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Der Goldgräber von Köniz

Marcel Siegenthaler (oben) füllt vor dem Brennen ausgewaschene Goldflitter in die Schale (unten).

Im Goldrausch

Marcel Siegenthaler ist Goldsucher. Heute findet er das Edelmetall längst nicht mehr in Flüssen, sondern in Kieswerken. Und rettet es davor, für immer in Betonpfeilern und Strassenbelägen zu verschwinden.

Es wirkt wie eine Heimwerkerszene: Marcel Siegenthaler steht in einem ehemaligen Schweinestall in der Berner Vorortsgemeinde Köniz, in der Hand eine Schaufel, vor ihm ein Kessel voller Sand. Er nimmt eine Schaufel voll und wuchtet sie auf eine Metallrinne, die in Schrägneigung durch den Raum führt. Er dreht einen Wasserhahn auf. Der Sand wird aufgewirbelt und läuft über eine Gummimatte die Rinne hinunter in einen grossen Bottich.

Die ganze Konstruktion dient Siegenthaler aber nicht für Renovationsarbeiten. Es ist seine selbstgebaute Goldwaschanlage. Oder seine «Mine», wie er es selbst nennt. «Das Wasser schwemmt die leichten Sandteilchen über die Matte», erklärt er. «Das schwere Gold setzt sich ab.» Das Material, das er nun aus dieser Matte klopft, sieht allerdings noch nicht aus wie Gold – es ist fast schwarz. Siegenthaler gibt eine Portion auf eine zweite Rinne. In dem leichten Wasserstrom verteilt er den Sand mit einem Spachtel und einem

Handbesen. Plötzlich blitzt und blinkt es zwischen den schwarzen Körnchen. Winzige Goldplättchen kommen zum Vorschein. Mit vorsichtigen, geübten Bewegungen trennt Siegenthaler sie vom Rest der Sandmischung. Als er zufrieden ist, nimmt er das Goldhäufchen mit dem Spachtel auf und klopft es in ein blaues Becken.

Goldwaschen ist Marcel Siegenthalers Beruf – zumindest zur Hälfte. Die restliche Zeit arbeitet der 52-Jährige im eigenen Gartenbaugeschäft. Mit dem Goldfieber angesteckt hat er sich vor 30 Jahren auf einer Neuseelandreise mit einem Kollegen. «Wir besuchten ein Goldgräbermuseum, in dem man für einen Dollar etwas Sand waschen durfte», erzählt er. Die beiden Schweizer waren fasziniert. Sie kauften sich noch in Neuseeland eine Goldwaschpfanne und versuchten in einem Fluss ihr Glück.

Das Filtersystem machts aus Seither hat Siegenthaler schon fast überall auf der Welt Gold gesucht: in Kalifornien, Alaska, Kanada, Australien und in europäischen Ländern. Am häufigsten aber in Schweizer Bächen und Flüssen. Das Napfgebiet sei interessant, sagt er. Ein anderer Tipp sei der Rhein bei Disentis GR. Dort klopft er mit einer speziellen Rüttelmaschine den goldhaltigen Sand aus den Filtermatten heraus. Momentan habe er mit ungefähr zehn Betrieben in mehreren Kantonen Vereinbarungen, sagt er.

Sand wird in der Rinne ausgewaschen (ganz links und unten links), später mit dem Bunsenbrenner erhitzt (links). Unten: einige Flitter neben einem bereits gebrannten Goldplättchen

«Reich wird man mit Goldwaschen nicht.»

Den Sand, den er in seiner «Mine» heute wäscht, hat er jedoch nicht aus einem Fluss geholt. Er gewinnt sein Gold in Zusammenarbeit mit Schweizer Kieswerkbetreibern. Das System, weiss er, sei komplex – und die Details hält er geheim, wie üblich im Goldsuchgeschäft. Kernstück ist ein patentiertes Filtersystem, das er in Absprache mit dem jeweiligen Betreiber im Kieswerk installiert.

Alle paar Wochen wechselt es Siegenthaler vor Ort aus und holt es in seine Waschanlage.

Das fairste Gold der Welt Wie viel Goldstaub Siegenthaler gewinnt, ist von Werk zu Werk unterschiedlich. Aber es sei einiges mehr, als er aus einem Fluss waschen könnte. «Und», sagt er, «es ist sauberes Gold, das wohl fairste Gold der Welt!» Die grossen Goldminen in Südafrika oder Südamerika zermahlen mit riesigen Maschinen eine Tonne Gestein für ein Gramm Gold. Und setzen Gifte wie Quecksilber und Zyanid ein, um das edle Metall besser aus dem Untergrund zu lösen. Siegenthaler kommt ohne solche Gifte aus. Der Kies werde ja sowieso abgebaut. «Wenn ich das Gold nicht heraushole, verschwindet es im Beton und im Asphalt», sagt er.

Es sind also quasi gerettete Goldflitter, die Siegenthaler nun aus der Waschanlage mit in seine Goldwerkstatt nimmt. Dort folgt der letzte Teil seiner Arbeit: Er schüttet eine Handvoll Goldflitter in ein Pfännchen, setzt sich die Schweisserbrille auf und nimmt den Bunsenbrenner zur Hand. Bei 1064 Grad schmilzt er das Gold zu kleinen Plättchen oder Barren. Einige verkauft er an Goldschmiede, die Schmuck aus naturbelassenem Schweizer Gold machen. Aus anderen prägt und verkauft er spezielle Münzen in limitierter und nummerierter Anzahl.

Klar, dass dieses Gold seinen Preis hat. Knapp 30 Prozent mehr als den üblichen Goldpreis erhält Siegenthaler von seinen Abnehmern. Und wie viel Gold findet der Profigoldsucher pro Jahr? Er zögert. «Das bleibt mein Geheimnis», sagt er dann. Wenn es um Gold gehe, seien Neider nicht weit. «Aber reich wird man mit dem Goldwaschen nicht.» MM

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