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«Für mich eine kleine Heldin»
Hochdorf LU Milch enthält viel Wasser, und das bekommt der Schokolade nicht. Die Lösung: reines Milchpulver. Die Firma Hochdorf ist Spezialistin für diese Schlüsselzutat der Schweizer Milchschokolade.
Filena und viele weitere Milchkühe haben gespendet: 12 000 Liter Milch vorn und 12 000 hinten. So viel passt in den Tankwagen und seinen Anhänger, die nun bei der Firma Hochdorf Swiss Nutrition stehen und abgepumpt werden. Bei allen Höfen, auf denen der Fahrer heute früh Milch eingesammelt hat, wurden jeweils kleine Proben in Reagenzgläser geleitet. Die holt der Fahrer nun aus dem hinteren Teil seines Fahrzeugs und bringt sie zur Probenannahme, wo festgehalten wird, zu welchen Bauern die Röhrchen gehören. Nicht nur, um die exakten Milchmengen abzurechnen, sondern auch wegen der Zusammensetzung der Milch und möglicher Antibiotikarückstände. Die Herstellung von Milchpulver ist ähnlich wie die von Kristallzucker –entsaften, konzentrieren und trocknen –, wobei Milch im Gegensatz zur Zuckerrübe praktischerweise bereits in flüssiger Form daherkommt. Als Erstes wird sie direkt nach dem Abpumpen standardisiert: Je nach Jahreszeit, Wetter und dem, was die Kühe fressen, hat ihre Milch einen anderen Fett- und Proteingehalt. Die Qualität des fertigen Pulvers soll aber immer die gleiche sein, weswegen Fette und Eiweisse, die in einer Zentrifuge entfernt wurden, wieder in standardisierten Mengen beigefügt werden. «Als Nächstes wird die Milch pasteurisiert, also kurz erhitzt, um Bakterien abzutöten, und dann filtriert», erklärt Vera Hug (29), Lebensmittelwissenschaftlerin bei Hochdorf.
Von all dem ist jedoch nichts zu sehen, es findet in dicken Rohren und riesigen, bald brennend heissen, bald eiskalten Stahlbehältern statt. Die Milch zeigt sich lediglich mal hier, mal dort in kleinen runden Schaugläsern. Trotzdem ist die Anlage ein in sich geschlossenes System und darf nur mit Schutzkleidung betreten werden. Die einzelnen Prozessschritte finden in eigenen Hallen statt. In der einen summt es leise, in der nächsten brummt es schon ordentlich, und in derjenigen, in der die Milch konzentriert wird, herrscht ein fürchterlicher Lärm. Vera Hug ist nur noch zu verstehen, wenn sie sehr laut spricht und man das Ohr direkt neben ihren Mund hält. «Die Milch wird jetzt unter Vakuum eingedampft», ruft sie. Der Wassergehalt beträgt am Ende noch 50 Prozent. Das ist wesentlich zäher als der Originalzustand: Aus der Kuh kommt die Milch mit 87 Prozent Wasser. Am Schluss geht das Konzentrat einen von zwei Wegen: Entweder es wird in heisser Luft versprüht und trocknet dabei zu kleinen Flocken ein, das ist dann das sogenannte Sprühpulver. Oder es wird gleichmässig auf eine dampferhitzte Walze gestrichen und trocknet dort innerhalb von 3,5 Sekunden zu einem Film, der aussieht wie eine hellgelbe
1 Frisch vom Bauernhof wird die Milch aus den Tankwagen abgepumpt.

2 Jede Milchlieferung wird im Labor auf Zusammensetzung und mögliche Rückstände geprüft.
3 Die heisse Walze entzieht der Milch das Restwasser, und es entsteht feines Pulver –aus einem Liter 130 Gramm. Das reicht für sechs Tafeln Milchschokolade.


4 Im Walzgut sind die Schokoladenzutaten erst grob vermischt.
5 Rahel Merkofer blickt in die Conche, wo die Schoggi ihre einzigartige Konsistenz erhält.
Tapete und abgeschabt und schliesslich gehäckselt wird. Die leichte Färbung rührt daher, dass die Milch durch die Wärme caramelisiert. Das verleiht dem Milchpulver einen süsslichen Geschmack. Ausserdem bekommt Schokolade dadurch einen deutlich zarteren Schmelz. Kein Wunder, setzen Schweizer Schokoladenhersteller auf das aufwendiger produzierte Walzenpulver.
«In der Schokolade ist das Milchpulver unsichtbar», sagt Vera Hug, die im Raum mit der drehenden Walze wieder normal sprechen kann. «Aber es ist entscheidend für den Geschmack. Für mich ist es eine kleine versteckte Heldin.» Sie lächelt beinahe verliebt. •
6 Zuvor sind die Kakaobohnen gebrochen und geschält worden. Dabei entstehen die sogenannten Nibs.