Der Handwerker, Juni 2012

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Titelgeschichte

Bauwirtschaft

im Wandel

Südtirol: Die Bauarbeiter schwitzen am Höhepunkt der Bausaison aufgrund des vielen Arbeitens wohl nicht. Vielmehr kommen sie durch das Grübeln an ihrer Zukunft ins Schwitzen. Wir hörten uns bei den Obmännern der Berufsgemeinschaften des Bauhandwerks um.

E

ines ist sicher: Von rosigen Zeiten spricht heute in der Bauwirtschaft kaum einer. Eine kurze Analyse der Daten des Wifo genügt, um Unmut bei großen und kleinen Bauunternehmen festzustellen (siehe Grafik 1: „Erwartungen der Unternehmer“). Die einen zeigen sich wütend, die anderen zurückhaltend. Dazwischen meldet sich der Landesgesetzgeber mit Mut machenden Gesetzen und Optimismus spendenden Worten. Aus dem Bausektor, mit einer Wertschöpfung von 1300 Millionen Euro, sprich 8,5 Prozent der Südtiroler Wertschöpfung, kommen wenige positive Signale. „Der große Wandel ist endgültig auch in Südtirol angekommen“, stellt Bauten-Landesrat Florian Mussner fest (siehe dazu auch Interview auf Seite 12). Damit liegt er zumindest nicht falsch. Er wagt eine Analyse der Zeit: „Die gesamte Gesellschaft sucht Grafik 1

Quelle: Wifo/Handelskammer, April 2012

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nach neuen Orientierungen, das Verlassen von bekannten Spielregeln sorgt für Verunsicherung, die Menschen werden von negativen Nachrichten beeinflusst… “

Krisensicheres KLEINGewerbe

Die Welt des Handwerks ist und bleibt in Südtirol ein Fels in der Brandung. Diese 13.000 großteils Familienbetriebe, die sich überall in den 116 Südtiroler Gemeinden gleichmäßig verteilen, punkten auch in dieser Krisenzeit. Natürlich nicht alle. Auch sie sind von der negativen Stimmung erfasst. Es scheint jedoch, als ob sie mit den in der andauernden Wachstums-phase fast in Vergessenheit geratenen Werten zu neuem Glanz kommen. Sie sind da, sie helfen und bilden Jugendliche aus, sind einzigartig und erfinderisch, sie kämpfen, und sie stehen immer wieder auf. Sie sichern gute Arbeitsplätze vor Ort. Sie sind Tradi-

tion und Zukunft. Sogar ihre Struktur, die immer noch als zu klein gebrandmarkt wird, scheint jetzt ein Bonus zu sein. Damit können sie sich flink wenden und neu orientieren. Stimmt das wirklich?

KLEIN handeln

Markus Bernard (im Bild unten) steht als Obmann der gesamten Baugruppe mit neun Berufsgemeinschaften vor. Er hat sich von der Vergangenheit längst verabschiedet und blickt mit Realismus in die Zukunft. „Südtirol kann nicht mehr Bauvolumen hergeben“, sagt er gelassen (siehe Grafik 2: „Bauvolumen“ und Grafik 3: „Baukonzessionen“). Neue Chancen für das Handwerk sieht er in der

Sanierung. Die Beschäftigtenzahl im Bausektor wird sich in Zukunft zwischen 12.000 und 13.000 einpendeln, schätzt er. Im Vergleich dazu wurden in Spitzenzeiten in Südtirol ganze 19.000 Beschäftigte gezählt. Er plädiert für ein Miteinander im gesamten Bausektor, wo 6880 Firmen mit derzeit 16.000 Beschäftigen tätig sind, wenn er die Themen im Brennpunkt anspricht wie die öffentlichen Arbeiten oder die Landesbauarbeiterkasse. „Jeder bemüht sich in seinem Zuständigkeitsbereich aufs Äußerste“, bestätigt er. „Der Bausektor soll Einheit zeigen und zu seiner Vielfalt stehen. Das macht uns einzigartig“, ist er überzeugt. Die verschlechterte Ertragslage (siehe Grafik 4: „Ertragslage“) scheint jedoch trennende Haltungen zu fördern.

Als KLEIN-Betrieb auf einem großen Markt

Der Durchschnittsbetrieb im Bauhandwerk zählt bis zu maximal zehn Mitarbeiter. „Mit einer oder zwei Baustellen ist mit dieser Betriebsgröße die Auslastung gut“, sagt der Obmann der Maurer, Arnold Fischnaller. Die Stimmung ist auf dem Privatmarkt sehr schlecht, keiner wagt große Investitionen. Nur der Kubatur-bonus wird gut genutzt, beobachtet


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