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LIEBE MUSS NICHT EXKLUSIV SEIN – POLYAMORIE
Diva im Interview: Ich liebe mehr als eine Person.
Romantische Beziehungen zu mehreren Individuen – Polyamorie ist in der Welt der Liebe allgegenwärtig. Wie ist es, romantische Gefühle für mehrere Menschen zu hegen und diese in parallelen Beziehungen auszuleben?
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Ich gehe dem Thema auf den Grund und möchte herausfinden, welche Facetten diese Form der Beziehung innehält. Dafür gibt es einen hautnahen Einblick in einem Interview mit einer Poly-Person, namens Diva.
Was ist Polyamorie?
Eines der größten Missverständnisse ist wohl, dass Polyamorie mit einer offenen Beziehung gleichzusetzen ist. Man führt eine Beziehung und einigt sich darauf, auch mit anderen auf sexueller Ebene intim werden zu dürfen. Das ist aber keine Polyamorie. Eine polyamoröse Person will mehr als nur Sexuelles außerhalb einer Beziehung – es geht um echte und emotionale Verbindungen. Der österreichische Sozialwissenschaftler Stefan Ossmann definiert dieses Beziehungsmodell als eine einvernehmliche Beziehung zwischen mehr als zwei Personen, die auf emotionaler Liebe und intimen Praktiken über einen längeren Zeitraum hinweg basiert. Der Begriff „Polyamorie“ setzt sich zusammen aus „poly“ (mehrere) sowie „amor“ (Liebe) und ist in den 90er Jahren in einem queer-feministischen Umfeld, in den USA entstanden.
Wer lebt in polyamoren Beziehungen?
In Deutschland leben aktuell etwa 10 000 Polyamoröse. Bezogen auf die ganze Welt sind es etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, wobei nur ein Zehntel davon tatsächlich polyamor lebt. Menschen aller sexueller Orientierungen können die Polyamorie ausleben, unabhängig davon, mit wem sie ihre Liebe teilen. Eine Ansicht haben alle gemeinsam: Liebe ist nicht exklusiv.
Für wen Liebe auch nicht exklusiv ist, ist Diva:
Diva ist 25, non-binär und poly. Außerdem studiert Diva an der Kunsthochschule in Leipzig und hat früher viel im Einzelhandel gearbeitet. Diva geht offen mit der Wahl dieses Beziehungsmodells um und beantwortet mir die spannendsten Fragen rund um ihre Erfahrungen mit der Polyamorie.
Hi Diva! Wann kamst du erstmals mit dem Thema Polyamorie in Berührung und seit wann lebst du sie aus?
Hi, also wann ich damit in Berührung gekommen bin, weiß ich gar nicht mehr genau. Ich habe als Kind mitbekommen, dass Monogamie nicht funktioniert, wie bei den meisten Scheidungskindern in meiner Generation. Und dann habe ich mir irgendwann in einer Beziehung, mit 19 oder 20 gedacht, das muss doch auch anders gehen.
Hast du vorher noch monogam gelebt?
Ja, genau. Ich hatte vorher eine monogame Beziehung, die ich gerne öffnen wollte, aber mein:e Partner:in nicht so richtig. Wir haben uns dann deswegen getrennt, verstehen uns aber immer noch sehr gut. Und dann hatte ich mit einer
Ein Interview Rund Um Die Polyamore Liebe
Person, die ich danach kennengelernt hab, so ein dreiviertel Jahr das erste Mal so richtig was Offenes. Das war auch schön eigentlich. Doch da habe ich gemerkt: Okay, man kann nicht einfach sagen, dass man sowas jetzt macht und das dann einfach so vor sich herlaufen lassen, sondern es gehört schon ein bisschen mehr dazu.
Wie ist das denn aktuell bei dir? Führst du gerade eine Beziehung? Wenn ja, mit wie vielen Menschen und wer untereinander, mit wem?
Also gerade führe ich effektiv zwei individuelle Beziehungen, würde ich sagen. Ich lerne gerade eine dritte Person kennen und ich habe auch was mit Leuten, die in anderen Städten wohnen. Wir telefonieren viel oder schreiben uns, aber ich würde das nicht auf die gleiche Stufe stellen, wie die Beziehungen, die ich hier in Leipzig führe. Persönlicher Kontakt und Präsenz machen für mich einfach sehr viel aus. Meine zwei Beziehungspersonen kennen sich untereinander und mögen sich auch voll, aber haben nichts miteinander. Sie daten parallel auch andere. Ich glaube, wenn man sich so ein paar Pfeiler oder Regeln steckt, dann kann das eigentlich nur gut funktionieren – wenn man sich auch daran hält.
Lebst du mit den beiden zusammen?
Nee. Ich lebe allein. Mit Partner:innen zu wohnen ist ’ne Sache, die ich mir nicht vorstellen kann. Das birgt mir ein bisschen zu viel Konfliktpotenzial und ich mag’s einfach, mir die Zeit zu nehmen und zu sagen: Ich möchte jetzt Zeit mit dieser Person verbringen. Mein Studium verlangt mir krass viel ab, da brauche ich meine Safe Space, meinen eigenen Rückzugsort. Vielleicht sehe ich das in 20 Jahren anders.
Die nächste Frage, die ich hätte, ist: Redet ihr untereinander jeweils über die Erfahrungen, die ihr dann mit anderen macht?
Ja, auf jeden Fall. Es kommt aber immer darauf an, wie viel die Person wissen will. Man muss ja nicht immer total ins Detail gehen. Eben nur das, was im Raum des Möglichen ist, sagt man.
Also ich find’ das eigentlich immer echt schön, wenn ich mich mit Person 2 treffe, und ich erzähle Person 1 danach davon.
Wann weißt du, wie viel die andere Person wirklich davon hören will?
Das frage ich einfach. Viele solche Unterhaltungen fangen an mit „Ey, ich habe gestern XY gesehen. Magst du davon hören? Oder hast du in den letzten Tagen XY getroffen? Was hat dir besonders gut gefallen/ was nicht? Magst du darüber sprechen?“ So funktioniert’s eigentlich immer. So reden wir da immer drüber.
Okay, cool. Datest du nebenbei auch weiter? Und benutzt du fürs Kennenlernen auch Dating-Apps?
Ja, ich date nebenbei. Aber nur, wenn es der Zeitplan und Kapazitäten hergeben und ich wirklich das Gefühl habe, ich kann mich auf jemanden jetzt einlassen. Also in meiner Anfangszeit beim Rumdaten, da hatte ich viele One-NightStands und habe dann gemerkt, das macht niemanden glücklich. Und sowas versuch’ ich weiterhin auch zu lassen. Also, wenn ich jemanden treffe und mit der Person auch intim werde, dann erhoffe ich mir schon, dass ein Treffen eine gewisse Regelmäßigkeit hat. Und ich benutze Tinder. Ich war eine Zeit lang on all the Apps. Ganz lang auf OkCupid. Und das ist, denk’ ich auch so, die praktischste App für nichtmonogames Dating. Der Unterschied: bei Tinder hast du nur die Bilder und was du über dich schreibst und vielleicht das Lied, das du bei Spotify ausgewählt hast. Bei OkCupid kannst du dein Gender einstellen, welche Pronomen du benutzt, was du für Dating-Ziele hast, welche Sprachen du sprichst und vieles mehr. Ich glaube, um sich wirklich kennenzulernen und für Langfristiges ist OkCupid wirklich perfekt. Tinder hat dafür mehr Traffic und es schreiben mehr Leute. Hilft auch im echten Leben zu wissen, mit wem man schonmal gematched hat.
Und kommunizierst du dann auf Tinder auch offen, dass du poly bist?
Ja, also in meiner Bio steht „non-monogamously-partnered“ und das finde ich, ist eine akkurate Beschreibung von dem, was ich da mache. Aber ja, natürlich steht das in meiner Bio und ich spreche das, wenn ich Leute treffe, auch immer nochmal an für den Fall, dass die meine Bio nicht gelesen haben. Wäre ja auch Quatsch, Leuten etwas vorzugaukeln.
Kommen wir jetzt zum Thema Regeln. Gibt es Regeln in deinen polyamoren Beziehungen und wenn ja, welche denn zum Beispiel?
Ja, auf jeden Fall. Also, es gibt vier wichtige Regeln. Regel eins: Es wird nicht im Freundeskreis gewildert. Sowas geht immer schief. Diese Beziehungskonzepte sind immer noch voll neu, da muss man einfach aufpassen, sonst wird die Stimmung komisch. Zweite Regel: Immer mit Kondom verhüten. Immer. Und regelmäßig testen, wenn man wechselnde Geschlechtspartner hat. Die Gesundheit sollte man stets abklären. Dritte Regel: Alle von allen wissen lassen beziehungsweise fragen, ob die bestimmte Sachen wissen wollen. Außerdem immer vorher und hinterher mit den beteiligten Leuten nochmal darüber sprechen, wie sie es empfinden. Letzte und wichtigste Regel: Immer viel miteinander reden. Es ist wichtig, dass man immer darüber spricht, wenn etwas passiert ist oder wenn man das Gefühl hat, es könnte was passieren. Man muss über alles reden, bevor es einen irgendwann überfällt.
Welche Herausforderungen bringen polyamore Beziehungen mit sich?
Eifersucht auf jeden Fall. Da muss man sich entweder dran gewöhnen oder für sich irgendwie einen Umgang mit finden. Eine andere Herausforderung ist definitiv auch Zeitmanagement, weil die Woche ja nur sieben Tage hat und man auch noch seinen Alltag führt. Da habe ich mit einer Person auch einen gemeinsamen Kalender zur Absprache. Außerdem ist es herausfordernd, jemandem, den man dated, als Person gerecht zu werden. Meistens lässt sich das aber ganz gut abstimmen, wenn man klar kommuniziert und sagt, auf welcher Basis man sich sehen möchte oder auch, welche Kapazitäten man hat. Und dann einigt man sich auf etwas. Aber ja, da kommen wir wieder zum Thema Zeitmanagement. Es ist nicht so super leicht. Aber es ist tausendmal besser als monogam zu daten.
Welche Voraussetzungen, würdest du sagen, muss man haben, um eine polyamore Beziehung führen zu können?
Man muss offen dafür sein, kommunizieren und über seine Gefühle sprechen können. Kommunikation ist hier ein Basic. Dann muss man sich überlegen, ob man neben der Bezie -
Ein Interview Rund Um Die Polyamore Liebe

hung, die man bereits führt, genug Zeit hat oder sich die Zeit nehmen kann für weitere Personen. Auch zum Thema Eifersucht: Man sollte sehr selbstreflektiert sein und in gewisser Form selbstbewusst, um sich Gefühlen und Situationen annehmen zu können. Kann ich so ehrlich mit mir selbst sein, dass ich mir eingestehe, wenn ich eifersüchtig werde? Kann ich damit umgehen, dass ich die Eifersucht mit mir selbst oder der anderen Person kläre, anstatt sie als Vorwurf zu verwenden? Kann ich Sicherheit gewährleisten und diese auch einfordern? Und was auch noch dazu gehört: Kann ich mit dem Stigma umgehen, welches Leute mir eventuell entgegenwerfen werden? Man muss immer ehrlich miteinander sein, keine Lügen. Vertrauen ist das A und O. Für alle, die sich mit dem Thema näher beschäftigen möchten, habe ich einen Buchtipp: „Polysecure: Attachment, Trauma and Consensual Nonmonogamy“. Das hat mir super weitergeholfen, weil es darum geht, wie Attachment funktioniert und wie man es schafft sich im Konsens die Treue zu schwören, ohne das monogam machen zu müssen. Es ist sehr wissenschaftlich, aber super spannend.
Vielen Dank für deine Zeit und deine tollen Antworten.
Es gibt zahlreiche Arten von Liebe – Diva hat sich für die polyamoröse Liebe entschieden und ist damit sehr glücklich. Für Diva und andere Poly-Menschen ist klar, Liebe kann mit vielen geteilt werden und Romantik ist nicht nur einem Paar vorbehalten. Regeln sowie viel Kommunikation bilden hierfür den Grundpfeiler. Wir haben erfahren, dass es viel Arbeit ist, eine polyamore Beziehung zu führen. Für manche jedoch, ist es alle Mühe wert. Polyamoröse weichen von der Norm ab und erweitern ihren Horizont auf eine ganz eigene Weise. Ohne monogame Schranken und mit einer großen Portion Neugier und Offenheit.

Ist der Valentinstag von der Kommerzialisierung betroffen?
Blumen als Beispiel
Kurz gesagt: Ja, Unternehmen verändern ihr Angebot und ihre Preise. Das sinnbildlichste Beispiel dafür ist der Kauf von Blumen als Geschenk zum Valentinstag. Diese werden um die Zeit des Valentinstages zu höheren Preisen verkauft als im Rest des Jahres. Die Nachfrage ist erhöht. Man muss sich dabei vorstellen, dass die meisten Menschen ohne besondere Ereignisse keine Blumen kaufen. An diesem einen Tag im Jahr kaufen jedoch auch Menschen Blumen, die es sonst nicht tun würden. Das bedeutet um diese spezielle Zeit mehr Kund:innen für die Florist:innen.
Was dagegen tun?
Vielleicht seid ihr gerade in einer Liebesbeziehung mit einem anderen Menschen? Und wenn ja, feiert ihr den Valentinstag? Und vielleicht ist euch der Begriff Kommerzialisierung schon einmal begegnet, doch was hat der Valentinstag mit Kommerzialisierung zu tun?
Was ist Kommerzialisierung?
Genau dieser Frage gehen wir auf den Grund. Kommerzialisierung beschreibt das sich Ausbreiten eines Marktes. Das bedeutet, ökonomische Handlungslogiken entstehen in Bereichen, wo es sie noch nicht gab. Zum Beispiel, wenn eine noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeit, mit der man Geld verdienen kann, ergriffen wird und sie somit jetzt Teil des Marktes ist.

Jedoch wird Kommerzialisierung als eine ethisch fragwürdige Ausbreitung des Marktes gesehen. In dem Zusammenhang mit dem Valentinstag würde das bedeuten, dass Unternehmen den Valentinstag ausnutzen, um zum Beispiel mehr Umsatz zu generieren auf Kosten der Valentinstag feiernden Menschen.
Das würde sich dadurch äußern, dass Geschenke, Menüs in Restaurants oder andere Produkte und Dienstleistungen nur für den Valentinstag ausgelegt sind und die Nachfrager:innen mehr kosten. Die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager:innen ist auf Grund der gesellschaftlichen Vorgabe an Valentinstag höher als an anderen Tagen. Dazu kommt, dass laut einer Umfrage von Statista 2022 29 Prozent der Deutschen, die den Valentinstag nicht feiern, als Grund angeben, der Tag sei zu kommerziell. Also muss da wohl etwas dran sein, oder?
Trotz dieser Umstände kauften laut Capital.de zumindest noch 2018 über die Hälfte der Deutschen ein Geschenk zum Valentinstag. Aber was kann man jetzt dagegen tun, mehr Geld zahlen zu müssen? Die einfachste Lösung wäre, den Valentinstag zu boykottieren, oder man findet sich mit den Handlungen der Unternehmen ab. Möglich wäre es jedoch auch, diesen Tag zu verlegen, also innerhalb der Beziehung einen eigenen Tag festzulegen. Jedoch sollte der nicht mit anderen derartigen Ereignissen zusammenhängen, bei denen die Preise aus anderen Gründen steigen. Denn so, wie man über den Valentinstag und dessen Kommerzialisierung redet, kann man sich auch bei anderen Tagen die Frage stellen, ob Unternehmen ihr Angebot für diese speziellen Tage ändern, um ihre Umsätze zu steigern und ihren Marktanteil zu erhöhen.
