, die an die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu stellen sind

2.

BGH

VII ZR

26.01.2012

Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären

154/10 3.

OLG München

5 U 5544/10

28.10.2011

Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insider-Informationen

4.

BGH

II ZR 259/11

18.12.2012

Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft bestehende Vertriebsvereinbarung

Gericht

Az.

Datum

Thema

OLG Ffm.

17 U 128/10

20.04.2011

Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach § 37a WpHG

I. 8. Nr. 1.

Verjährung

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

II. Anlegerrechte und Anlegerpflichten (einschl. Anlegerhaftung und Nachschusspflichten) Nr.

Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

XI ZR 272/10

10.07.2012

Zu Fragen der Rückabwicklung einer mittelbaren Medienfondsbeteiligung; hier: Was muss der Anleger tun? Wann beginnt der Annahmeverzug?

2.

BGH

II ZR 242/09

11.10.2011

Zur Frage, wann ein Treugeber einer Publikums-Personengesellschaft im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters hat

3.

OLG Karlsruhe

17 W 36/12

29.05.2012

Der Streitgegenstand ist entscheidend - Zur Frage, wann ein Anleger ein zweites Mal auf Schadenersatz klagen kann

4.

BGH

II ZR 272/09

15.11.2011

Zur Verlustausgleichspflicht einer Publikums-GbR nach Auflösung der Gesellschaft

5.

BGH

II ZR 2/11

22.05.2012

Zu den Anforderungen an einen wichtigen Grund, um ein (langfristiges) Beteiligungsverhältnis an einer BGB-Gesellschaft außerordentlich zu kündigen

6.

BGH

II ZR 205/10

22.05.2012

Zum Kündigungsrecht eines BGB-Gesellschafters, der sich für einen langen Zeitraum gegenüber der Gesellschaft zur Erbringung von Sparraten verpflichtet hat

7.

OLG Brandenburg

4 U 196/10

28.09.2011

Voraussetzungen und Folgen eines Widerrufs im Zusammenhang mit dem Erwerb von (fremdfinanzierten) Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds

8.

OLG Ffm.

19 U 188/11

29.02.2012

Kein Auskunftsanspruch bei zu verneinender Interessenkollision

9.

BGH

II ZR 201/10

18.09.2012

Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung kann die Gesellschaft die Einlageverpflichtung unmittelbar fordern

10.

BGH

III ZR 150/11

18.10.2012

Freistellungsanspruch des Treuhänders geht möglichem Schadenersatzanspruch aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung des Treuhänders vor

11.

BGH

XI ZR 384/11

27.11.2012

Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz

05.02.2013

Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers über Name und Anschriften der weiteren Treugeber

16.10.2012

Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen bei Publikums-Personengesellschaften

XI ZR 439/11 12.

BGH

II ZR 134/11 II ZR 136/11

13.

BGH

II ZR 251/10

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen und Finanzierung Nr.

Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

V ZR 245/10

11.11.2011

Aufklärungspflichten beim Grundstückskauf

2.

OLG Saarbrücken

8 U 450/10

01.12.2011

Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche einer verkauften Eigentumswohnung der Kaufpreis gemindert werden kann

3.

BGH

XI ZR 149/11

05.06.2012

Kapitalanlegereigentumswohnung: Grundsätzlich keine Pflicht zur Aufklärung über die Höhe der Innenprovision

4.

BGH

XI ZR 415/10

11.10.2011

Zur Wirksamkeit einer Treuhandvollmacht, die zur Vertretung von Anlegern im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem Beitritt zu einer Beteiligungsgesellschaft einschl. der Finanzierung der Beteiligung berechtigt

5.

BGH

XI ZR 175/11

05.06.2012

Zur Frage der arglistigen Täuschung eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen

69


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

IV. Vermittler- und Maklerrecht Nr.

Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

BGH

III ZR 213/11

01.03.2012

Kein Maklerlohnanspruch bei unechter Verflechtung

2.

BGH

VIII ZR 327/09

10.11.2010

Zum Recht auf fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrages bei Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot

3.

BGH

VIII ZR 222/10

26.10.2011

Zur Frage, wann vom Handelsvertreter geworbene Kunden Neukunden eines Unternehmens sind, wenn dieses einen Kundenstamm von einer insolventen Gesellschaft erworben hat

4.

BGH

VIII ZR 203/10

23.11.2011

Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im strukturierten Vertrieb

5.

OLG München

7 U 1348/11

14.09.2011

Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs bei zwischenzeitlich beendetem und anschließend neu begründetem Handelsvertretervertrag

6.

OLG München

23 U 3798/11

26.01.2012

Zur Frage der Wirksamkeit einer Kündigung eines Handelsvertretervertrages per E-Mail

7.

OLG Naumburg

9 U 218/11

24.05.2012

Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft, unlauter verhält

8.

LG Dortmund

2 O 144/11

24.02.2012

Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem Kunden gegenüber als Versicherungsmakler in Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler)

9.

BGH

III ZR 148/11

15.03.2012

Zur Frage der Verantwortlichkeit einer Vertriebsorganisation für ein strafbares Verhalten ihres Handelsvertreters

10.

BGH

VII ZR 56/11

25.10.2012

Zu den Rechtsfolgen eines Wettbewerbsverbots, welches die Grenzen von § 90a HGB überschreitet

V.

Versicherung Bildquelle: © xmasarox - Fotolia.com

Nr.

Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

LG München I

4 HK O

10.11.2011

AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer darf keine strittigen Umstände als zweifelsfreie Tatsachen melden

2.

LG Rostock

1 S 315/10

10.08.2012

Zur Wirksamkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung bei einer Netto-Police

3.

BGH

IV ZR 196/10

18.01.2012

Zur Frage der Reichweite des Widerrufs einer Bezugsrechtsbestimmung

4.

BGH

IV ZR 255/10

20.09.2011

Zur Rechtsfolge der Kündigung eines Rürup-Vertrages

15110/11

21.11.2011

70

5.

OLG Hamburg

9 U 103/11

18.11.2011

Zur Frage, ob bei unterjährlicher Zahlung von Versicherungsbeiträgen und Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen deren Höhe und der effektive Jahreszins anzugeben sind

6.

OLG Hamm

I-20 U 50/11

24.08.2011

Lebensversicherung: Kein Widerspruch oder Widerruf nach Kündigung und vollständiger Vertragsbeendigung

7.

OLG Stuttgart

7 U 54/12

16.07.2012

Zur Frage, aus welchen Gründen das Policenmodell europarechtskonform ist

8.

BGH

IV ZR 292/10

07.11.2012

Zur Frage der Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen

9.

BGH

VII ZR 130/11

28.06.2012

Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht eines Versicherers bei notleidenden (stornogefährdeten) Versicherungsverträgen


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Mögliche Grundlagen der Haftung bei gescheiterten Fondsbeteiligungen 1.

Prospekthaftung im engeren Sinn

Prospekthaftung für sog. „typisiertes“ Vertrauen; Anknüpfungspunkt: Verletzung von Sorgfalts- pflichten im Zusammenhang mit der Prospekterstellung Haftung der Initiatoren, Hintermänner pp.

2.

Prospekthaftung im weiteren Sinn

3.1.

Rechtslage bis 31.05.2012:

Die Haftung nach Verkaufsprospektgesetz Haftung bei fehlerhaftem Prospekt - § 13 VerkProspG - sowie die Haftung bei fehlendem Prospekt - § 13a VerkProspG

3.2.

Rechtslage ab 01.06.2012:

Die Haftung nach Vermögensanlagengesetz Haftung bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt - § 20 VermAnlG - sowie die Haftung bei fehlendem Verkaufsprospekt - § 21 VermAnlG - sowie seither neu: Haftung bei unrichtigem Vermögensanlagen Informationsblatt - § 22 VermAnlG

4.

Haftung aus Vertrag

Haftung aus einem - im Regelfall stillschweigend zustande gekommenen - Auskunfts- bzw. Beratungsvertrag

5.

Haftung aus Delikt

§ 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB - Betrug oder § 264a StGB - Kapitalanlagebetrug

Einstehenmüssen für Prospektfehler durch bestimmte Personen und Personengruppen, die im Zu- sammenhang mit der Emission einer Fondsbeteiligung bestimmte Aufgaben übernehmen, z.B. Treuhänder, Treuhandkommanditisten, Gründungsgesellschafter abgeleitet aus allgemeinen recht- lichen Bestimmungen (c.i.c. - Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder pVV - positive Vertragsverletzung)

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Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Kurzer Überblick über Verjährungsvorschriften 1.

Allgemeine Verjährungsvorschriften / Regelverjährung

Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) im Jahr 2002 beträgt die neue regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Die Frist beginnt nur, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlagen müssen (§ 199 BGB). Diese subjektive Anknüpfung soll dem Gläubiger die – faire (!) – Chance eröffnen, seinen Anspruch rechtzeitig vor Vollendung der Verjährung geltend zu machen. Im Interesse des Rechtsschutzes und des Rechtsfriedens endet die Verjährung unabhängig von der Erkennbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen nach 10 bzw. 30 Jahren (30 Jahre bei Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung von Leben, Gesundheit, Körper oder Freiheit betreffen; 10 Jahre bei sonstigen Schadenersatzansprüchen ohne Rücksicht auf Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis). Die 10-Jahresfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs und daher erst mit Eintritt des Schadens. Die 30-Jahresfrist beginnt mit der Vornahme der Handlung. Diese Verjährungsfristen gelten vorbehaltlich kürzerer spezialgesetzlicher Verjährungsvorschriften. 2.

Spezialgesetzliche Vorschriften

2.1

Börsengesetz

Der Anspruch aus Prospekthaftung für einen unrichtigen oder unvollständigen Wertpapierprospekt verjährt nach § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts. Diese Regelung gilt allerdings nur noch für bis zum 31.05.2012 veröffentlichte Prospekte

72

2.2

Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz (gilt für bis zum 31.05.2012 erstmals veröffentlichte Prospekte)

a)

§ 13 VerkProspG (fehlerhafter Prospekt) i.V.m. § 46 BörsG

Ein Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.

b)

§ 13a Abs. 5 VerkProspG (fehlender Prospekt)

Ein Anspruch bei fehlendem Prospekt verjährt nach § 13a Abs. 5 Verk-ProspG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu ver- öffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts.


RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

2.3

Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Vermögensanlagengesetz (gilt für ab dem 01.06.2012 erstmals veröffentlichte Verkaufsprospekte)

a)

§ 20 VermAnlG (fehlerhafter Verkaufsprospekt)

es gilt die Regelverjährung gem. BGB, wobei die Ausschlussfrist gem § 20 Abs. 1 (Dauer des öffentlichen Angebots, spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot) zu beachten ist.

b)

§ 21 VermAnlG (fehlender Verkaufsprospekt)

Die kurze Sonderverjährungsfrist nach § 13a Abs. 5 VerkProspG wurde nicht übernommen. Es gilt die Regelverjährung gem. BGB

c)

§ 22 VermAnlG (unrichtiges Vermögensanlagen-Informationsblatt)

keine Sonderverjährungsfrist; es gilt die Regelverjährung gem. BGB

2.4

Investmentgesetz

Nach § 127 Abs. 5 InvG verjähren Ansprüche wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Verkaufsprospektes einer Kapitalanlagegesellschaft oder ausländischen Investmentgesellschaft in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Verkaufsprospekte Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Kaufvertrages. Diese Sondernorm gilt nur noch für vor dem 01.07.2011 entstandene Ansprüche 2.5

Verjährung nach dem Wertpapierübernahme- und Erwerbsgesetz (WpÜG)

Nach § 12 Abs. 1 WpÜG verjähren Ansprüche gegen Prospektverantwortliche in einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruchsberechtigte von der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage Kenntnis erlangt, spätestens in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Angebotsunterlage (§ 12 Abs. 4 WpÜG). 2.6

Sonderverjährung nach § 37a WpHG

§ 37a WpHG stellt eine Sonderverjährungsregel zugunsten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf. Alle Schadenersatzansprüche wegen Verletzung einer Informationspflicht und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung, die nach dem 01.04.1998 entstanden sind, verjähren in drei Jahren nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. § 37a WpHG wurde für Ansprüche, die nach dem 04.08.2009 entstehen, aufgehoben (vgl. Art. 4 Nr. 5 Schuldverschreibungsgesetz vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2512). 2.7

Spezialgesetzliche Verjährung nach § 12 VVG a.F.

Nach § 12 Abs. 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung verjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren. Als Spezialvorschrift ging § 12 VVG a.F. den Regelungen des BGB vor. Mit der VVG-Reform wurde diese Sonderregelung aufgehoben. Auch für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gilt nunmehr die Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB.

73


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

Was bedeutet die sogenannte Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“?

D

erjenige, der sich eines Anspruchs rühmt, muss grundsätzlich die dafür erforderlichen Voraussetzungen darlegen und im Streitfall auch beweisen können. In manchen Fällen stellen aber Gesetz oder Richterrecht Beweiserleichterungen auf, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen können.

So ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Er muss also beweisen, dass ein Geschädigter den Rat oder Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.03.2011, XI ZR 33/10 oder v. 12.05.2009, XI ZR 586/07). Man spricht hier von der sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Diese Vermutung gilt für alle aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende Vermutung. Diese Vermutung ist widerleglich. Zu widerlegen ist sie allerdings vom Aufklärungspflichtigen. Lange Zeit hatte diese vor allem vom Bundesgerichtshof geprägte Rechtsprechung die Beweislastumkehr davon abhängig gemacht, dass es für einen Vertragspartner nicht mehrere, sondern vernünftigerweise nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gab. Eine Aufklärung durfte nicht zur Folge haben, dass sich der aufzuklärende in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Für Aufklärungspflichtverletzungen im Fall der Anlageberatung hält die Rechtsprechung daran nicht mehr fest. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10 unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. im Urt. v. 16.11.1993, XI ZR 214/92). „Der Zweck der Aufklärungspflichten, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, wird deshalb auch - oder erst recht - in solchen Fällen, in denen die Aufklärung der Information zur freien Entscheidung des Anlegers dient, nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen.“ (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, a.a.O. Rn. 36). Dass jedenfalls bei der Beratung durch Banken verheimlichte Rückflüsse offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen aufklärungspflichtig sind, ist seit vielen Jahren ständige Rechtsprechung. Heute geht es meist um die Frage, ob die Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung kausal war. Hier können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, Rn. 50). Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten hat, kann ein Indiz dafür sein, dass es an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehlt. Die Rechtsprechung spricht hier von der Würdigung von Hilfstatsachen, die den Schluss darauf zulassen, der Anleger hätte die empfohlene Kapitalanlage auch bei erbrachter Aufklärung erworben. Bildquelle: © lassedesignen - Fotolia.com

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RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013

Was sind eigentlich Finanzinstrumente? Was folgt aus § 34f GewO?

S

eit 01.06.2012 zählen auch Beteiligungen an geschlossenen Fonds zu den sog. Finanzinstrumenten. Viele Anleger, aber auch Finanzdienstleister selbst, werfen die Frage auf, was dies für Konsequenzen hat. Was unter dem Begriff „Finanzinstrument“ zu verstehen ist, ist im Kreditwesengesetz (KWG) definiert. Nach § 1 Nr. 11 KWG sind Finanzinstrumente Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten sowie Derivate. Neu ist, dass zu diesen Finanzinstrumenten auch Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes zählen mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft. Wer Finanzinstrumente vermitteln oder einen Kunden über den Erwerb eines Finanzinstruments beraten will, bedarf nun grundsätzlich einer Voraussetzung nach den Vorschriften des Kreditwesengesetzes. Der Erhalt dieser Zulassung nach § 32 KWG ist mit erheblichem finanziellem und sonstigem Aufwand verbunden. Für die meisten Finanzdienstleister kommt deshalb eine Erlaubnis nach dieser Norm nicht in Betracht. Dennoch dürfen Sie auch ab 2013 weiterhin Fondsbeteiligungen vermitteln. Dies ermöglicht eine Ausnahmevorschrift im KWG. Soweit sich die Vermittlung und Beratung auf Investmentfonds oder Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes bezieht, reicht eine Erlaubnis nach der Vorschrift des § 34f GewO. Sie löst mit Wirkung ab 01.01.2013 die bisher benötigte Erlaubnis nach § 34c GewO ab. Banken, Sparkassen und sonstige Finanzdienstleister mit KWG-Erlaubnis müssen aber schon jetzt die Vorschriften, die das Wertpapierhandelsgesetz für die Vermittlung von Finanzinstrumenten vorgibt, beachten. Die neue Vorschrift des § 34f GewO ist in großen Teilen an die Vorschrift des § 34d GewO angelehnt, mit der seit 2007 der Vertrieb von Versicherungen neu reguliert worden ist. Ein Sachkundenachweis wird eingeführt. Eine Berufshaftpflichtversicherung ist abzuschließen und nachzuweisen. Der Finanzanlagenvermittler muss sich registrieren lassen und neue Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten beachten. Einzelheiten ergeben sich aus der Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 30.03.2012. Wann ist ein Finanzdienstleister ein „alter Hase“? Finanzanlagenvermittler müssen seit 01.01.2013 ihre Sachkunde nachweisen, sofern sie nicht über eine Berufsqualifikation verfügen, die als gleichwertig anerkannt wird und bei der eine ausreichende Sachkunde unterstellt wird, oder sofern sie nicht als sog. „alter Hase“ gelten. Diese „alte-HaseRegelung“ gilt für alle Vermittler, die seit dem 01.01.2006 eine Erlaubnis nach § 34c GewO besitzen oder als angestellter Vermittler ununterbrochen erlaubnispflichtige Tätigkeiten gem. § 34c GewO ausgeübt haben und den Nachweis der ununterbrochenen Tätigkeit erbringen können. Hierzu bedarf es entweder lückenloser Prüfberichte nach § 16 MaBV oder der Vorlage von Arbeitszeugnissen (bei angestellten Vermittlern). Bei welchen anderen Berufsqualifikationen der Nachweis der erforderlichen Sachkunde entbehrlich ist, folgt aus § 4 FinVermV. Teilweise muss bei den dort genannten Ausbil-

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75


Stand März 2013 I RECHT und RECHTSPRECHUNG

dungsgängen zugleich noch eine mindestens ein- oder zweijährige Berufserfahrung im Bereich Anlageberatung oder Anlagevermittlung vorliegen. Seit 01.01.2013 muss der Finanzanlagenvermittler verschiedene Informationspflichten erfüllen. Vor dem Beratungs- oder Vermittlungsgespräch hat er dem Anlageinteressenten diverse (Status-)Angaben klar und verständlich in Textform mitzuteilen (Name, Familienname, Firma, betriebliche Anschrift, Verweis auf das Vermittlerregister, Aufsichtsbehörde; vgl. im Einzelnen § 12 FinVermV). Nach § 13 FinVermV ist über Risiken, Kosten und Nebenkosten der Finanzanlage zu informieren. Die Informationen müssen so gefasst sein, dass der Anleger die Art und die Risiken der Finanzanlagen verstehen kann und auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob die Anlage für ihn geeignet ist oder nicht. Nach § 14 FinVermV müssen alle Informationen und Werbemitteilungen redlich und eindeutig und für den Anleger nicht irreführend sein. Der Finanzanlagenvermittler muss dem Anlageinteressenten ein Informationsblatt aushändigen. Dieses ist vom Anbieter oder Emittenten der jeweiligen Finanzanlage zu erstellen (vgl. im Einzelnen § 15 FinVermV). Der Vermittler darf nur für den Kunden geeignete Produkte empfehlen. Deshalb sind im Rahmen der Beratung zunächst der Kenntnisstand und die Erfahrungen des Kunden abzufragen. Außerdem ist nach den finanziellen Verhältnissen des Kunden zu fragen. Einzelheiten folgen aus § 16 FinVermV. Die bisher nur für den Vertrieb von Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht, Zuwendungen offenzulegen, wird für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen (§ 17 FinVermV). Zuwendungen sind Provisionen, Gebühren und alle geldwerten Vorteile, also beispielsweise auch Bürokostenzuschüsse, die Überlassung von Hard- oder Software oder Incentives). Die bisher schon für die Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht zur Anfertigung eines Beratungsprotokolls wird ebenfalls für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen (§ 18 FinVermV).

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Wer braucht was? Zulassungsvoraussetzungen f체r Berater und Vermittler seit 01.01.2013

RECHT und RECHTSPRECHUNG I Stand M채rz 2013

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