3 minute read

Die Kugelmacher

Sie formte aus Röstkaffee Kugeln

Einen Kapselkaffee ohne Kapsel entwickeln? Caroline Siefarth und ihr Team haben die Herausforderung mit Haarföhn und viel Frustrationstoleranz gemeistert.

Text: Yvonne Samaritani Bilder: Basile Bornand

«Es ist schön, der Familie endlich erzählen zu dürfen, an was ich schon so lange arbeite.» Wenn Caroline Siefarth (36) das sagt, merkt man, dass in den letzten Wochen ziemlich viel Ballast von ihren Schultern abgefallen ist.

Fünf Jahre hat die Lebensmitteltechnologin an einem Projekt gearbeitet, das so geheim war, dass sie mit niemandem darüber reden konnte. Wer keine Geheimhaltungspflicht unterschrieben hatte, durfte nichts wissen. Jetzt ist Coffee B auf dem Markt, und alle wollen von ihr wissen: Wie kann man mit «Balls» Kaffee machen? Siefarth steht in einem fensterlosen, aber hell erleuchteten Raum. Es riecht nach Kaffee.

Je nach Wind tut es das auf dem ganzen Gelände der Delica in Birsfelden BL, da hier auch Kaffeebohnen geröstet werden. Neben diversen Kaffeemaschinen und Tassen liegen auf der Arbeitsfläche eine Waage und diverse Löffel. Siefarth arbeitet seit ihrer Promotion zur Aromaanalytikerin beim Migros-Industriebetrieb Delica. Zuerst hat sie Milchprodukte entwickelt, kam dann über Milchkaffeeprodukte zum Kaffee. «Nach und nach bin ich immer tiefer ins Kaffeewissen eingetaucht», sagt sie. So schnell wird sie auch nicht aufhören, am nachhaltigen Kaffeegenuss herumzutüfteln: «Kaum etwas ist so wunderbar komplex wie Kaffee.»

Kampf dem Kapselmüll «Wir haben mit wenig angefangen: Waage, Becherchen, Handpresse, Löffel, Sieb und Föhn. Los gings», erinnert sich Siefarth an die ersten Versuche. Eigentlich sei bis auf den Fixstern noch nichts klar gewesen: «Lasst uns Kapseln ohne Kapsel machen.» In der Migros hatte man sich vorgenommen, ein Kapselsystem zu entwickeln, das ohne Kapsel auskommt – um den 100000 Tonnen Kapselmüll, die weltweit jährlich anfallen, den Kampf anzusagen. Damals kommentierte Siefarth die Vorgabe so: «Wow, das hört sich nicht einfach an.» Sie sollte recht bekommen. Wie presst man Röstkaffee zu Kugeln, wie hält dieser zusammen? Wie überstehen Kugeln den Transport? Wie verhalten sie sich in einer Kaffeemaschine? Siefarth und ihr Team können sich nicht mehr an alle Pröbeleien erinnern. Aufgegeben haben sie aber nie: «Frustrationstoleranz. Die hat man als Entwickler immer!», erklärt sie lachend.

Und wie umhüllt man den Coffee Ball, damit er zugleich stabil bleibt und die Frische be- wahrt? Mit unzähligen Substanzen hat sie probiert, den Ball zu beschichten. «Irgendeine Möglichkeit gibts immer. Diese Hartnäckigkeit muss man besitzen.» Klar war immer, dass eine natürliche Schutzschicht gesucht wird. Schliesslich war das Ziel, dass sich die Reste nach wenigen Wochen im normalen Haushaltskompost oder Garten zu Humus verwandeln, also nicht industriell kompostiert werden müssen – und dass dieKugeln ganz ohne Plastik oder Aluminium auskommen. «Irgendwann sind wir auf Alginat gestossen», erzählt sie.

Es wird aus Algen gewonnen und hat Ähnlichkeiten mit Stärke oder Zellulose. Siefarth beschreibt es als ein sehr schönes Material, das eine natürliche Barriere gegen Sauerstoff besitzt und so die Frische des Röstkaffees bewahrt. Viele kennen es aus der molekularen Küche, etwa von Aceto-Perlen.

So rollt die Kugel Caroline Siefarth hält eine Kugel in der Hand. «Ich bin der LungoFan. Klassisch», sagt sie, füllt eine Packung in den runden Container der Coffee B-Maschine und dreht daran. Ein «Ball» fällt in die Brühkammer. «Dort wird er kurz erweicht, in eine zylindernahe Form gedrückt, von beiden Seiten durchstochen; Heisswasser fliesst hindurch und lässt uns am Ende einen superschönen Kaffee ohne Kapsel geniessen.» MM

Mit dem Ergebnis von fünf Jahren Arbeit zufrieden: Caroline Siefarth und Ralf van den Bragt (unten) von der Delica AG Innovation in der Migros-Industrie

Zur Migros-Industrie gehören 20 Unternehmen in der Schweiz und im Ausland. 14000 Mitarbeitende stellen 20000 Produkte her. Allein rund 400 Mitarbeitende arbeiten in Forschung und Entwicklung. Sie verbessern die Rezepturen oder kreieren neue Produkte.

Bei der Delica konzentriert sich das Entwicklungsteam auf Schokolade, Kaffee, Glace, Snacks und Zutaten wie Reis und Gewürze. Ralf van den Bragt (Bild unten) leitet die Business Unit Kaffee mit den kompatiblen Kaffeekapseln Café Royal und dem Kapselsystem Delizio. Neu gehört auch CoffeeB dazu.

Wobei neu für ihn und sein Team relativ ist: «Seit eineinhalb Jahren haben wir hier in Birsfelden eine kleine Produktionslinie nur zum Degustieren und testen. Wir haben bereits Hunderttausende von ‹Bällen› getestet.»

Sein Team «R&D», das sich um Forschung und Entwicklung kümmert, zählt 35 Personen. Woher der hohe Anspruch nach Innovation komme? Van den Bragt verortet ihn in der DNA der Migros. «Gottlieb Duttweiler hat uns geprägt und gelehrt, wie wichtig Innovationen sind. Und Nachhaltigkeit ist uns auf die Fahne geschrieben. Beides bringt uns dazu, uns täglich zu überlegen, wie Kaffeegenuss in Zukunft aussehen könnte.»

This article is from: