18 | 14.3.2022 | TIBETER
«Wir fühlen uns in der Schweiz sehr wohl» Rund 8000 Menschen mit tibetischen Wurzeln leben hierzulande – die ersten kamen als Flüchtlinge in den 60er-Jahren, unter anderem nach Rikon ZH. Wir haben uns dort umgesehen und nachgefragt, wie es der tibetischen Gemeinschaft heute geht. Bilder: Marion Nitsch
Auf den ersten Blick sieht hier nichts anders aus als in anderen kleinen Schweizer Gemeinden an einem Sonntagvormittag. Rikons Strassen sind nicht besonders belebt, ab und zu fährt ein Auto vorbei, gelegentlich sieht man Spaziergänger. Die Läden sind alle geschlossen, und auch die Fabrik des Pfannenherstellers Kuhn Rikon ennet der Töss ist still und verlassen. Doch aus einem Haus direkt gegenüber erklingen ungewohnte Töne. Die traditionelle tibetische Musik kommt aus dem zweiten Stock, der – wie üblich am Sonn tag – voller Leben ist. 25 Kinder im Alter von 6 bis 16 Jahren üben unter Anleitung ihres Lehrers Bula Gakschu (26) einen tibeti schen Tanz. Die älteren Teenager ganz hinten sehen dabei schon recht geübt und grazil aus, die Kleinen zuvorderst tanzen noch
etwas aus der Reihe. In der Pause spielen die kleineren Kinder um die Säulen des Raums Fan gis, während sich die älteren in die Küche nebenan zurück ziehen. Die meisten von ihnen besuchen den Tanzunterricht seit Jahren und haben ihr Kön nen an zahlreichen tibetischen Festen und Veranstaltungen demonstriert. Und sie tun das gerne. «Es macht Spass, und es ist mir auch wichtig, auf diese Weise einen Zugang zu meinen tibetischen Wurzeln zu erhal ten», sagt eine 15-Jährige.
Diese Wurzeln sind allen wichtig, die hier sind. Sie waren zwar noch nie in Tibet, würden aber alle gern irgendwann einmal hinfahren. Und haben von ihren Eltern und Grosseltern natürlich viel über ihre ursprüngliche Heimat gehört – viel Schönes, aber auch viel Schlimmes. Sechs Jahre im Gefängnis
Zum Beispiel Tenzin Dolma Karusher: Die 16-Jährige ist in Tibet geboren, war aber gerade ein Jahr alt, als ihre Mutter mit ihr nach Indien flüchtete, wo
Bilder. Comet Photoshopping/Dieter Enz, Keystone
Text: Ralf Kaminski