Holzbulletin 137/2020

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Holzbulletin 137/2020 Care Gesamtsanierung Haus 8, Klinik Beverin, Cazis Schul- und Wohnhaus Tanne, Langnau am Albis Geschützte Werkstätten, Lavigny Blindenschule, Zollikofen Aufstockung und Erweiterung Klinik aarReha, Schinznach-Bad Seniorenzentrum, Fondation Aigues-Vertes, Bernex Psychiatrisches Zentrum des FNPG Freiburg, Villars-sur-Glâne

Ein Dorf im Dorf: Zwei Holzbauten mit Betonkern erweitern das Kompetenzzentrum Tanne für Menschen mit Hörsehbehinderung zu einem Quartier mitten in Langnau am Albis. Architektur: Scheibler & Villard GmbH, Basel. Foto: Rasmus Norlander, Zürich


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Holz bietet Raum für Pflege und Genesung 1  Der Neubau des Kinderspitals in Zürich: Vielfältige Verwendung von Holz – hier der geplante Innenhof. Architektur Herzog & de Meuron, Basel Visualisierung © Herzog & de Meuron 2  Holzkubus als Rückzugsort: Die ge­ baute Holzarchitektur verbindet sich mit den Bäumen der Umgebung zu einem Raum für Erholung und Ruhe. Architektur Snøhetta, Oslo (NO) Foto Ivar Kvaal 3  Das Haus T der psychiatrischen Klinik in Münsterlingen: Die Bauherrschaft Thurmed Immobilien AG verlangte im Gesamtleistungswettbewerb einen Holzbau. Architektur Scheitlin Syfrig Architekten, Luzern; Generalplanung Frutiger AG Visualisierung Scheitlin Syfrig Architekten 4  Grossen Pflanzengefässen nach­ empfunden: Das Maggie’s Cancer Centre in Leeds (GB) besteht aus drei Pavillons in Holzrahmenbauweise, realisiert von Blumer Lehmann. Architektur Heatherwick Studio, London (GB) Foto © Hufton+Crow

Ein Spaziergang im Wald wirkt beruhigend und inspiriert zugleich. In Japan hat diese Er­ kenntnis zu einer eigentlichen Therapie ge­ führt, die neuerdings auch bei uns Beachtung findet: ‹shinrin yoku›, was soviel wie Wald­ baden bedeutet. Der stressmindernde Effekt der Bäume lässt sich dabei offenbar auch wis­ senschaftlich belegen, wie verschiedene For­ schungsprojekte und Feldstudien zeigen. Zwei Architekturprojekte, eines in Norwegen, das andere in Grossbritannien, machen sich diese Wirkung von Bäumen zunutze. In Gehdistanz zu zwei der grössten Spitäler Norwegens hat das Architekturbüro Snøhetta im Auftrag der Stiftung ‹Friluftssykehuset› zwei Holzkuben als Rückzugsorte für Patienten und ihre Angehö­ rigen entworfen. Der eine steht beim Univer­ sitätsspital in Oslo in der Nähe eines angren­ zenden Waldes. Sein Schwestergebäude liegt in einem Laubwald beim Sørlandet-Spital in Kristiansand in Südnorwegen, mit Blick auf einen nahegelegenen Teich. Die 35 m2 grossen Räume bieten einen Kontrast zu den Kranken­ hauskomplexen und stellen einen ruhigen Ort zur Verfügung, wo Patienten die therapeuti­ schen Qualitäten der Natur auf sich wirken lassen können. Formal erinnern die Volumen an Baumhäuser und sind deshalb wie schiefe Holzblöcke gestaltet, die sich in die Natur integrieren. Auch beim Maggie’s Cancer Centre in Leeds steht neben dem Bezug zur Natur das Material Holz im Vordergrund: Das Londoner Büro Heatherwick Studio konzipierte dafür einen Bau, der sich aus drei Pavillons in Holzrahmen­ bauweise zusammensetzt und von Blumer Lehmann realisiert wurde. Die Form der Pavil­ lons, die unterschiedlich hoch sind, ist grossen Pflanzengefässen nachempfunden. Sie umfas­ sen jeweils einen Beratungsraum, eine Küche und weitere Räume wie beispielsweise eine Bibliothek. Für die Gestaltung des Dachgartens liessen sich die Landschaftsarchitekten Balston Agius von den Wäldern Yorkshires inspirieren. Mit der Zeit soll sich das gesamte Center in einen üppig bewachsenen Garten verwandeln, an dessen Pflege sich auch Patienten und Be­ sucher beteiligen können. In der Schweiz realisiert man Bauten im Be­ reich der Pflege oder Betreuung ebenfalls ver­ mehrt in Holz. Möglich wurde dies mit den angepassten Brandschutzvorschriften 2015. Für das Material Holz sprechen in diesem Segment zum einen die Schnelligkeit bei der Realisie­ rung und das Bauen ohne grössere Lärmim­ missionen, insbesondere wenn es um eine Er­ weiterung eines bestehenden Komplexes geht.

Ein weiterer Pluspunkt ist die geforderte Sys­ temtrennung bei hochtechnischen Gebäuden, wie es Spitäler oder Kliniken sind. Überdies haben viele der potentiellen Bauherrschaften – insbesondere auch der öffentlichen Hand – das Vertrauen aufbauen können, dass sich Holzbauten mit hoher architektonischer und technischer Qualität und mit guter Kostenge­ nauigkeit realisieren lassen. Unabhängig von der Nutzung steht der Rohstoff Holz für eine nachhaltige Bauweise, und es lassen sich damit Räume schaffen, die für Heilungsprozes­ se und Genesung förderlich sind. Das Spektrum der realisierten Projekte, die wir Ihnen in dieser Holzbulletin-Ausgabe vorstel­ len, reicht vom Schul- und Wohnhaus Tanne für Menschen mit einer Hörsehbehinderung in Langnau am Albis über die Erweiterung des Hauses 8 der Klinik Beverin in Cazis bis zum ersten in Holzbau realisierten Spital im Kanton Freiburg. Holz spielt bei all diesen Projekten eine wichtige Rolle: Sei es als Tragkonstruktion, als Material, mit dem sich die Orientierung im Raum haptisch erfassen lässt, oder als Roh­ stoff für die Gestaltung von wohnlichen In­ nenräumen im Zusammenspiel mit anderen Materialien. Dass der Trend bei Kliniken und Spitälern auch weiterhin Richtung Holzbau geht, zeigen zwei aktuelle Projekte. Für das Haus T der psych­ iatrischen Klinik des Kantonsspitals Münsterlin­ gen forderte die Bauherrschaft im Rahmen des im Januar 2020 entschiedenen Gesamt­ leistungswettbewerbs ausdrücklich einen Holz­ bau. Und auch beim Neubau des Kinderspitals in Zürich von Herzog & de Meuron findet Holz vielfältige Verwendung: Die Fassade des dreigeschossigen Akutspitals, das wie eine Rasterstadt mit Strassen, Kreuzungen und Plät­ zen funktioniert, besteht aus einem Geflecht verschiedener Materialien. Eine primäre, raum­ haltige Betonstruktur als Teil des Tragwerks fasst wie ein Regal Erd- und erstes Oberge­ schoss zusammen. Die Art der Füllungen aus Holz, Glas, Stoff und Pflanzen variiert abhän­ gig von der Nutzung des dahinterliegenden Raumes. Auch im Innenausbau und für die Gestaltung der Patientenzimmer wird Holz verwendet. Das neue Kinderspital Zürich be­ findet sich aktuell im Bau und wird voraus­ sichtlich 2022 eröffnet.

Jutta Glanzmann Technische Kommunikation Lignum

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Gesamtsanierung Haus 8, Klinik Beverin, Cazis Das Therapiehaus ist Teil der Gesamtanlage der Klinik Beverin. Zentral für die Erneuerung des Gebäudes sind der Lichthof als Orientie­ rungspunkt und die neue Fassade aus Lärche. Holz bestimmt auch die Wahrnehmung in den Innenräumen, die sich durch die grossflächi­ gen Fenster mit dem Aussenraum verweben. In den Jahren 1916/17 realisierte Architekt Otto Manz den Bau der Klinik Beverin. Diese liegt am Rand von Cazis im Grünen – umgeben von vielen Bäumen. Bis Anfang der 1970erJahre wurde die Klinik baulich kaum verändert, danach gab es verschiedene Erweiterungsbau­ ten. Das Haus 8, um das es hier geht, wurde 1974 als Gebäude für Beschäftigungstherapien mit integrierter Turnhalle erstellt und liegt am Rand der Gesamtanlage. Im Frühjahr 1994 lancierte der Kanton Graubünden einen öffent­ lichen Architekturwettbewerb für die Sanierung der Klinik. Die Aufgabe bestand darin, die Anlage von Otto Manz räumlich so zu ergän­

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zen, dass diese den Bedürfnissen einer zeitge­ mässen Psychiatrie entsprach. Dabei sollte die Bausubstanz wo möglich erhalten bleiben und sinnvoll genutzt werden. Insbesondere dem ursprünglich symmetrischen Muster der Anlage und ihrem Charakter als ‹Waldsiedlung› wollte man Rechnung tragen. Die Ergänzung des bestehenden Wegnetzes machte die An­ lage in der Folge durchlässiger. Das Haus 8 wurde im Rahmen dieser Gesamtsanierung im Bereich der Dächer und Betonfassadenver­ kleidungen sowie mit betriebsbezogenen An­ passungen bestmöglich instandgesetzt und zusätzlich behindertengerecht erschlossen. Im Frühling 2017 schrieben die psychiatrischen Dienste einen Architekturwettbewerb auf Einladung aus, mit dem Ziel, für das Haus 8 eine konzeptionelle Idee für eine ganzheitliche Erneuerung zu entwickeln. Dabei standen ne­ ben der Neuorganisation des Raumprogramms und der Nutzungsstrukturen auch Fragen der Energieeffizienz, der Qualität der Arbeits­

räume oder der Erdbebensicherheit im Zentrum. Mit dem Innenhof, der Licht ins Zent­ rum bringt und zur räumlichen Strukturierung und Orientierung dient, überzeugten Albertin Architekten die Jury. Das Gebäude wurde in der Folge bis auf die Stützen und Decken zu­ rückgebaut und das Material rezykliert. Die bestehenden statischen Bauteile ergänzte man mit tragenden Wänden, die zur Erdbeben­ tauglichkeit notwendig waren. Die Treppenan­ lage und die räumliche Organisation wurden in das neue Raumkonzept integriert. Die Fassade ist neu in Holz konzipiert. Zentral sind dabei die grossflächigen Fenster, welche die Nähe zum Wald und zum bestehenden Baumbestand thematisieren und im Inneren erfahrbar machen. Die Lärche, die sowohl für die Fassade als auch in den Innenräumen als bestimmendes Material eingesetzt wurde, prägt den Ausdruck und die Wahrnehmung des Gebäudes und verbindet sich harmonisch mit der Umgebung. Die Therapieräume wer­


den neu lediglich durch schrankartige Holzein­ bauten voneinander getrennt, was eine de­ zente Durchlässigkeit schafft. Der Innenhof ist Orientierungshilfe, aber auch Licht- und Frisch­ luftquelle. Gerade im Sommer sorgt er für ein angenehmes Raumklima ohne zusätzliche Technik. Die Fenster, Schränke, Simse und Friese sind aus Lärche gefertigt – in traditionel­ ler Handwerkskunst zusammengeführt und äusserst präzise verarbeitet. Der Boden besteht aus mineralischen Produkten, in den Korridoren und Nasszellen aus Hartbeton, in den Therapie­ zimmern aus einem farblich auf das Holz ab­ gestimmten Linoleumbelag. Durch die Reduk­ tion auf nur wenige Materialien entstanden helle, stimmige Räume mit angenehmen Pro­ portionen. Das neue Atelierhaus der Klinik bietet heute Raum für künstlerische und handwerkliche Tätigkeiten der Patienten und Patientinnen. Es können zudem Hör-, Bewegungs- und Einzel­ therapien stattfinden. Dazu kommen eine in­

terne Schreinerei und eine Gartenabteilung. Neben den Therapieräumen sind auch Admi­ nistrations- und zwei Sitzungsräume für das Fachpersonal integriert. Die zugehörige Turn­ halle, die über einen separaten Zugang auto­ nom nutzbar ist, befand sich in einem guten Zustand. Deshalb wurde bis auf wenige Ein­ griffe im Inneren nur die Fassade erneuert. Die sanitären Anlagen wurden gänzlich ersetzt. Im Foyer betonen neue Türen und eine akus­ tisch wirksame, schlichte Gipsdecke mit integrierten, grossflächigen Lichtkreisen den An­ kunftsort. Hier können auch Apéros oder Empfänge stattfinden. Die Haustechnik wurde vollumfänglich erneuert. Der Anschluss der Heizung an das Wärmeverbundnetz der ge­ samten Klinikanlage unterstützt die nachhal­tige und ökologische Sanierung des Therapiehau­ ses. Zusätzlich ist das Dach für die Installation einer Fotovoltaik-Anlage vorbereitet.

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Erdgeschoss

Obergeschoss

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Schnitt

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Ort La Nicca Strasse 17, 7408 Cazis Bauherrschaft Psychiatrische Dienste Graubünden, Chur Architektur Albertin Architekten, Haldenstein Bauleitung Christian Gees, Scharans Bauingenieur Liesch Ingenieure AG, Chur Holzbauingenieur INVIAS Zindel Uffer, Maienfeld Bauphysik Bernhard Bauexperte, Chur Elektroingenieur Hegger + Disch Elektroplanung, Chur Ingenieur HLS Züst Ingenieurbüro Haustechnik AG, Grüsch Holzbau Mark Holzbau AG, Scharans; Sulser Fenster AG, Mels (Fenster); Andrea Gredig Schreinerei, Sarn (allgemeine Schreinerarbeiten, Innen- und Aussentüren, Wandbekleidung)

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Materialien Massivholz Lärche für Terrassenroste, 26 x 80 mm, 40 m2 (Schweizer Holz); Massivholz Lärche Unterkonstruktion Fassade und Terrasse 30–40 x 60 mm, 4 m3 (Schweizer Holz); Leimholz Lärche für Unter- und Sichtkonstruktionen 12 m3 (Schweizer Holz); sibirische Lärche für Fassadenbekleidung, 24 x 60–140 mm, 670 m2; Leimholz Eiche für Fensterbänke 13 m3 (Herkunft Frankreich) Grundstücksfläche nach SIA 416 241 966 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 898 m2 Geschossfläche nach SIA 416 1952 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 7546 m3 Bauzeit Juli 2018 bis Februar 2020 Fotograf Ingo Rasp, Chur


Aufbau Dach: Extensive Begrünung 100 mm Trennlage Abdichtung 10 mm Wärmedämmung im Gefälle 180–100 mm Dampfsperre 10 mm Stahlbeton bestehend Aufbau Wand Dachrand: Bretterschalung liegend mit Nut und Kamm, Lärche gehobelt, natur 24 mm Hinterlüftung / Lattung 30 mm Windpapier Wärmedämmung 120 mm OSB-Platte 27 mm Stahlbeton bestehend Aufbau Wand Deckenstirn: Bretterschalung liegend mit Nut und Kamm, Lärche gehobelt, natur 24 mm Hinterlüftung / Lattung 30 mm Windpapier Wärmedämmung 180 mm Stahlbeton bestehend Aufbau Wand Sockelgeschoss: Aussenputz 10 mm Wärmedämmung 240 mm Bitumenbeschichtung Stahlbeton bestehend

Detailschnitt Fassade

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Situation


Schul- und Wohnhaus Tanne, Langnau am Albis Zwei Holzbauten mit Betonkern erweitern das Kompetenzzentrum für Menschen mit Hör­ sehbehinderung zu einem Quartier mitten im Dorf. Die sorgfältig gestalteten Fassaden in Holz schaffen einen Kontrast zum bestehen­ den Sichtbacksteinbau, und die unterschied­ lichen Eigenschaften der verwendeten Mate­ rialien unterstützen die Orientierung in den Innenräumen. Für die Erweiterung des Kompetenzzentrums in Langnau am Albis schrieb die Schweizerische Stiftung für Taubblinde 2015 einen Studien­ auftrag im selektiven Verfahren aus, den die Basler Architekten Scheibler & Villard für sich entschieden. Ihr Entwurf umfasst zwei Bau­ körper: Während das öffentlichere Schul- und Betriebsgebäude näher an der Strasse liegt, steht das privatere Wohnhaus etwas zurück­ versetzt in der Nähe des bestehenden Wohn­ gebäudes. Die beiden Neubauten sind in ihrer Dimension etwas grösser als die Gebäude der Nachbarschaft, jedoch deutlich kompakter als der bestehende Backsteinbau der Anlage. Damit vermitteln sie zwischen der Dorfstruk­ tur und dem grossen Bestandsgebäude und binden dieses besser in seine Umgebung ein. Es entsteht eine lokale Vergrösserung der städte­ baulichen Körnung mit einer durchlässigen Quartierstruktur, die allen offensteht: Ein Fuss­ weg führt mit leichter Steigung mitten durch die Anlage und an den Zugängen aller Ge­ bäude vorbei. Eine breite Treppe entlang des Schul- und Betriebsgebäudes markiert den Hauptzugang von der Dorfstrasse her. Die Anlage besteht heute aus insgesamt fünf Gebäuden. Das neue Wohnhaus umfasst 24 Zimmer für die Bewohner, eine Kindertages­ stätte, Räume für die Tagesstruktur und eine Wäscherei. Die acht Schul- und neun Therapie­ räume liegen im neuen Schul- und Betriebs­ gebäude, ebenso wie die Gastroküche, eine öffentliche Cafeteria und verschiedene Büro­ räume. Bereits bestehende Bauten sind das Wohngebäude mit 45 Zimmern, das Hauptge­ bäude mit der Verwaltung, weiteren Therapie­ räumen, Ateliers und einem neuen Therapie­ bad sowie das verputzte Fachwerkhaus aus dem Jahr 1835 eingangs des Areals. Im Zentrum der Anlage liegt der Schulhof, der trotz der durchlässigen Struktur die notwendige Geborgenheit bietet.

Die statische Struktur der zwei Neubauten besteht jeweils aus einem dreigeschossigen zentralen Kern in Ortbeton und seitlich ange­ hängten Volumen in Holzelementbauweise. Diese primäre konstruktive Gliederung be­ stimmt auch die Materialisierung: mineralische Baustoffe für die offenen Bereiche wie Woh­ nen und Erschliessung, Holz für die Zimmer. Dieser Kontrast, der haptisch, aber auch über den Geruch und die Oberflächentemperatur erlebbar ist, erlaubt eine räumliche Orientie­ rung. Der Betonkern ist der Bezugspunkt in der Mitte der Gebäude. Grafische Muster in den Betonoberflächen der Wände, die sich pro Geschoss unterscheiden, ermöglichen die Zuordnung über den Tastsinn. Die Treppen­ häuser selbst sind als skulpturale Betonkörper ausgebildet, was durch die mittige Brüstung verstärkt wird, die das ganze Treppenauge aus­ füllt. Die Reduktion des Farbspektrums auf zwei Farbfamilien – Rot für das eine, Grün für das andere Haus – ermöglicht neben den Material- und Oberflächenkontrasten eine wei­ tere Orientierungshilfe für die Bewohnerinnen und Bewohner, die hör- und sehbehindert und teils mehrfach körperlich behindert sind. Im Gegensatz zum Sichtbacksteinbau aus den 1990er-Jahren und dem Fachwerkhaus be­ stehen die Fassaden der Neubauten aus einer Holzverkleidung, die durch eine Lasur mit einem grünlichen Farbanteil vorvergraut wurde. Ihre Gestaltung und Gliederung lässt Rück­ schlüsse auf die dahinterliegende Nutzung zu. So entsteht automatisch eine Differenzierung der Aussenwahrnehmung der zwei Neubau­ ten. Beiden gemeinsam sind die horizontal umlaufenden Bänder, welche die Geschossig­ keit abbilden, und die zwischen die Bänder gespannten Lisenenprofile, welche die Fassade vertikal strukturieren. Holz-Metall-Fenster, die bronzefarben anodisiert sind, und Stoffmar­ kisen in dunklem Rot ergänzen das sorgfältig gestaltete Fassadenbild. Die Wärmeerzeugung erfolgt über eine Erd­ sonden-Wärmepumpe. Im Sommer wird Wär­ me aus dem Gebäude wieder dem Erdreich zugeführt. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Fussbodenheizung, die im Sommer auch zur sanften Kühlung dient. Die Bereiche Gastro und Wäscherei werden mechanisch belüftet, ebenso wie sämtliche innenliegenden Räume wie Nasszonen und Nebenräume. Die Schulund Therapieräume und die Zimmer der Be­ wohnerinnen und Bewohner lassen sich über die Fenster natürlich belüften.

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Erdgeschoss

1. Obergeschoss

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Längsschnitt


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Aufbau Dach: Extensive Dachbegrünung 100 mm Wasserspeichermatte 20 mm Abdichtung 10 mm Wärmedämmung im Gefälle (min.) 140 mm Dämmung, Lage Elektrorohre, Bauzeitabdichtung 95 mm Dampfbremse 5 mm OSB-Platte 15 mm Hohlkastenelement 240 mm Aufbau Wand mit Spalier: Spalierelement 87 mm Schalung Fichte / Tanne 16 mm Lattung Fichte / Tanne, hinterlüftet 40/40 mm Konterlattung Fichte / Tanne, hinterlüftet 40/40 mm Windpapier Holzelement tragend 282 mm Gipsfaserplatte 15 mm Mineralwolle 240 mm Furnierschichtholz 27 mm Mineralwolle, Installationsebene 45 mm Dreischichtplatte, Fichte / Tanne 15 mm Aufbau Wand ohne Spalier: Schalung Fichte / Tanne 20 mm Lattung Fichte / Tanne, hinterlüftet 60/60 mm Konterlattung Fichte / Tanne, hinterlüftet 60/60 mm Windpapier Holzelement tragend 270 mm Gipsfaserplatte 15 mm Rahmenholz ausgedämmt 240 mm OSB-Platte 15 mm Installationslattung ausgedämmt 60 mm Dreischichtplatte Fichte / Tanne 19 mm Aufbau Decke Obergeschoss: Linoleum 10 mm Unterlagsboden inkl. Bodenheizung, Trennlage 70 mm Trittschalldämmung 50 mm Schüttung 75 mm OSB-Platte 15 mm Hohlkastenelement 240 mm Aufbau Decke Erdgeschoss: Linoleum 10 mm Unterlagsboden inkl. Bodenheizung, Trennlage 70 mm Trittschalldämmung 30 mm Wärmedämmung 50 mm Betondecke 250 mm

Detailschnitt Fassade

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Ort Alte Dorfstrasse 3d, 8135 Langnau am Albis Bauherrschaft Tanne, Schweizerische Stiftung für Taubblinde, Langnau am Albis Architektur Scheibler & Villard GmbH, Basel Generalplanung ARGE mit Steiner Hutmacher Bauleitung AG, Zürich Landschaftsarchitektur Hoffmann & Müller Landschaftsarchitektur GmbH, Zürich Bauleitung Steiner Hutmacher Bauleitung AG, Zürich Bau- und Holzbauingenieur Conzett Bronzini Partner AG, Chur Brandschutz- und Sicherheitsplaner Holliger Consult GmbH, Epsach Elektroingenieur Pro Engineering AG, Basel HLK-Ingenieur / Fachkoordination Waldhauser & Hermann AG, Münchenstein Sanitäringenieur Gemperle Kussmann GmbH, Basel Bauphysik / Akustik Mühlebach Partner AG, Winterthur

Signaletik Howald Fosco Biberstein, Basel Lichtplanung Mettler+Partner Licht AG, Zürich Holzbau Blumer-Lehmann AG, Gossau Materialien Massivholz: Schweizer Holz Fichte / Tanne 30 m3; Fichte / Tanne aus Europa 40 m3; Hohlkasten Fichte / Tanne aus CH/D/AT, 220 m3, OSB3-Platten 15 mm 4370 m2, Dreischichtplatten 42 mm 230 m3, Dreischichtplatten 27 mm 1638 m2, Drei­schichtplatten 19  mm 900 m2, Massivholzplatten 24 mm 1025 m2, Furnierschichtholz 21 m3 Baukosten BKP 1–9 CHF 31,393 Mio. Grundstücksfläche nach SIA 416 3337 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 1397 m2 Geschossfläche nach SIA 416 6806 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 23 793 m3 Bauzeit Mai 2017 bis April 2019 Fotograf Rasmus Norlander, Zürich

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Geschützte Werkstätten, Lavigny Im Südosten der Institution Lavigny, die von grüner Kulisse umgeben ist, sind neue Werk­ stätten entstanden. Dank der Holzbauweise bereiten sie den Menschen, die dort leben und arbeiten, einen warmen Empfang. Gewächs­ häuser für den Anbau von Blumen sowie eine Halle für landwirtschaftliche Geräte vervoll­ ständigen das Projekt. In der bereits 1906 gegründeten Institution Lavigny werden Menschen mit Epilepsie und anderen Erkrankungen, die eine Neurore­habilitation erfordern, behandelt. Knapp 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den verschiedenen Standorten beschäftigt. Die Institution umfasst eine Schule, geschützte Werkstätten, ein Krankenhaus und ein Wohn­ gebäude. Dieser Rahmen fördert den sozialen Austausch und ermöglicht es den Patientinnen und Patienten, ihre Selbständigkeit zu ent­ wickeln. Die geschützten Werkstätten selbst bieten rund hundert Arbeitsplätze für Personen, denen die Eingliederung in den ersten Arbeits­ markt verwehrt bleibt. Um die Gartenwerk­ stätten und die Werkstätten für Malerei und andere Dienstleistungen unter einem Dach zu vereinen, hat die Institution Lavigny ein neues Gebäude bauen lassen. Indem man den Bau parallel zum Hang an­ legte und auf ein Untergeschoss verzichtete, liess sich der Aushub auf ein Minimum re­ duzieren. Das eingeschossige Volumen ist be­ hindertengerecht gestaltet und verfügt über

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zwei Eingänge. Unter dem ausgedehnten Dach befinden sich Räume mit verschiedenen Funk­ tionen, darunter Büros, Garderoben, Dienst­ räume und Werkstätten. Eine grosse, nicht beheizte, aber frostgeschützte Halle mit viel­ fältigen Nutzungsmöglichkeiten verlängert den Hauptbau. Das im Grundriss geknickte Volu­ men definiert einen geschützten Hof, an den die Gewächshäuser und die Gerätehalle an­ schliessen und der im Süden eine atemberau­ bende Sicht auf den Genfersee und die Alpen bietet. Formal orientiert sich das Bauwerk an den pavillonartigen Gebäuden der Umgebung. Die Fassade ist in ihrer Höhe begrenzt, um das menschliche Mass einzuhalten und die Sicht nicht zu verstellen. Das bepflanzte Dach des Komplexes verfügt über einen Wasser­ speicher, der für die Bewässerung der Pflanzen verwendet wird. Im Süden finden darunter auch eine Waschanlage für Fahrzeuge und eine Holzhackstation Platz. Das Gebäude besteht vollständig aus Holz, wobei das Tragwerk und die Innenwände un­ abhängig voneinander sind. Im Süden schliesst die unbeheizte Halle direkt an den gedämm­ ten Teil an, wodurch sich eine Aussenwand einsparen liess. Der überdachte, stützenlose Bereich ermöglicht eine vollständig flexible Nutzung. Die mit einer Dämmung aus Zellu­ losefasern versehenen Fassadenelemente des beheizten Teils wurden in der Werkstatt vorgefertigt und in weniger als zehn Tagen vor Ort montiert. Die Schalung, die dem Komplex

ein einheitliches Aussehen verleiht, besteht aus senkrechten Douglasienlatten mit einem Querschnitt von 50 x 50 mm. Diese sind so verlegt, dass dazwischen jeweils ein Zwischen­ raum von ebenfalls 50 mm bleibt. Im unbe­ heizten Teil liegen die Latten auf einer trans­ parenten Polykarbonatplatte, so dass Licht ins Innere dringen kann. Die offen verlegte Tech­ nik erleichtert deren Wartung und mögliche künftige Umbauten. Das Projekt erfüllt beispielhaft die Anforde­ rungen der 2000-Watt-Gesellschaft: 100 % des Bedarfs für Strom und Heizung stammen aus erneuerbaren Energien – 20 % des Stroms werden durch eine Fotovoltaik-Anlage vor Ort produziert, 80 % sind Ökostrom. Der Wärme­ bedarf wird zu 100 % mit Hilfe einer Hack­ schnitzelanlage vor Ort gedeckt. Das Dach entwickelte man mit dem Planungstool SméO, das die Lebenszyklusphasen des Gebäudes vom Entwurf bis zum Abbruch in Beziehung setzt. Die gewählten Materialien sind kostengünstig, widerstandfähig und weisen einen äusserst niedrigen CO2-Fussabdruck auf. Darüber hin­ aus bieten sie beruhigende Farben und sorgen für eine warme Atmosphäre in den Innen­ räumen.


Situation

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Ort Route du Vignoble 60, 1175 Lavigny Bauherrschaft Fondation Institution de Lavigny, Lavigny Architektur Ferrari Architectes, Lausanne; Mitarbeit Sébastien Zwissig, Steve Cherpillod, Florence Pulicani Landschaftsarchitektur Hüsler et associés, Lausanne Bau- und Holzbauingenieur Consortium JLP – Jeannet / Liard / Natterer, Moiry Brandschutz Ignis Salutem SA, Saint-Légier Elektroingenieur Scherler (SRG), Le Mont-sur-Lausanne HLK-Ingenieur Pierre Chuard SA, Lausanne Holzbau Atelier Volet, St-Légier Materialien Tragstruktur 141 m3, Dreischicht- und OSB-Platten 39,5 m3, Fassadenverkleidung Douglasie 16,9 m3 (Herkunft Schweiz und Deutschland) Baukosten BKP 1–9 CHF 5,88 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 2 CHF 4,51 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 214 CHF 590 981.– inkl. MWST Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 854.– Grundstücksfläche nach SIA 416 234 454 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 1167 m2 Nutzfläche 890 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 4466 m3 Bauzeit Juni 2015 bis Juni 2016 Fotograf Jusuf Supuk, Winterthur

Aufbau Dach: Extensive Begrünung 100 mm Abdichtung bituminös 5 mm Wärmedämmung 320 mm Dampfbremse OSB-Platte 27 mm Balken 120/280, e = 600 mm Sparren 200/400 mm Abgehängte Decke, Gipskarton Aufbau Wand: Schalung vertikal, Douglasie sägeroh 50/50 mm Querlattung 50/50 mm Diffusionsoffene Unterdachplatte 35 mm Dämmung 260 mm Dampfbremse OSB-Platte 15 mm

Detailschnitt Fassade

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Längsschnitt

20 m

Erdgeschoss

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Blindenschule, Zollikofen Das neue Wohnhaus der Blindenschule Zolli­ kofen bietet Platz für 30 Kinder. Der vierge­ schossige Holzbau mit einem Therapiebad im Gartengeschoss fügt sich in die heterogene Bausubstanz der Schule ein und schafft mit seiner Ausstrahlung Identität und ein Gefühl von Zuhause. Die sorgfältig gestaltete Holz­ architektur stärkt diese Wahrnehmung. Der viergeschossige Neubau an der Kirchlin­ dachstrasse 39 ersetzt zwei nicht behinderten­ gerechte Häuser der Blindenschule in Zolli­ kofen. Er verdichtet das Areal der Schule dort, wo die weiten Grünflächen nicht tangiert wer­ den und die Zufahrt ohne grossen Aufwand möglich ist. Das langgezogenen Volumen mit rechteckigem Grundriss passt sich formal und mit den gewählten Proportionen in das beste­ hende Gefüge der Blindenschule ein. Eine offene, dreigeschossige Laube verbindet den neuen Baukörper mit dem benachbarten Schul­ gebäude und bindet ihn so an das bestehende Bewegungsnetz an. Die in der Vergangen­heit gewachsene Struktur wird weitergebaut und bleibt gleichzeitig offen für verschiedene Zukunftsszenarien. Eine Betonmauer fasst das Gebäude im Hang und grenzt es gleichzeitig ab. Die Zugangs­ strasse führt entlang dieser Mauer auf den geborgen gelegenen Vorplatz, der mit den mittig plazierten Gemüse- und Blumenbeeten in erster Linie den Kindern gehört: Hier kann man spielen und verweilen. Der Platz dient aber auch als Zufahrt zum gedeckten Eingangsbe­ reich des Neubaus. Über eine grosszügige Halle betritt man das Haus, wo 30 Kinder wohnen – aufgeteilt in drei Wohngruppen auf drei Ge­ schossen. Für zehn weitere Kinder, die extern wohnen, gibt es im Gartengeschoss einen Be­ reich, wo sie während der Mittagszeit betreut werden können. Auf dem gleichen Niveau ent­ stand ein neues Therapiebad. Der lichte Raum mit den grossformatigen Fenstern ist gross­ zügig und entspricht den Anforderungen und Bedürfnissen der Kinder und Betreuenden. Im Mittelpunkt steht das Therapiebecken aus Chromstahl. Die drei Wohngeschosse sind im Grundriss fast identisch: Direkt neben der Haupttreppe und den Liften liegt der belebte Wohn- und Essbereich als Mittelpunkt der Wohnung. Die­ ser erstreckt sich über die gesamte Gebäude­ tiefe. Von hier gelangen die Kinder in die ruhi­ geren Schlafbereiche. Die Zimmer öffnen sich gegen Süden, während die zudienenden Räume gegenüber dem Gang angeordnet sind. Am Ende der Zimmersequenzen weitet sich dieser jeweils erneut zu grosszügig und flexibel ge­ staltbaren Räumen, die sich individuell nutzen lassen. Im Hochparterre und ersten Oberge­ schoss gelangt man von der Wohnung über die Laube direkt ins benachbarte Schulhaus.

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Dies ermöglicht eine Entlastung der Lifte im Schul- und Wohnhaus. Gleichzeitig bieten die weitläufigen Lauben aber zusätzlichen Raum für Begegnungen und Keativität. Sie lassen sich beispielswesie als Freiluftschulzimmer oder für den Mittagstisch nutzen. Im zweiten Obergeschoss ersetzt ein grosszügiges Veran­ dazimmer mit grossen Fenstern und dem Blick über die Dächer den fehlenden Zugang zur Laube. Mit der einfach und pragmatisch gestalteten Raumstruktur des Wohngebäudes reagieren die Architekten auf die strukturelle und konstruktive Logik des Holzbaus. Zwischen den drei aussteifenden Betonkernen, welche der Erschliessung dienen, ist der viergeschossige Holzbau eingespannt und wird von den als Schotten ausgebildeten Querwänden getragen. Die mit 12 m relativ kleine Gebäudetiefe er­ laubt, die Wände partiell aufzulösen. So liessen sich die einzelnen Räume wo gewünscht zu offenen Wohnbereichen oder einer TherapieSchwimmhalle verbinden. Mit den nach dem Schichtprinzip konstruierten Wänden und Decken konnten die Anforderungen an Schall, Brandschutz und Installationsführung einfach gelöst werden. Vertikal und horizontal durch­ laufende Technikschächte, die gut zugänglich sind, erfüllen die geforderte Systemtrennung. Die je nach Orientierung unterschiedlich breiten Fenster unterstützen die Minergie-PAnforderungen. Holzlamellen bieten zusätzlich einen differenzierten Schutz. Mit den unter­ schiedlichen Elementen der Holzfassade – ver­ tikale Bänder, welche die Geschossigkeit beto­ nen, abwechselnd vertikale und horizontal verlaufende Verkleidungen sowie Holzlamellen als Sonnenschutz – entsteht ein vielfältiges Bild, das durch die lichte Struktur der Laube ergänzt wird, die mit vertikalen Lamellen ein­ gefasst wurde und so durchlässig und transpa­ rent wirkt. Der besonders ausgeprägten Sensibilität der Kinder widmeten die Architekten spezielle Aufmerksamkeit. Die Holzarchitektur bildet den ausdrucksstarken, aber ruhigen Rahmen dafür. Grosse, tiefreichende Fenster lassen Licht und Wärme in die Zimmer fluten, er­ möglichen aber dennoch durch eine rollstuhl­ gerechte Brüstung den notwendigen Rückzug. In den Zimmern sind Decken, Böden und Möbel aus Holz, was den Wohn- und Nutz­ wert steigert. An der roh belassenen Brettstapel­ decke, die dank einer Ausnahmebewilligung unverkleidet bleiben konnte, lassen sich die verschiedensten Hilfsvorrichtungen ganz ein­ fach und flexibel verschrauben. Verschiedene Materialien und Oberflächen und eine an­ gepasste Lichtführung fördern die Sinne der Kinder. Das fliessende Kontinuum aus Räumen und Erschliessungszonen mit differenzierten Raumhöhen unterstützt die Orientierung.


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Schnitt

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Gartengeschoss

Erdgeschoss

2. Obergeschoss

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Aufbau Dach: Dachrand als Wandelement-Erweiterung Recycling-Kies 50 mm Schutzmatte 800 g/m2 Abdichtung zweilagig, bituminös Dämmung 140 mm Gefällsdämmung, 20–150 mm Dampfsperre bituminös, Bauzeitabdichtung OSB-Platte als Deckenscheibe 15 mm Brettstapeldecke sichtbar 140 mm Aufbau Wand: Fassadenlamellen Weisstanne druckimprägniert, einfach geölt 80 mm Schalungsbretter Weisstanne druckimprägniert 24 mm Lattung für Hinterlüftung 30 mm Fassadenbahn Gipsfaserplatte 18 mm Ständerkonstruktion mit integrierter Dämmung, Mineralwolle 360 mm Gipsfaserplatte 18 mm Dampfbremse Gipsfaserplatte 15 mm Gipsfasertapete Aufbau Boden: Parkett massiv, Eiche 10 mm Unterlagsboden Anhydrit mit Bodenheizung 80 mm Trennlage Trittschalldämmung Mineralwollplatte 40 mm Splittschüttung gebunden 70 mm OSB-Platte 15 mm Brettstapeldecke sichtbar 160 mm

Detailschnitt Fassade

3432


Ort Kirchlindachstrasse 39, 3052 Zollikofen Bauherrschaft Stiftung für blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche, Zollikofen Architektur Rolf Mühlethaler Architekt BSA SIA, Bern; Mitarbeiter/-innen: Marion Heinzmann, Rahel Affolter, Linus Ernst Landschaftsarchitektur Extra Landschaftsarchitekten AG, Bern Bauleitung P. Hefti Bauberatung GmbH, Worb Ingenieur Tief- und Betonbau Hartenbach & Wenger AG, Bern Holzbauingenieur Indermühle Bauingenieure HTL SIA, Thun Elektroingenieur Hefti Hess Martignoni AG, Bern HLS Gruner Roschi AG, Bern Bauphysik B&S AG, Bern Brandschutzplanung Wälchli Architekten Partner AG, Ostermundigen Holzbau Hector Egger Holzbau AG, Langenthal

Materialien Konstruktionsholz (Herkunft ausschliesslich Schweiz): Vollholzdecken nicht sichtbar 185 m3, Brettstapeldecken sichtbar 93 m3, Brettschichtholz GL24h – GL32h 196 m3, Rahmenholz C24 75 m3; Holzwerkstoffe (Herkunft Europa mit Label): Dreischichtplatten (d = 60 mm) 505 m2, Dreischichtplatten (d = 19/d = 27 mm) 1035 m2, OSB-Platten 1905 m2 Energiestandard Minergie-P-Eco Energie Fotovaltaik-Anlage Wärmeerzeugung Fernwärme (75 % Holzschnitzel, 25 % Erdgas) Baukosten BKP 2 CHF 13,2 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 214 CHF 2,75 Mio. inkl. MWST Bausumme total CHF 15,7 Mio. inkl. MWST Kubikmeterpreis (BKP 2), inkl. Laube CHF 1115.– inkl. MWST Grundstücksfläche nach SIA 416 21 500 m2 (Gesamtfläche Blindenschule) Gebäudegrundfläche nach SIA 416 601 m2 (Wohnhaus neu), 196 m2 (Laube neu), 3560 m2 (gesamte Schule) Geschossfläche nach SIA 416 3344 m2 (davon Laube 320 m2) Gebäudevolumen nach SIA 416 11 860 m3 (davon Laube 1495 m3) Bauzeit November 2017 bis Juli 2019 Fotograf Caspar Martig, Bern

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Aufstockung und Erweiterung Klinik aarReha, Schinznach-Bad Zwei Aufstockungen in Holz und ein Ver­ bindungsbau ergänzen die um einen Hof situ­ ierte Klinik aarReha in Schinznach-Bad. Holz fand nicht nur als Material für die Tragkonst­ ruktion Verwendung, sondern auch für die Gestaltung des Innenausbaus. Entstanden sind vielfältige Räume für Personal und Patien­ ten, die auch von der Unmittel­barkeit des naturbelassenen Materials leben. Die Bauten der Klinik aarReha wurden wäh­ rend zweier Bauperioden in den 1970er- und Ende der 1990er-Jahre realisiert. Dies zeigt sich formal in unterschiedlich gestalteten Fas­ saden und verschiedenen Ausbaustandards. Eine Erweiterung der verschachtelten Baukör­ per, die im Lauf der Zeit innerhalb eines be­ grenzten Perimeters und entsprechend den funktionalen Bedürfnissen erstellt wurden, war nur in der Höhe oder durch eine Reduktion des Hofes möglich. Betriebsintern bezeichnete man die einzelnen Gebäudeteile mit Namen, um die Orientierung zu erleichtern: Linden­ haus, Aarehaus, Jurahaus und Quellenhaus. Ein zentraler Innenhof verbindet die verschie­ denen Trakte. Dieser wurde bereits bei der letzten baulichen Erneuerung mit der Gestal­ tung der Umgebung und mit künstlerischen Eingriffen zum Mittelpunkt der Anlage ge­ macht. Bei der nun erfolgten Erweiterung sollte der Hof seine Dimensionen und die damit verbundene räumliche Qualität behalten. Er bringt Ruhe in die bauliche Vielfalt und gibt dem Gefüge der verschiedenen Volumen Halt.

Der Entwurf von Architheke schlug deshalb vor, den Fussabdruck der Anlage nicht zu ver­ grössern und diese mittels Aufstockungen des Aare-, Linden- und des Jurahauses sowie durch Einfügen eines Traktes zwischen Juraund Quellenhaus zu erweitern, neu als ‹Viadukt› bezeichnet. Ein weiteres Ziel war, die angestrebte bauliche Verdichtung so zu gestalten, dass diese sich in die bestehende Umgebung und Architektur einpasste. Während sich das neue Attikage­ schoss des Jurahauses mit der Gestalt der Aus­ senhülle deutlich von der Sichtbetonfassade des Bestands abhebt, schreibt die Aufstockung des Aarehauses das Bild der Fassade fort, so dass jene für Aussenstehende erst auf den zweiten Blick erkennbar wird. Der Zwischen­ trakt schliesslich bezieht sich formal und farb­ lich mit seinem Äusseren auf das angrenzende Quellenhaus. Die neu geschaffenen Arbeitsräume und Patien­ tenzimmer liegen so, dass sie von der Beson­ nung und Aussicht des schön gelegenen Grund­ stücks profitieren. Im Inneren entstand eine lebendige Vielfalt von Bereichen: Eingang, Cafeteria, Ess- und Bewegungsräume, Sitzungs­ zimmer oder Patientenzimmer. Für alle diese Räume passte man Farben, Material, Möbel und Beleuchtung den individuellen Anforde­ rungen entsprechend an. Die Tragstruktur der Aufstockungen wurde als Leichtbaukonstruktion in Holz realisiert. So liessen sich die zusätzlichen Lasten für die Alt­ bauten und Fundamente möglichst gering

halten. Zusätzlich wollte man die Holzkonstruktion für die Stimmung und Atmosphäre in den Innenräumen gezielt nutzen. Holz als Material sollte in seiner ganzen Kraft als pri­ märes und hochwertiges Baumaterial erlebbar sein. Die massiven Lärchenholzplatten an den Wänden oder die Deckenplatten in Fichte ver­ mitteln diese Intensität beispielhaft. Damit wollten die Architekten Orte schaffen, an denen man zu neuen Kräften kommen kann: Nicht nur der Blick in die schöne Auenland­ schaft oder in die Baumkronen der Platanen, auch die Ruhe und Unmittelbarkeit der natur­ belassenen Materialien bieten eine willkom­ mene Zusatztherapie.

1 2 5 1 Lindenhaus 2 Aarehaus 3 Jurahaus 4 Verbindungsbau 5 Quellenhaus

3

4

Situation

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1. Obergeschoss

3436


3. Obergeschoss

4. Obergeschoss

Schnitt

20 m

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Aufbau Dach: Extensive Dachbegrünung Pflanzsubstrat 100 mm Drainageschicht 20 mm Schutzvlies 800 g/m2 Trennlage 300 g/m2 Abdichtung Polymerbitumen zweilagig Dämmschicht, Gefälle 1,5 % 180–270 mm Dampfbremse Hohlkastenelement Dreischichtplatte (stat. aufgeklebt) 27 mm Rippen C24, e = 625 mm 260 mm Dreischichtplatte (stat. aufgeklebt) 27 mm Aufbau Wand: Blechbekleidung Hinterlüftung Dämmung 80 mm Gipsfaserplatte 18 mm Dreischichtplatte Fichte / Tanne 18 mm Ständerkonstruktion / Dämmung 200 mm Gipsfaserplatte 18 mm Blockholzplatte Lärche 19 mm

Detailschnitt Attika Jurahaus

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Ort Badstrasse 55, 5516 Schinznach-Bad Bauherrschaft aarReha Schinznach, Zentrum für Rehabilitation, Schinznach-Bad Architektur Architheke AG, Brugg; Cordian Herrigel, Ruedi Dietiker, Arno Vogel Landschaftsarchitektur Naef Landschaftsarchitekten GmbH, Brugg Bauleitung Gross AG, Brugg, Christian Schwarz Bauingenieur Mund Ganz + Partner AG, Brugg Holzbauingenieur Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See Bauphysik Steigmeier Akustik + Bauphysik GmbH, Baden HKLS-Planung Hossle GmbH, Brugg Elektroplanung Nay + Partner AG, Wohlen Fassadenplanung MCS & Partner AG, Wettingen Holzbau Husner AG Holzbau, Frick Materialien Brettschichtholz GL24h 186 m3; Rahmenholz und Duo-Balken C24 78 m3; keilverzinkte Lattung 11,4 m3; Dreischichtplatten Fichte / Tanne 3508 m2; Brettsperrholz 221,5 m2; Blockholzplatten Lärche 1267 m2; Furnierschichtholz mit Querlagen 1282 m2; OSB-Platten Klasse 4 3222 m2 Baukosten BKP 1–9 CHF 14,54 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 2 CHF 12,54 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 214 CHF 2,19 Mio. inkl. MWST Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 1055.– Grundstücksfläche nach SIA 416 5604 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 3502 m2 Geschossfläche nach SIA 416 3068 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 11 882 m3 Bauzeit Januar 2017 bis April 2020 Fotograf René Rötheli, Atelier für Fotografie, Baden

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Seniorenzentrum, Fondation Aigues-Vertes, Bernex Der neue Gebäudekomplex der Fondation d’Aigues-Vertes besteht aus einem vierge­ schossigen, ausschliesslich in Holz realisierten Gebäude im Minergie-Standard für betreutes Wohnen und einem Mehrzwecksaal. Dieser schliesst direkt an den Wohnbau an, ist for­ mal aber eigenständig gestaltet und teilt sich mit grosszügigen Öffnungen räumlich der Umgebung mit. Die Fondation Aigues-Vertes ist ein Begeg­ nungsort, der in Form eines Dorfes gestaltet ist. Dieses liegt in der ländlichen Umgebung von Genf am Ufer der Rhone auf dem Gebiet der Gemeinde Bernex. Seit 1961 gibt die päd­ agogische Einrichtung Menschen mit geistiger Behinderung neue Perspektiven, indem sie ihnen ermöglicht, sich vermehrt am sozialen Leben zu beteiligen.

Das neue vierstöckige Gebäude ist für ältere Menschen konzipiert, die auf medizinische Betreuung angewiesen sind. Es ersetzt einen bestehenden Bau, der den aktuellen Bedürfnis­ sen nicht mehr entsprach. Die untere und die obere Ebene des Erdgeschosses umfassen Veranstaltungs-, Werk-, Sitzungs-, Musikso­wie Ruhe- und Rückzugsräume. Die beiden oberen Stockwerke bilden das eigentliche Senioren­zentrum: Im ersten Stock befinden sich 16 Zimmer, im zweiten Stock Gemeinschaftsund Personalräume mit einer überdachten Terrasse und einem Dachgarten. In einer Art Flügel, der an das Hauptgebäude anschliesst, sich aber baulich von diesem abhebt, ist ein Mehrzwecksaal mit 200 Sitz­ plätzen und einer vielfältig nutzbaren, fahr­ baren Bühne aus Holz untergebracht. Als Theater- und Konzertsaal oder als Unterstand

Lageplan Untergeschoss

Ort Route de Chèvre 29, 1233 Bernex Bauherrschaft Fondation Aigues-Vertes, Bernex Architektur 3BM3 Atelier d‘Architecture SA, Carouge Landschaftsarchitektur Uberland, Madrid (E) Bauleitung Charpente Concept SA, Perly-Certoux Bauingenieur Perreten et Milleret SA, Carouge Holzbauingenieur und Brandschutz Charpente Concept SA, Perly-Certoux HLKS-Ingenieur BG Ingénieurs Conseils SA, Genève Akustik AAB, Carouge Holzbau Ateliers Casaï SA, Petit-Lancy Materialien Konstruktion Fichte / Tanne 700 m3, Fassadenverkleidung Lärche 1500 m2 Baukosten BKP 1–9 CHF 10,3 Mio. exkl. MWST Baukosten BKP 2 CHF 9,5 Mio. exkl. MWST Baukosten BKP 214 CHF 2 Mio. exkl. MWST Grundstücksfläche nach SIA 416 8385 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 2665 m2 Nutzbare Fläche 1650 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 9603 m3 Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 990.– exkl. MWST Bauzeit Juni 2016 bis November 2017 Fotograf Luca Fascini, Genf

3440

bei Veranstaltungen im Freien öffnet sich der Flachbau mit trapezförmigem Grundriss über grosszügige Glastüren und Fenster gegen aussen. Er gibt damit dem Ort eine neue Gestalt und behauptet gleichzeitig seine Posi­ tion auf dem Gelände von Aigues-Vertes. Die Wahl von Holz als wichtigstem Baumaterial verleiht dem Ensemble eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Ab dem zur Hälfte ins Terrain eingelassenen Betonsockel sind Hauptbau und Flügel aus Holz gefertigt. Das Material ist überall sichtbar: vom Boden bis zur Decke, sowohl innen als auch aussen. Die gesamte Tragkonstruktion besteht aus Brettschichtholz von Fichten aus Schweizer Wäldern. Die vorgefertigten Ge­ schossdecken des Gebäudes bestehen aus Tannen- und Fichtenholzelementen, die gerillt sind, um die Schalldämpfung in den Räumen


zu erhöhen. Je nachdem, wo sie eingesetzt werden, sind sie mit Tongranulat gefüllt, um die Akustik zu verbessern, oder mit Isolier­ material aus Holzwolle, wenn sie Teil der Ge­ bäudehülle sind. Die Tragstruktur des Mehrzwecksaals besteht ebenfalls aus Brettschichtholz. Die Sparren sind mit gespannten Stahlbändern verstärkt, um Unterzüge im Inneren des Saals zu vermeiden. Holz findet sich auch in der Fassadenkon­ struktion, in der Verkleidung der Terrassen und in der durchbrochenen Lärchenverkleidung der Aussenhülle. Dank den neuen Brandschutz­ vor­schriften von 2015 konnte die Fassaden­­verkleidung auch für das Dach des Mehr­ zwecksaals verwendet werden, was für einen harmonischen Gesamteindruck sorgt. Die Aussenwände sind mit Holzwolle gedämmt, um den Minergie-Standard zu erfüllen.

Besonderes Augenmerk galt der Reduktion der grauen Energie, dies sowohl im Hinblick auf die verwendeten Werkstoffe als auch auf die Art der Konstruktion und die Transportwege. Durch diese Massnahmen ist die Umweltbe­ lastung des Projekts besonders gering. Die gewählten Bauformen und Konstruktionsprin­ zipien sorgen darüber hinaus dafür, dass die Energiebilanz des Gebäudes nicht nur beim Bau, sondern auch während der Nutzung aus­ geglichen ist. Der Bedarf für Heizung, Warm­ wasser und Belüftung wird zum grossen Teil über erneuer­bare Energien gedeckt. Die Mehr­ zahl der Räume profitiert von passiven solaren Gewinnen. Das Ziel eines optimalen Komforts, sowohl im Sommer als auch im Winter, wird damit voll und ganz erreicht.

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Erdgeschoss

3442

1. Obergeschoss


20 m

Querschnitt

2. Obergeschoss

Aufbau Fassade: Schalung 35 x 35–65 mm Konterlattung / Hinterlüftung 30 mm Lattung / Hinterlüftung 35 mm Winddichtung Dämmung Mineralfasern 60 mm Pfosten / Dämmung 180 mm OSB-Platten 15 mm Hohlraum 50 mm Gipsfaserplatte 2 x 12,5 mm Aufbau Dach Terrasse: Terrassenrost, rutschfest 30 mm Unterkonstruktion 40 x 65 mm Stelzlager, regulierbar Glasfaserschicht Abdichtung Wärmedämmung EPS mit Gefälle 140–240 mm Dampfbremse, Baustellenabdichtung OSB-Platten 15 mm Träger aus Brettschichtholz 309 mm

Detailschnitt

3443


Psychiatrisches Zentrum des FNPG Freiburg, Villars-sur-Glâne Der vierstöckige Neubau ergänzt das Kom­ petenzzentrum für psychische Gesundheit und ist das erste vollständig aus Holz errich­ tete Spitalgebäude in der Schweiz. Als nüch­ terne, sensible Antwort auf die bestehenden Gebäude aus den 1980er-Jahren macht das Bauwerk deutlich, welche Möglichkeiten die Brandschutzvorschriften 2015 eröffnen. Der aus dem Jahr 1981 stammende Komplex des ehemaligen Seminars der Diözese Lau­ sanne, Genf und Freiburg befindet sich in un­ mittelbarer Nähe des Kantonsspitals. Das Frei­ burger Netzwerk für psychische Gesundheit (FNPG) fand hier den idealen Standort für das geplante psychiatrische Zentrum für die deutschsprachige Bevölkerung des Kantons. Die Realisierung aller gewünschten Umbau­ massnahmen erstreckte sich allerdings über mehrere Jahre; sie dauerte von 2016 bis 2020. Neben der Erneuerung der bestehenden Bau­ ten, bei der man vor allem die Wärmedäm­ mung auf den neuesten Stand brachte, stand die Zusammenlegung der verschiedenen über den ganzen Kanton verteilten Einrichtungen im Vordergrund. Dies erforderte die Erweite­ rung des Westflügels durch einen vierstöcki­ gen Bau, der auf allen Etagen über einen Verbindungsgang am Bestand andockt. Das Gebäude im Minergie-P-Standard besteht aus einem Betonsockel, in dem ein Zivilschutz­

Situation

3444

raum untergebracht ist, und vier vollständig aus Holz realisierten Stockwerken, die Platz für 68 Betten bieten. Für die Geschossdecken und das Dach wurden Brettsperrholzelemente verwendet, die bei geringer Höhe eine erhöhte Widerstands­ fähigkeit und Steifigkeit aufweisen und eine effi­ziente Lastabtragung ermöglichen. Diese Elemente ruhen auf der Höhe der Hauptträgerachsen auf Stahlprofilen. In der Fassade bilden sie auf Brettschichtholzpfeilern auflie­ gend Stürze, die aufgrund der grossen Fenster­ bänder notwendig geworden sind. Die tragen­ den Wände sind ebenfalls aus Brettsperrholz, genauso wie der Liftschacht und der Kern des als vertikaler Fluchtweg dienenden Treppen­ hauses. Dank den Brandschutzvorschriften 2015 konnten diese Bauteile aus Holz gefertigt werden, um den Anforderungen an den Feuer­ widerstand mit (R)EI 60-RF1 zu genügen. Im Rahmen eines bau­lichen Brandschutzkonzep­ tes sind alle tragenden und brandabschnittsbil­ denden Bauteile daher mit einer Brandschutz­ bekleidung der Kategorie K30-RF1 bekleidet. Jedes Zimmer bildet einen Brandabschnitt, ebenso alle anderen Räume und auch der Kon­ ferenzsaal im obersten Stock, von dem aus man die ganze Stadt Freiburg überblicken kann. Auch in Sachen Erdbebensicherheit be­ stehen erhöhte Anforderungen, die sich durch die Verwendung von Brettsperrholzplatten in

Kombination mit Stahlankern hervorragend erfüllen lassen, vor allem, was die Übertragung der Scherkräfte zwischen den Stockwerken anbetrifft. Ausserdem kann das neue Gebäude die Fluchtwege des bestehenden Gebäudes nutzen, um im Brandfall das Aufenthaltskonzept einzuhalten. Die nichttragenden Innenwände sind in Holz­ rahmenbauweise auf Pfosten mit einem Kern aus Weichschaumstoff gefertigt, was ihnen verbesserte akustische Eigenschaften verleiht. Die Wandköpfe sind so angeschlossen, dass ausreichende Verformungsmöglichkeiten gege­ ben sind, ohne dass die Dichtheit der Wand beeinträchtigt wird. Die Fassade besteht aus einer vertikalen Schalung aus strukturierten Fichtenholzlamellen mit Nut und Kamm. Ihre Kastanienfarbe bildet eine Einheit mit der Ver­ kleidung eines weiteren Gebäudes, das eine zweigeschossige Tiefgarage beherbergen wird. Der eingeschossige Holzpavillon soll zur Auf­ nahme psychiatrischer Notfälle dienen. Mit dessen Fertigstellung wird der Umbau des Zentrums abgeschlossen sein, das in unmittel­ barer Nähe des Kantonsspitals eine optimale Versorgung gewährleistet und darüber hinaus zahlreiche Synergien schafft.


Ort Chemin du Cardinal-Journet 3, 1752 Villars-sur-Glâne Bauherrschaft Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit (FNPG), Marsens Architektur und Bauleitung LZA Architectes SA, Freiburg; Mitarbeit Dominik Lehmann, Florian Clément, Patric Schnetz, Nicole Jeandupeux Bauingenieur SD Ingénierie SA, Freiburg Holzbauingenieur und Brandschutz Timbatec Holzbauingenieure AG, Bern HLK-Ingenieur Chammartin & Spicher, Givisiez Elektroingenieur Josef Piller SA, Givisiez Holzbau Zumwald und Neuhaus AG, Zumholz, und Vonlanthen Holzbau AG, Schmitten Materialien Brettschichtholz 215 m3; Brettsperrholz 119 Tonnen Baukosten BKP 1–9 CHF 6,05 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 2 CHF 4,99 Mio. inkl. MWST Baukosten BKP 214 CHF 1,6 Mio. inkl. MWST Grundstücksfläche nach SIA 416 11 494 m2 Gebäudegrundfläche nach SIA 416 1587 m2 Nutzfläche 1220 m2 Gebäudevolumen nach SIA 416 5103 m3 Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 978.– inkl. MWST Bauzeit Februar 2017 bis Oktober 2018 Fotos Jan Aeberhard, Vonlanthen Holzbau AG, Schmitten

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Aufbau Wand: Gipsplatte 15 mm Gipsplatte 15 mm Unterkonstruktion mit Steinwolle 60 mm Brettsperrholz 120 mm Steinwolle als Wärmedämmung 180 mm Gipsfaserplatte 18 mm Lattung innen 100 x 60 mm Lattung aussen 60 x 30 mm Konterlattung 60 x 30 mm Verkleidung aussen 25 mm Aufbau Decke: Bodenbelag 10 mm Unterlagsboden 50 mm Trittschalldämmung 30 mm Schüttung 60 mm Kriechschutzfolie Gipsfaserplatte 18 mm Brettsperrholz 140 mm Gipsfaserplatte 18 mm Lattung 60 mm Gipsplatte 15 mm

Detailschnitt

Längsschnitt

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40 m


Erdgeschoss

1. Obergeschoss

3. Obergeschoss

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KINDERSPITAL ZÜRICH – NEUBAU AKUTSPITAL

SPONSOR Gruner Generalplanung AG St. Jakobs-Strasse 199 4020 Basel +41 (0)61 317 61 61 www.gruner.ch basel@gruner.ch

Die ARGE KISPI (Herzog & de Meuron, Gruner) plant und realisiert im Auftrag des Kinderspitals Zürich das von Herzog & de Meuron entworfene Akutspital. Es ist in der Schweiz das grösste Spital für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen und umfasst das ganze Spektrum kinder- und jugendmedizinischer sowie kinderchirurgischer Fachgebiete. Die flach gestreckte und subtil gegliederte Anlage hat eine zurück­ haltende äussere Erscheinung, die im Innern sehr lebendig mit Plätzen und Strassen wie eine kleine Stadt aufgebaut ist. Jedes der drei Geschosse des Akutspitals hat einen anderen Charakter, was unterschiedliche Nutzungen ermöglicht. Das sockelartige Erdgeschoss nimmt Funktionen mit grossen Raumtiefen auf. Die Räume darüber sind zeilenförmig angeordnet und zeichnen den geschwungenen Parzellenverlauf nach. Zuoberst liegt das in sich ruhende Bettengeschoss. Einfache rechtwinklige Hofeinschnitte unterteilen das Gebäude und geben ihm einen kindgerechten Massstab. Unterschiedlich grosse, kreisrunde Höfe schaffen klare Orientierungspunkte in dieser modularen Ordnung. Architektur, Planung und Visualisierung Herzog & de Meuron, Basel Gesamtleitung Bau Gruner Generalplanung AG, Basel

Lignum Holzwirtschaft Schweiz Economie suisse du bois Economia svizzera del legno Mühlebachstrasse 8 CH-8008 Zürich Tel. 044 267 47 77 Fax 044 267 47 87 info@lignum.ch www.lignum.ch

Redaktion Jutta Glanzmann, Lignum, sowie Ariane Joyet, Lignum-Cedotec Gestaltung BN Graphics, Zürich

Administration, Abonnemente, Versand Lignum, Zürich

Lignum-Mitglieder erhalten das Holz­bulletin und die technischen Informationen der Lignum, Lignatec, gratis. Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern.

ISSN 1420-0260

Lignum-Hotline: 044 267 47 83 Benutzen Sie unsere Fachberatung am Telefon von 8–12 Uhr, die täglich von Montag bis Donnerstag gratis zur Verfügung steht.

Druck Kalt Medien AG, Zug

Holzbulletin, Dezember 2020 Herausgeber Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich

Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Jahresabonnement CHF 48.– Einzelexemplar CHF 20.– Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 140.– Sammelordner leer CHF 10.– Preisänderungen vorbehalten.


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