Programmheft First Steps „Whatsoever“

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First Steps „Whatsoever“

Dynamik mit System

Im Jahr 1908 gründete Max Brose in Berlin ein Handelshaus für Automobil- und Flugzeugzubehör und legte damit den Grundstein für unsere Unternehmensgruppe.

Mit mehr als 30.000 Mitarbeitern an 69 Standorten in 24 Ländern gehören wir heute zu den fünf größten Automobilzulieferern in Familieneigentum weltweit.

Auch in Zukunft wollen wir für die globale Automobilindustrie ein leistungsfähiger, verlässlicher Partner sein und dazu beitragen, Mobilität sicherer, komfortabler und effizienter zu machen.

First Steps „Whatsoever“

Lo que vendrá

Choreographie Jaume Costa Mit Guilherme Carola, Lucia Colom, Natalie Franke, Takashi Yamamoto

push and pull

Choreographie Guilherme Carola Musikalische Konzeption Khalil Nabu Mit Chih-Lin Chan, Mireia Martínez Pineda, Yuriya Nakahata

Überraschungsei

Fuga y Misterio

Choreographie Martine Reyn Mit Guilherme Carola, Jaume Costa, Mireia Martínez Pineda

The red shoes

Choreographie/Kostüme Jaume Costa Konzept Lucia Colom Videographie Sylvain Guillot Mit Lucia Colom, Jaume Costa

Spieglein, Spieglein

Choreographie Yuriya Nakahata Mit Guilherme Carola, Mireia Martínez Pineda, Yuriya Nakahata, Takashi Yamamoto

for Choreographie Chih-Lin Chan, Takashi Yamamoto Mit Chih-Lin Chan, Takashi Yamamoto

Oranges or Onions

Choreographie Mireia Martínez Pineda Kostüme Lucas Corrêa Santos Sprecher*in Benjamin Hübner, Mireia Martínez Pineda Mit Guilherme Carola, Chih-Lin Chan, Lucia Colom, Jaume Costa, Natalie Franke, Mireia Martínez Pineda, Yuriya Nakahata, Takashi Yamamoto

PROBEN-/ABENDSPIELLEITUNG

Martine Reyn LICHT

Klaus Bröck

INSPIZIENZ Eva Lehner DRAMATURGIE André Sievers

TECHNISCHE LEITUNG Daniel Kaiser

BÜHNENMEISTER Norman Heyn, Mathias Stöcklein

TON

Michael Och, Volker Engelhardt, Heng-Chih Lin

CHEFMASKENBILDNERIN Alicia Müller

LEITUNG DER REQUISITE Manfred Dehler

LEITUNG DER KOSTÜMABTEILUNG

Gerhard Gollnhofer

LEITENDE GEWANDMEISTERINNEN Margareta Gulich, Katrin Müller

KOSTÜMASSISTENZ Andreas Brehm

AUSTATTUNGSASSISTENZ Susanne Wilczek WERKSTÄTTENLEITUNG Rainer Schirmer

URAUFFÜHRUNG

13. Juni 2025, Reithalle AUFFÜHRUNGSDAUER ca. 60 Minuten, keine Pause

Aus rechtlichen Gründen sind Bild- und Tonträgeraufnahmen während der Aufführung nicht gestattet.

„Whatsoever“

„Whatsoever“ – ein Wort wie ein Achselzucken. Ein Hauch von Gleichgültigkeit, eine Geste des Loslassens, manchmal fast trotzig. Es klingt beiläufig, beiläufig genug, um alles zu meinen. Oder nichts. Eine offene Tür, durch die man hindurchgehen kann – oder auch nicht. „Whatsoever“ ist keine Entscheidung. Es ist die Abwesenheit von Zwang. Es lässt geschehen. Es markiert einen Punkt, an dem etwas kippen kann. Weg von Kontrolle, hin zur Möglichkeit. Im Tanz ist dieser Punkt körperlich spürbar. Der Moment, in dem eine Bewegung nicht geplant ist, sondern geschieht. Nicht, weil sie muss. Sondern weil sie kann. Eine Drehung, die nicht erklärt werden muss. Ein Schritt, der keinen Grund braucht. Der Körper fragt nicht, ob das jetzt sinnvoll ist. Er macht. Die Tanzwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter spricht in ihrer Tanztheorie von der Bewegung als einem „Ereignis des Übergangs“, das sich der eindeutigen Lesbarkeit entzieht. Tanz wird hier nicht als Symbolträger verstanden, sondern als „Spur des Werdens“ – als ein „Denken in Bewegung“. In dieser Logik erscheint „whatsoever“ nicht als Beliebigkeit, sondern als Ausdruck eines grundlegend offenen Prozesses. Die Bewegung steht nicht für etwas – sie steht zur Verfügung.

Die Choreographin Susan Leigh Foster betont, dass Körper nicht nur performen, sondern wissen – und dass Choreografie eine epistemologische Praxis sein kann. Wenn Tänzer*innen sich in einem offenen Setting bewegen, schreiben sie nicht nur Bewegungen in den Raum, sondern gestalten Prozesse der Erkenntnis. Das scheinbar Leichte, das Beiläufige, ist damit hochdifferenziert – ein Ort der Entscheidung, nicht der Beliebigkeit.

Es gibt Choreographien, in denen das bewusst zugelassen wird: Nicht alles ist durchkomponiert. Bewegungen entstehen aus dem Moment. Tänzer*innen folgen Impulsen, antworten aufeinander, lösen sich voneinander. Es ist ein Tanz, der sich nicht rechtfertigt. Ein Tanz, der sich traut, nicht zu wissen, wohin. Und gerade darin: eine enorme Präzision. „Whatsoever“ bedeutet hier nicht Nachlässigkeit, sondern eine hohe Form der Aufmerksamkeit – eine Offenheit für die Dynamik des Noch-nicht-Gewordenen. Der Körper, so ließe sich mit dem Performance- und Tanzwissenschaftler André Lepecki sagen, ist in solchen Momenten ein Akteur im Spannungsfeld zwischen Möglichkeit, Instabilität und Entscheidung. „Whatsoever“ wird somit zur choreografischen Haltung – nicht als Konzept, sondern als gelebte Praxis.

Vielleicht ist das auch ein Gedanke für uns selbst. Dass wir uns nicht immer festlegen müssen. Dass nicht alles ein Ziel braucht. Dass es Momente gibt, in denen ein „whatsoever“ nicht resigniert klingt, sondern offen. Weit. Wie ein Atemzug. Im Tanz, wie im Leben, ist das nicht immer leicht auszuhalten. Dieses Nichtwissen. Diese Offenheit. Aber vielleicht liegt genau dort etwas verborgen, das wir selten benennen, aber oft spüren. Etwas Fragiles. Etwas Echtes. Etwas Bewegliches. „Whatsoever“ – Manchmal reicht das.

Lo que vendrá

Lo que vendrá (dt. Was kommt), das beim Theaterball uraufgeführt wurde, ist ein Tango, der sich ganz an der Komposition von Piazzolla orientiert. Die Instrumentierung des Stücks diente als Ausgangspunkt und Leitlinie für den gesamten choreographischen Prozess. Klassische Tango-Partnerkombinationen wurden dabei mit Elementen der Balletttechnik und deren ästhetischen Linien verbunden und verschmolzen.

MUSIK: Astor Piazolla („Lo que vendrá“)

push and pull

Ausgehend von den wesentlichen Bedürfnissen des Lebens – Gesundheit, Gefühl, Erfüllung – habe ich dieses Stück geschaffen, um den Zuschauenden auf meine Weise das zu schenken, was sie am meisten brauchen.

MUSIK: Taylor the Creator („Igor’s Theme“), Frédéric Chopin: („Fantaisie impromptu in cis-Moll, op. 66“), Jigu! Thunder Drums of China („Sounds of rolling walnuts“)

Überraschungsei

MUSIK:

Triodust („Welp, you’re possessed“)

Fuga y Misterio

Für mich ist der Tango die leidenschaftlichste und ausdruckstärkste Form des Tanzes - ein wortloses universelles Gespräch, erfüllt von Spannung, Sehnsucht und tiefem Gefühl …

MUSIK: Astor Piazolla („Fuga y Misterio“)

The red shoes

Costa

Inspiriert von Hans Christian Andersens Märchen Die roten Schuhe aus dem Jahr 1845 erzählt das Stück die Geschichte einer Frau, deren Sehnsucht und Liebe zum Tanz sie in die dunklen Abgründe ihrer Leidenschaft führt. Getrieben von einer magischen Kraft, in der die Tanzschuhe ein Eigenleben entwickeln, entfaltet sich ein Kampf des Loslassens.

MUSIK: Ludovico Einaudi („Experience“)

Spieglein, Spieglein

Wann hast du dir zuletzt wirklich Zeit genommen, deine Gefühle bewusst zu spüren – die angenehmen ebenso wie die unangenehmen? Der Alltag, Erwartungen, erzwungene Positivität und ständige Ablenkung halten uns oft davon ab, wahrzunehmen, was in uns vorgeht – es zuzulassen und zu reflektieren. Spieglein, Spieglein erzählt die Geschichte von Gefühlen, die nicht gefühlt werden konnten, nicht gefühlt werden durften – und doch gefühlt werden wollten.

MUSIK: Christina Perri („You are my sunshine“), Creepy Nuts („Bling-BangBang-Born“), Emilio Piano ft. Lucie („Voilá“), Barbara Pravi („Voilá“)

Es ist Glück, es ist Sorge, es ist Druck, es ist Stress, es ist Vertrauen, es ist Wärme, es ist Verantwortung, es ist Erkenntnis, es ist …

MUSIK: Ryuichi Sakamoto („20220304“, „for johann“)

Oranges or Onions

Das Leben ist wie eine Orange. Sie unterteilt sich in verschiedene aneinander angrenzende Segmente, die ein Ganzes gestalten. Oder ist es doch eher wie eine Zwiebel? Und wenn wir Schicht um Schicht abtragen, um auf des Pudels Kern zu stoßen, was bleibt, wenn auch dieser auseinanderblättert?

MUSIK: Johann Strauß („Tritsch-Tratsch-Polka, op. 124“), Marce Music („Hentai – Instrumental Version“), Rigoberta Bandini („Si Muriera Mañana“)

Verdichtete Möglichkeitsräume

Im Rahmen von First Steps gewinnen choreographische Miniaturen eine besondere ästhetische und dramaturgische Relevanz. Sie sind keine bloßen Kurzeinheiten, sondern konzentrierte Verdichtungen, in denen Bewegung, Sinn und ästhetische Gestalt auf engstem Raum verhandelt werden. Durch ihre eigenständige Autonomie lösen sie sich sowohl von linearer Dramaturgie als auch von narrativer Geschlossenheit und bilden fragmentarische Einheiten, die im Gesamtprogramm spezifische Akzente setzen, ohne dessen Komplexität zu reduzieren. Gerade ihre Kürze verlangt eine gesteigerte rezeptive Aufmerksamkeit und eröffnet gleichzeitig Raum für vielfältige Interpretationen und Mehrdeutigkeiten.

Aus dramaturgischer Perspektive eröffnen choreographische Miniaturen einen Gestaltungsraum für Übergänge und Zwischenräume – jene liminalen Zonen, in denen unterschiedliche choreographische Sprachen, Stile und Körperpraktiken in produktiven Spannungsverhältnissen aufeinandertreffen. Sie ermöglichen eine Dramaturgie des Zulassens, die nicht auf Vereinheitlichung und Eindeutigkeit zielt, sondern Offenheit als ästhetisches Prinzip begreift, das Differenz und Divergenz wertschätzt.

Im spezifischen Kontext von „Whatsoever“ spiegeln die Miniaturen eine choreographische Haltung wider, die den Möglichkeitsraum des Tanzes als ein dynamisches Feld des Werdens versteht. Sie fungieren als Momentaufnahmen, die ein Spiel zwischen Präsenz, Bedeutung und Potenzialität eröffnen. So werden choreographische Miniaturen zu mikrodramaturgischen Einheiten, die nicht nur die Gesamtdramaturgie des Abends prägen, sondern auch exemplarisch für die Vielstimmigkeit und Offenheit stehen, die „Whatsoever“ als Format und Praxis auszeichnen.

Impressum

LANDESTHEATER COBURG

Schlossplatz 6, 96450 Coburg

Email: info@landestheater.coburg.de www.landestheater-coburg.de

INTENDANT:

Neil Barry Moss

KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR: Bernd Vorjans

KASSE: +49 (0)9561 89 89 89

PFORTE: +49 (0)9561 89 89 00

FAX: +49 (0)9561 89 89 88

REDAKTION: André Sievers

GESTALTUNG UND SATZ: Autostrada Studios

FOTOS: Bastian Suffa

ANZEIGEN: contactdesign.de

DRUCK: DCT GmbH, Coburg

PLANUNGSSTAND: 10.06.2025 (Änderungen und Druckfehler vorbehalten)

TEXTNACHWEISE:

Die Texte „Whatsoever“ sowie Verdichtete Möglichkeitsräume sind ein Originalbeitrag von André Sievers für dieses Heft. Die Texte zu den einzelnen Choreographien sind gleichsam Originalbeiträge der jeweiligen Choreograph*innen für dieses Heft.

Die Texte wurden redaktionell eingerichtet und gekürzt. Kürzungen innerhalb der Texte sind nicht immer gekennzeichnet. Überschriften stammen zum Teil von der Redaktion.

DANKSAGUNGEN:

Wir danken dem Freistaat Bayern und der Stadt Coburg für die großzügige Unterstützung unseres Hauses. Ebenso danken wir dem Bezirk Oberfranken.

Wir danken Nähmaschinen Mingolla Barbara Schramm herzlich für die Unterstützung der Choreographie The red shoes

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