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Nr. 389 „Apfelstädtaue zwischen Wechmar und Wandersleben“

Naturschutzgebiet Nr. 389 „Apfelstädtaue zwischen Wechmar und Wandersleben“

Allgemeine Angaben

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Landkreis Gotha Gemarkungen Seebergen, Wandersleben, Wechmar MTBQ 5030/4, 5031/3, 5130/2 Größe 118,3 ha Naturraum Innerthüringer Ackerhügelland Natura 2000 FFH-Gebiet Nr. 55 RVO Verordnung des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 15.12.2009 (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 2/2010 vom 11.01.2010, S. 28 – 31)

Schutzzweck

Erhalt und Entwicklung des naturnahen Abschnittes der Apfelstädt einschließlich seines Auenwaldes, seiner Grünlandflächen, Schotterterrassen und bemerkenswerten Artenvorkommen. Der bestehende Auenwald einschließlich seines autochthonen Schwarzpappelbestandes ist zu erhalten und in seiner Ausprägung zu entwickeln.

Gebietsbeschreibung und Bedeutung

Der als jüngstes Naturschutzgebiet des Landkreises Gotha 2009 unter Schutz gestellte Abschnitt der Apfelstädt verläuft zwischen den Orten Wechmar und Wandersleben. Der Flusslauf hat in diesem Abschnitt eine Länge von ca. 5 km und ist geprägt von seinem weitestgehend natürlichen Lauf, der in Teilbereichen durch seine Eigendynamik (Erosion und Ablagerung) ständige Veränderungen des Bachbettes hervorruft und so ausgedehnte Kies- und Schotterbänke entstehen lässt. Der Untergrund wird durch die Schichten des Keupers geprägt, weist jedoch Besonderheiten auf. Aufgrund der Erosionswirkung des Wassers sind entlang des Flusslaufes mehrfach Aufschlüsse bis zum Rät/Lias-Graben sichtbar. Über dem Keuper lagern in der Aue zwischen Wechmar und Wanderleben weichselkaltzeitliche Schotter, welche in Flussnähe von holozänen Kiessanden überdeckt werden (WEIPERT 1996). Im Bereich der Anschnitte der Kiesflächen tritt Grund- bzw. Schichtwasser zutage. In Trockenperioden kommt es durch flussaufwärts des NSG auftretende Versinkungserscheinungen zu Niedrigwasserständen mit einem teilweisen Trockenfallen von Flussbettpartien. Lückenlos wird der mäandrierende Flusslauf beidseitig von Auenwäldern gesäumt. Von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung sind dabei die autochthonen Vorkommen der Schwarz-Pappel im vom Aussterben bedrohten Pappel-Silberweiden-Auenwald als auch der Feld-Ulme im Hartholzauenwald (KLUG 2001). Die Apfelstädtaue ist Lebensraum für eine Vielzahl von Arten, deren Existenz mehr oder weniger an Flussauen, Auenwälder, Schotterfluren und feuchte Hochstauden gebunden ist. Im Gebiet wurden bisher über 440 Pflanzen- und über 500 Tierarten nachgewiesen (WEIPERT 1995, WEIPERT 1996). Auf Flussschottern in der Aue zwischen Wechmar und Wandersleben sind Reste eines Grasnelken-

Die Apfelstädt besitzt im Schutzgebiet eine hohe Dynamik, so dass ständig neue Kies- und Schotterflächen entstehen können. (2)

Die Steinfliege Perlodes microcephalus am Apfelstädtufer. (2)

Schafschwingelrasens mit einem individuenstarken Vorkommen der Gewöhnlichen Grasnelke Armeria maritima ssp. elongata erhalten geblieben. In Pionier- und Ruderalfluren der Flussschotterflächen und offenen Mergelhänge finden noch Streifen-Klee, Quirl-Knäul, Zwerg-Schneckenklee, Frühe Segge, Guter Heinrich und Französische Hundsrauke Refugien (SCHUSTER, KLUG & OPPEL 2004 & 2006, WEIPERT 1996). Besonders artenreich ist die Fauna der Vögel und Laufkäfer, aber auch die Mollusken und Wasserinsekten haben im Gebiet hohe Individuen- und Artenzahlen. Zahlreiche kleinflächige Aufschlüsse, die durch früheren Kiesabbau entstanden sind, haben zur Entstehung von wassergefüllten Senken geführt, welche besonders für Amphibien und Libellen, darunter Kammmolch und Seefrosch, attraktiv sind. Den Artenreichtum verdankt der Fluss dem Vorhandensein von vielen Quellschüttungen und Filtrataustrittsstellen. Durch Auf- und Abtrag von Kies- und Schotterbänken entstandene Nebenschlüsse sind bei Niedrigwasser vom Bachlauf getrennt und bilden dadurch gute Rückzugsräume vor Fressfeinden. So kommen in der Apfelstädt die Fischarten Westgroppe, Elritze und Schmerle in hohen Individuenzahlen vor. Aus der Gruppe der Laufkäfer sind der sehr seltene Laufkäfer Elaphropus diabrachys und der an Flusskiese gebundene Thalassophilus longicornis wertgebend. Für die Mollusken ist die sehr große Population der Flussnapfschnecke erwähnenswert. Eine hohe Anzahl von Kleinfischen ist Nahrungsgrundlage für den Eisvogel, welcher an der Apfelstädt beim Jagen beobachtet werden kann. Er brütet in den durch die Flussdynamik ständig neu entstehenden Abbruchkanten des Gewässers. Bemerkenswert ist aufgrund seiner Seltenheit der Nachweis des Schwarzstorches. Aber auch Schwarzspecht, Grauspecht, Rohrweihe, Rotmilan, Neuntöter und Weißstorch besitzen in der Flussaue zusagende Lebensräume. Alte Pappeln und Weiden sind als Quartierbäume für Fledermäuse geeignet, so z. B. für die Mopsfledermaus, welche im Gebiet auftritt. Im Rahmen eines Schutzwürdigkeitsgutachtens wurden eine Reihe von Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung des NSG abgeleitet (WEIPERT 1995). Die natürliche Dynamik der Apfelstädt ist zu bewahren und zu fördern. Sowohl der Strukturreichtum als auch der botanische und zoologische Reichtum des Flussgebietes müssen als Kernstück eines Biotopverbundes im Vorland des Thüringer Waldes und als Gebiet mit hydrologischer Verbindung zum Thüringer Wald gesichert werden. Entwicklungsmaßnahmen sind beispielsweise die Instandsetzung des Grabensystemes aus Richtung Wechmar/Seeberger Wehr und die Förderung der Stillgewässer im Seitenschluss. Die landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen innerhalb des NSG sollten in Gründland mit Mahd und Weidenutzung umgewandelt und zu verbleibenden Ackerflächen sollen Feldhecken angepflanzt werden. Auch die angrenzenden Flussschotterflächen, artenreichen Feuchtwiesen, Hochstaudenfluren und Quellbereiche müssen geschützt und in ihrer Entwicklung gefördert werden. Das NSG hat im Hinblick auf die Umsetzung der FFH-Richtlinie besondere Bedeutung. Die Auenwälder sind prioritäre Lebensraumtypen und beinhalten gleichzeitig vom Aussterben bedrohte Pflanzengesellschaften mit autochthonen Schwarzpappelvorkommen. Die lückigen Pappelforste besitzen ein hohes Entwicklungspotential zu artenreichen Auenwäldern. Nicht standortgerechte Fichtenanpflanzungen sind zu entfernen und möglichst der natürlichen Sukzession zu überlassen. Das Thüringer Forstamt Finsterbergen hat in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Günthersleben-Wechmar und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald 2006 rund 100 Schwarzpappeln im Bereich des Erfurter Wehrs gepflanzt. 2009 erfolgte eine Nachpflanzung, 2011 ist eine weitere Kulturpflege vorgesehen.

Der Streifen-Klee besiedelt die Pionierfluren der Schotterflächen. (1)

Als Hauptproblem für den Erhalt der Flussaue ist eindeutig der Mensch mit seinen Eingriffen in die Auenlandschaft zu sehen. Der Flächenanteil naturbelassener Bereiche ging in den letzten 150 Jahren stetig zurück, um die wirtschaftlich nutzbaren Flächen zu erweitern (WEIPERT 1995).

Der mäandrierende Lauf der Apfelstädt wird durch die Landstraße und die Ackernutzung in der Aue bereits eingeschränkt. (2) Der Neuntöter ist ein Brutvogel der Apfelstädtaue. (1)