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Das grosse Umstapeln

In Suhr AG steht ein riesiges Migros-Verteilzentrum. Hier wird das gesamte Food-Sortiment angeliefert –und für die Auslieferung in die über 700 Filialen neu sortiert.

Wenn man in der Migros an der Kasse steht und der Scanner «Biep!» macht, geschehen zwei Dinge: Erstens wird der Preis des Artikels zu Ihrer Rechnung addiert, und zweitens meldet die Kasse dem Filialsystem, dass ein Stück weniger vorhanden ist. Am Abend erstellt das System eine Liste aller verkauften Artikel und übermittelt diese an die Verteilbetriebe der Migros. Einer davon befindet sich in Suhr im Kanton Aarau.

Jeden Tag kommen hier aus allen Richtungen Tonnen von frischen Trockenwaren und Getränken an, rund die Hälfte per Bahn, der Rest

Text: Thomas Meyer

Bilder: Flurina Rothenberger per Lkw. Würden die Hersteller ihre Produkte nicht hierhin, sondern direkt zu den 700 Migros-Filialen fahren, entstünde dort jeden Morgen ein enormer Lastwagenstau – und es würde jeweils nur eine kleine Menge entladen. Darum macht man es genau umgekehrt: Alles kommt zuerst nach Suhr und wird von dort per Bahn oder Lastwagen zu den einzelnen Filialen geschickt – mit dem spezifischen Nachschub, den sie geordert haben.

Im Fall der Frey-Schokolade ist der Weg von der Fabrik sehr kurz, denn die steht im Nachbardorf Buchs. Die elektrische Rangierlok vom Typ Alstom H3 muss bloss einmal um die Kurve fahren, und schon steht der Zug in der riesigen Bahnhalle in Suhr. Die Europaletten darin werden mit einem grossen Gabelstapler entladen, der so lange Zinken hat, dass gleich zwei draufpassen.

1 Auf Förderbändern werden die Bestellungen für einzelne Filialen zusammengestellt.

2 Die Ware ist per Barcode eindeutig zu identifizieren: Hier handelt es sich um die bekannten Tafelschokoladen «Côte d’Ivoire».

3 Kurze Distanz, aber viel Material: Von Buchs bis Suhr nehmen die Schokoladen den Zug.

«Als Erstes kontrollieren wir die Ware und schiessen sie ab», erklärt die Logistikerin Melanie Perren (41), neben der die Paletten nun stehen. Wie bitte, abschiessen? Perren lacht: «Das heisst, wir scannen die ein chaotisches Lager», sagt Djellza Saciri (23), eine Kollegin von Melanie Perren, «das System nutzt einfach den nächsten passenden Platz – je nach Grösse.»

Die imposanten Regalfahrzeuge lagern Waren aber nicht nur ein, sondern auch aus: Wenn eine Filiale etwas bestellt, wird die betreffende Palette aus dem Lager geholt und zum Depalettieren gebracht, wo eine Maschine namens «Layer Picker», genau das macht, was ihr Name sagt: Sie schiebt Schicht um Schicht herunter. Danach sind die Schachteln und Gebinde mit Schokolade, Keksen und Eistee einzeln auf Förderbändern unterwegs und werden nach wenigen Metern mit einem Tray «verheiratet», einem Tablett mit einem Barcode. «So weiss das System, auf welchem Tray was liegt», erklärt Djellza Saciri. Weil sich aber manchmal auf einer Palette mehr Artikel befinden, als momentan benötigt werden, gibt es ein weiteres Lager, wo die Trays temporär beiseitegestellt werden. Auch hier sind Regal-Roboter mit ständigem Hineinschieben und Herausziehen beschäftigt.

Melanie Perren, Logistikerin im Migros-Verteilzentrum Suhr

Barcodes auf den Etiketten.» Darauf ist zu lesen, wie viele Schachteln auf der Palette liegen. Es stimmt alles: neun Schichten mit 48 Schachteln, in denen jeweils 20 Tafeln Schokolade stecken. Perren kurvt mit einem gelben Niederhubwagen heran, wobei ihr blonder Pferdeschwanz fröhlich hin und her schwingt, und stellt die Palette auf die Fördertechnik. Diese transportiert die Ware auf zwei dicken Gliederketten ein paar Meter nach hinten, wo sie auf ein anderes Kettenband geschoben wird – wie bei der Gepäckaufgabe am Flughafen. «Jetzt fährt die Palette automatisch in eines unserer Hochregallager. Dort haben wir Platz für 120 000 davon», sagt Perren und geht voraus.

In der 30 Meter hohen Halle sind 24 sogenannte Regalbediengeräte zugange, halb Lift, halb Gabelstapler, die eintreffende Paletten von den Kettenförderern heben und mit lautem Sausen irgendwo weit oben in riesigen Regalen versorgen. «Es ist

Schliesslich, nach langen, verschlungenen Wegen, finden die einzelnen Artikel der Bestellung auf einer neuen Palette zusammen und werden dort physikalisch vernünftig aufeinandergestapelt: Wie in einer Einkaufstasche sind schwere Dinge unten und die leichten oben – auch das wird automatisch erledigt. Der Computer kennt sämtliche Masse und Gewichte. Was bleibt eigentlich für die Angestellten noch zu tun? «Wir beheben vor allem Störungen», lacht Melanie Perren. «Ich bin aber auch noch für zehn Logistik-Lernende zuständig. Das macht mir am meisten Freude an meinem Job.»

Am Ende hat das System eine optimal kommissionierte Palette erstellt, mit Plastikfolie umwickelt und zur Lkw-Bucht Nummer 28 befördert, wo schon ein leerer Lastwagen bereitsteht. Auf den letzten 15 Metern kommt noch einmal ein Mensch zum Einsatz, um die Palette in den Anhänger zu fahren. Dann startet der Motor des Iveco-Lastwagens, und eine von rund 150 Touren des Tages beginnt: nach Luzern, in die Filiale Schweizerhof. •

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