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Nr. 329 „Unstruttal zwischen Nägelstedt und Großvargula“
Naturschutzgebiet 329 „Unstruttal zwischen Nägelstedt und Großvargula“
Allgemeine Angaben
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Landkreise Gotha und Unstrut-Hainich-Kreis Gemarkungen Gräfentonna, Großvargula und Nägelstädt MTBQ 4830/3,4 Größe 192,6 ha Naturraum Innerthüringer Ackerhügelland Natura 2000 FFH-Gebiet Nr. 38 RVO Verordnung des Thüringer Landesverwaltungsamtes Weimar vom 03.07.1996 (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 29/1996 vom 22.07.1996, S. 1425 – 1427)
Schutzzweck
Schutz des Durchbruchstales der Unstrut mit einem vielfältigen Mosaik wertvoller Trocken- und Feuchtbiotope als Refugium bedrohter Pflanzen und Tiere.
Gebietsbeschreibung und Bedeutung
Das NSG ist insbesondere durch den Wechsel unterschiedlicher Lebensräume wie Trocken- und Halbtrockenrasen, Auwaldrelikte, naturnahe Laubmischwälder, Frisch- und Feuchtwiesen, Quellbereiche, Moore, aufgegebene Steinbrüche und Lehmgruben charakterisiert. Ein prägendes Landschaftselement des NSG ist die Unstrut, die hier ein weitgehend natürliches Flussbett mit Prall- und Gleitufern, Uferabbrüchen, Kolken, Ruhigwasser- und Plätscherstrecken, Kiesbänken und Inseln besitzt. Der Fluss hat als natürlicher Wander- und Ausbreitungsweg von Tieren und Pflanzen eine zentrale Bedeutung für das Gebiet. Die geologische Struktur wird im oberen und mittleren Plateaubereich durch tonige Schichten des Mittleren und Unteren Keupers charakterisiert. An den stärker einfallenden unteren Hangpartien des Durchbruches werden Schichten des oberen Muschelkalkes angeschnitten. Daraus entwickelten sich tonig-steinige Lehme mit BerglehmRendzina. Im östlichen Teil des Schutzgebietes sind eiszeitlich geformte Flussterrassen anschaulich ausgeprägt. Der Grund des Kerbsohlentales wird von Auelehm bedeckt, in tiefer gelegenen Bereichen treten Vernässungsflächen auf. Durch den Zufluss von sulfathaltigem Schichtenwasser treten in der Aue, in partiell vermoorten Gebieten, Schwefelquellen als hydrogeologische Besonderheit zu Tage. Von Hangdruckwasser aus dem Kalkstein werden eine schwächere Erdfallquelle und eine eisenoxidhaltige artesische Quelle gespeist. Das Gebiet ist geprägt durch Offenlandbiotope unterschiedlicher Sukzessionsstadien und dient einer Vielzahl bedrohter Pflanzen- und Tierarten als Lebensraum. Nachgewiesen sind über 500 Gefäßpflanzenarten, über 90 Moosarten und über 600 Tierarten (WEIPERT 1994 & 1995, MARSTALLER 2004). Innerhalb der Moosvegetation konnten an Kalksteinen in der Unstrut das seltene Laubmoos Fissidens crassipes und an der Borke von Bäumen im Uferbereich das Laubmoos Tortula latifolia nachgewiesen werden. Hervorzuheben sind die ursprünglichen Waldreste an der Nordabdachung mit Waldmeister-Buchenwäldern, Schluchtwäldern und Eichen-Hainbuchenwäldern. Von großer Bedeutung ist der trockene Südhang mit ausgedehnten Kalk-Trockenrasen und subpannonischen Steppenrasen. In den AdonisröschenFiederzwenken-Halbtrockenrasen treten vor allem wärmeliebende, kontinentale Arten aus den Steppengebieten Osteuropas und Vorderasiens auf. Typisch sind die Steppen- und Trockenrasenarten Dänischer Tragant, Deutscher Alant, Braunes
Frühlingsaspekt im Auenwald entlang der Unstrut mit Hohlem Lerchensporn. (2)


Häubchenmuschel und Kleine Teichmuschel sind typische Arten der Unstrutaue. (beide 1)
Mönchskraut, Liegender Ehrenpreis, Hartgras, Acker-Wachtelweizen, Geflecktes Ferkelkraut und Frühlings-Adonisröschen (SCHUSTER & BELLSTEDT 2007). In der Aue treten als wertvolle Pflanzengesellschaften Brustwurz-Kohldistel-Feuchtwiese, Sumpfstorchschnabel-Mädesüß-Flur und Wiesenknopf-Silau-Feuchtwiese in Erscheinung. Besondere Erwähnung soll ein innerhalb des Feuchtwiesenkomplexes auftretender Quellmoorbereich finden, in welchem neben Torfmoosen auch die Entferntährige Segge und das PlatthalmQuellried aktuell nachgewiesen werden konnten (Beobachtung von SCHUSTER & OPPEL 2010). Die hier auftretende Schachbrettblume ist mit großer Wahrscheinlichkeit angesalbt. Unter zahlreichen im NSG aufgefundenen Orchideenarten wurde eine ganze Reihe auch florenfremder Arten ebenfalls ausgebracht. Echtes Herzgespann, Guter Heinrich und Echtes Eisenkraut zeugen von der Kulturlandschaft. Auch die Fauna weist einen bemerkenswerten Artenreichtum auf. Im NSG brüten über 60 Vogelarten, darunter Beutelmeise, Grauammer, Raubwürger, Rotmilan und Wendehals. Typisch für die naturnahe, ursprüngliche Flußaue sind Seefrosch, Wechselkröte, Kammmolch, Gebänderte Heidelibelle sowie die Fischart Westgroppe. An den ausgedehnten, südexponierten Trockenhängen sind zahlreiche wärmeliebende Arten aus der Gruppe der Schnecken, Heuschrecken, Schmetterlinge, Laufkäfer, Bockkäfer, Wildbienen und Hummeln sowie weiterer Artengruppen nachgewiesen. Exemplarisch sollen nur die Glattnatter, die Zauneidechse, der Erdbock, die beiden Ölkäferarten Meloe proscarabaeus und Meloe violaceus und der vom Aussterben bedrohte Schwarzbraune Würfelfalter aufgeführt werden. (WEIPERT 1996, SCHUSTER &
BELLSTEDT 2007) Die Untersuchungen zur Molluskenfauna belegen eine außerordentlich hohe Artenvielfalt (BÖSSNECK 2001, BÖSSNECK 2008). Unter den 84 nachgewiesenen Arten, darunter 19 Wasserschnecken und 13 Muscheln, sind allerdings zahlreiche nur als Leergehäuse belegt. Kleinflächige Seggenriede und Feuchtwiesen in der Unstrutaue sind beispielweise Lebensraum von Schmaler Windelschnecke und Sumpf-Windelschnecke. In der Unstrut leben noch die Kleine Teichmuschel und die Häubchenmuschel.
Gebietszustand und Entwicklungsziele
Im Interesse einer ungestörten natürlichen Entwicklung wurden im Rahmen eines Pflege- und Entwicklungsplanes eine Reihe von Maßnahmen zur Erhaltung und Pflege des Schutzgebietes benannt (WEISE 1996). Während die Talaue als Grünland oder Acker bewirtschaftet wird, sind die ehemaligen Hutungsflächen der Hanglagen größtenteils seit längerem unbewirtschaftet und dadurch stark verbuscht. Die vor einigen Jahren durch das Landratsamt des Unstrut-Hainich-Kreises initiierten Entbuschungen wurden nicht konsequent weitergeführt. Am gesamten Südhang und auf Teilflächen des Nordhanges müssen in Abständen von mehreren Jahren Entbuschungen vorgenommen werden, um die besonders artenreichen Halbtrockenrasen zu erhalten und als Schafhutungsflächen herzurichten. Die für das NSG bedeutsamen Halbtrockenrasen und Steppenrasen mit einer der größten Populationen des gefährdeten Frühlings-Adonisröschens in Thüringen, müssen auch weiterhin extensiv bewirtschaftet werden. Dazu müssen die Flächen regelmäßig mit Schafen beweidet werden. Das Naturschutzgebiet ist derzeit ein Teilgebiet des geförderten EU-LIFE-Projektes „Erhaltung und Entwicklung der Steppenrasen Thüringens (2009 – 2014). Hierbei sollen konkrete Biotopentwicklungsmaßnahmen zur Förderung des Steppenrasens vorangebracht werden.
Extensiv genutztes Frisch- und Feuchtgrünland in der Aue soll erhalten und auch weiterhin als solches genutzt werden. Vorhandene Nadelholzforste sollten mit Erreichen der Hiebsreife eingeschlagen und unter Nutzung der natürlichen Sukzession in naturnahe Laubmischwälder umgewandelt werden. Innerhalb einer intensiv ackerbaulich genutzten Landschaft liegend besitzt das NSG eine wichtige Refugialfunktion. Das NSG soll durchaus auch der Naherholung dienen, die Lohmühle wird gern als Ausgangspunkt für Wanderungen in das Unstruttal genutzt.


Dänischer Tragant und Schlitzblättriger Stielsame sind kennzeichnende Steppenpflanzen der Steppenrasen am Südhang des Unstruttales. (beide 1)
