Programmheft Il trittico

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Il trittico

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Il trittico

Operntriptychon von Giacomo Puccini

Libretto von Giuseppe Adami und Giovacchino Forzano

Die Besetzung der einzelnen Opern finden Sie auf den Seiten 6-8.

MUSIKALISCHE LEITUNG

Daniel Carter INSZENIERUNG

Neil Barry Moss

BÜHNE Manfred Rainer

KOSTÜME

Hannah Rosa Oellinger LICHTREGIE Markus Stretz

CHOREINSTUDIERUNG Alice Lapasin-Zorzit

KINDERCHOREINSTUDIERUNG Marius Popp DRAMATURGIE André Sievers

MUSIKALISCHE ASSISTENZ: Roland Fister

MUSIKALISCHE EINSTUDIERUNG:

Claudio Rizzi, Kieran Staub REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG: Sally Elblinger

AUSSTATTUNGSASSISTENZ:

Rita Landgrebe, Susanne Wilczek INSPIZIENZ: Boris Stark

SOUFFLAGE: Susanne Wittmann

REGIEHOSPITANZ:

Thomas van Rensburg, Pauline Hiller

ÜBERTITELEINRICHTUNG: André Sievers

ÜBERTITELINSPIZIENZ: Elin Hintzmann

TECHNISCHE LEITUNG: Daniel Kaiser

BÜHNENMEISTER:

Norman Heyn, Mathias Stöcklein TONMEISTER: Michael Och

CHEFMASKENBILDNERIN: Alicia Müller

LEITUNG DER REQUISITE: Manfred Dehler

LEITUNG DER KOSTÜMABTEILUNG: Gerhard Gollnhofer

LEITENDE GEWANDMEISTERINNEN: Margareta Gulich, Karin Müller

KOSTÜMASSISTENZ: Andreas Brehm

WERKSTÄTTENLEITUNG: Rainer Schirmer

PREMIERE 05. Oktober 2024, GLOBE URAUFFÜHRUNG 14. Dezember 1918, Metropolitan Opera New York

AUFFÜHRUNGSDAUER ca. 4 Stunden, 2 Pausen

AUFFÜHRUNGSRECHTE Casa Ricordi Srl., Milano, vertreten durch G. Ricordi & Co. Bühnen und Musikverlag GmbH, Berlin

Aus rechtlichen Gründen sind Bild- und Tonträgeraufnahmen während der Aufführung nicht gestattet.

Excellence Inside

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Il tabarro

Oper in einem Akt

Libretto von Giuseppe Adami nach La Houppelande von Didier Gold

Nach dem Tod ihres Kindes vor einem Jahr haben sich Giorgetta und Michele voneinander entfremdet. Zwar leben sie noch gemeinsam auf Micheles Lastkahn, doch Giorgetta sucht ihr Glück woanders. Sie hat sich in einen Arbeiter Micheles, Luigi, verliebt. Nach getaner Arbeit feiert man zusammen. Frugola, die Frau des Arbeiters Talpa, kommt, um ihren Mann abzuholen. Beide träumen von einem Häuschen auf dem Land. Giorgetta und Luigi sehnen sich hingegen nach der Stadt. Sie verabreden sich zu einem Treffen in der Nacht. Michele, der schon länger Misstrauen seiner Frau gegenüber hegt, erwischt Luigi auf dem Weg zu Giorgetta. Er erwürgt ihn und präsentiert die Leiche seiner Frau.

Besetzung

Michele: Lars Fosser

Luigi Gustavo: López Manzitti

Il Tinca: Dirk Mestmacher

Il Talpa: Michael Lion/Bartosz Araskiewicz

Frugola: Emily Lorini

Giorgetta: Maritina Tampakopoulos

Un Venditore di Canzonette: Jaeil Kim

Due amanti: Hlengiwe Precious Mkhwanazi, Jaeil Kim

Das Kind: Johannes Gräßl/Philipp Müller

Chor des Landestheaters Coburg

Kinderstatisterie des Landestheaters Coburg

Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

Oper in einem Akt

Libretto von Giovacchino Forzano

Angelica lebt seit sieben Jahren im Kloster. Aufgrund eines unehelichen Kindes wurde sie von ihrer Familie hierher verbannt. Seither lebt sie abgeschieden von der Welt in der Frauengemeinschaft. Von ihrem Kind hat sie nichts mehr gehört. Unterschiedliche Bräuche, Regeln und Riten bestimmen den Alltag der Frauen. Da wird ein Besuch angekündigt: Es ist Angelicas Tante, die Fürstin. Sie berichtet, dass Angelicas Schwester heiraten möchte. Zu ihren Gunsten soll Angelica nun auf das Erbe verzichten. Als Angelica nach ihrem Kind fragt, erklärt die Fürstin, dass es schon vor zwei Jahren an einer Krankheit verstorben sei. Angelica bricht zusammen. Sie beschließt, ihr Leben zu beenden.

Suor Angelica Besetzung

Suor Angelica: Hlengiwe Precious Mkhwanazi/Maritina Tampakopoulos

La Zia Principessa: Kora Pavelić

La badessa: Ioana Tautu/Tomoko Yasumura

La suora zelatrice: Gustavo López Manzitti

La maestra delle novizie: Dirk Mestmacher/Ioana Tautu/Claudia Schäfer

Suor Genoveffa: Keiko Obai/Joana Stark

Novizia/Suor Osmina: Luise Hecht/Jieun Jeong

Suor Dolcina/Prima Conversa: Tomomi Fujiyama/Gabriele Bauer-Rosenthal

Una Suora Infermiera: Emily Lorini

La Cercatrice I: Luise Hecht/Jieun Jeong

La Cercatrice II: Stefanie Ernst/Rita Popescu

Seconda Conversa: Stefanie Ernst/Eva Maria Fischer

Sohn Angelicas: Johannes Gräßl/Philipp Müller

Chor des Landestheaters Coburg

Extrachor des Landestheaters Coburg

Kinderchor des Landestheaters Coburg

Kinderstatisterie des Landestheaters Coburg

Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

Gianni

Schicchi

Oper in einem Akt

Libretto von Giovacchino Forzano

Der reiche Buoso Donati ist gestorben. Die Verwandtschaft heuchelt Trauer und ist einzig am Testament interessiert. Als dieses endlich gefunden und geöffnet ist, sitzt der Schock tief: Donati hat sein gesamtes Vermögen einem Kloster vermacht. Dies will die Verwandtschaft nicht auf sich sitzen lassen. Nach einigem Hin und Her heuert man schließlich Gianni Schicchi an, das Problem zu lösen. Dieser will, da noch niemand von dem Tod Donatis erfahren hat, in der Rolle des sterbenden Donati ein neues Testament diktieren. Der Plan wird ausgeführt: Der Notar kommt und Schicchi verfasst als Donati ein neues Testament – entgegen der Absprachen vermacht er den wertvollsten und begehrtesten Teil des Erbes jedoch nicht der Familie, sondern sich selbst.

Besetzung

Gianni Schicchi: Daniel Carison

Lauretta: Hlengiwe Precious Mkhwanazi/Maritina Tampakopoulos

Zita: Kora Pavelić

Rinuccio: Jaeil Kim

Gherardo: Gustavo López Manzitti

Nella: Joanna Stark

Gherardino: Johannes Gräßl/Philipp Müller

Betto di Signa: Bartosz Araszkiewicz

Simone: Michael Lion

Ciesca: Emily Lorini

Marco: Simon van Rensburg

Maestro Spinelloccio, Dottore: Dirk Mestmacher

Amantio di Nicolao, Notaio: Martin Trepl

Pinellino: Marcello Mejía-Mejía

Guccio: Jinwook Jeong

Buoso Donati: Manfred Völk

Statisterie des Landestheaters Coburg

Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

„Ich beharre auf drei Farben“
Zu

Il trittico ist Puccinis letztes vollendetes Werk und erst in jüngerer Vergangenheit wieder vermehrt und regelmäßig auf den Spielplänen großer Opernhäuser zu finden. In Coburg wird dieses bedeutende Werk Puccinis, soweit recherchierbar, zum ersten Mal in seiner urprünglichen Form aufgeführt.

Bereits nach der Fertigstellung von Tosca im Jahr 1900 verfolgte Puccini den ehrgeizigen Plan, einen abendfüllenden Zyklus aus drei Einaktern zu komponieren. Verschiedene Themen standen dabei zur Diskussion, darunter Kurzgeschichten von Maxim Gorki oder die Romantrilogie Tartarin von Tarascon von Alphonse Daudet – doch keines dieser Projekte wurde realisiert. Puccini konnte sich nicht für ein geeignetes Werk entscheiden und sein Verleger Ricordi, getrieben von ökonomischen Bedenken, widersetzte sich dem Vorhaben. Ein solcher Zyklus wäre gefährdet zerrissen zu werden, indem einzelne Teile unabhängig voneinander und möglicherweise mit Konkurrenzwerken aufgeführt werden würden, für die man keine Rechte besaß.

Schon damals, um 1904, zeichnete sich jedoch ab, dass Puccini mit Il trittico drei kontrastierende Werke schaffen wollte. So schrieb er an seinen Librettisten Luigi Illica: „Ich beharre auf drei Farben.“ Sein erklärtes Ziel war es, Tragisches, Gefühlvolles und Komisches in einem einzigen Opernabend zu vereinen. 1912 begegnete er erstmals Didier Golds Schauspiel La Houppelande, das ihn so beeindruckte, dass er es 1913 erstmals in einem Brief an Illica erwähnte und als „Grand Guignol“ bezeichnete – ein Genre, das für blutige und gewaltgetränkte Stücke berüchtigt war, wie sie im Pariser Théâtre du Grand Guignol beliebt waren. Puccini hatte somit den ersten Baustein für sein Projekt gefunden.

Im Juni 1913 formulierte er schließlich seine Pläne: „Ich denke, ich habe die drei Opern nun geordnet. Eine ist Golds Houpplande, eine andere von d’Annunzio und die dritte, eine komische Oper von Tristan Bernard. Alle drei sollen zusammen an einem Abend gespielt werden.“ Doch auch diese Pläne scheiterten. 1917 wurde Puccini auf das sakrale Werk Suor Angelica aufmerksam, das ihn durch seine religiösen Visionen und mystischen Elemente faszinierte. Diese Komposition nahm er sofort in Angriff. Kurz darauf kam ihm der Einfall, nachdem er lange eine Oper basierend auf Dantes Divina Commedia schreiben wollte, zumindest eine Episode daraus zu adaptieren – Gianni Schicchi, eine bittere Komödie voller Sarkasmus und schwarzem Humor.

Die Uraufführung von Il trittico fand schließlich am 14. Dezember 1918 an der Metropolitan Opera in New York statt. Eine Premiere in Italien war angesichts der Folgen des Ersten Weltkriegs undenkbar und aufgrund der schwierigen Reisebedingungen der Nachkriegszeit konnte Puccini selbst nicht anwesend sein. Es war die letzte Premiere eines seiner Werke zu seinen Lebzeiten.

Doch warum steht Il trittico weitestgehend im Schatten von Puccinis populären Opern wie Tosca oder La bohème? Ein Grund könnte in der ungewöhnlichen Form des Werkes liegen. Der Titel verweist auf das kunsthistorische Triptychon – ein dreiteiliges Gemälde, das verschiedene Szenen zeigt, wie man es etwa von Flügelaltären kennt. Hinzu kommt, dass die behandelten Stoffe von einer gewissen Härte und unversöhnlichen Konflikthaftigkeit geprägt sind, die sich auch musikalisch von der Kantabilität und Wärme der bekannteren Puccini-Opern unterscheiden. Auch die Struktur – drei Einakter an einem Abend – weicht vom klassischen mehraktigen Opernabend mit einer linearen Handlung ab. In dieser Koppelung von Schauerdrama, Rührstück und Burleske liegt durchaus ein operngeschichtliches Novum, welches damalige Rezeptionsgewohnheiten herausforderte.

Gerade hier liegt jedoch auch der Reiz von Il trittico. Puccini gelingt es, ein wahres Welttheater auf die Bühne zu bringen, das nahezu alle menschlichen Emotionen abbildet – von tiefstem Leid bis zu ausgelassener Freude. In dieser Dichte und Vielfalt menschlicher Erfahrungen ist Il trittico einzigartig. Puccini zeigt eindrucksvoll, wie nah Freud und Leid, Liebe und Schmerz, Leben und Tod beieinanderliegen – und führt uns deren natürliche Gleichzeitigkeit in eindrücklicher Weise vor Augen.

Zur Technik des nicht-linearen Erzählens

Die Preisgabe linearer Strukturen um 1900, verbunden zumeist mit seismografisch präzisen Reaktionen auf die Erschütterung der Welt, hat vielgestaltige Ausprägungen hervorgerufen. Puccinis Opern haben offenbar auf eine viel stärkere Weise Anteil an diesem Prozess als lange angenommen – und dabei ganz eigene Gestaltungsmuster hervorgebracht.

Denn Puccini hielt äußerlich an zwei Charakteristika bedingungslos fest, der Identität der einen Geschichte und dem Willen zur wirkungsästhetischen Überwältigung. Diese beiden äußeren Konstanten lassen leicht die subtilen Brechungen übersehen, die auf die Erschütterungen der Moderne reagieren und eigene Darstellungsformen hervorgebracht haben. Puccini hielt vordergründig an einer „linearen“ Erzählung durch Musik fest – während die Brüche, Störungen und Mehrdeutigkeiten sich aus deren kompliziertem Spannungsgeflecht mit der Szene ergeben sollten.

Puccini hat diesen Weg mit einiger Konsequenz weiterverfolgt. Besonders weit reicht dieses Bemühen im Projekt des Trittico (=Triptychon), das den Komponisten über einen bemerkenswert langen Zeitraum beschäftigte. Erste Pläne entstanden bereits um 1900. Am Ende konkretisierte sich der Plan ab etwa 1913. Für das Vorhaben ist immer wieder die Konjunktur des Einakters um 1900 geltend gemacht worden, doch der Trittico weist darüber weit hinaus. Denn das grundlegende theaterpraktische Problem – dass ein Einakter in der Regel nicht abendfüllend sein kann – wird hier in sein Gegenteil verkehrt, also die Provokation eines dreiteiligen Theaterabends, der zumindest bei der Uraufführung 1918 in New York auch realisiert wurde. Dass allen drei Werken der nackte, neutralisierende Titel „opera“ mitgegeben wurde, ohne jede weitere Spezifizierung, lässt diesen Charakterzug einer Einheit aus heterogenen Bestandteilen besonders deutlich hervortreten.

Am Ende handelt es sich im Trittico also, in der Aufkündigung der Mehraktigkeit, um die weitgehende Konsequenz aus dem Verzicht auf Linearität. Drei komplementäre Opern, drei Perspektiven ergänzen sich zu einer spannungsvollen Einheit – ohne jedoch die damit verbundene Diversität zu überwinden. Die Zuordnung zu bestimmten Gattungen entpuppt sich daher nur als ein bloß technisches Verfahren, diese Heterogenität abzubilden, und sie hat daher auch keine Konsequenzen für die Bezeichnung. Il tabarro ist ein Gegenwartsstück, in perfekter Passung von Raum, Zeit und Handlung, zudem, durch das Personal aus dem Proletariat, eine naturalistische Tragödie. Suor Angelica, angesiedelt in einem toskanischen Nonnenkloster des 17. Jahrhunderts, erscheint als symbolistisches Drama. Gianni Schicchi hingegen ist eine Komödie, die jedoch nicht in der Gegen-

wart, sondern im Florenz des Jahres 1299 spielt – und zudem doppelt gebrochen wird durch die Erzählung Dantes. Äußerlich spiegeln sich in dieser Dreiheit die Normen des Tragischen, Epischen und Komischen – und doch, in der Begrenzung auf Einakter, bewusst nicht ohne Widersprüche. Schauplätze, Dramaturgie und Anzahl der Akteure variieren beträchtlich – während der Zusammenhalt allein durch die Einheitlichkeit der Orchesterbesetzung gewährleistet wird. Die Tragödie verweist in die Gegenwart, das symbolistische Drama in eine abstrakte Vergangenheit, die Komödie in ein gebrochenes Mittelalter, die Folge – von der Tragödie zur Komödie – auf eine Art von Konfliktlösung. Die Zusammenbindung der drei Werke lässt sich daher als poetologisch-musikalische Stellungnahme verstehen, eine Art Werkpoetik im gemachten Werk, vielleicht auch, weil eine explizite Poetik als nicht mehr erstrebenswert galt. Ihr Kern liegt darin, dass die musikalisch-theatralischen Gattungen nicht mehr in sich funktionsfähig sein können, sondern dass sie elaborierter Kontrapunkte bedürfen. Begreift man die Techniken der bisherigen Opern als Versuche, das Spannungsfeld solcher Kontrapunkte in die Werke selbst einzulagern, so wird hier die Werkgrenze willentlich überschritten. Tragödie, lyrisches Drama und Komödie funktionieren nicht mehr als geschlossene Einheiten, sondern in der kontrastiven Gegenüberstellung und Abgrenzung – und damit lediglich mittelbar. In einem solchen Schritt vollzieht sich der endgültige Bruch mit der Idee von „linearer“ Erzählung. Der Gedanke eines Triptychons, also der Aufspaltung einer Einheit in separierte Teile, ist in den Wahrnehmungserschütterungen um 1900 erstaunlich virulent geworden, um im Rückgriff auf mittelalterliche Techniken die Möglichkeit linearer Bilderzählung an sich in Zweifel zu ziehen. Die Beispiele nach 1900 sind zahlreich, eine gewisse Schlüsselstellung kommt dabei aber wohl dem Trittico della Natura von Giovanni Segantini zu, gerade weil hier die Darstellungsmodi und -weisen permanent überschrieben worden sind, also die Bedeutungszuweisungen von Beginn an nicht mehr linear verlaufen sollten. An deren Stelle sollten multiperspektivische Sichtweisen treten. Im Triptychon sollte der lineare, zentralperspektivisch gesteuerte Blick auf ein Gemälde aufgelöst werden zugunsten verschiedener „Standpunkte“. Puccini hat diesen Begriff aus der Malerei übernommen, widerstrebend und nicht wirklich überzeugt, aber doch bewegt von der Vorstellung, dass sich hier der Verzicht auf Linearität am deutlichsten abzubilden möge.

An der Schwelle zum Kino

Richard

Den Impuls, Musik zu komponieren, bezog Puccini nahezu ausschließlich aus der Imagination von Szene und darin agierender Figuren. Gegenüber Giuseppe Adami hat er sich verblüffend offen dazu geäußert, wenngleich viele Briefe dieser späten Jahre mit Resignation und Altersklagen eingefärbt sind: „Die Musik? Eine unnütze Sache. Ohne Libretto, wie mache ich da Musik? Ich habe den großen Fehler, sie nur schreiben zu können, wenn meine Henker-Puppen sich auf der Bühne bewegen“.

Tatsächlich erscheint der Aktionsreichtum seines Theaters und die differenzierte Verzahnung von sich überlagernden Bühnenhandlungen mit dem musikalischen Kontinuum als Resultat dieser ausgeprägten Fähigkeit, sich Bühnenvorgänge zu imaginieren und ihnen daraufhin musikalische Form zu geben, die als integrative Kraft räumlicher, visueller und akustischer Parameter fungiert. Der Organisation der zeitlichen Abläufe von Bühnenvorgängen sowie ihrer Bewegungsspezifik kommt bei Puccini ein herausragender Stellenwert zu. Nicht nur die allgemeine Tendenz zur Handlungsstraffung, auch die Logik sich beschleunigender Handlungen und das detaillierte Timing von Pausen und Unterbrechungen sind Bauelemente einer singulären Dynamisierung des Musiktheaters.

Zusammen mit der Prävalenz für eine realistische, an Milieu und Atmosphäre gebundene Theaterästhetik konnte es nicht ausbleiben, dass seinen Werken schon früh eine Nähe zum (Stumm-)Film bescheinigt wurde. War die Bewertung der Zeitgenossen von intellektuellen Vorbehalten gegen das neue Medium gekennzeichnet – Puccini sei „oft ins Kinohafte“ abgeirrt – so fanden doch die Parallelen zwischen Opernbühne und Kino anhand der Analyse analoger ästhetischer Techniken erst später die verdiente Beachtung. Sie tragen dazu bei, Puccini unter jenen Opernkomponisten zu verorten, die an „der Idee von Genrevermischung“ partizipierten, wenngleich er niemals – wie etwa Pietro Mascagni mit der Rapsodia satanica (1917) – an Experimenten einer wirklichen Verbindung zwischen den ästhetischen Medien Interesse zeigte. Es sprechen nicht zuletzt auch diese Analogien dafür Puccini als den Vertreter einer sogenannten „latenten Avantgarde“ zu bezeichnen, die auch ohne radikale und programmatisch fundierte Traditionsbrüche an der Aktualität der geschichtlichen Entwicklung Anteil hatte. Ihm gelang dies durch eine beharrlich eingeforderte Subjektivität, mit der er sich ästhetische Traditionen und Innovationen aneignete und sie, mit einer besonderen Fähigkeit zu wirkungssicherer Kombination ausgestattet, zu einem Musiktheater der Unmittelbarkeit und emotionalen Authentizität formte.

Ich habe keinen Freund ich fühle mich allein auch die Musik ekelt mich an. Wenn der Tod kommt werde ich glücklich sein mich auszuruhen. O wie hart ist mein Leben obwohl es vielen glücklich scheint aber meine Erfolge? sie vergehen und … es bleibt? sehr wenig. Es sind vergängliche Dinge das Leben vergeht es schreitet zum Abgrund hin wer jung lebt erfreut sich der Welt aber wer bemerkt das alles? Schnell vergeht die Jugend und das Auge blickt in die Ewigkeit.

Puccini, 03. März 1923

Im Himmel bist du so frei und glücklich, dass du singst

Das Baby drehte sich in Mareks Jacke. Marek blickte hinunter in sein Gesicht und drückte es an sich. Es stimmte, dass ein Kind etwas sehr Wertvolles war. Es gab niemanden, der von der Schönheit eines Babys nicht hypnotisiert wäre. Das Kind war so perfekt und klein.

Marek knöpfte seine Jacke auf und holte das Baby heraus in die Sonne. Es lächelte und streckte die Händchen nach dem Gesicht seines Bruders aus. „Hab keine Angst“, sagte Marek. „Der Tod ist nicht das Ende. Du wirst auferstehen. Die Vögel im Himmel sind Engel. Du musst nicht bei diesen Ungeheuern auf der Erde wohnen. Dort oben hast du es viel besser. Du wirst schon sehen, du wirst schon sehen. Im Himmel bist du so frei und glücklich, dass du singst.“

Über Gemeinsamkeiten

Gedanken zur Inszenierung

ZUR INSZENIERUNG

Regisseur Neil Barry Moss hat sich in seiner Coburger Inszenierung des Werkes für eine differenzierte Herangehensweise entschieden. Jedes Werk wird als eigenständiges Werk inszeniert, doch gleichzeitig wird die Frage nach verbindenden Motiven gestellt. Ein zentrales Thema in Moss’ Interpretation ist dabei ein Kind, das symbolisch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörpert.

In Il tabarro begegnet dem Publikum bereits zu Beginn ein Kind. Zunächst scheint eine familiäre Bindung spürbar, doch schnell wird klar, dass dieses Kind keine Gegenwart mehr hat – es ist vor einem Jahr ertrunken. Der tragische Verlust prägt das gesamte Geschehen als unsichtbare Leere im Leben der Eltern. Das Kind lebt nur noch in deren Erinnerung, was die Beziehung zutiefst belastet. Für die Eltern, insbesondere Giorgetta, ist es ein ständiger Hinweis auf das, was hätte sein können. Die festgehaltene Trauer blockiert jede Möglichkeit nach vorn zu blicken oder gemeinsam aus dem Schmerz herauszufinden. Der Bruch zwischen Giorgetta und Michele ist dabei nicht nur emotional, sondern auch existenziell – sie sind in verschiedenen Stadien der Trauer gefangen und unfähig, den Verlust zu überwinden. Ein weiteres gemeinsames Leben ist unmöglich. Das Kind steht so auch für den Verlust der Gegenwart und Zukunft.

In Suor Angelica steht ein Kind im Zentrum des dramatischen Konflikts. Angelica, eine junge Frau adliger Herkunft, wurde wegen der Geburt eines unehelichen Kindes von ihrer Familie verstoßen und ins Kloster verbannt. Moss verstärkt die Symbolik der Trennung, indem er die Handlung in ein von Nonnen geführtes Kinderkrankenhaus verlegt. Angelica ist täglich von Kindern umgeben, darf aber ihr eigenes nie wiedersehen. Diese Gegenüberstellung macht ihren Verlust noch schmerzhafter und zeigt die grausame Ironie ihres Schicksals: Sie darf für fremde Kinder sorgen, aber nicht für ihr eigenes. Der Verlust ihres Kindes raubt ihr den letzten Halt und treibt sie in den Suizid. Die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung mit ihrem Kind wird zur einzigen verbleibenden Hoffnung und zur tragischen Lösung aus ihrem Leid.

In Gianni Schicchi symbolisiert das Kind den Fortbestand der Familie und ist gleichzeitig ein Hoffnungsträger für die Zukunft. Während die Familie sich um das Erbe streitet und die Handlung von Habgier bestimmt ist, erinnert das Kind daran, dass jenseits der materiellen Interessen das Leben weitergeht. Moss zeigt, dass trotz der Gier eine neue Generation heranwächst, die Potenzial für Veränderung und Erneuerung hat. So bringt das Kind eine positive, zukunftsgerichtete Note in die Handlung und rückt den Kreislauf des Lebens über den bloßen Besitz hinaus in den Fokus.

Indem Moss das Motiv des Kindes hervorhebt, erschafft er eine subtile thematische Klammer, die die Eigenständigkeit der einzelnen Opern bewahrt und zugleich eine tiefere, verbindende Ebene etabliert.

ZUR RÄUMLICHEN SETZUNG

Das Bühnenbild von Manfred Rainer versteht das Werk abermals als ein – auf einer übergeordneten Ebene – zusammenhängendes Ganzes. Einheitliche Elemente wie ein Rückprospekt und Gassen, die einen malerischen Sonnenuntergang andeuten, rahmen die Opern ein und schaffen eine visuelle Kohärenz. Dadurch wird das Publikum trotz der unterschiedlichen Handlungen und Stimmungen durch eine kontinuierliche Welt geführt. Auffällig sind besonders die kleinen Häuser, die in jeder Oper präsent sind:

In Il tabarro markieren die Häuser eine deutliche Distanz zum Handlungsort. Erhöht platziert, symbolisieren sie die soziale Trennung der Figuren von der Pariser Gesellschaft. Die Charaktere leben am Rand der städtischen Welt, physisch und psychisch abgeschnitten von einem bürgerlichen Leben. Die Stadt ist sichtbar, bleibt jedoch ein unerreichbarer Traum.

In Suor Angelica verdeutlichen die Häuser die Trennung zwischen einem Innen und Außen. Das Kloster ist ein in sich abgeschlossener Raum mit eigenen Regeln. Die im Hintergrund sichtbaren Häuser betonen den Gegensatz zwischen der spirituellen Welt des Klosters und der materiellen Welt draußen. Die Ankunft der Fürstin bricht mit dieser Trennung; die Fürstin dringt als weltliches Element in diese abgeschottete, sakrale Welt ein.

Gianni Schicchi spielt schließlich im Herzen der städtischen Gesellschaft. Die beweglichen Häuser dominieren die Bühne und symbolisieren das Erbe, um das die Familie streitet. Jedes Haus steht dabei aber auch zugleich für einen Teil des Vermögens. Die Kulisse unterstreicht so die integrale Verbindung der Figuren zur materiellen Welt und ihre Gier nach Besitz.

Die wiederkehrende Präsenz der Häuser in der Gesamtschau schafft somit eine visuelle und inhaltliche Verbindung zwischen den drei Opern. Sie sind mehr als architektonische und bühnenbildnerische Elemente – sie symbolisieren die sozialen und wirtschaftlichen Dynamiken, die die Figuren prägen. Sie verdeutlichen die gesellschaftlichen Grenzen, innerhalb derer sich die Charaktere bewegen, und spiegeln ihre Wünsche nach Zugehörigkeit, Macht und Besitz wider.

Daniel Carter

Musikalische Leitung

Daniel Carter studierte Komposition und Klavier an der University of Melbourne und wurde 2012 mit dem „Brian Stacey Award“ ausgezeichnet. Von 2013 bis 2015 war er zunächst als Korrepetitor, später als Dirigent und Musikalischer Assistent der Generalmusikdirektorin Simone Young an der Hamburgischen Staatsoper engagiert. In den Spielzeiten 2015/16 bis 2018/19 war er Erster Kapellmeister am Theater Freiburg und anschließend Kapellmeister an der Deutschen Oper Berlin. Zudem gastierte er u. a. an der Wiener Staatsoper, der Malmö Opera, der Staatsoper Hannover, der Oper Köln, der Oper Leipzig, am Aalto Musiktheater Essen, am Stadttheater Bern, am Theater Trier, beim Queensland Symphony Orchestra sowie der Akademie des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Seit Februar 2021 ist er GMD am Landestheater Coburg. Zukünftige Pläne umfassen u. a. mehrere Produktionen an der Deutschen Oper Berlin, der Malmö Opera sowie sein Debüt an der Königlichen Oper Stockholm in Schweden.

Neil

Barry Moss

Inszenierung

Neil Barry Moss studierte Operngesang, Musik- und Theaterwissenschaft in Kapstadt, sowie Regie und Dramaturgie in Verona. Im September 2015 gab er am Teatro Rossini in Pesaro sein Regiedebut mit Mozarts Le nozze di Figaro. Von 2016 bis 2019 war er als Regieassistent, Regisseur und Kostümbildner an der Staatsoper Hannover engagiert. Im Juni 2018 gewann er den 2. Preis beim 10. Europäischen Opernregie-Preis EOP in Zürich. Ab Juni 2019 arbeitete er als Spielleiter an der Deutschen Oper Berlin, wo er im Juni 2020 mit Das Rheingold auf dem Parkdeck sein international vielbeachtetes und von Presse und Publikum gefeiertes Hausdebut als Regisseur gab. Lehraufträge in den Bereichen Regie und Ausstattung führten ihn an die der Bayerische Theater Akademie „August Everding“ (München). Dem Coburger Publikum stellte er sich erstmals 2022/23 mit La damnation de Faust in St. Moriz vor. Zur Spielzeit 2023/24 wurde er Operndirektor und Teil des Direktoriums am Landestheater Coburg und inszenierte Macbeth und Hänsel und Gretel. Seit September 2024 ist er Intendant des Landestheaters Coburg und wird Il trittico, Der fliegende Holländer sowie Chicago inszenieren.

Manfred Rainer & Hannah Rosa Oellinger

Bühne & Kostüme

Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer gestalten Kostüme, Bühnen und Filme. Sie haben Theater in LKWs realisiert, auf Tretbooten im Schwimmbad und in den Schweizer Alpen. Sie lieben Bühnen als Spielplätze und ungewöhnliche räumliche Lösungen. So wird ein Bühnenbild im Orchestergraben versenkt, um mittels Videoüberwachung für das Publikum sichtbar zu sein (Proserpina Neue Oper Wien, 2021), handgezeichnete Einzelbildanimationen interagieren mit den Protagonist:innen (Zauberflöte, Opera National de Lorraine, 2021) und ein stillgelegtes Atomkraftwerk wird zum Schauplatz eines dokumentarischen Theaterstücks (Gemeinschaftskernkraftwerk 2022). Perücken rauchen oder legen Eier, die drei Damen teilen sich eine Krinoline und Häuser fahren ferngesteuert über die Bühne. In den kommenden Saisons sind die Opernhäuser von Zürich, St. Gallen und Wien nicht vor ihren Ideen sicher.

LANDESTHEATER COBURG

Schlossplatz 6, 96450 Coburg

Impressum

Email: info@landestheater.coburg.de www.landestheater-coburg.de

INTENDANT:

Neil Barry Moss

KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR:

Bernd Vorjans

KASSE: +49 (0)9561 89 89 89

PFORTE: +49 (0)9561 89 89 00

FAX: +49 (0)9561 89 89 88

REDAKTION:

André Sievers

GESTALTUNG UND SATZ:

Autostrada Studios

FOTOS: Marco Sommer

ANZEIGEN: contactdesign.de

DRUCK:

DCT GmbH, Coburg

Änderungen und Druckfehler vorbehalten

TEXTNACHWEISE:

Die Handlungszusammenfassungen und die Texte Ich beharre auf drei Farben sowie Über Gemeinsamkeiten sind Originalbeiträge von André Sievers für dieses Heft.

Laurenz Lüttecken: „Il tono della campana“ – Zur Technik des nichtlinearen Erzählens bei Puccini, in: Giacomo Puccini, hrsg. von Ulrich Tadday, München: edition text + kritik 2020 (= MUSIKKONZEPTE 190).

Richard Erkens: „voler far piangere“ – Aspekte einer Opernästhetik Puccinis, in: Puccini Handbuch, hrsg. von dems., Stuttgart/Kassel: Metzler/ Bärenreiter 2017.

Dieter Schickling: Giacomo Puccini. Biografie, Stuttgart: Reclam/Carus 32017.

Ottessa Moshfegh: Lapvona, Roman, aus dem Englischen von Anke Caroline Burger, München: Hanser Berlin 2023.

Die Texte wurden redaktionell eingerichtet und gekürzt. Kürzungen innerhalb der Texte sind nicht immer gekennzeichnet. Überschriften stammen zum Teil von der Redaktion.

DANKSAGUNGEN:

Wir danken dem Freistaat Bayern und der Stadt Coburg für die großzügige Unterstützung unseres Hauses. Ebenso danken wir dem Bezirk Oberfranken.

Kasernenstraße 14

D-96450 Coburg

Tel. 09561 - 80110

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