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WAS MACHT EIGENTLICH…?
Ich habe Katja Splichal beim Alumni-Treffen Anfang 2021 kennenlernen dürfen und endlich haben wir es geschafft, ein Interview zu führen. Sie arbeitet bei dem Verlag Eugen Ulmer, der laut eigener Aussage seit mehr als 150 Jahren alle Felder der kultivierten Natur beackert.
Wie bist du damals zu deinem Unternehmen gekommen?
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Mein Verleger, Matthias Ulmer, hatte unter seinem Alias mulmer auf Börsenblatt.net einen Kommentar verfasst, der mir gegen den Strich ging. Das verkündete ich dort dann auch ziemlich undiplomatisch, nur um am nächsten Tag von einem Professor gemahnt zu werden, dass man so nicht mit dem Vorsitzenden des Verlegerausschusses redet. Ich vergaß das Ganze und wusste im Übrigen auch nicht, was ein Verlegerausschuss ist.
Jahre später war ich zu einer Podiumsveranstaltung auf der Buchmesse eingeladen. Auf dem kleinen Waschzettel, den ich erst auf dem Weg zur Diskussion las, stand „Moderation: Matthias Ulmer“ und mir wurde kurz sehr flau. MULMER, dachte ich, das muss er sein! Wider jede Hoffnung, er möge den Vorfall vergessen haben, begrüßte er mich mit den Worten „Na, wir kennen uns ja schon!“ – grinste mich an und da war es eigentlich schon geschwätzt: Das passt. Es passt bis heute, mehr als zehn Jahre später, und wenn’s nach mir geht, noch mal so lange.
Könntest du deine Tätigkeit kurz für mich beschreiben?
Ich vertrete den Verlagsbereich Produktion, in dem wir unsere Buch- und Zeitschriftenherstellung, die IT und die Software-Entwicklung zusammengefasst haben, in der Geschäftsleitung. Außerdem werden in meinem Bereich alle Produktivsysteme (CMS, Redaktionssystem, Asset-Management-System, CRM) betreut und entwickelt.
Ich bin beim Verlag Eugen Ulmer also zuständig dafür, die technische Infrastruktur zu schaffen, in der wir unsere Ergebnisziele erreichen können. Zudem ist es meine Aufgabe, diese Infrastruktur bestmöglich auf unsere Produktionsprozesse auszurichten oder fallweise umgekehrt: Prozesse so neu zu gestalten, dass sie den effizienten Einsatz unserer Systeme ermöglichen.
Welches Genre beziehungsweise welche Bücher stehen bei dir im Bücherregal?
Im Verlag Politisches, Technisches und natürlich alle unsere Themen – ich liebe unsere Bücher und bin klassische Kernzielgruppe, wie so viele bei uns: Tiere und Natur, Landschafts- und Naturschutz, Forst und Gemüsebau, Veterinärmedizin, Botanik.
Zu Hause im Prinzip das gesamte Verlagsprogramm des Verbrecher Verlages, viel von Hermann Schmidt Mainz, dem Frohmann Verlag und microtext, Lesben-Trash-Romane, Sprachund Kulturwissenschaftliches, Noten, Wanderkarten und Trotzki, alles von Rita Mae Brown und Carolin Emcke.
Wie siehst du den Wandel im Medienmarkt in Hinsicht auf LGBTQIA+?
Wenn ich die letzten 25 Jahre betrachte, sehe ich einen astreinen Hockeystick: ausgehend von einer Zeit, in der man sich den Videorekorder programmierte, um die raren Momente lesbischen Lebens on screen bloß nicht zu verpassen und peinlich berührt Rubyfruit Jungle auf den Tresen der Stadtbibliothek legte, hin zu einem Jahr 2022, in dem mit Kim de l’Horizon eine non-binary identifizierte Person mit eben jenem Thema einen buchpreiswürdigen Roman füllt.
Ich habe viel Literatur auch aus den 20er und 30er Jahren, dann wieder aus den 70ern bis 90ern (dazwischen war quee - res ja Leben wenig en vogue) und der Unterschied könnte nicht größer sein: Während queere Charaktere und Themen, so sie denn vorkamen, bis vor wenigen Jahren immer problematisch waren (verstoßene Tochter, Suizid, Mord und Totschlag durch eifersüchtige Geliebte, langweilige Stereotypen, miserabler Sex), haben wir heute, zumindest im mittleren und westlichen Europa, einen herrlich saturierten Normalzustand erreicht.

Zumindest in Bezug auf den Medienmarkt und die „einfachen Themen“, also alles bis zum „B“ von LGBTQIA+ – all das in so kurzer Zeit! Wir haben als Gesellschaft einen erstaunlichen Sprung gemacht und in weiteren 25 Jahren wird es den Begriff „Coming out“ nur noch anachronistisch geben. Weil er nicht mehr gebraucht wird.
„Es gibt kein wichtigeres Thema als Liebe. Wenn wir Partizipation, Inklusion, demokratische Willensbildung zu Ende denken, müssen wir bei der Liebe anfangen und bei ihr enden.“ – das war deine Aussage. Kannst du uns deinen Gedankengang erläutern?
Mit meinen mittlerweile 40 Jahren traue ich mich an eine verbindliche Aussage über die Liebe, das Wesen der Liebe: Liebe ist, nichts anderes zu wollen als das Beste für das Geliebte. Anerkennend, dass wir nur ahnen können, was das ist. In Kauf nehmend, dass es womöglich nicht das Erstrebenswerte für uns selbst ist, in einer dezidierten Situation. Also, das Beste und nichts anderes wollen, für das, was man liebt –und wenn wir nun nicht Menschen lieben, einzelne, sondern ein Ganzes: „uns Menschen“, „diese Gesellschaft“ (etwas überschaubarer) oder gar „die Natur“, „das Leben“? Dann bedeutet das, „das Beste wollen, für alles, was mich umgibt, selbst wenn mir dadurch (auf den ersten Blick) keine Vorteile oder gar Nachteile entstehen.“
Was uns in einer gelingenden Partnerschaft, mit den Personen, die wir lieben, so leichtfällt, nämlich Geben, ohne den sich notwendigerweise ergebenden Anspruch auf Gegenleistung, ist das, was freiwillige von unfreiwilligen Beziehungen unterscheidet: geben müssen, ist schwer, während geben wollen einfach ist. So lange also unsere beruflichen, gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen nicht auf Freiwilligkeit beruhen, sondern auf (wirtschaftli- chem!) Zwang, bleiben Inklusion, Teilhabe und echte demokratische Willensbildung der Kampf einiger weniger für ein schöneres Ganzes.




















Liebe zu Ende denken heißt Kapitalismus abschaffen, aber bei „Kapitalismus abschaffen“ rennen immer gleich alle weg, darum spreche ich lieber von Liebe, denn die ist unverdächtiger als Marx. So einfach ist das mit der Liebe und so schwer.
Das Interview führte Lena Kornblum
© WE ARE SCIENTISTS







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GOD IS AN ASTRONAUT
MARIYBU