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Nr. 379 „Seeberg“
Naturschutzgebiet Nr. 379 „Seeberg“
Allgemeine Angaben
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Landkreis Gotha Gemarkung Gotha, Günthersleben, Seebergen MTBQ 5030/3,4 Größe 366,1 ha Naturraum Innerthüringer Ackerhügelland Natura 2000 FFH-Gebiet Nr. 54 RVO Verordnung des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 14.06.1999 (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 27/1999 vom 05.07.1999, S. 1547 – 1551)
Schutzzweck
Erhalt eines reichhaltigen Lebensraummosaiks aus Wäldern, Offenlandbiotopen und Sonderbiotopen wie Altsteinbrüchen und Höhlen mit hohem Artenreichtum und vielen bestandsbedrohten Arten.
Gebietsbeschreibung und Bedeutung
Das Naturschutzgebiet stellt einen etwa 7 km langen Höhenzug zwischen Gotha und Seebergen dar, welcher sich um bis zu 130 m über das umgebende, flachwellige Hügelland heraushebt. Der Seeberg besteht aus dem westlichen Kleinen Seeberg und dem östlichen Großen Seeberg, welcher eine breite Plateaufläche besitzt. Im Bereich des Seeberges treten Gesteine des Trias (Mittlerer Muschelkalk, Oberer Muschelkalk, Unterer Keuper, Mittlerer Keuper mit Gipskeuper, Steinmergelkeuper und Rätkeuper) sowie des Unteren Jura (Lias) auf. Die in Thüringen seltenen, störungsbedingten Vorkommen des Lias sind im „Kammerbruch“ sehr gut aufgeschlossen. Es handelt sich dabei um 22 m mächtige fossilreiche Ton- und Mergelsteine, Kalksandsteine und Kalke, welche über bis zu 10 m mächtigen Wechsellagern aus Ton- und Siltsteinen und rotbraunen Feinsandsteinen des Oberen Rät lagern (KRAUSE 2004). Am Hang treten örtlich Quellen und Vernässungsstellen auf, wie die Geierslache mit nachgeschaltetem Teich, die Ifflandquelle und der Gesundbrunnen. Zahlreiche, bereits verfallene Steinbrüche sind von besonderer Bedeutung für das Gebiet und zeugen auch von einem schon sehr alten Abbau des Rätsandsteines, aber auch von Kalk, Gips und Bimsstein. Aus dem Seeberger Sandstein wurden beispielsweise die Wartburg in Eisenach und das Schloss Friedenstein in Gotha erbaut. Auch heute wird noch in zwei Steinbrüchen, nördlich des Maikopfes und am Kammerbruch, Sandstein abgebaut. Am Kleinen Seeberg liegen die bis 12 m hohen stillgelegten Kalksteinbrüche, welche durch Pflegemaßnahmen offen gehalten werden. Gips wurde ober- als auch untertägig abgebaut. Die dadurch entstandenen Höhlen sind naturschutzfachlich und kulturhistorisch bedeutsam und deshalb zu erhalten. Auf dem Großen Seeberg findet man kleine Höhlen und Löcher. Diese bezeichnet man als „Sandlöcher“. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dort Sand von den umliegenden Gemeinden gefördert. Seit gut zwei Jahrhunderten ist der Seeberg Gegenstand naturkundlicher Forschungen.

Der Ährige Blauweiderich ist vom Aussterben bedroht. (3)

Die Kreuzkröte ist ein Pioniersiedler besonnter Offenlandflächen mit Wassertümpeln, weshalb sie insbesondere in den Steinbruchgebieten anzutreffen ist. (2)
Früher wurde das Gebiet für Wein- und Ackerbau, später als Hutung genutzt. Der Gothaer Verschönerungsverein forstete vor ca. 100 Jahren kahle Bereiche des Seebergs auf. Aufgrund der vielfältigen Geologie, Oberflächenformen und kleinklimatischen Differenzierung tritt ein breites Biotopspektrum auf. Dieses bedingt wiederum eine enorme Artenvielfalt. So sind auf dem Seeberg 85 Pflanzengesellschaften und über 2000 Arten der Flora und Fauna nachgewiesen (Angabe aus der Verordnung). Es handelt sich um eines der wertvollsten und am besten untersuchten Schutzgebiete in Thüringen, zu welchem es zahlreiche Veröffentlichungen gibt. Die Naturausstattung kann im Rahmen dieser Broschüre nur angerissen werden. Erwähnt werden soll die Broschüre über den Seeberg des Naturschutzbundes, Kreisverband Gotha (NABU KV GOTHA 2004), welche einen guten Überblick über die Geschichte, Geologie, Flora und Fauna des Gebietes gibt. Die wärmebegünstigten und trockenen Südhänge sowohl des Großen als auch des Kleinen Seeberges gelten als Standorte für Trocken- und Halbtrockenrasen mit südosteuropäischen Steppenpflanzen wie Berg-Aster, Goldhaar-Aster und Sand-Esparsette als auch kontinentalen bzw. subkontinentalen Florenelementen wie Walliser Schwingel, Frühlings-Adonisröschen, TriftenTragant und Haar-Pfriemengras. Bereits 1941 wurden wertvolle Trocken- und Halbtrockenrasen im Bereich der „Heiligen Lehne“ mit Mittlerem Vermeinkraut, Elsässer Sommerwurz, Gelber Sommerwurz, Weißem Fingerkraut, Geflecktem Ferkelkraut, Bienen-Ragwurz und Fliegen-Ragwurz als NSG „Steppenheide am Großen Seeberg“ unter Schutz gestellt. Im Bereich der „Breiten Trift“ mit reliktartigen Vorkommen der Wolfsmilch-Heidekraut-Heide wachsen die in Thüringen vom Aussterben bedrohte Orchidee Herbst-Wendelorchis als auch Ähren-Blauweiderich, Mond-Rautenfarn und Frühe Haferschmiele (KLUG 2007). Im Übergang zum Acker finden sich Ackerwildkräuter und Ruderalarten wie Acker-Kohl, Spreiz-Schöterich, Rauhaar-Eibisch, Gelber Hornmohn oder StinkGänsefuß an. Wechselfeuchtwiesen erstrecken sich im Bereich der „Struthwiesen“. Die Plateaulagen und Nordhänge sind größtenteils bewaldet. Am Nordhang dominieren Waldlabkraut-EichenHainbuchenwald und Buchenwälder, während an den oberen Südhängen Steinsamen-ElsbeerenEichenwald angetroffen wird, letzterer oft in Kontakt mit Blutstorchschnabel-Hirschwurz-Säumen. Auf saurem Gestein im Bereich des Maikopfes sind Hainsimsen-Traubeneichen-Mischwald und Fingerkraut-Eichenwald entwickelt. Auch die Tierwelt des NSG ist ausgesprochen artenreich. Die naturnahen Wälder sind der Sommerlebensraum von Fledermäusen. Es gibt Nachweise mehrere Arten, u. a. auch des Großen Mausohrs. Die Gipskeuperhöhlen haben eine Relevanz als Winterquartier für Fledermäuse. Die Brutvogelwelt des Seeberges ist mit insgesamt 72 Arten vertreten, dabei sind die Vorkommen von Steinschmätzer, Wendehals und Uhu besonders zu nennen. Des Weiteren wurden Kreuzotter, Ringelnatter, Zauneidechse, Wechsel- und Kreuzkröte, Seefrosch sowie Kammmolch beobachtet. Die Molluskenfauna (Weichtiere) im NSG ist mit 3 Wasser- und 41 Landschneckenarten sowie

einer Kleinmuschel recht artenreich (ZEISSLER 1996 & 1998, BÖSSNECK 2003 & 2007). Bedeutungsvoll sind Sumpf- und Schmale Windelschnecke in den „Struthwiesen“. Von den zahlreichen nachgewiesenen Insekten können nur einige Besonderheiten erwähnt werden, zu diesen gehören der wärmeliebende Erdbock, die Plattbauchspinne Zelotes electus (Erstnachweis für Thüringen) und der Schwarze Ölkäfer Meloe proscarabaeus. Für die Tagfalterfauna sind die Saumbiotope von Bedeutung mit Magerrasen-Perlmutterfalter, Grasheiden-Scheckenfalter, Himmelblauem Bläuling und Rotem Würfelfalter (SCHLEIP et al. 1996).
Gebietszustand und Entwicklungsziele
Der aktuelle Zustand des NSG ist recht uneinheitlich. Neben wertvollen naturnahen Bereichen sind auch Nadelholzforste, aufgelassene und aktive Steinbrüche sowie ehemalige militärische Nutzung präsent. Die Nadelforste sollten durch geeignete Maßnahmen in naturnahe Laubmischwälder umgebaut werden, die verbliebenen militärischen Bauwerke sind rückzubauen. Auch die Pappelanpflanzungen innerhalb des NSG, z. B. unterhalb des Steinbruches am Kleinen Seeberg, sollten beseitigt werden. Kontinuierliche Maßnahmen sind zur Pflege der wertvollen Offenlandbiotope erforderlich, diese müssen vor einer zunehmenden Verbuschung bewahrt werden. Für die Bereiche an der Heiligen Lehne und der Streuobstwiesen ist eine mehrfache jährliche Beweidung anzustreben. Im Rahmen des EU-LIFE-Projekts „Erhaltung und Entwicklung der Steppenrasen Thüringens“ im Projektgebiet 11 „Seeberg- Siebleber Teich“ (Laufzeit 2009 – 2014) sollen Biotopentwicklungsmaßnahmen zur Förderung der Steppenrasen auf dem Seeberg erbracht werden. 2011 sind die Beseitigung von Eschen und Unterwuchs am Aufgang zum Kleinen Seeberg sowie die starke Durchforstung einschließlich Beseitigung von Unterwuchs an der Breiten Trift vorgesehen. Seit Jahren ist im gesamten NSG, vorwiegend auf der trockenen Südseite und der Kammlage, die standörtlich ungeeignete Fichte bestandesweise abgängig, teils durch Sekundärbefall mit dem Fichtenborkenkäfer beschleunigt. Die entstehenden Kahlflächen sollen mit standortgerechten Laubgehölzen aufgeforstet werden, was an mehreren Stellen bereits geschehen ist. Der historische Wanderweg „Graf-Gleichen-Weg“, benannt nach dem Adelsgeschlecht der Grafen von Gleichen führt von Gotha zur Veste Wachsenburg. Er verläuft von der Alten Sternwarte bis zum Gasthof „Düppel“ über den Seeberg. Am Kleinen Seeberg befindet sich außerdem ein Naturlehrpfad, welcher durch die Stadtverwaltung Gotha angelegt wurde.

Biotoppflege durch Schafbeweidung am Kleinen Seeberg im Bereich des ehemaligen Kalksteinbruches. (3)
