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ZEITSCHRIFTEN UND MAGAZINEN
Ist Schönheit wirklich ein so erstrebenswertes Ziel?
In Zeiten zunehmender Maßnahmen zum Erreichen von Gleichberechtigung und Akzeptanz, wenn es um das Thema Gender und Sexualität geht, #bodypositivity und dem Kampf um Inklusion, würde man meinen, dass auch gesellschaftlich normative Schönheitsideale langsam einmal von ihrem Sockel gestoßen werden. Leider ist dies trotz großer Bemühungen einzelner Bewegungen noch immer nicht passiert und das Thema „Körper“ bleibt eine Senkgrube von Selbstzweifeln. Einen großen Teil tragen die Medien dazu bei, schließlich können sie einen immensen, langfristigen Einfluss auf unsere Meinungsbildung haben und so auch unsere Einstellung zu unserem eigenen Körper und den von anderen formen. Dabei ist ersichtlich, dass trotz erster Ansätze, sich auch dort noch immer bestimmte Muster in die Berichterstattung einschleichen.
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Alles für die Schönheit
Was als schön angesehen wird, ist nicht nur ein Ideal, das der Zeit unterliegt, sondern ist ebenfalls abhängig von der Kultur, in der man groß wird. Das Bild von perfekter Schönheit wechselt über die Epochen zwischen schlanken Körpern, zu üppigen Kurven, von einer Sanduhr-Figur hin zu einem Körper strotzend vor Muskeln. Abhängig davon, wo man sich auf der Erde befindet, ist helle Haut ein Zeichen von Attraktivität, doch ein paar Länder weiter verspricht ein gebräunter Teint Vitalität und eine anziehende Ausstrahlung.
Schon immer schienen die Menschen ihre Körper als etwas anzusehen, das es zu formen und zu perfektionieren galt, um ultimative Schönheit zu erlangen. Denn Schönheit kann für viele Akzeptanz bedeuten. Und von anderen Menschen wahrgenommen und akzeptiert zu werden, ist letztendlich ein Wunsch, den die meisten von uns haben – und für den wir einiges tun würden, damit er in Erfüllung geht. Ein Weg kann dabei eine Schönheitsoperation sein. Laut der Behandlungsstatistik 2022 der VDÄPC liegt die Gesamtzahl ästhetischer Eingriffe in den Jahren 2020 und 2021 allein im Gesicht bei 68 206. Frauen wie Männer unterziehen sich dabei Eingriffen zur Oberlidstraffung, lassen Falten behandeln oder sich Fett absaugen, verlangen eine Lippenkorrektur oder wünschen eine Brustvergrößerung. Neben den hohen Kosten und möglichen Komplikationen wie Blutungen, dauerhaften Schädigungen der Nerven oder Infektionen, erhöht sich auch die Zahl von nötig werdenden Korrektureingriffen.
Doch es ist nicht nur die ästhetisch-plastische Chirurgie, die uns Warnsignale sendet. Auch Essstörungen wie Magersucht und Bulimie nehmen zu. Eines kristallisiert sich hierbei klar heraus: Durch gesellschaftliche Schönheitsideale wird das Selbstwertgefühl von Jung und Alt systematisch klein gehalten.
Schlanker, trainierter, gesünder...
Betrachtet man die Titelbilder von Magazinen, ist zugleich auffällig, dass die abgebildeten Frauen primär einen schlanken Körperbau aufweisen. Dies stimmt auch mit dem aktuellen Schönheitsideal der westlichen Welt überein: groß, dünn und durchtrainiert. Doch wie ist es für die Männer? Betrachtet man die Cover von dem Men‘s Health Magazine, besitzen attraktive Männer breite Schultern, ein Sixpack und einen ausgeprägten V-Muskel.
Doch nicht nur in den Bildern ist ein gewisses Schönheitsideal erkennbar. Auch im verwendeten Vokabular von Magazinen, die der Unterhaltung dienen, zeigt sich ein klares Muster, wenn es zum Beispiel um das Thema Gewicht geht. In Frauenmagazinen werden Wörter wie „dünn“, „schlank“ und „straff“ fortwährend eng mit dem Begriff „Gesundheit“ verknüpft – dasselbe findet sich in Männermagazinen, wobei es dort zudem besonders stark darum geht, sichtbare Muskeln aufzubauen. Dies erschafft zum einen ein besorgniserregendes Bild, wie ein gesunder Körper auszusehen hat, und unterstützt zum anderen auch den Trugschluss, dass es nur einen ganz bestimmten Körper gibt, den man als gesund einstufen kann. Nicht nur ist dies schädlich, weil es den Gesundheitszustand allein am Gewicht eines Menschen festmacht, es kann auch einen negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden und die Beziehung zu Fitness, Bewegung und Ernährung haben.
Weiterhin bieten Magazine immer wieder fragwürdige Diäten an, um schnell abzunehmen und Fett am Körper loszuwerden, wodurch oft das Risiko eines Jo-Jo-Effekts entsteht. Hinzu kommen Workout-Challenges, bei denen es nicht selten weniger darum geht, Knochen und Muskeln zu fördern oder den Blutdruck und den Cholesterinspiegel zu senken, sondern eher das Ziel verfolgt wird, am Ende abzunehmen und einen Schritt näher an einer bestimmten Körperform zu sein.
Die Sache mit der Haut
Diversity wird mittlerweile großgeschrieben. Na ja, in der Theorie jedenfalls. Eines wird in der Magazinwelt jedoch schnell klar: Sie ist weiterhin weiß-dominiert. Und wenn es mal ein dunkelhäutiger Star oder ein Model in die Zeitschrift oder auf das Titelbild schafft, besitzt diese:r trotzdem oft einen helleren Hautton als zum Beispiel in vielen afrikanischen Ländern üblich ist. Auch wenn diese Tatsache an vielen weißen Menschen vorbeigeht, kann es doch eine Auswirkung auf BIPoC (Schwarze, Indigene und People of Color) haben. Denn helle Haut ist nun einmal das aktuelle Schönheitsideal – und dafür greifen zahlreiche Frauen zu Bleichcremes, um ihre natürlich dunkle Haut aufzuhellen.
Wir haben uns außerdem schon lange daran gewöhnt, perfekte makellose Haut zu sehen, wenn wir durch Magazine blättern oder online Artikel lesen, dass jede Unregelmäßigkeit oft direkt als ein Schönheitsfehler empfunden wird. Vor allem bei jungen Menschen haben sich diese bearbeiteten Fotografien tief ins Bewusstsein eingeprägt. Ebenso verankert ist das Ideal der ewigen Jugend. immer wieder finden sich Artikel, die Geheimnisse verraten, wie man jünger aussehen kann. Es werden Anti-Aging-Cremes empfohlen und Haushaltstipps für faltenfreie Haut, denn der natürliche Alterungsprozess ist schon lange nicht mehr ein einfacher Teil des Lebens, sondern zunehmend in erster Linie ein Makel, den es zu kaschieren gilt. Dabei können Falten auch unsere Charakterzüge unterstreichen, Denkfalten oder Lachfältchen, die unsere Geschichte auf unsere Haut malen, malen, wie wir gelebt haben. Stattdessen wechselt einmal wieder die Priorität von „Wir wollen unsere Haut pflegen“ zu „Wir wollen jünger aussehen“.
Was sagt die Werbung dazu?
Zeitschriften finanzieren sich unter anderem durch Werbung, was Magazine so für viele Leser:innen bezahlbarer macht – ein Vorteil? Nicht unbedingt. Denn wo Information und Werbung gemeinsam einhergehen, verblasst auch die Linie, die sie voneinander trennt. So hat der Inhalt der Werbung unweigerlich auch Einfluss auf die Leser:innen. Magazine werden zum Sprachrohr der Kosmetikindustrie, die ein Produkt für straffere Haut anbietet und ermöglichen es der Lebensmittelindustrie ihr neuestes Abnehmpulver zu verkaufen. Es wird zu einem nicht endenden Kreislauf. Der Inhalt der Magazine erhält ein bestimmtes Schönheitsbild aufrecht und redet seinen Leser:innen Defizite ein, während die Werbung am richtigen Ort platziert direkt eine Lösung für ihre Unsicherheiten anbietet. So ist nichts gewinnbringender, als ein Ideal, das keine:r erreichen kann, aber jede:r erreichen möchte.
Perfektion, du miese Lügnerin
Ein normaler Körper ist behaart, die Haut an Stellen mal trocken, rau, pickelig und/oder fleckig. Wir alle haben Leberflecke und Dehnungsstreifen, irgendwann Falten, die Kurven in die Landschaft unseres Körpers ziehen und ein jede:r von uns hat eine andere Form und ist geküsst von einer anderen Farbe. Womöglich finden wir einen Weg, auf dem Produkte und Operationen auch mit einem gesunden Körperbild Hand in Hand gehen können, sodass eine Transperson die Möglichkeit hat, mehr von sich auch im Spiegel zu sehen, anstatt dass eine junge Frau der Meinung ist, ihre Lippen sind nicht voll genug. Vielleicht lässt sich das Ziel eines Pflegeprodukts wieder von Schönheit zu Gesundheit drehen. Dabei gilt es nicht einander zu verurteilen, wenn wir uns einer Schönheits-OP unterziehen oder unser Aussehen bemängeln, sondern die Gesellschaft und die Unternehmen zu kritisieren, die versuchen aus strategisch erzeugten Selbstzweifeln Gewinn zu schöpfen.
Womöglich können wir gemeinsam sukzessive neu erlernen, dass das Schöne an unserem Körper vor allem in seinem Dasein liegt.
Jolyn Stenschke