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Das Nato-Comeback
Die Nato ist wieder gefragt
Nun wollen auch Finnland und Schweden der Nato beitreten. Was heisst das für die Organisation, die zuletzt eher an Bedeutung verloren hat? Und bezieht künftig gar die Schweiz das Bündnis oder Nachbarn stärker ins Abwehrdispositiv ein?
Text: Ralf Kaminski
Was ist die Nato?
Die North Atlantic Treaty Organization (Deutsch etwa: der «Nordatlantikpakt») entstand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Gegengewicht zum kommunistischen Ostblock. Gegründet wurde die Nato 1949 von zwölf Staaten mit dem Ziel, die eigenen Territorien zu schützen. Mitgliedsstaaten bekennen sich im Vertrag zu Frieden, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat. Im Kalten Krieg spielte die Nato eine wichtige Rolle bei der Verteidigung Westeuropas. Nach Auflösung der Sowjetunion 1991 hat sie stark an Bedeutung verloren – bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar.
Welche Staaten gehören der Nato an?
Insgesamt 30, darunter viele Länder Europas, nicht aber die Schweiz, Österreich, Irland, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Schweden und Finnland. Dabei sind zudem die USA, Kanada und die Türkei. Seit 1999 sind auch viele osteuropäische Staaten beigetreten, die im Kalten Krieg noch Verbündete der Sowjetunion waren – zumeist, weil sie sich damit gegenüber Russland absichern wollten.
Gibt es weitere Beitrittskandidaten?
Ja. Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo möchten schon länger beitreten, Verhandlungen laufen. Auch Georgien und die Ukraine zeigten schon früher Interesse, was bislang jedoch seitens einiger Nato-Staaten wegen Gebietskonflikten mit Russland als zu heikel angesehen wurde. Neu haben nun die lange strikt neutralen Länder Finnland und Schweden einen Beitrittsantrag gestellt.
Weshalb wollen Finnland und Schweden plötzlich in die Nato?
Obwohl beide als EU-Mitglieder de facto zum Westen gehören, hielten sie es lange Zeit für sicherer, militärisch neutral zu bleiben, um Russland nicht zu provozieren. Nach dessen Angriffskrieg auf die Ukraine kippte jedoch die Stimmung. Wenn alles wie geplant läuft, könnten sie bereits im Herbst Teil der Nato sein. Noch allerdings stellt sich die Türkei quer.
Weshalb ist die Mitgliedschaft so begehrt?
Das liegt vor allem an einer Klausel im Nato-Vertrag, die für alle Mitglieder eine Beistandspflicht vorsieht: Wenn ein Mitgliedsland angegriffen wird, kann es von den anderen Unterstützung verlangen. Die Nato kann diesen Angriff dann als einen auf das ganze Bündnis deklarieren und gemeinsam dagegen mobilisieren – eine wirksame Abwehrkulisse gegen Angriffsgelüste.
DIE SCHWEIZ UND DIE NATO
«Wir haben einen gewissen Handlungsspielraum, der uns eine engere Zusammenarbeit mit der Nato und unseren europäischen Partnern ermöglicht.»
Viola Amherd Verteidigungsministerin

«Die Schweiz muss viel enger mit der Nato kooperieren als heute.»
Thierry Burkart Präsident FDP
Überlegt sich nun auch die Schweiz einen Beitritt zur Nato?
Ist dieser Bündnisfall schon mal eingetreten?
Ein einziges Mal: nach den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001. «Sicherheitspolitik ist mehr als Militär, dazu gehört auch Versorgungssicherheit, etwa bezüglich Energie.»
Mattea Meyer Co-Präsidentin SP
«Mit den neuen Kampfjets F-35 könnte die Schweiz einen Beitrag zur Annäherung an die Nato leisten.»
Vorerst nicht, dies wäre mit dem aktuellen Neutralitätskonzept unvereinbar. Es gibt jedoch prominente Stimmen, die neu für eine Annäherung plädieren.
Über wie viele Streitkräfte verfügt die Nato?
Stand 2021 waren es rund 3,3 Millionen Soldaten und Soldatinnen, davon stellten allein die USA 1,4 Millionen. Zum Vergleich: Chinas Heer zählte 2021 über 2,2 Millionen, das russische über 1 Million Soldaten.
Gerhard Pfister Präsident Die Mitte
«Eine Annäherung würde das Ende der Schweizer Neutralität bedeuten – damit würden wir viel aufs Spiel setzen.»
Marco Chiesa Präsident SVP
Wie nahe stehen sich die Schweiz und die Nato?
Es gibt eine kleine Kooperation. Im Programm «Partnerschaft für den Frieden» nimmt die Schweiz seit 1996 neben anderen Nicht-Mitgliedern wie Österreich, Irland oder Serbien an gemeinsamen Übungen teil. Zudem gibt es gewisse sicherheitspolitische Absprachen, aber keine Beistandspflicht im Kriegsfall.
Gab es schon Kampfeinsätze der Nato?
Ja, erstmals 1999 im KosovoKrieg. Damals haben NatoStreitkräfte unter Führung der USA die Bundesrepublik Jugoslawien bombardiert – aus Sicht der Nato, um weitere Vertreibungen und Morde an der albanischen Bevölkerung zu stoppen. Doch geschah dies ohne Uno-Mandat und unter lautem Protest des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin. Die Intervention ist bis heute völkerrechtlich umstritten. Umso mehr, als bei den Nato-Luftangriffen auch rund 500 Zivilisten umkamen. NatoKampfeinsätze gab es später auch in Afghanistan.
Hat Russlands Präsident Putin recht, wenn er die Osterweiterung der Nato nach dem Kalten Krieg bedrohlich findet?
Was der damaligen Sowjetunion im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands zugesichert worden ist, ist bis heute umstritten. Die Osterweiterung fand jedoch aufgrund des ausdrücklichen Wunsches dieser Länder statt. Kommt hinzu, dass sich Russland seinerseits vertraglich verpflichtet hat, die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepubliken zu achten – aber schon mehrfach militärisch interveniert hat: in Georgien, Moldau und in der Ukraine. Demgegenüber hat die Nato Russlands Territorium nie bedroht, und selbst nach der absehbaren Erweiterung mit Schweden und Finnland berührt das Nato-Gebiet lediglich über 2480 Kilometer direkt die russische Grenze – deren Gesamtlänge beträgt 57680 Kilometer. Russland verfügt zudem über das weltweit grösste Arsenal an Atomsprengköpfen.