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Eine Gehilfe für Happy

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Hilfe tut not

Hilfe tut not

Hündin Happy ist querschnittgelähmt. Mit diesem Rollgestell klappt trotzdem das Gassigehen mit Frauchen Annabelle.

Happy mit Handicap

Annabelle Gossweiler-Furter ist Präsidentin des Vereins für behinderte Hunde und Halterin der gelähmten Happy. Auch Hunde mit Behinderung hätten ein Recht auf ein gutes Leben, sagt sie.

Happy zappelt vor Aufregung. Die kleine Hündin stellt ihre grossen Ohren auf und wackelt mit dem hellbraunen Schwanz. Sie weiss genau: Wenn ihre Halterin Annabelle Gossweiler-Furter zur Jacke greift, ist es Zeit für einen Spaziergang. Oder für eine Runde Herumtoben im Garten in der Aargauer Gemeinde Kölliken.

Allerdings funktionieren das Laufen und das Herumtollen bei Happy etwas anders als bei den meisten Hunden. Happy ist querschnittgelähmt. Als Welpe wurde sie in Rumänien angefahren. Der Zusammenprall durchtrennte die Nerven in ihrem Wirbelkanal. Seither kann sie ihre Hinterbeine nicht mehr bewegen.

Deswegen greift Annabelle Gossweiler-Furter nicht nur zur Winterjacke, wenn sie mit Happy an die frische Luft geht, sondern auch zu einem Eisengestell, an dem zwei Räder befestigt sind. Es ist ein Rollwagen, der Happy das Gehen erleichtert. Nicht, dass die Mischlingshündin ohne dieses Gerät hilflos wäre: Als ihre Halterin die Haustür öffnet, hüpft sie auf ihren Vorderbeinen erstaunlich flink ins Freie. «Aber für weitere Strecken ist Happy auf den

Behinderungen bei Hunden

Wie beim Menschen gibts bei Hunden ganz unterschiedliche Arten von Behinderung. Das Handicap jedes Tiers sei anders, sagt Annabelle Gossweiler-Furter. «Man muss stets die jeweilige Situation anschauen, um zu helfen.»

Blindheit Häufige Erblindungsgründe bei Hunden sind der Graue und der Grüne Star. Oft könnten sich aber blinde Hunde dank ihres Geruchssinns und Gehörs gut zurechtfinden.

Taubheit Speziell weisse Hunderassen sind anfällig für Gehörprobleme. Das liegt an einem Pigmentmangel im Innenohr. Taube Hunde seien oft nicht besonders eingeschränkt, so Gossweiler-Furter. Für den Rückruf existieren Halsbänder, die auf Knopfdruck des Halters leicht vibrieren.

Gehbehinderung Unfälle wie bei Happy sind nur eine Ursache für Gehbehinderungen: Amputationen können bei Knochenkrebs nötig sein. Lähmungen entstehen bei Wachstumsstörungen oder bei degenerativen Erkrankungen.

Epilepsie Epilepsie ist bei Hunden relativ häufig. Dagegen helfen Medikamente, sie müssen aber richtig eingestellt sein. Oft verschwinden die Anfälle aber auch damit nicht vollständig.

«Um ein Wägelchen anpassen zu können, muss ich sehen, wie der Hund läuft.»

Annabelle Gossweiler-Furter

Annabelle Gossweiler-Furter befestigt bei Happy die speziell angefertigte Gehhilfe.

Rolli angewiesen», sagt Annabelle Gossweiler-Furter.

Die 40-Jährige, die mit Hunden aufgewachsen ist und die Tiere immer um sich hatte, ist Präsidentin des Vereins für behinderte Hunde, der sich als Anlaufstelle für Halterinnen und Halter versteht, deren Hunde mit Behinderungen verschiedener Art leben (siehe Kasten). Happy ist bereits Gossweiler-Furters vierter derartiger Schützling, seit sie 2016 eine Hündin mit einer Gehbehinderung von einem Tierschutzeinsatz in Rumänien heimbrachte. «Sie hiess Kathy und hatte bei einem Unfall ein Hinterbein verloren, worauf Tierquäler ihr das zweite auch noch abschnitten.»

Speziell angepasste Rollwagen Gossweiler-Furter merkte rasch, dass es Rollwagen in allen Preisklassen gibt – aber auch in unterschiedlicher Qualität. «Happy hat einen Ferrari», sagt sie und lacht. Das Modell stamme von einem Hersteller in Deutschland, sei individuell angepasst worden, koste aber auch 1200 Franken. Günstigere Modelle hätten oft wackelige Räder oder würden in Höhe und Länge nicht genau passen, was zu Fehlbelastungen führe. Weil Gossweiler-Furter mit den ersten Rollwagen nicht zufrieden war, begann sie daran zu schrauben, zu bohren und zu schweissen. «Mein Vater hatte eine Werkstatt, das handwerkliche Geschick wurde mir quasi in die Wiege gelegt», erzählt sie. Weil andere Halter ähnliche Probleme haben, gründete sie vor zwei Jahren ein kleines Rollwagenreparaturgeschäft. Für ihre Aufträge fährt sie mit der Werkzeugkiste im Gepäck meist gleich zur Kundin nach Hause. «Um ein Wägelchen anpassen zu können, muss ich sehen, wie der Hund damit läuft», sagt sie.

Wer sich um einen gelähmten Hund kümmert, braucht neben einem guten Rollwagen eine grosse Portion Aufopferungswillen. «Gelähmte Tiere haben oft Verdauungsprobleme», so Gossweiler-Furter. «Manche Halter müssen ihrem Hund deshalb mehrmals pro Tag die Blase ausdrücken.» Wie das geht, wüssten oft auch Tierärzte nicht – für solche Fälle gebe der Verein wertvolle Tipps.

Draussen wartet Happy auf ihre Gehhilfe. Geduldig lässt sie sich das am Rollwagen befestigte Brustgeschirr überziehen und die gelähmten Hinterbeine in zwei Schlaufen einhängen, damit sie diese nicht nachschleift. Dann saust sie los: In einem Affenzahn rollt sie über den Rasen, um einen Baum herum, und wieder zurück. Das holprige Terrain ist kein Hindernis für sie. Für längere Touren empfehle sich aber ein Rucksack, um den Hund darin beispielsweise eine Treppe hochzutragen, so die Expertin.

Kampf gegen Vorurteile Anstrengend, das räumt Gossweiler-Furter ein, ist der Kampf gegen Vorurteile. Die Akzeptanz für Hunde mit einem Handicap sei zwar in den vergangenen Jahren gestiegen. Aber noch immer werde sie zuweilen als Tierquälerin bezeichnet, weil sie Happy nicht von ihrem Leid erlöse. «Man hat mir schon gesagt, solche Hunde würde man besser über die Tischkante schlagen.»

An manchen Tagen könne sie mit solchen Bemerkungen besser umgehen, an anderen schlechter. «Ich bin nicht dafür, dass man ein Tier um jeden Preis am Leben erhält.» Aber wenn ein Hund mit einer Behinderung zufrieden sei, habe auch er das Recht auf ein gutes Leben. «Mit Happy kann ich zwölf Kilometer weit wandern.» Wer die Hündin im Garten hin und her rennen sieht, hat keinen Zweifel, dass sie solche Touren geniesst. MM

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