Holzbulletin 146/2023

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Holzbulletin 146/2023 Hotel und Gastronomie

Fischerstube, Zürich Gasthaus Hergiswald, Obernau Gotthard-Raststätte, Erstfeld Hôtel des Horlogers, Le Brassus Mad Mount Hotel, Nendaz

Der Gastraum in der Zürcher Fischerstube: Die Bandfenster fassen die grandiose Aussicht auf den See, und in Richtung Kuppeldecke geht der Blick ins scheinbar Unendliche.

Architektur: Architekturbüro Patrick Thurston, Bern. Foto: Amt für Städtebau, Juliet Haller

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1 Schlichter Holzbau in Ständerbauweise: Die 1937 eröffnete Jugendherberge Fällanden liegt direkt am Greifensee und ist ein bedeutendes Beispiel der klassischen Schweizer Moderne. Architektur Emil Roth (1893–1980) Foto RIBA Colletions (Fotograf Henri Muller)

2 Holz als verbindendes Element: Der Entwurf für die Erweiterung des Hotels Hermitage am Vierwaldstättersee sieht neben einer Aufstockung aus Holz eine filigrane Holzstruktur vor, die das Bestehende zu einem Ganzen fasst. Architektur und Visulisierung Herzog & de Meuron, Basel

3 Das Baumzimmer ‹Biosphere› von BIG für das Treehotel in Schweden: 350 Vogelhäuser umgeben das Hotelzimmer mitten in einem Kiefernwald. Architektur Bjarke Ingels Group BIG, Kopenhagen Fotos Mats Engfors

4 Aktuell im Bau: Das in Holz vorgefertigte Hotel ‹Hôta› liegt im ortsbildgeschützten St. Imier und steht für einen lokalen und umweltfreundlichen Tourismus. Architektur GMA architecture, Tavannes und Biel, und holaa, atelier d’architecture, Biel Visualisierung 3DM

Erholungsräume in Holz

Die Jugendherberge in Fällanden gehört zur ersten Generation dieser Art von Beherbergung in der Schweiz. Diese waren sehr einfach eingerichtet und boten geschlechtergetrennte Massenlager. Gleichzeitig ist das 1937 eröffnete Haus, direkt am Greifensee gelegen, ein bedeutendes Beispiel der klassischen Moderne in der Schweiz und gilt als eines der Hauptwerke des Architekten Emil Roth: Er schuf einen schnörkellosen Holzbau in Ständerbauweise, der auch heute noch erstaunlich zeitgemäss wirkt und von Gruppen ab zehn Personen gebucht werden kann. 1) Zwei Jahre später datiert ist die Fischerstube, die anlässlich der Landesausstellung 1939 erstellt wurde. Der aussergewöhnliche Bau auf dem Wasser mit einem Schilfdach brannte 1957 ab. Den Neubau, der die damalige Rekonstruktion ersetzt und dessen Konzept sich auf den ursprünglichen Entwurf besinnt, stellen wir in dieser Ausgabe des Holzbulletins vor. Ein interessantes Detail: Das stauenenswerte Stabgewölbe der Kuppeldecke im Gastraum der neuen Fischerstube stammt vom Architekten Urs Beat Roth, dem Sohn von Emil Roth. Was beide Objekte auszeichnet, ist, dass sie an wunderschöner Lage einen unverwechselbaren Ort schaffen für gesellige Treffen oder zur Beherbergung auf Zeit. Holz ist dabei das Material der Wahl, sowohl in konstruktiver und logistischer Hinsicht als auch, was das Kreieren von besonderen Räumen betrifft. Das belegen auch Beispiele wie der Beitrag ‹Biosphere› des dänischen Architekturbüros Bjarke Ingels Group BIG für das Treehotel in Harads, Schweden. Dieses bietet in einem Kiefernwald von unterschiedlichen Architektur­ und Designbüros gestaltete Baumzimmer, die vier bis zehn Meter über dem Boden liegen und über eine Rampe oder eine Brücke erreichbar sind. Zusammen mit dem Ornithologen Ulf Öhman haben BIG 350 Vogelhäuser geschaffen, die das ganz in dunkel gehaltene Hotelzimmer umgeben. Dies mit dem Ziel, die lokale Vogelpopulation zu erhalten. 2) Wie sich ein bestehendes Hotelensemble mit dem Material Holz weiterentwickeln lässt, zeigen Herzog & de Meuron mit ihrem Entwurf für die Erweiterung des Hotels Hermitage in Luzern. Das Projekt knüpft an die Tradition der grossen Grandhotels am Vierwaldstättersee an: Anstelle der heutigen Terrasse soll eine öffentliche Eingangshalle die beiden bestehenden Bauten verbinden. Zwei zusätzliche Geschosse in einer leichten Holzkonstruktion ergänzen künftig das Ensemble, das zusätzlich mit einer filigranen Holzstruktur überzogen werden soll. 3) Aktuell im Bau befindet sich das Hotel ‹Hôta› von GMA architecture, das auf einen lokalen und umweltfreundlichen Tourismus im Berner Jura abzielt. Einmal fertig, wird es 47 Hotelzimmer umfassen, die das ganze Spektrum

vom Vier­Sterne­Komfort bis zum Schlafsaal anbieten. Aufgrund seiner exponierten Lage im ortsbildgeschützten St­Imier setzt das Projekt konstruktiv auf Vorfertigung in Holz und interpretiert formal die Einfachheit der nahegelegenen Uhrmacherwerkstätten. Die Eröffnung ist für Herbst 2023 geplant. 4) Auch die in dieser Ausgabe vorgestellten Projekte basieren alle auf dem Rohstoff Holz, vermitteln aber ganz unterschiedliche Aspekte des Themas Hotel und Gastronomie auf dem Hintergrund des Bauens mit Holz. Während die bereits erwähnte Fischerstube und das Gasthaus Hergiswald oberhalb von Luzern mit dem Material traditionsreiche Orte stärken und dabei auch festliche Räume entstehen lassen wie den Saal mit der blauen Kassettendecke in Hergiswald, schafft die GotthardRaststätte an einem gemeinhin gewöhnlichen Durchgangsort für Reisende einen überraschend wirtlichen Ort. Dies dank der imposanten Umgebung und dem differenziert eingesetzten Baustoff Holz, der die Umgebung nach innen holt und das Innere nachts zeichenhaft nach aussen leuchten lässt.

Auch für den Entwurf des Hôtel des Horlogers in Le Brassus war die Umgebung entscheidend: Bjarke Ingels Group BIG machen die Topografie zum Thema und setzen das Hotel mäanderartig in den Hang. Die Fassade in vorvergrauter Lärche wird dabei zu Bändern in der Landschaft des Vallée de Joux. Ein gänzlich anderes Konzept verfolgt das Projekt Mad Mount Hotel im Walliser Ferienort Nendaz: Vorgefertigte Holzmodule, bereits mit allen Installationen ausgestattet, wurden legoartig zusammengefügt. So entstand in Rekordzeit ein Hotel, das sich auch ähnlich schnell wieder abbauen liesse, falls sich die Bedürfnisse ändern sollten. In den Zimmern selbst entsteht trotz des seriellen Gedankens dank des sichtbar belassenen Holzes eine wohnliche Atmosphäre für die Gäste. Wir wünschen eine gute Lektüre – und vielleicht besuchen Sie den einen oder anderen Ort, den wir in dieser Ausgabe vorstellen.

Jutta Glanzmann

Technische Kommunikation Lignum

Quellen

1) Schweizer Jugendherbergen – eine nachhaltige Architekturgeschichte, Jutta Glanzmann, Faktor Verlag, 2016

2) https://big.dk/projects/biosphere­4043

3) https://www.herzogdemeuron.com/ projects/522­hotel­hermitage­luzern/

4) https://www.gma­architecture.ch

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Fischerstube, Zürich

Traditionelle Elemente wie das Dach aus Schilf oder die Tragkonstruktion in Holz verbinden sich in der Fischerstube am Zürichhorn zu einem zukunftsfähigen Neubau, der durch eine äusserst sorgfältige Gestaltung auf sich aufmerksam macht. Nicht nur die Lage auf dem See, sondern auch das wunderschöne Stabgewölbe im Inneren schaffen einen Ort, der zum Wiederkommen einlädt.

Ursprünglich für die Landesausstellung 1939 erstellt, war die Fischerstube aufgrund ihrer herrlichen Lage direkt am Zürichsee schon immer ein Publikumsmagnet – sowohl für Einheimische als auch für Touristinnen und Touristen. Zum Ensemble von 1939 gehören die Fischerstube, ein Restaurant auf Pfählen im See und die kleinere Fischerhütte. 1940 wurden die beiden Bauten mit einem Gartenbuffet ergänzt, das mehrmals umgebaut wurde. Nach einem Brand baute man die Fischer stube 1957 in gleicher Form, aber mit anderen Materialien wieder auf. Die Fischerhütte blieb mehrheitlich originalgetreu erhalten. Aufgrund des schlechten Zustands der Fischerstube und des Gartenbuffets entschied die Stadt Zürich, diese abzubrechen und durch Neubauten zu ersetzen. Dafür schrieb sie 2009 einen zwei­

stufigen Wettbewerb mit Präqualifikation aus. Die Aufgabe für die sechs eingeladenen Architekturbüros war, einen wesensgleichen Neubau für die Fischerstube vorzuschlagen. Die Fischerhütte sollte instand gesetzt und mit einer neuen Pfählung versehen werden. Ebenso sollten die angrenzende Parkanlage mit Ententeich und Bogenbrücke sowie die Uferverbauung erneuert werden. Patrick Thurston entschied den Wettbewerb mit seinem Entwurf für sich. Ursprünglich als Pfahlbau im Landidörfli erstellt, vermittelte die Fischerstube eine idealisierte Sicht der Pfahlbauten mit einer an den Heimatstil angelehnten Architektur. Aus Sicht des Architekten waren in diesem Zusammenhang das ursprüngliche Schilfdach des Restaurants und dessen Lage auf dem Wasser für das Wesen des Baus zentral. Da Thurston sich bereits in den 1970er Jahren mit Entwürfen von Schilfdachhäusern befasst hatte, besass er das konstruktive Wissen dazu und liess es in den Entwurf einfliessen: Ein Schilfdach sollte steil sein, also mindestens 45° Neigung aufweisen, und es muss frei abtropfen können, also ohne Dachrinne auskommen. Im Idealfall ist es überdies ein Kaltdach, so dass die Konstruktion natürlich belüftet wird und austrocknen kann. Basierend

darauf entwickelte Thurston den Entwurf, der die konstruktiven Regeln des Daches sichtbar machen sollte: ein zweigeschossiges Volumen, das sich im Restaurant auch als solches zeigt. Das zweite Geschoss im hinteren, zum Ufer orientierten Bereich ist an der Dachkonstruktion aufgehängt. Ein Sprengwerk für die Dachkonstruktion macht ein stützenfreies Erdgeschoss möglich.

Im Schnitt erscheint das Volumen der Fischerstube dreischiffig: in der Mitte das Restaurant, gegen Westen der Zugang zum Restaurant und die vorgelagerte Lounge und im Osten die Aussenplätze seeaufwärts. Die Terrasse auf dem See sollte gemäss Wettbewerb neu zwischen Hauptbau und Fischerhütte zu liegen kommen. Thurston schlug vor, diese westlich zu plazieren, so dass der Blick durch die Bandfenster des Restaurants seeaufwärts und Richtung Zürich Enge ungestört ist. Die Terrasse selbst ist ein Stahlbau mit Holzrost und erscheint heute quasi als viertes Element des ganzen Ensembles. Die Möblierung des Restaurants ist Teil des Entwurfs und soll mit seiner schlichten Gestaltung unterstreichen, dass das Restaurant keinen exklusiven Kreis ansprechen, sondern mit moderaten Preisen für alle erschwinglich sein soll. Denn der Ort hat eine

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grosse Tradition für Geburtstagsessen oder Familienfeiern. Ein festliches, ja fast opulentes Element bringt das Stabgewölbe der Kuppeldecke in den Raum, die der Geometrieingenieur Urs Beat Roth entworfen und geplant hat. Die anschliessende Realisierung gelang dank CNC­Technologie und der verantwortlichen Schreinerei Bach Heiden. Die Kuppel trägt sich selbst und konnte ohne Schraube oder Leim realisiert werden, ein ‹kleines Holzbau­Wunderwerk›, wie Thurston sagt. Das helle Holz des Stabgewölbes lässt vor dem dunkel eingefärbten Hintergrund des eigentlichen Raumabschlusses ein Gefühl von Unendlichkeit entstehen. Das neue Gartenbuffet ist aus architektonischer Sicht wichtig, weil es das Ensemble als dritter Baukörper an Land ergänzt. Heute ist im mit Schindeln gedeckten Dachraum auch die gesamte Technik der Ersatzneubauten untergebracht, die dem Minergie­Eco­Standard entsprechen. Ein unterirdischer, begehbarer Gang, der einfach zugänglich ist, verbindet für die Installationen das Gartenbuffet mit dem Hauptbau. 200 Sitzplätze an Land ergänzen das Angebot im Innenraum und auf den Terrassen der Fischerstube. Die Fischerhütte erneuerte Thurston und ergänzte das Bestehende mit einem neuen Farbkonzept.

Situation

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20 m
Quer- und Längsschnitt
Erdgeschoss
Obergeschoss

Ort Bellerivestrasse 160, 8008 Zürich

Bauherrschaft Stadt Zürich, Amt für Hochbauten, Grün Stadt Zürich

Architektur und Bauleitung Architekturbüro Patrick Thurston, Architekt BSA SIA SWB, Bern

Landschaftsarchitektur Müller Wildbolz Partner GmbH, Bern

Holzbauingenieur Indermühle Bauingenieure HTL/SIA, Thun

Brandschutz Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See

Bauingenieur Betonbau Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG, Zürich

Bauingenieur Wasserbau Staubli, Kurath & Partner AG, Zürich

Elektroplanung Mosimann + Partner AG, Zürich

HLK-Ingenieur Waldhauser + Hermann AG, Münchenstein

Sanitäringenieur Grünig + Partner AG, Liebefeld

Bauphysik Grolimund + Partner AG, Bern

Stabgewölbe Gastraum Urs Beat Roth, Atelier für konkrete Kunst, Zürich

Holzbau und Schreinerarbeiten Kübler Holzbau AG, Oetwil am See (Fischerstube und Gartenbuffet); Jampen Holzbau, Hittnau (Fischerhütte); Hauri AG, Staffelbach (Fenster); Forster AG, Oberburg (Innenausbau); Bach Heiden AG, Heiden (Kuppel)

Materialien Tragstruktur Brettschichtholz Fichte (D, CH, A), Wandkonstruktion Holzelementbau (CH, A), Fassadenschalung Fichte/Weisstanne (nordisch, CH), Fenster Lärche aussen, Fichte innen (sibirisch, CH), Stabdecke Gastraum Weymouthsföhre (CH), Wände Gastraum Weymouthsföhre (CH, D)

Baukosten BKP 1–9 CHF 21,72 Mio. inkl. MWST

Baukosten BKP 2 CHF 12,30 Mio. inkl. MWST

Baukosten BKP 214 CHF 1,32 Mio. inkl. MWST

Kubikmeterpreis BKP 2 CHF 1752.–

Grundstücksfläche nach SIA 416 31 803 m2

Gebäudegrundfläche nach SIA 416 973 m2

Geschossfläche nach SIA 416 1660 m2

Gebäudevolumen nach SIA 416 7020 m3

Bauzeit Oktober 2019 bis Juni 2021

Fotos Amt für Städtebau, Juliet Haller; Baugeschichtliches Archiv, Lous Beringer (Aufnahme Fischerstube, Landesausstellung 1939)

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Aufbau Schilfdach:

Schilfeindeckung (mittlere Schilfdicke 350 mm)

Dachlattung 40/60 mm

Sparrenlage 100/180 mm

Aufbau Estrichboden:

Flachdachabdichtung (gefällslos)

Dreischichtplatte 27 mm

Hinterlüftung 100 mm

Weichfaserplatte 120 mm

Zangen/Balkenlage/

Dämmung Mineralwolle 240 mm

OSB-Platte, Stösse luftdicht verklebt 25 mm

Akustikmatte (mit Glasfasergewebe schwarz) 40 mm

Aufbau Aussenwand Gastraum Veranda:

Innenverkleidung Holz (Täferung/

Weymouthsföhre) 20 mm

Installationslattung 85 mm

OSB-Platte, Stösse luftdicht verklebt 15 mm

Ständerkonstruktion/

Dämmung Mineralwolle 180 mm

Weichfaserplatte 40 mm

Fassadenbahn

Hinterlüftung 25 mm

Vertikalschalung Fichte/Tanne (Nut + Kamm/gehobelt) 25 mm

Aufbau Boden Gastraum (Plattform):

Hartbeton, aufs Korn geschliffen 95 mm

Dampfsperre

Dämmung XPS (140 + 200 mm) 340 mm

Abdichtung

Ortbeton 145 mm

Betonelemente (verlorene Schalung) 120 mm

Aufbau Boden Veranda:

Riemenboden Eiche 40 mm

Balkenlage Eiche (mit Schutzbrett Eiche) 100/180 mm

Tragrost Stahl feuerverzinkt

Detailschnitt Fassade

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Gasthaus Hergiswald, Obernau

Das Gasthaus schafft im geschichtsträchtigen Wallfahrtsort Hergiswald eine Vielfalt neuer Räume für Feste, zum Einkehren oder als Rückzugsort. Die Umgebung mit Blick bis zur Stadt Luzern wird Teil des Inneren, das ebenso wie die Konstruktion vom Material Holz geprägt ist. Herzstück ist der blaue Saal mit seiner prächtigen Kassettendecke.

Der Wallfahrtsort Hergiswald liegt oberhalb von Kriens. Am Rand einer Waldlichtung bilden mehrere Bauten ein Ensemble. Prunkstück der Anlage ist die 1652 erbaute Kirche mit ihrer wertvollen Loretokapelle. Stand während Jahrhunderten die Wallfahrt im Zentrum von Hergiswald, sollten sich das neue Gasthaus, die Kirche, die weiterhin den Mittelpunkt bildet, und der bestehende Weg zu einem kulturellen Raum verbinden, der die spirituellen und säkularen Aspekte des Ortes aufnimmt und zeitgemäss interpretiert. Das Gasthaus spielt dafür eine zentrale Rolle. Dieses soll laut Architekten gewöhnlich sein und zugleich spezifisch. Das verwendete Material und die Art der Konstruktion stützen diese Intention. Der Holzbau aus heimischer Douglasie steht auf dem alten Mauerwerk, wobei rhythmisch angeordnete Holzstützen das Gewicht auf zusätzliche Fundamente abtragen. Die Konstruktion aus Stützen und geschlossenen Wandflächen wird durch die unterschiedlichen und komplexen Nutzungen bestimmt.

Die Vielfalt der Nutzungen des Gasthauses zeigt sich in der komplexen räumlichen Disposition im Inneren. Der Zugang erfolgt von der Westseite des Hauses. Über einen Vorraum betreten die Gäste die Mitte des Hauses. Von dort geht es in die Gaststube oder über eine fast schon sakral anmutende Treppe in Holz zum Saal, der ein Stockwerk höher liegt. Im

Restaurant gibt es ausschliesslich Fensterplätze. Von dort hat man eine freie Sicht zur Kirche und in die nähere Umgebung, der Blick schweift aber auch in die Weite. Der Saal im ersten Obergeschoss ist von drei Seiten gleichmässig belichtet und bietet Raum für verschiedene Anlässe. Die Höhen der Fensterbrüstungen und ­stürze fassen den Raum physisch, wobei die grossen Verglasungen zwischen den Stützenreihen die öffentliche Bedeutung betonen. Ein Hängewerk macht den Saalraum stützenfrei. Eine Art Brücke reicht bis zum Dachgeschoss und leitet die Lasten der aufgehängten Decke des Saales über die grossen Holzpfeiler in die Fundamente. Die blaue Decke aus Seidendamast unterstreicht den festlichen Charakter des Saals. Der Obwaldner Künstler Christian Kathriner plante und baute die Decke, in deren Kassettenfeldern 76 verschiedene Gebärden von Händepaaren zu sehen sind. Eine gedeckte Veranda im Anbau ergänzt das Angebot für Feierlichkeiten.

Vom Vorraum des Saales führt eine vom öffentlichen Raum getrennte Treppe zu den Zimmern in den darüberliegenden Geschossen. Hier wirkt die Wand des Strickbaus geschlossener und intimer. Vier Gästezimmer sind symmetrisch angeordnet und haben je eine Nasszelle und einen Aussenraum. Ein zweiräumiges Gästezimmer befindet sich zentral im Dachgeschoss. An höchster Lage des Hauses ist die Wirtswohnung. Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich die Küche, Anlieferung und Kühlräume, und im Untergeschoss liegen weitere Betriebs­ und Lagerräume. Verschiedene Aussenräume umgeben das Gasthaus: eine Tagesterrasse im Eingangsbereich für die Besucher und Besucherinnen des Restaurants sowie eine Zwischenterrasse für organisierte Anlässe. Eine bepflanzte Gartenfläche schafft

den Übergang vom Weg zur Kirche und zum Gasthaus und erinnert an die ehemalige Kurhausatmosphäre. Einen besonderen Raum bildet die Pilgerstube im Sockelgeschoss des Gasthauses. Auch hier lassen sich besondere Anlässe feiern. Die Wände und die Decken sind mit einem grobkörnigen Lehm auf Schilfrohrplatten verputzt. Eine Sitzbank zum Fenster, ein Tisch im Zentrum und eine leere Fläche sind die Elemente des Raums.

Bestimmend für die Wahl des Materials und der Konstruktion war die Vorstellung unterschiedlicher Aufenthaltsatmosphären in den Räumen. Douglasie, Fichte und Weisstanne wechseln sich dabei ab. Die Decken sind als Holz­Beton­Verbundsystem konstruiert. Brettstapelelemente und Überbeton sind über Kerben und Holzverbundschrauben verzahnt. Diese Konstruktion ermöglicht grosse Spannweiten und leistet durch ihr Gewicht einen wesentlichen Beitrag zur Schalldämmung. Im Saal sind die verleimten Träger aus Fichte mit einem farbigen Ölanstrich versehen und schaffen zusammen mit der seidenen Decke eine festliche Stimmung. Die strukturelle Anwendung der Douglasie im Restaurant zeigt ihre konstruktiven Eigenschaften und die von dieser Holzart ausgehende Wirkung. Die feine Oberfläche der Weisstanne in den Gästezimmern soll ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit vermitteln. Zum einen zeigt sich so die fast unbegrenzte Anwendung des Materials, zum anderen stärkt das Holz den kulturell bedeutenden Ort.

3714 Situation

Erdgeschoss

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1. Obergeschoss 2. Obergeschoss Dachgeschoss Quer- und Längsschnitt

Aufbau Dach:

Kupfereindeckung

Holzschalung, beim Vordach Douglasie, sonst Fichte/Tanne 30 mm

Sparrenlage Douglasie (120 x 140 mm, Abstand 600 mm) 120 mm

Unterdachbahn

Holzfaserplatte druckfest, 40 mm

Zellulosedämmung/Konstruktion (Balken 120 x 240 mm, Abstand 600 mm) 240 mm

Dampfbremse

OSB-Platte 30 mm

Installationslattung mit Wohnungsdecke abgehängt 40 mm

Holzverkleidung Weisstanne gestrichen/ lasiert 30 mm

Aufbau Decke über Saal:

Riemenboden Douglasie 27 mm

Kreuzlattung/Installation 70 mm

Trittschalldämmplatte 20 mm

Holz-Beton-Verbundkonstruktion:

Beton 100 mm

Brettstapel 160 mm

Mineralwolle 100 mm

Installationsraum 300 mm

Gipsdecke abgehängt

(schallabsorbierend) 30 mm

Mineralwolle 50 mm

Seidendamast auf Holz gespannt 30 mm

Aufbau Boden Saal:

Parkett Nussbaum 15 mm

OSB-Platte 22 mm

Kreuzlattung/Installation 83 mm

Trittschalldämmplatte 20 mm

Holz-Beton-Verbundkonstruktion:

Beton 140 mm

Dreischichtplatte 30 mm

Holzträger 200 mm

dazwischen Wolle (schallabsorbierend) 40 mm

Stoff auf Holzrost gespannt 20 mm

Aufbau Wand Saal/Restaurant:

Holzschalung Douglasie/Simse mit Kupferabdeckungen 30 mm

Hinterlüftungslattung 60 mm/170 mm

Windpapier

Dreischichtplatte 30 mm

Mineralwolle/Lattung 260 mm

Dampfbremse

Dreischichtplatte 30 mm

Installationslattung/Radiator 150 mm

Innenverkleidung Douglasie/ Nussbaum 30 mm

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Detailschnitt

Ort Hergiswald, 6012 Obernau

Bauherrschaft Albert­Koechlin­Stiftung, 6003 Luzern Architektur Gion A. Caminada, Vrin; Projektleitung Jan Berni Landschaftsarchitektur Freiraum Architektur GmbH, Luzern

Bauleitung Schärli Architekten, Luzern

Bauingenieur Conzett Bronzini Partner AG, Chur Planung HLKS Zurfluh Lottenbach GmbH, Luzern

Elektroplanung Gernet Elektroplanung GmbH, Schwarzenberg Holzbau Tschopp Holzbau, Hochdorf

Schreinerarbeiten Vogel Design, Ruswil

Saaldecke Christian Kathriner und Susanne Hissen, Luzern

Materialien Douglasie (Rundholz) 400 m3 (Herkunft: Wälder von Meggen, Reinach, Wolhusen, Zofingen)

Baukosten keine Angaben

Gebäudegrundfläche nach SIA 416 316 m2

Geschossfläche nach SIA 416 1361 m2

Gebäudevolumen nach SIA 416 4470 m3

Bauzeit September 2017 bis März 2019

Fotos Kuster Frey, Zürich

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Gotthard-Raststätte, Erstfeld

Vier präzise gesetzte Volumen verbinden sich zu einem Ganzen und schaffen spannende Raumfolgen. Diese werden für die Gäste zusammen mit der imposanten Topografie des Reusstals zu einem unerwarteten Erlebnis. Das Holz bildet dafür den Rahmen: Es ermöglicht die Durchlässigkeit zwischen aussen und innen und erinnert gleichzeitig an die Zweckbauten in der Umgebung.

Der Entwurf für die neue Gotthard­Raststätte in Erstfeld hat den Ort zu einer übersichtlichen und grosszügigen Oase gemacht, die den Gästen erlaubt, nach der Fahrt auf der Autobahn zu entschleunigen und sich zu entspannen. Das Ziel war, einen Raum zu schaffen, wo man sich sofort wohlfühlt. Die Raststätte zeichnet sich durch ihre einzigartige Lage aus: Sie liegt in der beeindruckenden Alpenlandschaft im Reusstal mit direktem Zugang zum Naturraum des Flusses. In Anlehnung an die lokalen historischen Bautypologien schaffen die Architekten mit vier verschiedenen Gebäudevolumen für die unterschiedlichen Nutzungen ein Ensemble. Die unterschiedlichen Dachformen des Neubaus orientieren sich an den

freistehenden Zweckbauten aus Holz im Urner Talboden. Dabei wurden die Gebäudekörper so gesetzt, dass sie sich durch ihre Lage auf die Topografie von Bergpanorama und Flussraum beziehen.

Das Aussenraumkonzept übernimmt die prägenden Landschaftselemente der nahen Tschingelfluh und der Reuss mit ihrer Auenlandschaft. Diese natürlichen Elemente grenzen sich klar von der grossen Fahr­ und Parkfläche der Raststätte und zur Autobahn ab. Die einzelnen Trakte Shop, Empfang, Selbstbedienung und Restaurant sind bereits von aussen gut ablesbar. Die Reisenden werden über eine weiträumige und einladende Eingangshalle mit beeindruckendem Ausblick auf die Tschingelfluh und von Wilhelm Tell und Sohn Walter in Form einer Holzskulptur persönlich willkommen geheissen. Durch das grossflächige Glasdach entsteht das Gefühl, mitten in der Natur zu stehen. Von diesem Punkt offenbart sich das Gebäude den Besucherinnen und Besuchern von alleine. Mit einem Blick können die verschiedenen Bereiche abgelesen werden: der Shop, direkt angrenzend zum Eingang, der Aufgang zur Toilettenanlage und der Verbin­

dungsgang zum Freeflow mit Restaurant und Terrasse. Im Verbindungsgang erhalten die Besuchenden rasch den Überblick über das gastronomische Angebot von Cafeteria und Freeflow. Die Einrichtung im eingeschossigen Bereich wirkt durch die dunklen Materialien dezent und bildet den Hintergrund für das reichhaltige und farbige Angebot der Speisen. Von dort geht es je nach Wetter und Jahreszeit weiter in das Restaurant mit gedeckter Loggia oder auf die Terrasse, welche einen durch ihre geschützte Lage an der Reuss und die eindrückliche Bergwelt vergessen lässt, dass man sich auf einer Raststätte befindet. Aussergewöhnlich und überraschend ist der Toilettenbereich im Obergeschoss, mit Blick auf die Tschingelfluh für die Damen und ins Schächental für die Herren. Die Toiletten und die Duschen sind in kleinen Holzkabinen untergebracht. Die leichte Holzkonstruktion ruht auf einem mineralischen Sockel. Die durchlässige Holzlamellenfassade ermöglicht einen fliessenden Übergang zwischen innen und aussen. Die Umgebung bleibt in allen Räumen sicht­ und spürbar. Umgekehrt strahlt das Innenleben

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nach aussen, und der Baukörper leuchtet nachts einladend. Als Materialien wurden vorwiegend Schweizer Weisstannenholz aus dem Napfgebiet und Beton mit lokalem Reusskies verwendet. Dem durchgehenden, geschliffenen Terrazzoboden ist ebenfalls Kies aus der Region beigemischt, so dass sich die Farbtöne der umgebenden Felsen im Gebäude fortsetzen. Der mineralische Sockel des Gebäudes zeigt sich auch im Inneren als ruhiger Gegenpol zur leichten, raumbildenden Holzkonstruktion. Das Weisstannenholz der Gebäudehülle ist auch innen präsent. Das Holz ist je nach Anwendung im Aussen­ oder im Innenbereich unterschiedlich geschnitten und behandelt.

Situation

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3722 Axonometrie
3723 20 m Erdgeschoss Obergeschoss

Detailschnitt Dachlamelle/Verglasung

Aufbau Dach:

Dachlatten, Accoya 36 x 80 mm

Kreuzrost, Alu-Profile 2 x 40 mm

(unterer Rost mit Dachbahn eingefasst)

Dachabdichtung, bituminös, zwei-lagig

Holzspanplatte, zementgebunden 20 mm

Hinterlüftungslattung 60/50 mm

Unterdachspannbahn

Weichfaserplatte 60 mm

Rippen C24 60x180 mm

Wärmedämmung 180 mm

OSB (luftdicht abgeklebt) 25 mm

Aufbau Wand (opak und transparent):

Holzbinder a = 2 m, d = 180 mm

Holzfenster (Rahmen min. 76 mm) 80 mm

oder Holzschalung vertikal,

Weisstanne 20 mm

Lattung 30 mm

OSB-Platte 15 mm

Rippen C24, a = 625 mm 80/200 mm

Wärmedämmung 200 mm

Weichfaserplatte 30 mm

Fassadenbahn

Hinterlüftung, a = 625 mm 2 x 30/60 mm

Holzschalung vertikal, Weisstanne 20 mm

Zwischenraum ca. 100 mm

Ort Autobahn­Raststätte Fahrtrichtung Süd, Dimmerschachen, 6467 Schattdorf

Bauherrschaft Gotthard Raststätte A2 Uri AG, 6467 Schattdorf

Bauherrenvertretung Nüesch Development AG, Zürich

Architektur alp Architektur Lischer Partner AG, Luzern

Landschaftsarchitektur Müller Illien Landschaftsarchitekten, Zürich

Bauleitung und Kostenplanung bhp Baumanagement AG, Emmenbrücke

Bauingenieur Schubiger AG Bauingenieure, Luzern

Holzbauingenieur und Brandschutz Pirmin Jung Schweiz AG, Sursee Elektroingenieur Elektroplanung R. Mettler AG, Altdorf

Haustechnik HLKKS Zurfluh Lottenbach GmbH, Luzern

Bauphysik Akustik Kopitsis Bauphysik AG, Wohlen

Lichtplanung Lichtbau GmbH, Bern

Holzbau und Schreinerarbeiten Burch Holzbautechnik AG, Sarnen; Otto Schuler Holzbau AG, Schattdorf; Neue Holzbau AG, Lungern

Materialien Brettschichtholz Fichte 171 m3 (CH); Brettschichtholz Lärche 5 m3 (D/A); Rahmenbaukanteln Fichte 70 m3 (CH); Täfer Weisstanne (innen)

1180 m2 (CH); Lamellen Weisstanne (innen) 1480 m (CH); Aussenschalung

Weisstanne 435 m2 (CH); Fassadenlamellen (aussen) Weisstanne 4900 m (CH); Lamellen Accoya (Aussenverkleidung) 10 650 m (NZ); Terrassenboden Accoya 275 m2 (N); Holzwerkstoffe (D, A)

Baukosten BKP 1–9 CHF 15,04 Mio. exkl. MWST

Baukosten BKP 214 CHF 2,20 Mio. exkl. MWST

Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 693.– exkl. MWST

Grundstücksfläche nach SIA 416 20 646 m2

Gebäudegrundfläche nach SIA 416 1195 m2

Geschossfläche nach SIA 416 2391 m2

Gebäudevolumen nach SIA 416 11 870 m3

Bauzeit Juni 2017 bis Mai 2018

Fotos Roger Frei, Zürich

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Hôtel des Horlogers, Le Brassus

Das neue Hôtel des Horlogers hat zwei Gesichter: Während die zweigeschossige Eingangsfassade ganz in Holz gehalten ist, zieht sich die komplett verglaste gegenüberliegende Seite in einem langen, versetzten Band, in dem die Zimmer untergebracht sind, im Zickzack den Hang hinab. Von dort eröffnet sich der prächtige Blick auf die Ebene und den dahinter liegenden Risoud-Wald.

Das neueste Gebäude des seit 1875 bestehenden Traditionsunternehmens Audemars Piguet mit Sitz in Le Brassus im Vallée de Joux lehnt sich formal an das benachbarte Musée Atelier an – ein Volumen, das sich schneckenförmig gewunden in die Topografie einpasst. Der Vorgänger des Hôtel des Horlogers, das Hôtel de France, beherbergte von 1857 bis 2000 Gäste aus aller Welt. Der Uhrenhersteller hatte es 2003 erworben und zwischen 2005 und 2016 betrieben, doch es entsprach nicht mehr den Ansprüchen der Marke an Umweltverträglichkeit und Komfort. Das neue Hotel wurde von der New Yorker Niederlassung des dänischen Architekturbüros BIG (Bjarke Ingels Group) entworfen und von CCHE realisiert, die bereits gemeinsam für das Musée Atelier verantwortlich gezeichnet hatten. Der Wunsch, den ökologischen Fussabdruck des Bauwerks so gering wie möglich zu halten, veranlasste die Planer zur Orientierung am Minergie­EcoStandard, der sowohl für die Errichtung als auch für die Nutzung des Gebäudes während seiner gesamten Lebensdauer gilt. Neben Naturmaterialien wie Stein und Holz aus der Region verwendete man auch ein Maximum an recycelten Baustoffen.

Von der Strasse aus erfolgt der Zugang über die mit heimischen Baumarten bepflanzte Esplanade. Auf dieser Seite geht die Holzfassade auf der Höhe der Fenster in ein Geflecht aus horizontalen Streben über; der Eingang ist durch ein breites Vordach geschützt. Auf der anderen Seite haben die Architekten geschickt den Hang genutzt, um die Zimmer treppenförmig entlang der schrägen Fassade anzuordnen. Auf ihrer bepflanzten Bedachung verläuft eine für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugängliche Rampe im Zickzack nach unten, wodurch sich nicht nur die Tiefe, sondern auch die Höhe der Zimmer optimal

ausnutzen lässt. Parallel zur Aussenrampe erschliesst ein sanft geneigter Flur im Inneren des Gebäudes die verschiedenen Räumlichkeiten.

Da nichts exakt neben­ oder übereinander liegt, war eine 3D­Modellierung des Gebäudes erforderlich, damit die Bauunternehmen die spezielle geometrische Form nachvollziehen konnten. Dies sowohl in der Planung als auch in der Realisierung, denn die zahlreichen Abstufungen zogen ebenso viele Betonierungsphasen nach sich. Auch beim Innenausbau bedurfte es für die komplexe Gestalt einer perfekten Koordination. Ein grosser Teil des Tragwerks ist massiv, genau wie die Innenwände aus Sichtbeton. Die Holz­Beton­Geschossdecken der Zimmer, deren Unterseite aus Fichte sichtbar ist, verleihen ihnen eine warme, behagliche Atmosphäre. Die Innenverkleidung der Sauna besteht aus Hemlocktanne, die einzige Ausnahme hinsichtlich regionaler Herkunft der Hölzer, während bei der Gebäudehülle die Wahl auf vorvergraute Lärche fiel. Das gehobene Vier­Sterne­Hotel verfügt über 50 Zimmer verschiedener Ausstattungs­ und Komfortkategorien, darunter zwölf Suiten, sowie zwei Restaurants, eine Bar, zwei Konferenzräume und einen Wellnessbereich mit Spa und Fitnessraum. Die Innenrampe verbindet diese Räume, die ebenso wie die Zimmer den Blick auf das grandiose Panorama des Vallée de Joux freigeben. Die von AUM konzipierte Innenarchitektur setzt klare Akzente für den Luxustourismus in der Region. Bei Möbeln und Einrichtung orientiert sie sich an den Prinzipien der Uhrmacherei: Präzision, Raffinesse und Liebe zum Detail. Es sollte eine Atmosphäre entstehen, die zu Ruhe und Gelassenheit einlädt. Das Hotel steht nicht nur den Gästen des Unternehmens offen, sondern ist ein weiterer Schritt zur touristischen Erschliessung der Region. Eine Solaranlage deckt einen Teil des Energiebedarfs ab, während Heizung und Warmwasser an das Fernwärmenetz Brassus Bois angeschlossen sind. Einen Beitrag zur Verbesserung der CO2­Bilanz leistet auch eine Anlage zur Aufbereitung des Wassers in Le Brassus, durch die der Transport von Millionen von Flaschen vermieden wird. Ausserdem verfügt das Hotel über eine Garage mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge.

Situation

3727

Ort Route de France 8, Le Brassus

Bauherrschaft Manufacture d’horlogerie Audemars Piguet SA, Le Brassus

Architektur BIG (Bjarke Ingels Group), Büro New ­York (Projekt), CCHE Lausanne SA, Lausanne (Realisierung)

Innenarchitektur AUM, Tassin­la­Demi­Lune (F)

Bauingenieur Ingphi SA, Lausanne

Ingenieur Fassade BCS SA, Neuenburg

Elektroingenieur MAB­Ingénierie SA, Morges

Umweltingenieur Alterego Concept SA, Petit­Lancy

Ingenieur Brandschutz Ignis Salutem SA, St­Légier

Ingenieur Klima Chuard Ingénieurs Vaud SA, Lausanne

Ingenieur Lüftung, Sanitär Duchein SA, Villars­sur­Glâne

Holzbau und Schreinerarbeiten JPF ­Ducret SA, Bulle (Tragkonstruktion); Etienne Berney SA, Le Brassus (Fassade); Gindraux Fenêtres SA, St­ Aubin­Sauges (Fenster); Wider SA Montreux, Clarens (Schreinerarbeiten öffentliche Bereiche)

Materialien Weisstanne, vorvergraut (Fassade) 983 m2; Fichte, massiv, verleimt (Decken Zimmer) 1048 m2

Baukosten keine Angabe

Grundstücksfläche nach SIA 416 14 578 m2

Gebäudegrundfläche nach SIA 416 2400 m2

Geschossfläche nach SIA 416 8715 m2

Gebäudevolumen nach SIA 416 28 111 m3

Bauzeit Juni 2018 bis April 2022

Fotos Audemars Piguet SA

Grundrisse (von oben: Geschoss 1 bis 5)

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3729 20 m Querschnitt

Aufbau Dach:

Substrat 170 mm

Vlies 3 mm

Drainage 75 mm

Abdichtung 10 mm

Dämmung 120 mm

Dampfsperre 10 mm

Decke, Holz-Beton-Verbund

Beton 15 mm

Holz 18 mm

Aufbau Fassade:

Holzlamellen 22 mm

Lattung 27 mm

Konterlattung 40 mm

Wetterschutz

Dämmung Glaswolle 220 mm

Abdichtung 20 mm

Wand Beton 240 mm

Aufbau Boden:

Parkett 20 mm

Zementestrich 80 mm

Folie, Polyethylen

Dämmung 50 mm

Bodenplatte Beton 300 mm

Dämmung Glaswolle 300 mm

Wetterschutz

Konterlattung

Lattung 27 mm

Holzlamellen 22 mm

Detailschnitt

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Mad Mount Hotel, Nendaz

Im Walliser Ferienort Nendaz steht seit kurzem ein Hotel, das in Bau und Betrieb einen nachhaltigen Ansatz verfolgt und in Rekordzeit errichtet wurde. Basis dafür sind vorgefertigte, technisch bereits voll ausgestattete Holzmodule, die auf der Baustelle ähnlich wie Legosteine nur noch zusammengefügt werden mussten.

Im Herzen des Ferienorts und in unmittelbarer Nähe der Seilbahnen, die in das Ski­ und Wandergebiet 4 Vallées hinaufführen, steht das nagelneue Mad Mount Hotel. Das Ziel der Hotelkette war, ein Gebäude zu realisieren, das über den ganzen Lebenszyklus Nachhaltigkeitsziele erfüllt: Vom Bau bis zu den Produkten für die Hotelgäste wird den Materialien und ihrer Herkunft aus der Umgebung eine zentrale Bedeutung beigemessen. In diesem Rahmen konnte ein örtliches Holzbauunternehmen innovative Zimmermodule bereitstellen, deren Holz aus Schweizer Wäldern stammt. Sie wurden komplett vorgefertigt, was die Bauzeit erheblich verkürzte. Das Konzept beruht auf Elementen, die vor der Endmontage bereits mit allen Sanitär­ und Elektroinstallationen ausgestattet sind, sich dann legosteinartig aufeinanderstapeln lassen und zur Fertigstellung des Gebäudes nur noch miteinander verbunden werden müssen. Während die Module im Fall des Mad Mount Hotel jeweils ein Zimmer bilden, lassen sie sich bei Bedarf auch formal und in Bezug auf die Inneneinrichtung an individuelle Wünsche anpassen. So können beispielsweise zwei Zimmer zu einem

kleinen Apartment zusammengelegt werden. Einzige Bedingung ist dabei, dass die Gebäudetechnik und die entsprechenden Anschlüsse separat installiert werden, zum Beispiel durch Hinzufügen eines Strom­ oder Sanitärelements.

Das für die Fertigung der Module verantwortliche Unternehmen wurde 2018 von einigen Holzbauunternehmern mit Erfahrungen in den Bereichen Ingenieurwesen, Architektur, Zimmereihandwerk und Baugewerbe gegründet. Es fungiert als Drehscheibe und nutzt für das Tragwerk, die Fassade und die Inneneinrichtung die Kompetenzen und Infrastrukturen der vorhandenen Unternehmen des Kantons, in dem sich die jeweilige Baustelle befindet. Dies ermöglicht einen Rentabilitäts­ und Zeitgewinn sowie eine konstante Ausführungsqualität. 2019 wurde diese Idee mit dem Gründerpreis der Walliser Kantonalbank ausgezeichnet.

Diese Alternative zu reinen Betonkonstruktionen eignet sich hervorragend für die Errichtung von Gemeinschafts­ oder Gewerbebauten sowie alle anderen Arten der Serienfertigung und wurde bereits bei einem anderen Hotel in Hérémence im Nachbartal erprobt. Beim Mad Mount Hotel bildet ein Betonsockel das Fundament für die ersten Holzelemente, die durchschnittlich 13 Tonnen wiegen. Vertikale Fluchtwege und der Liftschacht liegen in einem Sichtbetonkern. Während dieser errichtet wurde, waren die Zimmer bereits in der Fertigung. Die aussen 3,70 m x 6,40 m (innen 3,30 m x 6,00 m) messenden, selbsttragenden

Module sind aus Brettsperrholz. Ihre Dimensionen berücksichtigen die Erdbebenzone, die Anzahl der Stockwerke, die Höhe und die Schalldämmung. Die gemäss Brandschutzvorschriften notwendigen Brandriegel sind an der Fassade in Form schwarzer Metallschienen sichtbar. Diese betonen zusätzlich den modularen Charakter des Gebäudes. Das Holz des Tragwerks hat das Label Schweizer Holz erhalten. Alle Flächen der Module sind mit Mineralwolle schall­ und wärmegedämmt. Die Elemente sind seitlich mit genagelten Platten verbunden und untereinander mit verklebten Gewindestangen fixiert.

In den fünf Obergeschossen des Hotels befinden sich 28 bezugsfertig ausgelieferte Zimmer, komplett ausgestattet mit Tür, Flur mit Schrank und Ablagen, Bad mit Dusche, Schlafraum mit Betten und Kofferständer, Einbaumöbeln und Fenstern. 24 Module sind identisch, während die übrigen vier unter dem Dach über mehr Raum verfügen; zwei davon sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität und zwei als Schlafräume mit jeweils acht Betten konzipiert. Das Hotel empfängt Bergsportbegeisterte ganzjährig vollständig digital. Registrierung und Check­in erfolgen online per Link. Ein QR­Code dient als Schlüssel für das gesamte Serviceangebot: Parkhaus, Zimmer, Bar mit Terrasse, Swimmingpool, Luxus­Spa, aber auch einen Abstellraum für Velos und Skier sowie Ladestationen für E­Bikes. Auch in den Innenräumen ist alles in Holz gehalten, was für ein angenehmes Raumklima sorgt.

Ort Chemin de Prameiraz 30, 1997 Haute­Nendaz

Bauherrschaft Mad Hotels Group SA, Haute­Nendaz

Architektur mjd architectes sa, Haute­Nendaz

Bauingenieur AMV SA, Sion

Holzbauingenieur AMV SA, Sion, in Zusammenarbeit mit JM Etude bois Sàrl, Liddes

Brandschutz EcoFire SA, Venthône

Ingenieur HLKS Betica SA, Sion

Holzbau Modubois SA, Ardon

Materialien Brettschichtholz und Brettsperrholz aus Schweizer Fichte 389 m3 (Tragkonstruktion), europäische Lärche 350 m2 (Fassade), europäische Tanne/Fichte 43 m3 (Möbel, Fenster, Türen)

Label Schweizer Holz Tragkonstruktion

Baukosten BKP 1–9 CHF 9,5 Mio. inkl. MWST

Baukosten BKP 2 CHF 7,5 Mio. inkl. MWST

Baukosten BKP 214 CHF 2,5 Mio. inkl. MWST

Kubikmeterpreis BKP 2 CHF 1100.– inkl. MWST

Grundstücksfläche nach SIA 416 930 m2

Nutzfläche nach SIA 416 1608 m2

Geschossfläche nach SIA 416 2095 m2

Gebäudevolumen nach SIA 416 6700 m3

Bauzeit Juli 2021 bis Dezember 2022

Fotograf François Panchard

Situation

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3733

Aufbau Dach:

Metallverkleidung mit Doppelklammern Dachlattung

Konterlattung

Unterdach

Dämmung (EPS)

Dampfsperre

Brettsperrholz

Aufbau Decke 4. Etage:

Linoleum, Auflage

OSB-Platte

Trockenestrich mit Fussbodenheizung

Schalldämmung

Wärmedämmung

Gipskartonplatte

Brettsperrholz

Gipskartonplatte

Mineralwolle

Gipskartonplatte

Mineralwolle

Brettsperrholz

Aufbau Wand:

Brettsperrholz

Mineralwolle

Windabdichtung

Lattung vertikal

Lattung horizontal Holzverkleidung

3734 Detailschnitt
3735 20 m
1. bis 4. Obergeschoss
Querschnitt
Erdgeschoss Dachgeschoss

Fachliteratur HOLZ

Holzmustersammlung Lignum

Art.­Nr. 55002, 20 Holzmuster 12 x 7 cm in Holzbehälter mit Informationsbroschüre

Ahorn (Acer pseudoplatanus), Europa; Arve (Pinus cembra) Europa; Birke (Betula pendula), Europa; Birnbaum (Pyrus communis) gedämpft, Europa; Buche (Fagus sylvatica) gedämpft, Europa; Douglasie (Pseudotsuga menziesii), Europa; Edelkastanie (Castanea sativa), Europa; Eiche (Quercus robur), Europa; Esche (Fraxinus excelsior), Europa; Fichte (Picea abies), Europa; Föhre (Pinus sylvestris), Europa; Hagebuche (Carpinus betulus), Europa; Hemlock (Tsuga heterophylla), Nordamerika; Kirschbaum (Prunus avium), Europa; Lärche (Larix decidua), Europa; Linde (Tilia platyphyllos), Europa; Nussbaum (Juglans regia), Europa; Pappel (Populus canescens), Europa; Tanne (Abies alba), Europa; Ulme (Ulmus glabra) gedämpft, Europa

Qualitätskriterien für Holz und Holzwerkstoffe im Bau und Ausbau – Handelsgebräuche für die Schweiz, Ausgabe 2021 Art.­Nr.15022, Format A4+, 140 Seiten, farbig mit zahlreichen Fotos und Zeichnungen, Vierfachlochung

Gesamtausgabe Lignum-Dokumentation

Brandschutz 2015 (10 Teile)

Art.­Nr. 17030, 2021, A4, teils farbig, teils s/w; 2 schwarze Ordner mit Rückenschild, 1 Karton­Sachregister

Holzbautabellen HBT 1 | 2021

Handbuch für die Bemessung

Art.­Nr. 14070, Ausgabe 2021, 1. Auflage, nach revidierter Norm SIA 265 (2021) Holzbau, A4, s/w, 136 Seiten, Hardcover

Holzbau mit System

Art.­Nr. 14067, Josef Kolb; Birkhäuser Verlag in Zusammenarbeit mit Lignum 3., aktualisierte Auflage 2010/2020, 320 Seiten, Softcover

Lignum

Holzwirtschaft Schweiz

Economie suisse du bois

Economia svizzera del legno

Mühlebachstrasse 8

CH­8008 Zürich

Tel. 044 267 47 77 info@lignum.ch www.lignum.ch

Holzbulletin, März 2023

Herausgeber

Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich

Die Herausgabe des Lignum­Holzbulletins wird vom Bundesamt für Umwelt im Rahmen des Aktionsplans Holz 2021 – 2023 unterstützt.

Redaktion

Jutta Glanzmann, Lignum, sowie Ariane Joyet, Lignum­Cedotec

Gestaltung

BN Graphics, Zürich

Druck

Kalt Medien AG, Zug

Administration, Abonnemente, Versand Lignum, Zürich

ISSN 1420 ­ 0260

Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Jahresabonnement CHF 48.–Einzelexemplar CHF 20.–Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 140.–Sammelordner leer CHF 10.–Preisänderungen vorbehalten.

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Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern.

Lignum-Hotline: 044 267 47 83 Benutzen Sie unsere Fachberatung am Telefon von 8–12 Uhr, die täglich von Montag bis Donnerstag gratis zur Verfügung steht.

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