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Nr. 332 „Röhnberg“

Naturschutzgebiet Nr. 332 „Röhnberg“

Allgemeine Angaben

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Landkreis Gotha Gemarkungen Wechmar, Mühlberg und Wandersleben MTBQ 5130/2; 5131/1 Größe 222,7 ha Naturraum Innerthüringer Ackerhügelland Natura 2000 FFH-Gebiet Nr. 62 RVO Verordnung des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 09.12.1996 (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 1/1997 vom 06.01.1997, S. 38 – 41)

Schutzzweck

Erhaltung der Laubmischwälder, Streuobstwiesen, Trockenrasen, wärmeliebenden Ruderalfluren und Keuper-Badlands als Lebensraum gefährdeter Pflanzen und Tiere.

Gebietsbeschreibung und Bedeutung

Das NSG „Röhnberg“ umfasst die vier bewaldeten Höhenrücken des Röhn-, Kaff-, Kallen- und Gleichenberges. Der Gleichenberg mit der Ruine der Burg Gleichen ist gleichzeitig eines der regionalen Wahrzeichen des Drei-Gleichen-Gebietes. Die Südflanke des Burgberges ist seit dem Mittelalter größtenteils waldfrei mit Wiesen und Weiden, während auf der Nordseite und am Kaffberg seit mindestens dem 16. Jahrhundert als Niederwald genutzter Laubwald stockt (WENZEL et al. 2011). In der 130 km langen Saalfeld-Eichenberger Störungszone ist hier die Wachsenburg-Keupermulde zwischen zwei parallelen Randstörungen eingesunken. Im Zuge der Gesteinsabtragung wurden die relativ widerständigen Schichten des Oberen Keupers als Härtlinge herauspräpariert, wonach das ehemals tiefer gelegene Gelände heute die Umgebung überragt. Hier liegt ein klassisches Beispiel für eine Reliefumkehr vor. Die Sockel bestehen aus Sedimenten des Mittleren Keupers mit graubunten Mergeln, Steinmergeln und Dolomitbänkchen. Die Kuppen sind aus feinkörnigen harten Rät-Sandsteinen (Oberer Keuper). In den Steinmergelbereichen sind stellenweise Badlands („schlechtes Land“, vegetationsarme Rohbodenbereiche) ausgebildet. Die mit ca. 5 ha größten Badlands im Gebiet befinden sich am unteren Süd- und Osthang des Gleichenberges. Steinmergelkeuper ist in Thüringen nur noch in Relikten erhalten, u.a. die günstigen Aufschlussverhältnisse im NSG begründen seinen besonderen Wert. Die Naturausstattung des Gebietes ist von landesweiter Bedeutung, es ist eines der artenreichsten und wertvollsten Gebiete in Thüringen. Gleichzeitig ist das NSG auch eines der am besten untersuchten Gebiete in Thüringen. Über das Drei-Gleichen-Gebiet gibt es zahlreiche Veröffentlichungen und Artangaben, welche im Rahmen dieser Broschüre nur angerissen werden können. Erwähnt werden soll das kürzlich erschienene Buch über das Drei-Gleichen-Gebiet (SIEGESMUND & HOPPERT 2010) oder das umfassende Buch über die Vegetation von KLUG (2007). Die Vegetation des Naturschutzgebietes wird geprägt durch ein Mosaik aus Wald-, Gebüsch- und Offenlandgesellschaften, wobei die Trockenbiotope hier höchste Bedeutung besitzen. Die Streuobstwiesen und Ackerränder sind ebenfalls Lebensräume für spezielle Arten. Unter den naturnahen Waldgesellschaften sind WaldlabkrautEichen-Hainbuchenwälder, Steinsamen-Elsbeeren-Eichenwälder und Fingerkraut-Eichenwälder an den Südhängen, Buchenwälder an den Nordseiten und über Rätsandstein auf dem Plateau auch Hainsimsen-Traubeneichen-Wälder besonders prägend, in welchen Eichen-Lattich, Weißes Fingerkraut, Blasses Knabenkraut, Stattliches Knabenkraut, Fliegenragwurz, Purpurblauer Steinsame oder Kleines Träubel gedeihen. Vertikal verlaufende Lesesteinhaufen aus Rätsand-

Purpurblauer Steinsame im wärmeliebenden Steinsamen-Elsbeeren-Eichenwald. (1)

Durch die Entfernung einzelner Schwarzkiefern freigestellter Südhangbereich an der Burg Gleichen. (3)

Das Deutsche Filzkraut besitzt am westlichen Rand des Röhnberges sein einziges Vorkommen in Thüringen. (1)

stein zeugen vom ehemaligen Weinanbau am Mittleren Röhnberg. Hier haben sich thermophile Gebüsche und lichte Eichenwälder besonders üppig ausgebildet. Eschen-Ahorn-Schlucht- und Schatthangwälder finden sich an den Ost- und Nordosthängen des Gleichenberges, eindrucksvoll ist ihr Frühlingsaspekt mit Massenbeständen des Märzenbechers. Die extrem trockenen und fast vegetationslosen Bereiche der Badlands wie auch die Trockenrasen sind wichtige Reliktstandorte spezialisierter und konkurrenzschwacher Pflanzenarten, insbesondere osteuropäischer Steppenpflanzen und südeuropäischer Karstwaldpflanzen, z. B. Steppen-Spitzkiel, Haar-Pfriemengras, Goldhaar-Aster, Essig-Rose, Elsässer Haarstrang, Mittleres Vermeinkraut, Zwerg-Schneckenklee, Quendel-Sommerwurz, Graugrüne Quecke, Ähren-Blauweiderich, Geflecktes Ferkelkraut und Bienen-Ragwurz. In einem lückigen, gestörten Magerrasen am westlichen Rand des Röhnberges konnte 2004 das Deutsche Filzkraut wiederentdeckt werden, welches hier seinen einzigen Standort in Thüringen besitzt (SCHUSTER, KLUG & OPPEL 2006). Eine landesweit bedeutsame Ruderalflur mit subkontinentalen Waldsteppenelementen befindet sich im südöstlichen Bereich des Wallgrabens zur Burg Gleichen mit Pannonischer und Echter Katzenminze, Bologneser Glockenblume, Kletten-Igelsame oder Schlangenäuglein. In der Hangmitte des Kaffberges, innerhalb der Keuperbadlands wächst das von Aussterben bedrohte Kissenmoos Grimmia plagiopodia (KLUG 2007). Die Ackerwildkraut-Gesellschaften an den Südseiten von Kaff-, Röhnberg und Gleichenberg enthalten so seltene Arten wie Rauhaar-Eibisch, Sommer-Adonisröschen, Acker-Haftdolde, Dreihörniges Labkraut, Kleinblütigen Frauenspiegel, Gelben Günsel und Ackerkohl. Besondere Bedeutung kommt dem NSG auch als Lebensraum und Nahrungshabitat für eine Vielzahl von Tierarten zu. An der Burg Gleichen konnten fünf Arten von Fledermäusen nachgewiesen werden, u. a. das Graue Langohr (Claussen 2004). Bemerkenswerte Vogelarten sind Wachtel, Rotmilan, Grau- und Schwarzspecht und Wendehals. Seit 1986 siedeln auf dem Röhnberg baumbrütende Uhus, was recht außergewöhnlich ist, da die Uhus ansonsten in Thüringen nur auf Felsbändern brüten (BELLSTEDT 2010). Die kleinräumigen Biotope bieten den licht- und wärmeliebenden Insektenarten verschiedener Ordnungen idealen Lebensraum. Hervorzuheben sind Populationen von Blauflügeliger Ödlandschrecke, Erdbock, Hirschkäfer, Ameisenlöwe sowie dem Schwarzen Ölkäfer Meloe proscarabaeus, den Tagfaltern Krüppelschlehen-Zipfelfalter und Einbrütiger Sonnenröschen-Bläuling, dem Prachtkäfer Phaeops cyanea, den Laufkäfern Leistus spinibarbis und Bembidion semipunctatum (BELLSTEDT 2010, WENZEL et al. 2011).

Gebietszustand und Entwicklungsziele

Für das NSG „Röhnberg“ wurde im Auftrag des Staatlichen Umweltamtes Erfurt ein Pflege- und Entwicklungsplan aufgestellt (INL 2002). Im Rahmen dieser Planung wurden allgemeine Ziele

Quartiere des Grauen Langohrs gibt es in der Burg Gleichen. (11)

und Maßnahmen hinsichtlich der Besucherlenkung und -information sowie der jagdlichen Nutzung formuliert. Im Mittelpunkt der Besucherlenkung steht die Einrichtung eines Besucherleit- und Lenksystems, welches mit Hilfe eines sinnvollen Wegekonzeptes unverträgliche Nutzungen im NSG entflechten soll. Spezielle Ziele und Maßnahmen wurden detailliert für Waldbereiche und Offenlandbiotope empfohlen. Die naturnahen Waldbestände sind als repräsentatives Beispiel für die standörtliche Gliederung von Waldgesellschaften im Innerthüringer Ackerhügelland zu erhalten. Standortfremde (kulturbestimmte) Bestände sind in standortheimische (naturbestimmte) Bestockungen umzuwandeln. Die natürliche Waldentwicklung soll gefördert und eine naturgemäße forstwirtschaftliche Nutzung mit einem Überhang alter Bestände angestrebt werden. Aus naturschutzfachlicher Sicht sollte auch die traditionelle Mittelwaldbewirtschaftung ausgewählter Eichen-Trockenwälder wieder aufgenommen und die Eichennaturverjüngung gefördert werden. Um lichtliebende, standortgerechte Arten zu fördern, sollten in den Trockenwäldern Einzelbaumentnahmen erfolgen. Die Pflege der Offenlandbereiche erfolgt durch Pflegemaßnahmen örtlicher Naturschutzvereine, durch extensive Schafhutung und durch Rinderbeweidung. Einzelne Flächen unterliegen gar keiner Pflege. Erhaltung und Entwicklung der wertvollen Offenlandbiotope erfolgen vorrangig durch eine extensive biotopgerechte Pflege der entsprechenden Bereiche. Schwerpunkte der Offenhaltung bilden dabei die Badlands, die Trocken- und Halbtrockenrasen sowie die Streuobstwiesen. Diese Biotope sind insbesondere vor einer Verbuschung (Sukzession) zu bewahren, bereits beeinträchtigte Biotope sind in ihrer ursprünglichen Lebensraumfunktion wieder herzustellen. Vor allem ausgebrachte Arten, wie z. B. der Bocksdorn, müssen mühsam wieder entfernt werden. Das Landratsamt Gotha und das Thüringer Forstamt Finsterbergen begleiten das LIFE-Projekt „Erhaltung und Entwicklung der Steppenrasen Thüringens“ im Projektgebiet 10 – Drei Gleichen (Laufzeit 2009 – 2014). Hierbei sollen Biotopentwicklungsmaßnahmen zur Förderung der Steppenrasen wie etwa Waldrodung in Einklang mit forstlichen Forderungen zum Schutz und Erhalt südexponierter trockenheitsliebender Wälder gebracht werden.

Der Erdbock ist eine Charakterart der kontinentalen Steppenlandschaft. (1)

Am Südhang des Röhnberges ist das Blasse Knabenkraut noch zu Hunderten anzutreffen. (1)

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