Wohnen am Kelchweg, Zürich Wohnsiedlung ‹Kuppe›, Trift Horgen Wohnsiedlung Wolkengespräch, Zürich Wohnhaus Stampfenbachstrasse, Zürich Werk- und Wohnhaus Werk 11, Biel Wohnhaus, Soulce
Wolken als formale Assoziation: Holz bietet konstruktiv und gestalterisch den Rahmen für die Formensprache und farbenfrohe Materialisierung der beiden polygonalen Wohnhäuser am Stadtrand von Zürich.
Architektur: Ana Otero Architektur, Zürich. Foto: Andreas Buschmann, Zürich
1 Neues Leben in einem Basler Hinterhof: Das Projekt an der Colmarstrasse bietet vielfältige und ganz unterschiedliche Räume zum Wohnen und Arbeiten. Architektur Rahbaran Hürzeler Architects, Basel Bauherrschaft Privat Foto Weisswert
2 Im Sommer wird der Hof zum Wohnraum: Zwei schmale, gedämmte Haushälften teilen sich diesen. Die Ateliers im Erdgeschoss lassen sich bei Bedarf zu Kleinwohnungen umnutzen. Architektur Bearth-Deplazes-Ladner/Mitarbeit Jonas Crameri Bauherrschaft Gertrud Lind-Ronner, Steckborn Foto Ralph Feiner
3 Nutzungsneutral und rückbaubar: Ein nicht unterkellerter Neubau von 100 Quadratmeter Fläche ergänzt die bestehende Scheune als Wohnbau. Architektur Lionel Ballmer Architectes, Haute-Nendaz Bauherrschaft Privat Foto Rory Gardiner
4 ‹Glück Homes›: Das Konzept soll das Bauen standardisieren trotz individueller Wohnraumlösungen; für eine Grundeinheit sind 30 bis 35 m2 pro Person vorgesehen. Ein erster Prototyp ist in Zürich-Seebach geplant. Idee und Konzept Glück Blueprint AG, Zürich Architektur Philipp Wieting – Werknetz Architektur AG, Zürich Visualisierungen zvg
Holz schafft Innovation im Wohnungsbau
Die Wohnmobilität in der Schweiz folgt über den Lebensverlauf hinweg seit jeher klaren Mustern. Das zeigt die Studie ‹Wohnmobilität neu denken – zwischen individueller Entscheidung und strukturellen Rahmenbedingungen› der ZHAW School of Management and Law. 1 Während junge Erwachsene motiviert durch Berufsstart, Familiengründung oder den Wunsch nach mehr Wohnraum häufig umziehen, nimmt die Umzugsbereitschaft im höheren Alter deutlich ab.
Ältere Menschen verbleiben dabei häufiger in Wohnsituationen, die nicht mehr optimal zu ihren Bedürfnissen passen. Angesicht der aktuellen Wohnungsknappheit bringt dies gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Neben Marktdynamiken – bestehende Mietverhältnisse sind oft günstiger als vergleichbare Angebote auf dem Markt – und politischen Rahmenbedingungen, so ist beispielsweise die Hypothekarfinanzierung auf eine langfristig tragbare Nutzung ausgelegt, spielt dabei auch das fehlende Angebot an flexiblen und attraktiven Wohnungen mit, die eine Verkleinerung ohne Qualitätsverlust ermöglichen. Gefragt sind also innovative Wohnbauten –im städtischen Kontext ebenso wie auf dem Land. Die Verdichtung eines typischen Basler Hinterhofs zeigt, wie das im innerstädtischen Raum gelingen kann: An der Colmarstrasse haben Rahbaran Hürzeler Architects ein auf den Ort massgeschneidertes Ensemble aus Wohnungen, Kleingewerbe, Townhouses, Ateliers und Wohnpavillons mit einem gemeinschaftlichen Hof geschaffen. Im neu erstellten Vorderhaus wählten sie die schlanke Betonstruktur mit Platten und Stützen und einer vorgehängten Fassade aus Holzbauelementen so, dass durch die Reduktion der tragenden Elemente auf wenige Stützen zum einen Material gespart und zum anderen Flexibilität erzeugt wird: Raumtrennende Leichtbauwände lassen sich bei Bedarf entfernen oder ergänzen, und der Grundriss wird wahlweise eine zusammenhängende Figur oder verfügt über vier getrennte Räume 2 Einen gänzlich anderen Ansatz, was die Vorgehensweise betrifft, verfolgen die Gründer Oliver Herren und Philipp Wieting von Glück Blueprint: Basierend auf einem plattformgesteuerten Bauteilkatalog, dem Glück Blueprint, der sämtliche Informationen zu Design, Nachhaltigkeit und Architektur beinhaltet, wollen sie das Bauen standardisieren und damit vereinfachen – unabhängig von der Grösse des Projekts. Die Parametrisierung und die Steuerung über die Plattform ermöglichen Anpassungen an baurechtliche Rahmenbedingungen und Grundstücksformen. Die Bauteile werden anschliessend mittels Vorfertigung produziert. Ein erster Prototyp soll in Zürich Seebach realisiert werden – mit Holz und Lehm als Baumaterialien. 3
Zwei weitere Objekte im bündnerischen Urmein 4 sowie in Baar 5 in der Nähe des Skiorts Nendaz zeigen, wie sich der klassische Einfamilienhaustypus weiterentwickeln lässt, so
dass er adaptierbar bleibt – auf ändernde Lebenskonstellationen oder abgestimmt auf den Jahreszeitenwechsel. So verfügt das Doppelhaus in Urmein über zwei schmale, gedämmte Haushälften, die sich einen offenen Hofraum teilen. Die beiden Ateliers im Erdgeschoss liessen sich bei Bedarf, beispielsweise im Alter, zu Kleinwohnungen umbauen. In einer Art Blindgeschoss von zwei Meter Höhe, zwischen Atelier und grosszügigem Wohnraum mit Küche unter dem Dach, liegen Bad und Schlafkammern, wie bei einem Schlafwagen. Im Fall des Hauses in Baar war ursprünglich eine Umnutzung der bestehenden Scheune geplant. Diese erwies sich jedoch als zu klein dafür. Jetzt ergänzt ein eigenständiger, nicht unterkellerter Neubau mit 100 Quadratmeter Bruttogeschossfläche die Scheune, die als Kellerersatz und Versammlungsraum genutzt wird. Die Räume des Wohnhauses sind nutzungsneutral und rückbaubar konzipiert. Bis auf das Sockelgeschoss und zwei Wände im Obergeschoss besteht das Haus aus regionalem Brettschichtholz.
Ausgeklügelte Grundrisse, drehbare Wände, flexible Nutzungen und überraschende Materialkombinationen: Auch die folgend im Heft vorgestellten Projekte zeigen das Potential des Baustoffs Holz für zukunftsfähige Wohnraumlösungen. Konkret sind dies das Wohn- und Werkhaus ‹Werk 11› in Biel, die Wohnsiedlung ‹Kuppe› im Quartier Trift Horgen, die ‹Maison autonome évolutive› in Soulce sowie drei aktuelle Zürcher Projekte: das ‹Performative Haus› und die beiden Überbauungen ‹Wohnen am Kelchweg› und ‹Wolkengespräch›.
Zum Schluss noch ein paar Worte in eigener Sache: Seit Frühling 2019 hat die Architektin Ariane Joyet die Holzbulletin-Ausgaben für Cedotec mit der Auswahl und Redaktion von Westschweizer Objekten sowie der Übersetzung der Deutschschweizer Projekte begleitet. Sie geht Ende Juni in den wohlverdienten Ruhestand, weshalb dieses Heft die letzte von ihr mitbetreute Ausgabe ist. Herzlichen Dank, liebe Ariane, für Dein Engagement für das Bulletin bois!
Und nun wünschen wir Ihnen eine gute Lektüre und einen schönen Sommer.
Jutta Glanzmann
Technische Kommunikation
Quellen: 1) Lehner, S., Hohgardt, H. (2025). Wohnmobilität neu denken. Zwischen individueller Entscheidung und strukturellen Rahmenbedingungen. Bundesamt für Wohnungswesen, Bern.
2) Projekt Colmarstrasse: www.rharchitekten.ch/colmi_de
3) www.glueck.homes
4) Projekt Urmein: https://bearth-deplazes.ch/de/ projekte/wohn-und-atelierhaus-lind-urmein
5) Projekt Baar: www.lionelballmer.ch
Wohnen am Kelchweg, Zürich
Dank einfach beweglicher Wände bieten die beiden Ersatzneubauten Grundrissvarianten in derselben Wohnung und auf gleichbleibender Fläche für wechselnde Lebenssituationen. Die Holzkonstruktion zeigt sich sowohl im Inneren als auch gegen aussen, wo das Holzskelett an den Gebäudeecken skulptural in Erscheinung tritt und den Bauten einen eigenen formalen Ausdruck verleiht.
Die beiden Wohnhäuser am Kelchweg 9 und 11 ersetzen zwei bestehende Bauten mit Baujahr 1949 und 1950 der Zürcher Baugenossenschaft Halde mit insgesamt 15 Wohnungen. Sie sind das Resultat eines einstufigen, anonymen Projektwettbewerbs, den das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich 2019 im Auftrag der Genossenschaft durchgeführt hat. Neu sollten mindestens 32 zeitgemässe 2½- und 3½-Zimmer-Wohnungen entstehen. Neben einer guten städtebaulichen Einfügung ins Quartier und hoher Aussenraumqualität waren eine nachhaltige Bauweise, ein langfristiger Werterhalt, geringe Unterhaltskosten und ein tiefer Energieverbrauch gefragt. Mathis + Kamplade Architekten schlugen zwei punktförmige Baukörper vor, die formal ähnlich, aber nicht gleich sind. Mit ihrer Setzung mit Bezug auf den Kelchweg respektive die Dachslernstrasse entsteht ein interessanter polygonaler Zwischenbereich, der mit paarweise angeordneten Hauseingängen und Waschküchen einen kleinen Siedlungsmittelpunkt schafft. Von dieser einfachen Grunddisposition ausgehend entwickeln sich qualitätsvolle Aussenräume und eine schlüssige Adressierung: Der Weg vom gemeinsamen Vorplatz über den gedeckten Eingangsbereich, vorbei an den Waschräumen bis hin zur Wohnung erzeugt eine fein austarierte räumliche Abfolge vom Quartier bis zur privaten Wohnung. Das Projekt vermittelt mit seiner Körnung und Aussenraumgestaltung zwischen den geschlossenen Baukörpern entlang der Badenerstrasse und dem kleinmassstäblichen Wohnquartier im Bereich der Dachs-
lernstrasse und verstärkt damit die Wahrnehmung als durchgrüntes Stadtviertel. Die innere Organisation der Baukörper entwickelt das Potential der städtebaulichen Setzung weiter: Die über Eck orientierten Wohnungen profitieren mit den ausgestellten Balkonen von der mehrfachen Orientierung und den unterschiedlichen Aussichten. Die Wohnungen folgen dabei einem konzentrischen Grundrissprinzip. Vom zentralen Treppenhaus führen die Eingangsund Nassbereiche zu den Wohn- und Schlafzimmern in der mittleren Schicht. Den äussersten Punkt an der Gebäudeecke besetzt die Küche, die sich auf den Balkon hin öffnet. Bodentiefe Fenstertüren verwandeln sie in grosszügige Terrassenräume. So wird die Küche als sozialer Ort ein wesentlicher Baustein des informellen Austausches im sozialen Geflecht der Genossenschaft und im nachbarlichen Gefüge. Eine Besonderheit des Projekts ist die Flexibilität der Grundrisse. Drehbare Wände in der mittleren Zimmerschicht ermöglichen verschiedene Raumkonfigurationen. Im offenen Zustand entsteht ein loftartiger Wohnraum, während geschlossene Wände den Raum in mehrere Zimmer unterteilen. So reagiert die Wohnung auf wechselnde Lebenssituationen der Bewohnerinnen und Bewohner und erlaubt vielfältige Wohnformen für Einzelpersonen, Paare, Alterswohngemeinschaften und kleine Familien. Ein Mitbewohner oder eine Partnerin zieht hinzu, ein Homeoffice wird benötigt, ein Kind kommt auf die Welt. Die Beweglichkeit der Wände basiert auf grossen Scharnieren, die eine einfache Handhabung ermöglichen. Die Türen werden mit Magneten fixiert, bevor die Wandsegmente zur Seite gedreht werden. Die Kombination aus kompakten Wohnflächen und anpassungsfähigen Grundrissen schafft so Wohnräume, die sich an die individuellen Bedürfnisse und die über die Jahre wechselnden Lebenssituationen anzupassen vermögen. Dabei war für die Bauherrschaft vor allem die Option einer Abtrennung des Wohnbereichs und damit einer dich-
teren Belegung der Wohnung interessant: Anders als herkömmliche Wohnungen mit 2½ und 3½ Zimmern lassen sich diese dank der drehbaren Wände in ähnlich grosse Zimmer unterteilen. Ohne den Flächenrahmen der kantonalen Wohnbauförderung zu sprengen, handelt es sich im komplett gekammerten Zustand um vollwertige, wenn auch kompakte Wohnungen mit drei Zimmern à 65 m2 beziehungsweise vier Zimmern à 82 m2 Im Sinne einer nachhaltigen Bauweise und um den Verbrauch grauer Energie möglichst gering zu halten, wählte man für die Konstruktion eine Holzbauweise. Um einen Treppenhauskern aus Stahlbeton, welcher Erdbebensicherheit und den Brandschutz der Fluchtwege gewährleistet, stellt sich ein leichter Holzskelettbau, der die flexiblen Grundrisse mit ihren beweglichen Wänden ausformuliert. Ein Sockel aus Sichtbeton leistet den konstruktiven Holzschutz im Anschluss an das Terrain und schafft eine sanfte Einbettung in die Topografie. Dabei ist die Konstruktion für die Bewohnenden spür- und erfahrbar. Das Holzskelett zeichnet sich in den Wohnungen ab, die Wände – ob drehbar oder nicht – sind mit Tapeten bespannt. Sie sind nicht nur robust im Unterhalt, sondern verleihen der Konstruktion Leichtigkeit im Ausdruck. Zum Balkon hin, dort, wo die Wohnungen sich zur Nachbarschaft öffnen, verfeinert und verdichtet sich die Konstruktion und tritt auf den Gebäudeecken räumlich skulptural in Erscheinung. Im Sinne des Low-Tech-Gedankens verzichtete man auf eine kontrollierte Wohnungslüftung. Erdsonden versorgen das Projekt mit Warmwasser und Heizenergie. Eine Fotovoltaikanlage auf den begrünten Dächern reduziert den Stromverbrauch der Erdsondenwärmepumpe. Die kompakte Punktbauweise zusammen mit der üppigen Bepflanzung mit vielen Bäumen und geringer Bodenversiegelung gewährleistet ein günstiges Mikroklima.
Die fünf Häuser gruppieren sich um eine freie Mitte und schaffen so einen gemeinschaftlich nutzbaren Aussenraum. Mit ihrem temporären Charakter vermitteln die Holzbauten formal und konstruktiv die Idee einer veränderbaren Architektur, die im Inneren spannende Räume für unterschiedliche Lebensformen bereithält.
Die Siedlung Trift, am Rand von Horgen-Oberdorf gelegen, zeigt, wie nachhaltige Planung aussehen kann, wenn sie umfassend gedacht wird: wirtschaftlich, energieeffizient und sozial vernetzt. Vier Architekturbüros entwickelten ein Konzept für je eines von vier Baufeldern, die bisher unbebaut waren. Ein breiter und komfortabler Weg, der entlang der Höhenlinien verläuft, verbindet die vier Areale auf zwanglose Art und Weise. Die Trift-Siedlung ist ein Gegenentwurf zur Privatisierung des Sied-
lungsraums. Dem Streben nach Abstand und territorialer Abgrenzung, wie sie am Stadtrand üblich ist, setzt sie ein gemeinschaftliches Verständnis von Siedeln entgegen. Das Baufeld, das Esch Sintzel bebauten, ist von einer sanften Kuppe gekennzeichnet, der einzigen ebenen Fläche im Hangverlauf. Die hier erstellten Häuser bilden die erste Etappe des grösseren Vorhabens mit den insgesamt vier Baufeldern, das denselben Werten – Nachhaltigkeit und Kollektivität – verpflichtet ist. Damit die Kuppe frei bleiben konnte, entwickelten die Architekturschaffenden ein Bebauungskonzept, das die Häuser an ihre Ränder stellt. Die gemeinschaftliche Mitte wird damit zum eigentlichen Protagonisten der Siedlung. Die Häuser bilden eine Art Wagenburg – ähnlich wie Zirkuswagen, ehe in der Mitte das Zelt aufgerichtet wird. Die Zugangswege erin-
nern dabei an die Reifenspuren der Traktoren. Die Analogie zum Camping und die damit verbundene Vorstellung einer flüchtigen Landnahme und einer kontinuierlichen Veränderbarkeit wurde zum eigentlichen Leitmotiv des Entwurfs. Denn es erwies sich als gar nicht so einfach, unberührtes, freies Land zu bebauen – daher wohl die Vorsicht dieser Landnahme auf Zeit.
Die Gebäude selbst verweigern sich damit der konventionellen Ausrichtung auf Strassenflucht oder Panorama. Ihre informelle Zusammenkunft ist gleichsam eine erste Momentaufnahme, kein versteinerter Endzustand. Sie stehen auf Kufen und sind nur minimal unterkellert, eine Tiefgarage fehlt. Entsprechend verzichten die Bewohnerinnen und Bewohner auf private Autos. Unter ihren weit ausladenden Dächern vereinigen die zweigeschossigen Baukörper
eine bunte Mischung von 30 Wohnungen mit 1½ bis 4½ Zimmern. Ihr Inneres ist geprägt von roh belassenen Oberflächen und verschiebbaren Möbeln und Türen, die ganz unterschiedliche Raumkonstellationen, auch über zwei Stockwerke, zulassen. Grosse und kleine Wohnungen greifen komplementär ineinander. So erhält die Vision des nachbarschaftlichen Zusammenlebens von Menschen in sehr verschiedenen Lebenskonstellationen einen räumlichen Rahmen.
Als beweglicher, gestaltbarer Prozess wird auch der nachbarschaftliche Alltag zwischen Zuwendung und Abgrenzung verstanden. Diesem Zweck dienen die grossen Scheunentore vor jeder Wohnung, die nicht nur Licht und Einblick regeln, sondern auch die territoriale Zuordnung der durchlaufenden Veranda vor den Wohnungen. Geschützt wird diese durch
die Dächer, die weit über die kleinen Häuser hinaus spannen. Dabei betont die Trennung des kalten Dachs vom warmen Haus das additive Fügungsprinzip der genagelten, geschraubten und geklebten Holzkonstruktion, welche die künftige Veränderung sowohl formal als auch konstruktiv bereits antizipiert. Als Pioniere der Aneignung fungieren auch die Pflanzen – Hopfen und Weiden – welche an den Stirnseiten der Häuser emporwuchern. Der Energiestandard der Siedlung, die mit Fernwärme beheizt wird, entspricht dem SIA-Effizienzpfad Energie und verfolgt damit die Zielsetzungen der 2000-Watt-Gesellschaft.
Umgebung mit Anordnung der Bauten
Querschnitt
Ort Bergstrasse 79/81/83/85/87, Horgen-Oberdorf
Bauherrschaft Trift Bewirtschaftung von Grundstücken AG, Zürich Architektur, Generalplanung und Totalunternehmung Esch Sintzel GmbH Architekten ETH BSA SIA, Zürich, in Arbeitsgemeinschaft mit BGS & Partner Architekten AG, Rapperswil Landschaftsarchitektur Manoa Landschaftsarchitekten GmbH, Meilen Bauingenieur Ernst Basler Partner AG, Zürich Elektroingenieur Enerpeak AG, Dübendorf Bauphysik BWS Bauphysik AG, Winterthur Brandschutz Esch Sintzel GmbH, Zürich
Haustechnik Planforum GmbH, Winterthur Holzbau und Schreinerarbeiten W. Rüegg AG, Kaltbrunn Materialien Haus A (exemplarisch für eines der fünf Wohnhäuser), total verbautes Holz/Holzprodukte 169 m3: Schalung/Verkleidung aussen 10,5 m3 (Starkholz CH; Schwachholz FIN/SE); Weichfaserprodukte (Holzfaserplatten) 24 m3; Gipsfaserprodukte 18,5 m3; Dreischichtplatten 41 m3 (DE, A); Konstruktionsholz, verleimt 75 m3; Velohaus, total verbautes Holz/Holzprodukte 8,4 m3: Schalung/ Verkleidung aussen 1,9 m3 (Starkholz CH, Schwachholz FIN/SE); Konstruktionsholz, verleimt 6,5 m3
Baukosten BKP 1–9 CHF 14,223 Mio. inkl. MWST
Baukosten BKP 214 CHF 4,1 Mio. brutto Kubikmeterpreis BKP 2 nach SIA 416 CHF 907.–
Grundstücksfläche nach SIA 416 8871 m2
Gebäudegrundfläche nach SIA 416 1700 m2
Geschossfläche nach SIA 416 3890 m2
Gebäudevolumen nach SIA 416 14 038 m3
Bauzeit Januar 2020 bis September 2021
Fotos Philip Heckhausen, Zürich
Erdgeschoss
1. Obergeschoss
Aufbau Dach:
Sinuswellblech, Stahl 42 mm
UK-Stahlprofil 60 x 60 mm
Sparren 140 x 180 mm
Dachraum belüftet
Unterdachbahn, diffusionsoffen 5 mm
Weichfaserplatte 60 mm
Balkenlage, Vollholz C24, 60 x 320 mm
Glaswolldämmung 320 mm
Dampfbremse/Luftdichtigkeitsschicht
Dreischichtplatte 27 mm
Unterzüge, Brettschichtholz 120 x 280 mm
Aufbau Decke (über UG):
Anhydrit geschliffen, versiegelt, inkl. Bodenheizung 65 mm
Polyethylen-Folie, Dampfbremse
Trittschalldämmung 20 mm
Wärmedämmung, PIR 140 mm
Abdichtung, bituminös 5 mm
Stahlbeton 250 mm
Magerbeton 80 mm
Aufbau Aussenwand:
Elementbau
Dreischichtplatte mit UV-Schutz 19 mm
Installationsschicht, Mineralwolle 27 mm
Dreischichtplatte 27 mm
Vollholz C24 60 x 220 mm
Dämmung 220 mm
Weichfaserplatte 40 mm
Windpapier
Hinterlüftung 40 mm
Schalung vertikal, 20 + 20 mm
Detailschnitt vertikal
Wohnsiedlung Wolkengespräch, Zürich
Die beiden Neubauten am Stadtrand von Zürich zeichnen sich durch eine verspielte Formensprache und eine farbenfrohe Materialisierung aus. Gleichzeitig sind die polygonalen Häuser äusserst effizient organisiert und lassen grosszügige und vielfältige Räume zum Leben entstehen. Das eingesetzte Holz bietet sowohl konstruktiv auch gestalterisch den Rahmen dafür.
Die beiden Ersatzneubauten für 35 Genossenschaftswohnungen liegen in Zürich-Affoltern, am Übergang zwischen Stadt und Landschaft. Diese Lage am Siedlungsrand spiegelt sich in der Setzung, der Form und dem architektonischen Ausdruck der Gebäude wider. Auch die Gestaltung des Aussenraums orientiert sich an dieser Dualität: Blumenwiese, Staudengarten und Obstbäume fliessen quasi um die Gebäude herum vom Landschaftsraum in die Siedlung, während sich die beiden Gebäude auf ihrer dem Siedlungsraum zugewandten Südseite um einen klar gestalteten Gemeinschaftsplatz gruppieren. Inspiration für die Ausgestaltung der Gebäude war für die Architektin die Expressivität von Wolken und ihrer Zwischenräume: Dieses geometrische Prinzip findet seinen Niederschlag in der räumlichen Abfolge der Wohnungsgrundrisse und dem Dialog zwischen Zimmern und Wohnbereich ebenso wie in der formalen Ausgestaltung von Badezimmerplatten oder Ornamenten von Balkongeländern.
Die beiden Punkthäuser sind sehr kompakt und äusserst effizient organisiert: Ein einziges
Treppenhaus erschliesst drei bzw. sogar fünf Wohnungen pro Geschoss. Die polygonalen Grundrisse ermöglichen nicht nur eine optimale Belichtung und Orientierung aller Wohnungen, sie verleihen den Wohnräumen so auch eine unerwartete Grosszügigkeit und räumliche Vielfalt. Das Herz jeder Wohnung bildet ein weiträumiger, ebenfalls polygonaler Wohn- und Essraum, wo das Familienleben stattfindet und zu dem hin sich die Schlafzimmer öffnen. Ein gedeckter Aussenraum, der daran anschliesst, verbindet die gemeinschaftlichen und privaten Räume rundlaufartig. Die Ausgestaltung der Räume stellt so den Menschen und seine Bewegung im Raum in den Vordergrund. Die Art des Lichts und der Materialien inszeniert den Weg von der Öffentlichkeit in die Privatsphäre der Wohnung: Dank farbiger Glasbausteine wird das Licht des Treppenhauses gedämpft und farbenfroh in die Wohnungen geführt und umgekehrt, so dass der gemeinschaftliche Treppenkern und die individuellen Wohnräume miteinander lebendig zu interagieren beginnen. Die drei Farben der Glasbausteine – rot, gelb und blau – dienen als Basis für das gesamte Farbkonzept des Hauses und kommen in verschiedenen Materialien vor: Rot sind beispielsweise die Fensterrahmen und Sockelleisten der Wohnungen, die zugleich die polygonalen Geometrien der Grundrisse unterstreichen. Auch in den Badezimmern entsteht aus roten, gelben und bläulichen Platten ein vielfältiges Farbenspiel. Ebenso verleihen die drei Farben – im Bereich der Balkone und Fenster eingesetzt – den Gebäuden
einen fröhlichen, warmen Ausdruck gegen aussen und geben gleichzeitig etwas vom inneren Leben des Hauses preis.
In Analogie zur Natur und dem nahen Wald dient Holz als konstruktives und gestalterisches Hauptmaterial: Auf einem Betonsockel, der das Gebäude monolithartig im Untergrund verankert, stehen leichte Fassaden mit vertikaler Holzschalung und durchgehenden Lisenen, die auf die Bäume des nahen Waldes verweisen – zudem dienen die Lisenen dazu, den Gebäuden mit ihren vielfältig gestalteten Fassaden einen einheitlichen Rhythmus zu verleihen und die Gebäudegeometrie hervorzuheben. Ornamentartig gestaltete Geländer setzen auf verspielte Art und Weise das raffinierte Licht- und Schattenspiel von im Wind sanft rauschenden Blätter in einer sonnigen Waldlichtung um.
Die Geschossdecken wurden in Holz-BetonVerbundbauweise realisiert, während man die Aussen- und Innenwände in Holzrahmenbauweise errichtet hat. Die Holz-Beton-VerbundDecken bestehen aus Brettstapeln, was den Verschnitt reduziert. Die betonierten Treppenkerne sind aus Kosten- und Nachhaltigkeitsüberlegungen so klein wie möglich dimensioniert, so dass diese zur Aussteifung nicht beitragen können und dies allein vom Holzbau übernommen wird. Die polygonale Formensprache eignet sich gut für den Holzbau: Die einzelnen Elemente wurden im Werk vorgefertigt. Holz zeigt sich als architektonisches Gestaltungselement an den Fassaden sowie den Balkon- und Deckenuntersichten.
Erdgeschoss
Regelgeschoss
Schnitt
Ort Riedenhaldenstrasse 96/98, 8046 Zürich
Bauherrschaft Baugenossenschaft Waidmatt, Zürich
Architektur Ana Otero Architektur, Zürich
Landschaftsarchitektur Johannes von Pechmann Stadtlandschaft, Zürich
Materialien Haus A: Konstruktionsholz (CH) 144 m3, Massivholzelement (CH) 361 m3 und 2084 m2, Brettsperrholzplatten für aussteifende Wände 122 m3 und 976 m2; Haus B: Konstruktionsholz (CH) 88 m3, Massivholzelemente (CH) 201 m3 und 1115 m2, Brettsperrholzplatten für aussteifende Wände 45 m3 und 381 m3
Baukosten BKP 2 CHF 13,5 Mio.
Kubikmeterpreis nach SIA 416 CHF 941.–
Grundstücksfläche nach SIA 416 2966 m2
Gebäudegrundfläche nach SIA 416 867 m2
Geschossfläche nach SIA 416 4756 m2
Gebäudevolumen nach SIA 416 14 337 m3
Bauzeit Juli 2020 bis Februar 2022
Fotos Andreas Buschmann, Zürich und Oliver Malicdem, Zürich (Aussenaufnahme)
Aufbau Dach:
Fotovoltaikanlage
ext. Begrünung 60/110 mm
Drainageschicht 1 mm
Wurzelschutzbahn 5 mm
Abdichtung zweilagig 4 mm
Gefällsdämmung 160 mm
EPS, Gefälle 90 mm
Bauzeitabdichtung 3,5 mm
OSB-Platte 15 mm
Brettstapel, sichtbar, scharfkantig 240 mm
Aufbau Wand:
Hartgipsplatte 18 mm
OSB, statisch vernagelt 15 mm
Rahmen, verleimt 60/280 mm
Mineralwolle 280 mm
Hartgipsplatte 15 mm
Windpapier
Hinterlüftungslattung 30 mm
Traglattung 30 mm
Fassadenschalung vertikal montiert 25 mm
Aufbau Decke Wohnungen:
Parkett 12 mm
Zementsunterlagsboden inklusive
Bodenheizung 80 mm
Dampfbremse Polyethylen 0,2 mm
Trittschalldämmung 20 x 20 mm
Stahlbeton 140 mm
Detailschnitt
Brettstappel C24, sichtbar, scharfkantig 160 mm
Wohnhaus Stampfenbachstrasse, Zürich
Das konstruktive Prinzip des Wohnhauses mit 31 Kleinwohnungen mitten in Zürich gleicht einem Kartenhaus: Decken und Wände aus Massivholzplatten wurden horizontal oder vertikal mittels einfacher Fügungen verbunden. Bewegliche Raumelemente und fassadenseitige Podeste werden dabei zum ‹Mobiliar› der Wohnungen, das wie eine Art Kleid funktionieren soll.
Mit dem Auftrag zum Bau von Kleinwohnungen an der Stampfenbachstrasse 131 entwickelten Emi Architekt*innen einen Wohnungstyp, der jenseits einer ‹verkleinerten› Familienwohnung oder eines simplen EinraumLofts zu verorten ist. Die Idee dafür baut auf der Vorstellung eines ‹performativen Raumes› auf, der sich individuell der Bewohnerin oder dem Bewohner anpasst: Ähnlich einem Kleid legt er sich um den menschlichen Körper, lässt sich öffnen und schliessen und bietet für den leichten Hausrat unterschiedliche ‹Taschen› und Stauräume. Ausgehend von diesem Konzept wurden die grundlegenden Elemente der Architektur neu gedacht: Boden und Decke, Türen und Wände, Einbauten und Möbel, Fenster, strukturelle Elemente, Vorhänge, Spiegel etc. Neben beweglichen Elementen spielen dabei insbesondere fassadenseitige Podeste eine wichtige Rolle: Durch diese wird der Boden zur Sitz- und Liegefläche. Damit wiederum ist die Idee eines Wohnens mit wenig Mobiliar verknüpft.
Vor der Realisierung des Projekts an der Stampfenbachstrasse erforschten Emi Architekt*innen mit einem Mockup an der ETH Zürich den Wohnungstyp exemplarisch. Im Rahmen von 1:1-Modellen hatte die Professur Mosayebi zudem gemeinsam mit Studierenden der ETH Zürich das architektonische Potential solcher performativen Räume ausgelotet. Das Mockup selbst war ein vorfabrizierter Holztafelbau aus Brettsperrholz (CLT). Diese wurden sowohl für Wand- als auch für Deckenelemente eingesetzt und im Ausbau nicht weiter verkleidet, sondern lediglich gestrichen – Trag- und Raumstruktur sind dabei eins. Im Innenausbau prägten neben den Anstrichen auf Wänden und Decken farbige Linolbeläge auf Böden und Podesten den Raumeindruck. Neben Schallmessungen liess sich mit dem Mockup das räumliche und konstruktiv-technische Zusammenspiel der beweglichen Bauteile im bewohnten Alltag prototypisch testen. Das Wohnhaus an der Stampfenbachstrasse besetzt eine Eckparzelle gegenüber der Gartenanlage des Beckenhofes, schliesst auf einer Seite an die Brandmauer des Nachbargebäudes an und lässt strassenabgewandt einen kleinen Hof frei. Das Haus verfügt über zwei Eingänge und Treppenhäuser, die insgesamt 31 Wohnungen erschliessen. Vom Bestand wurden die Fundation sowie die beiden betonierten Untergeschosse übernommen und für den Neubau adaptiert. Darüber ist das Gebäude komplett als vorfabrizierter Holztafelbau erstellt, in-
klusive der beiden Treppenhäuser und der Liftschächte. Tektonisch gleicht das Gebäude dem oben beschriebenen Mockup: Wände und Decken aus identischen Brettsperrholztafeln (CLT) wurden mit einfachen Fügungen als horizontale oder vertikale Elemente verbunden. Dabei sind sämtliche Wände und Decken tragend und aussteifend. Die CLT-Tafel verbleibt im Wohnraum sichtbar, so dass man von einem gestrichenen Rohbau sprechen kann. Grösste Herausforderung war dabei die Schallübertragung über Nebenwege, wozu keine geprüften Details vorlagen. Die Lösung mit Buchendübeln zur querschnittsreduzierten Koppelung von Wand zu Wand wurde im Mockup an der ETH Zürich gemessen und verifiziert. Eine dünne metallische Haut umgibt das Haus und verbirgt das Innere.
Baukosten BKP 1–9 CHF 8,76 Mio. Baukosten BKP 2 CHF 7,8 Mio. Kubikmeterpreis BKP 2 nach SIA CHF 1033.–Grundstücksfläche nach SIA 416 596 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 340 m2 Geschossfläche nach SIA 416 2666 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 7550 m3 Bauzeit April 2021 bis Oktober 2022 Fotos Roland Bernath, Zürich
Regelgeschoss
Dachgeschoss
20 m
1. Obergeschoss
Erdgeschoss
Schnitt
Aufbau Decke
2. Obergeschoss bis Dachgeschoss:
Linoleum 5 mm
Anhydrit 60 mm
Trittschalldämmung 30 mm
Splittschüttung 60 mm
Brettsperrholz-Platte 200 mm
Aufbau Aussenwand
1. bis 4. Obergeschoss:
Wellblech 10 mm
Horizontallattung 25 mm
Vertikallattung/Hinterlüftung 35 mm
Windpapier
Gipsfaserplatte 2 x 15 mm
Ständer 60 x 160 mm
Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm
Folie dampfdiffusionsoffen
Wärmedämmung Mineralwolle 20 mm
Brettsperrholz-Platte 120 mm
Werk- und Wohnhaus Werk 11, Biel
Das Gebäude Werk 11 ist ein bemerkenswertes Projekt: Es verkörpert eine zeitgemässe Vision einer flexiblen, nachhaltigen Architektur. Eine innovative Holzstruktur umschliesst Räume, die ganz nach Bedarf als Arbeits- oder Wohnflächen dienen können. Das nutzungsneutrale Konzept zeugt von einem umweltfreundlichen Baumodell, das die Entwicklung der Stadt vorwegnimmt.
Nahe dem Stadtzentrum von Biel, am Wasserlauf der Schüss, befindet sich das Werk 11. Es liegt im Quartier Madretsch, einer ehemaligen Industriezone, die in den letzten Jahrzehnten eine erhebliche Wandlung durchlaufen hat. Früher fand man dort Fabriken und Gewerbeimmobilien. Nach und nach wichen sie jedoch neuen Stadtprojekten, die manchmal als Identitätsverlust für die Stadt wahrgenommen wurden, denn damit verblichen die Spuren der gewerblichen Vergangenheit. Als dann die Architekten diese Parzellen mit der Absicht erwarben, dort ein Hybridprojekt in Harmonie mit der Industriegeschichte der Stadt zu erstellen, fanden sie eine Brache, überwuchert mit Grün und durchsetzt mit alten Gebäuden. Die Stadt Biel grenzt nicht strikt zwischen Wohn- und Industriezone ab. Diese Besonderheit spiegelt sich in der Konzeption des Gebäudes wider. Das Projekt zeichnet sich damit durch seine hohe Flexibilität aus: Je nach Bedarf ist eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken oder als Wohnfläche möglich. Zwar wurde das Gebäude zunächst einmal im Hinblick auf Büros geplant. Sie könnten jedoch auch in Wohnungen umgewandelt werden, ohne dass grössere Eingriffe erforderlich wären. Dieser
nachhaltige, anpassungsfähige Ansatz bietet eine Lösung für die Marktnachfrage und stellt einen Bruch gegenüber den oft im Quartier errichteten Immobilien mit nur einer Nutzungsart dar.
Das Werk 11 umfasst vier Geschosse aus Holz, die auf einem Untergeschoss aus Beton samt Tiefgarage errichtet wurden. Das Gebäude steht auf einer Stützen-Träger-Konstruktion, die in Abständen von 3,30 m ein Raster bildet. Der Innenbereich zeichnet sich durch seine flexible Raumaufteilung aus. Die grossen Flächen mit einer Deckenhöhe von 3,10 m bieten viel Freiheit bei der Gestaltung. Das Treppenhaus aus Beton, an das sich die Sanitärräume und der Lift anschliessen, stabilisiert die Holzstruktur. In den oberen Geschossen teilt nur eine mittig plazierte Stützenreihe, die unter anderem das schmetterlingsförmige Dach stützt und zwei Installationsschächte beinhaltet, den Raum. Fortlaufende Balkone entlang der beiden vollständig verglasten Hauptfassaden spielen eine wichtige Rolle für die Luftzirkulation und eine natürliche Beleuchtung. Diese halboffenen Zwischenflächen ermöglichen es, sich zurückzuziehen und doch mit den anderen verbunden zu bleiben – in einer Umgebung, die zum Entspannen, zum Austausch oder zu einer Arbeitspause einlädt. Mit ihren vertikalen Aussenmarkisen tragen sie dazu bei, die Hitzeeinwirkung im Sommer zu begrenzen, wohingegen die grossen Fenster eine natürliche Luftzirkulation fördern. Im Winter dringt auf diese Weise maximal Sonne ein und reduziert damit den Heizbedarf. Im Erdgeschoss lädt ein Gemeinschaftsraum mit Küche und Ausblick auf den Garten zum Austausch ein.
Daneben gibt es noch Räume für Aktivitäten wie Yoga und Büros für die Unternehmen in der Nachbarschaft. Diese funktionale Vielfalt an einem Ort entspricht der Mentalität der Architekten und ist Teil ihres Wunsches, die Nutzung des städtischen Raumes neu zu erfinden und zugleich ein Umfeld zu schaffen, das soziale Interaktion fördert und zugleich eine gewisse Privatsphäre gestattet. Das sichtbare Holz der Konstruktion ist der zentrale Werkstoff im Werk 11. Er sorgt für optische Leichtigkeit und zugleich Wärme –was ganz im Kontrast zu den alten Industriegebäuden steht. Ästhetik und Nachhaltigkeit gehen hier Hand in Hand. Beim Bau war das Ziel, den ökologischen Fussabdruck zu minimieren: Das Gebäude verfügt über eine Luft-/ Wasser-Wärmepumpe; die daran gekoppelte Fotovoltaikanlage produziert die für deren Betrieb erforderliche Energie. Eine der Innovationen bei diesem Bau ist die passive Wärmeregulierung: Der geringe Grad an Gebäudetechnik ermöglicht einfache, effiziente Lösungen. Dies bestätigt den umweltbewussten Projektansatz und zeugt vom Wunsch nach einer massvollen Ressourcennutzung bei gleichzeitiger Gewährleistung eines optimalen Komforts.
Das Werk 11 steht damit für eine erfolgreiche, achtsame Neuinterpretation des industriellen Erbes von Biel. Mit seiner flexiblen Gestaltung, dem Einsatz von Holz und dem nachhaltigen Low-Tech-Ansatz bietet es ein Beispiel für ein Gebäude, das die Entwicklung der Bedürfnisse seiner Bewohner mit einer klar auf die Zukunft ausgerichteten Vision vorwegnimmt.
Situation
Ort Rue du Chantier 11, 2503 Biel
Bauherrschaft WOW Immobilien AG, Biel Architektur und Bauleitung Studio WOW sa, Biel
Landschaftsarchitektur Studio WOW sa, Biel
Bauingenieur Schmid & Pletscher Ingenieure, Nidau
Holzbauingenieur B3 Kolb AG, Biel Brandschutz Prona, Biel, in Zusammenarbeit mit Studio WOW
Fotos Linus Bart, Biel (Aussenaufnahmen), Markus Frietsch, Zürich (Dachgeschoss), Studio WOW, Biel (Erdgeschoss)
Aufbau Dach (Fotovoltaik):
Fotovoltaik 30 mm
Dachlattung 30 mm
Konterlattung, Hinterlüftung 60 mm
Unterdachfolie
Weichfaserplatte 60 mm
Konstruktionsholz/Zellulosefaser 240 mm
Dreischichtplatte 27 mm
Aufbau Dach (Faserzement):
Faserzementplatten gewellt 57 mm
Dachlattung 30 mm
Konterlattung, Hinterlüftung 60 mm
Unterdachfolie
Weichfaserplatte 60 mm
Konstruktionsholz/Zellulosefaser 240 mm
Dreischichtplatte 27 mm
Aufbau Dach Laube:
Überstand Dachrand 130 mm
Kies 60 mm
Retentionsmatte 30 mm
Bitumen-Abdichtungsbahn 10 mm
Mehrschichtplatte 120 mm
Aufbau Laube:
Stütze aussen 180 x 240 mm
Stütze aussen 60 x 300 mm
Aufbau Decke 1. bis 3. Obergeschoss: Fliessestrich schwimmend/Bodenheizung 60 mm
Trittschalldämmung 30 mm
Splittschüttung 84 mm
OSB-Platte zur Aussteifung 18 mm
Brettstapeldecke 140 mm
Brettschichtholzträger 240 x 420 mm
Detailschnitt
Wohnhaus, Soulce
Das erweiterbare, energieautarke Haus in Soulce wurde teils in Selbstbau errichtet und spielt mit dem Potential von Holzstrukturen in Kombination mit lokalen, biobasierten Werkstoffen. Energieeffizienz geht hier einher mit der Möglichkeit, in einem engen regulatorischen Rahmen den Raumbedarf anzupassen. Zugleich ist das Projekt ein Beispiel zeitgenössischer Architektur.
Das mitten im jurassischen Dorf Soulce gelegene und zwischen 2023 und 2024 errichtete erweiterbare und energieautarke Haus ist ein Vorzeigeobjekt für nachhaltiges Bauen. Gedacht ist es als kontextbezogene, ökonomische Antwort auf die aktuellen Veränderungen im Gebiet. Es befindet sich auf einer schmalen Parzelle, die im neuen Ortsplan wieder ausgezont werden sollte. Schnelles Handeln war also angesagt: Die Architekten hatten genau drei Monate Zeit für die Planung und die Vorlage des Baugesuchs. Die Bauherrschaft, ein junges, damals noch kinderloses Paar, wollte den Hof der Eltern in eine autarke Permakultur umwandeln. In diesem Rahmen hatte sie den Wunsch geäussert, ein energieautarkes Haus mit natürlichen Baustoffen zu errichten, wobei dafür nur ein begrenztes Budget zur Verfügung stand.
Das Ergebnis ist ein Haus, dessen Obergeschoss wie auf Stelzen steht. Dadurch bleiben grosse Flächen im Erdgeschoss frei, und oben bietet sich ein weiter Blick. Auf einem einfachen Raster aufbauend, ist die regelmässige Struktur der Holzrahmen für den Selbstbau optimiert, wobei gegebenenfalls vorgefertigte Komponenten leicht montiert werden können. Das als eigenständiger Kubus konzipierte Gebäude verfügt über sichtbares Balkenwerk, das in seiner Schlichtheit zu einem zentralen Gestaltungselement wird.
Ein Hauptmerkmal des Konzepts ist seine Anpassungsfähigkeit an künftige Bedürfnisse der Bewohner: Das heute als Garage und Werkstatt genutzte Erdgeschoss ist so gestaltet, dass es sich leicht in Zimmer, eine unabhängige Wohnung oder auch einen Geschäftsraum umwandeln lässt, ohne dass mehr Bodenfläche oder hohe Investitionen erforderlich wären. Die Optimierung des Wohnbereichs steht damit im Zentrum der Gestaltung: Die grosszügige Deckenhöhe von 3,6 m im Obergeschoss, grosse Panoramafenster und die Abwe-
senheit von Fluren schaffen trotz der begrenzten Fläche ein Gefühl von Weite. Abgesehen vom Kalk-Hanfbeton für die Dämmung der Aussenwände sind die verwendeten Baustoffe wie Holz, Holzwolle, die Dreischichtplatten für die Innenwände oder die Aussenverkleidung aus Brettern roh und unbehandelt, um die Eigenarbeit der Bauherrschaft zu erleichtern. Wie die regelmässige Rasterung ermöglichen die vereinfachten Gestaltungsdetails eine leichtere Schalung des Hanfs. Mit Ausnahme der Stützen aus Brettschichtholz stammen die Baustoffe bevorzugt aus lokalen, biobasierten Quellen. So wurden etwa sägerohe Bretter für die Fassadenverkleidung verwendet oder die genagelten Bodenbretter von einem Zimmermann aus der Region gefertigt. All dies trägt zu einer kohärenten architektonischen Handschrift bei.
Die Fassaden bestehen aus 27 cm dickem Hanfbeton (Kalk-Hanf) und sind auf der Aussenseite mit 6 cm Holzwolle versehen, was für eine hervorragende thermische Trägheit sorgt. Auch das Dach ist mit einer Kalk-Hanf-Mischung zwischen den Balken des Dachbodens isoliert; in der Geschossdecke sorgt Holzwolle für die Dämmung. Der Innenputz besteht ebenfalls aus Kalk-Hanf und trägt zur Feuchtepufferung bei. Ansonsten stehen Rohausführungen im Vordergrund: Trennflächen aus Dreischichtplatten, geschliffener, geölter Zementestrich. Die geringe Technizität dieser Elemente vereinfachte den Selbstbau erheblich.
Beim Bau wurde auf eine hohe Energieautonomie gesetzt. Auf dem Dach finden sich daher Solarmodule; Wärmesensoren gewährleisten eine Fussbodenheizung und Warmwasser. Ein Scheitholzofen mit Kessel, der nur ein Ster Holz pro Jahr verbraucht, dient im Winter als Ergänzung. Dieses Hybridsystem bietet hier im ländlichen Jura eine wichtige EnergieResilienz. Das Wassermanagement folgt der gleichen Logik: Eine Regenwasserzisterne mit 10 000 Litern Fassungsvermögen deckt den gesamten häuslichen Bedarf (ohne Trinkwasser).
Das Projekt ist eine leidenschaftliche, innovative Antwort auf die heutigen Herausforderungen von nachhaltigem Wohnraum. Das Konzept ermöglicht es den Nutzern, sich aktiv in den Bau ihres Hauses einzubringen, was Kosten spart und ihre Bindung zu den eigenen vier Wänden stärkt.
International Award for Wood Architecture 2025 Büro- und Hotelkomplex Katajanokan Laituri, Helsinki
Vergeben wird der Internationale Preis der Fachpresse für Holzarchitektur von den Redaktionen der Fachzeitschriften ‹Mikado› (Deutschland), ‹PUU› (Finnland), ‹Séquences Bois› (Frankreich), ‹Trä› (Schweden) sowie ‹Holzbulletin› (Schweiz). Der Preis 2025 wurde am Forum Bois Construction Ende Februar in Paris verliehen.
1 Facettenreicher Einsatz von Holz: Im Erdgeschoss bilden wuchtige Säulen und die skulpturale Überdachung, die sich zum Himmel hin öffnet, einen beeindruckenden öffentlichen Raum.
Fotos Kalle Kouhia für Oiva Arkkitehdit Oy
2 Blick auf das mit hellem Stein verkleidete Massivholzgebäude im historischen Hafenviertel von Helsinki
Foto Kalle Kouhia für Oiva Arkkitehdit Oy
Das finnische Büro Anttinen Oiva Arkkitehdit Oy gewinnt den 7. Internationalen Holzarchitektur-Preis der Fachpresse mit dem Projekt Katajanokan Laituri im historischen Hafenviertel von Helsinki. Das grösste MassivholzGebäude in Finnland vereint den neuen Firmensitz von Stora Enso und ein Hotel. Katajanokan Laituri ist das erste neue Gebäude am ehemals industriell genutzten Katajanokka-Ufer, das eine direkte Verbindung zu Helsinkis unverwechselbarem, sich zum Meer hin öffnenden Stadtbild herstellt und die Umwandlung dieses ehemals abgeschotteten Teils des Ufers in einen offenen, für alle zugänglichen Stadtraum anführt. Das Gebäude ist das Ergebnis eines internationalen Architekturwettbewerbs. Es besteht aus 7600 m3 Fichtenholz in Form von Furnierschichtund Brettsperrholz, hat vier oberirdische Stockwerke, eine öffentlich zugängliche begrünte Dachterrasse und ein Untergeschoss für die technischen Einrichtungen und für die Parkplätze. Auf der Strassenebene befinden sich ein Restaurant, ein Café, Konferenzräume und andere Dienstleistungen, die sich alle direkt zur umliegenden Stadt hin öffnen. Ein grosser Foyerbereich, der die Stadt mit der Strandpromenade verbindet, wird von den verschiedenen Betreibern des Gebäudes gemeinsam genutzt und dient als offener Raum für Begegnungen.
Lignum
Holzwirtschaft Schweiz
Economie suisse du bois Economia svizzera del legno
Mühlebachstrasse 8
CH-8008 Zürich
Tel. 044 267 47 77 info@lignum.ch www.lignum.ch
Holzbulletin, Juni 2025
Herausgeber
Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich
Die Herausgabe dieses Lignum-Holzbulletins wird vom Bundesamt für Umwelt im Rahmen des Aktionsplans Holz unterstützt.
Redaktion
Jutta Glanzmann, Lignum, sowie Ariane Joyet, Lignum-Cedotec
Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Jahresabonnement CHF 48.–Einzelexemplar CHF 20.–Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 140.–Sammelordner leer CHF 10.–Preisänderungen vorbehalten.
Lignum-Mitglieder erhalten das Holzbulletin und die technischen Informationen der Lignum, Lignatec, gratis. Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern.
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