Chicago

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Ein Musical-Vaudeville
Buch von Fred Ebb und Bob Fosse
Musik von John Kander
Liedtexte von Fred Ebb
Nach dem Theaterstück Chicago von Maurine Dallas Watkins
Deutsch von Erika Gesell und Helmut Baumann
ROXIE HART
VELMA KELLY
BILLY FLYNN
AMOS HART
Alexandra Farkic
Carina Sandhaus
Daniel Carison
Tobias Bode / Dirk Mestmacher
OBERIN „MAMA“ MORTON Kora Pavelić
MARY SUNSHINE Tobias Bode / Emily Lorini
CONFÉRENCIER, HARRY, AARON, FOGARTY, SCHNEIDER, HARRISON Nils Liebscher
LIZ Milena Weber / Eva Maria Fischer
ANNIE GABRIELE Bauer-Rosenthal / Ioana Tautu
JUNE Luise Hecht / Claudia Schäfer
GIGI
MONA
KITTY
FRED CASELY
Tomomi Fujiyama / Jieun Jeong
Rita Popescu / Joanna Stark
Milena Weber / Eva Maria Fischer
Christian Huber
ARZT Sascha Mai
RICHTER Martin Trepl
REPORTER
Simon van Rensburg, Konstantinos Bafas, Jan Korab, Marcello Mejía-Mejía
Chor des Landestheaters Coburg
Ballett Coburg
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
MUSIKALISCHE LEITUNG
INSZENIERUNG
Roland Fister
Neil Barry Moss
CHOREOGRAPHIE Kati Farkas
CHOREOGRAPHISCHE MITARBEIT
Martine Reyn BÜHNE Darko Petrovic
KOSTÜME
Gerhard Gollnhofer
LICHT René Klötzer
CHOREINSTUDIERUNG
Alice Lapasin Zorzit
DRAMATURGIE André Sievers
Im Jahr 1908 gründete Max Brose in Berlin ein Handelshaus für Automobil- und Flugzeugzubehör und legte damit den Grundstein für unsere Unternehmensgruppe.
Mit mehr als 30.000 Mitarbeitern an 69 Standorten in 24 Ländern gehören wir heute zu den fünf größten Automobilzulieferern in Familieneigentum weltweit.
Auch in Zukunft wollen wir für die globale Automobilindustrie ein leistungsfähiger, verlässlicher Partner sein und dazu beitragen, Mobilität sicherer, komfortabler und effizienter zu machen.
MUSIKALISCHE ASSISTENZ & NACHDIRIGAT
MUSIKALISCHE EINSTUDIERUNG
REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG
Kieran Staub
Roland Fister, Kieran Staub
Michaela Hoffmann
INSPIZIENZ Boris Stark
SOUFFLAGE
REGIEHOSPITANZ
Susanne Wittmann
Pauline Hiller, Susanne Panusch SCHÜLERPRAKTIKANT Finn Reißenweber
TECHNISCHE LEITUNG
BÜHNENMEISTER
Daniel Kaiser
Norman Heyn, Mathias Stöcklein
TONMEISTER Michael Och
CHEFMASKENBILDNERIN
Alicia Müller
LEITUNG DER REQUISITE Manfred Dehler LEITUNG DER KOSTÜMABTEILUNG
LEITENDE GEWANDMEISTERINNEN
KOSTÜMASSISTENZ
AUSSTATTUNGSASSISTENZ
Gerhard Gollnhofer
Margareta Gulich, Katrin Müller
Andreas Brehm
Susanne Wilczek WERKSTÄTTENLEITUNG
PREMIERE
Rainer Schirmer
22. März 2025, GLOBE URAUFFÜHRUNG
AUFFÜHRUNGSDAUER
AUFFÜHRUNGSRECHTE
03. Juni 1975, 46th Street Theatre, New York City
ca. 2 Stunden und 40 Minuten, eine Pause
Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin www.felix-bloch-erben.de
Chicago is presented by special arrangement with Samuel French, Inc., New York
Aus rechtlichen Gründen sind Bild- und Tonträgeraufnahmen während der Aufführung nicht gestattet.
Das Musical Chicago zählt zu den langlebigsten und erfolgreichsten Produktionen des Broadways. Im Zentrum der Handlung steht Roxie Hart, eine ehrgeizige Nachtclubsängerin, die von einer großen Showkarriere träumt. Als ihr Liebhaber sie verlassen will, erschießt sie ihn und landet im Gefängnis, wo sie auf Velma Kelly trifft – eine Tänzerin, die wegen eines Doppelmords einsitzt. Mit Hilfe der korrupten Wärterin „Mama“ Morton erhält Roxie Zugang zu Staranwalt Billy Flynn, der sie und Velma verteidigen soll. Schnell zeigt sich, dass die sensationsgierige Boulevardpresse nicht nur den Prozess beeinflussen, sondern auch Roxies Karriere vorantreiben kann. Doch am Ende liegt alles in den Händen der Geschworenen …
Die ikonische Handlung des Musicals basiert auf realen Begebenheiten, die sich in Chicago zur Zeit der Prohibition ereigneten, einer Ära, die durch organisierte Kriminalität, aufkommenden Jazz und sensationsgetriebenen Journalismus geprägt war. Inspiriert wurde Chicago von zwei Mordfällen, die Mitte der 1920er Jahre für großes mediales Aufsehen sorgten. Die Prozesse gegen Beulah Annan und Belva Gaertner illustrieren die Verquickung von Kriminalität und medialer Inszenierung, die das Musical thematisiert:
Beulah Annan, eine junge Frau aus Chicago, erschoss am 3. April 1924 ihren Liebhaber Harry Kalstedt. Der Mordfall erhielt besondere Aufmerksamkeit aufgrund der außergewöhnlichen Begleitumstände: Annan ließ die Schallplatte Hula Lou in Endlosschleife laufen, während Kalstedts Leiche in ihrem Schlafzimmer lag. Erst Stunden später alarmierte sie ihren Ehemann Albert Annan und behauptete, in Notwehr gehandelt zu haben. Im Verlauf des Prozesses änderte sie mehrfach ihre Aussage und passte sie strategisch an die öffentliche Wahrnehmung an. Insbesondere die Medien, allen voran die Chicago Tribune, stilisierten sie als tragische Heldin. Ihre bewusste Selbstdarstellung – durch gezielte modische Inszenierungen und ein Image als reuige Ehefrau – führte dazu, dass sie 1924 trotz erdrückender Beweise freigesprochen wurde. Kurz nach dem Prozess ließ sie sich von ihrem Ehemann scheiden.
Belva Gaertner, eine ehemalige Varietésängerin, erschoss am 11. März 1924 ihren Liebhaber Walter Law. Die Polizei fand sie kurz darauf blutverschmiert in ihrem Fahrzeug vor, mit der Tatwaffe neben sich. Gaertner gab an, sich nicht an die Geschehnisse erinnern zu können. Auch ihr Fall wurde von den Medien stark rezipiert und zeigte Parallelen zur Berichterstattung über Annan: Ihre frühere Karriere als Sängerin wurde betont, ihre Erscheinung in der Presse als tragische Schönheit inszeniert. Ihr wohlhabender Ehemann unterstützte sie während des Prozesses, was letztlich zu ihrem Freispruch führte.
Diese beiden Fälle waren symptomatisch für die Justizpraxis zur Zeit der Prohibition, in der besonders weibliche Angeklagte, die sich medienwirksam in Szene setzten, häufig Freisprüche erlangten. Die Boulevardpresse trug entscheidend dazu bei, dass Mordprozesse zu gesellschaftlichen Spektakeln wurden, in denen Täter*innen zu Berühmtheiten avancierten.
Die Journalistin Maurine Dallas Watkins begleitete die genannten Prozesse als Gerichtsreporterin für die Chicago Tribune und analysierte mit scharfem Blick die Mechanismen der medialen Inszenierung. Ihre Berichterstattung war geprägt von einer kritischen Distanz, die sich insbesondere in ihrem sarkastischen Ton und ihrer ironischen Kommentierung der Justiz widerspiegelte.
Auf Grundlage ihrer Erfahrungen verfasste sie das Theaterstück Chicago, das 1926 am Broadway uraufgeführt wurde. Darin setzte sie sich satirisch mit der Sensationsgier der Presse, der Korruption im Justizsystem sowie der Selbstinszenierung der Angeklagten auseinander. Die Protagonistin Roxie Hart basiert erkennbar auf Beulah Annan, während Velma Kelly deutliche Parallelen zu Belva Gaertner aufweist.
Das Stück wurde ein großer Erfolg und bereits 1927 verfilmt – eine weitere Verfilmung folgte 1942. Watkins blieb jedoch ihrer kritischen Perspektive treu und verweigerte Zeit ihres Lebens eine Musicaladaption, da sie eine mögliche Romantisierung der Thematik ablehnte. Erst nach ihrem Tod im Jahr 1969 wurden die Rechte für eine musikalische Bearbeitung freigegeben.
Nach Watkins’ Tod sicherten sich der Regisseur und Choreograf Bob Fosse sowie der Komponist John Kander und der Librettist Fred Ebb die Rechte an ihrem Stück. Das Musical wurde schließlich am 03. Juni 1975 am Broadway uraufgeführt. Trotz positiver Kritiken entwickelte sich die Produktion nicht unmittelbar zu einem kommerziellen Erfolg. Die kühle, zynische Grundstimmung des Stücks und die ironische Brechung des Justizdramas trafen zunächst nicht den Massengeschmack. Nach 936 Vorstellungen wurde die Produktion 1977 abgesetzt.
Obwohl Chicago nach der Uraufführung zunächst nur mäßigen Erfolg hatte, erlangte es durch die Broadway-Revival-Produktion 1996 große Popularität. Diese reduzierte Inszenierung, die sich durch eine minimalistische Bühnenästhetik und eine Betonung der Musik und Choreografie auszeichnete, wurde mit sechs Tony Awards und zwei Olivier Awards prämiert und zählt bis heute zu den am längsten laufenden Broadway-Produktionen. Überhaupt ist es das am längsten laufende amerikanische Musical in der Geschichte des Broadways – es läuft bis heute.
Mit der Verfilmung von Chicago im Jahr 2002 durch Regisseur Rob Marshall erreichte das Werk schließlich endgültig weltweite Bekanntheit in der Popkultur. Der Film gewann sechs Academy Awards, darunter den Preis für den besten Film.
Narrative und performative Konstruktionen von Wahrheit und Realität in Chicago
Wenn Billy Flynn in Chicago sein berühmtes „Razzle Dazzle“ anstimmt, bringt er auf den Punkt, worum es im gesamten Musical geht: Wahrheit ist eine Illusion. Es zählt nicht, was wirklich passiert ist, sondern was das Publikum glauben soll. Wer die Kontrolle über die Erzählung hat, der kann Schuld in Unschuld verwandeln, Verbrechen in Unterhaltung – und sich selbst von jeder Verantwortung freisprechen. Die zentrale These von Chicago lautet: Es ist nicht die Realität einer Tat, die über Schuld oder Unschuld entscheidet, sondern die Art und Weise, in der sie narrativ vermittelt wird.
Ein wesentliches dramaturgisches Mittel des Musicals ist die Inszenierung von Gerichtsverfahren als mediale Spektakel. Besonders deutlich wird dies in der Figur des Anwalts Billy Flynn, der nach dem Prinzip „Give ’em the old razzle dazzle“ agiert – eine Strategie, die nicht auf juristischen Argumenten, sondern auf spektakulärer Inszenierung basiert. Flynn manipuliert nicht nur die öffentliche Meinung, sondern auch die Wahrnehmung der Geschworenen, indem er seine Mandantinnen als Opfer präsentiert und ihre Geschichten emotional auflädt. Sein Erfolg basiert auf der Einsicht, dass der Wahrheitsgehalt einer Geschichte zweitrangig ist, solange sie die gewünschte Wirkung auf ihr Publikum erzielt.
Dies steht in engem Zusammenhang mit Konzepten der narrativen Psychologie, die davon ausgehen, dass Menschen Informationen nicht primär aufgrund ihrer faktischen Richtigkeit bewerten, sondern aufgrund der Kohärenz und Emotionalität der vermittelten Geschichte. Roxie Hart, die zu Beginn der Handlung noch unbedarft mit der Presse umgeht, lernt im Verlauf des Musicals, dass ihre Überlebenschancen im Justizsystem nicht von den Fakten, sondern von der medialen Verwertbarkeit ihres Falls abhängen.
Chicago dekonstruiert nicht nur die Mechanismen der Mediengesellschaft, sondern bezieht das Publikum aktiv in die Reflexion über Wahrheit und Fiktion ein. Die theatralen Mittel des Musicals – insbesondere die Brechung der vierten Wand – legen offen, dass die Manipulation der Wahrnehmung kein verborgenes Phänomen ist, sondern bewusst geschieht. Damit hält uns Chicago einen Spiegel vor: Warum glauben wir so bereitwillig die inszenierten Geschichten, die uns präsentiert werden? Warum interessiert uns nicht die Wahrheit, sondern die spektakulärere Version davon? Liegt das Problem wirklich bei den Lügnern – oder wollen wir als Gesellschaft vielleicht sogar belogen werden? Das Musical stellt somit die epistemologische Frage, inwiefern Wahrheit überhaupt als objektive Größe existiert oder ob sie immer ein narratives Konstrukt bleibt. Die Rezeption von Wirklichkeit erfolgt in Chicago durch mediale Filter,
und die Entscheidung darüber, was als „wahr“ gilt, ist nicht an Fakten, sondern an öffentliche Erzählmuster gebunden. Damit verweist das Werk auf zentrale Diskurse der Postmoderne, insbesondere auf Jean Baudrillards Konzept der „Hyperrealität“, in der die Unterscheidung zwischen Realität und Simulation zunehmend verschwimmt.
Die Mechanismen, die Chicago auf diese Weise beschreibt, sind keineswegs auf die 1920er Jahre beschränkt. Vielmehr zeigt das Musical eine strukturelle Konstante medialer Gesellschaften: die Konstruktion von Wahrheit durch Inszenierung. In Zeiten von Social Media, Fake News und Influencer*innenKultur ist diese Thematik aktueller denn je. Algorithmen verstärken emotionalisierte Erzählungen, während Fakten oft zweitrangig bleiben. So zeigt sich eine direkte Parallele zwischen Roxie Harts strategischer Selbstinszenierung und modernen Strategien des digitalen Marketings, in denen Narrative gezielt optimiert werden, um maximale Reichweite zu generieren.
Letztlich argumentiert Chicago, dass Wahrheit nicht als absolute Größe existiert, sondern als performative Praxis verstanden werden muss. Wer über die überzeugendste Erzählung verfügt, kontrolliert die Wahrnehmung der Realität. Das Musical verweigert dabei jede moralische Bewertung: Roxie und Velma triumphieren am Ende nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Fähigkeit zur Manipulation. Das Werk stellt somit nicht nur die Konstruktion von Wahrheit infrage, sondern zeigt auch, dass die Mechanismen von Justiz und Medien stets auf die Bereitschaft des Publikums angewiesen sind, eine gut erzählte Geschichte der Wahrheit vorzuziehen.
Somit bietet Chicago dem Publikum letztlich keine moralische Auflösung. Es zeigt eine Welt, in der Wahrheit stets verhandelbar ist, in der die beste Show gewinnt und in der es keine Gerechtigkeit gibt – nur eine gute Geschichte. Und vielleicht ist das die eigentliche Lektion von Chicago: Dass wir alle Teil dieses Systems sind, solange wir lieber die spektakuläre Lüge glauben als die oft unbequeme Wahrheit.
„Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden.“
Sebastian Brant
Die Wurzeln des Musicals-Vaudevilles lassen sich auf das französische Vaudeville zurückführen, das seit dem 18. Jahrhundert als leicht zugängliche musikalische Bühnenunterhaltung mit eingängigen Liedern und humorvollen Dialogen etabliert war. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich diese Form nach England und in die USA, wo sie mit lokalen Theatertraditionen wie der Burlesque und der Minstrel-Show fusionierte. In den Vereinigten Staaten entwickelte sich das Vaudeville zur dominierenden Unterhaltungsform der 1880er bis 1920er Jahre. Die Programme setzten sich aus einer Vielzahl von Künstler:innendarbietungen zusammen – darunter Gesangs- und Tanznummern, Akrobatik, Magie, komischen Dialogen und Slapstick. Diese Struktur beeinflusste die frühen Formen des Musicals maßgeblich, die Vaudeville-Elemente mit rudimentären narrativen Strukturen verbanden.
Das Musical-Vaudeville unterscheidet sich daher sowohl von der klassischen Operette als auch vom späteren Musical insbesondere durch seine heterogene dramaturgische Struktur, die sich in mehreren zentralen Merkmalen manifestiert: (1) Episodische Narration: Die Handlung ist häufig diskontinuierlich gestaltet und setzt sich aus einzelnen, nur lose miteinander verknüpften Szenen zusammen. (2) Intermedialität und hybride Ausdrucksformen: Die Aufführungsästhetik wird maßgeblich durch die Verbindung unterschiedlicher performativer Elemente wie Musik, Tanz und komödiantische Einlagen bestimmt. (3) Publikumsinteraktion: In Anlehnung an das klassische Vaudeville erfolgt häufig eine Durchbrechung der vierten Wand, wodurch eine direkte Kommunikation mit dem Publikum hergestellt wird. (4) Ästhetik der Varietät: Im Mittelpunkt steht weniger eine stringente Narration als vielmehr die Vielfalt und Attraktivität einzelner Darbietungen.
Das Musical-Vaudeville fungierte so letztlich als Übergangsform zwischen den traditionellen Vaudeville-Shows und dem modernen Musical, das sich in den 1920er und 1930er Jahren etablierte. Man griff die revueartige Struktur des Vaudevilles auf, integrierte jedoch zunehmend dramaturgisch stringente Handlungsstränge. Mit dem Niedergang des klassischen Vaudevilles in den 1930er Jahren durch die Verbreitung von Film und Rundfunk veränderte sich auch die Ästhetik des Musicals. Dennoch blieb der Einfluss des Musicals-Vaudevilles in späteren Formen des Musiktheaters spürbar. Somit nimmt das Musical-Vaudeville eine zentrale Stellung in der Entwicklung des Musiktheaters ein. Es verband die unterhaltungsorientierte Struktur des Vaudevilles mit einer sich entwickelnden Narrativität und legte so den Grundstein für die Dramaturgie des modernen Musicals.
Die Faszination des Verbrechens in der Popkultur
Die öffentliche Faszination für Kriminalität ist so alt wie die Geschichtsschreibung selbst. Doch während Gesetzesbrecher*innen in früheren Zeiten meist als abschreckende Beispiele dienten, sind sie heute oft selbst Stars – sogenannte Criminal Celebrities. Ob historische Räuber*innen wie Robin Hood, Serienmörder*innen wie Erzsébet Báthory, Gangsterikon*innen wie Al Capone oder moderne True-Crime-Phänomene – die Grenze zwischen Verbrecher*innen und Berühmtheiten verschwimmt zunehmend.
Schon im 18. und 19. Jahrhundert wurden Kriminelle zu öffentlichen Figuren. Der britische Straßenräuber Jack Sheppard wurde durch seine spektakulären Gefängnisausbrüche zum Volkshelden, während die französische Presse die Mordanschläge von Pierre-François Lacenaire wie eine Sensation behandelte und ihn im Gefängnis regelrecht hofierte. Im 20. Jahrhundert katapultierten die Medien Gangster*innen wie Bonnie und Clyde oder Pablo Escobar in den Status von Antiheld*innen – gefürchtet, aber auch bewundert.
In Hollywood und in der Popkultur erleben wir zunehmend eine Ästhetisierung des Verbrechens. The Godfather, Scarface oder Breaking Bad erzählen Geschichten von Kriminellen, die sich durch Intelligenz, Charisma und Durchsetzungskraft auszeichnen. Sie werden nicht nur als Verbrecher*innen, sondern auch als faszinierende Figuren dargestellt, deren Erfolg oft mit gesellschaftlichen Missständen in Verbindung gebracht wird.
Mit dem Boom von True-Crime-Dokumentationen und Podcasts erreicht das Phänomen eine neue Dimension. Serienmörder*innen wie Ted Bundy, Charles Manson oder Jeffrey Dahmer sind längst keine bloßen Kriminellen mehr – sie sind Teil der Popkultur. Dokumentationen und Biopics bei Netflix und Co. oder sogar Fan-Artikel sorgen dafür, dass ihre Namen weiterleben. Das moralische Dilemma ist offensichtlich: Ab wann wird Berichterstattung zur (ungewollten) Glorifizierung?
Heute kann man in Echtzeit miterleben, wie jemand durch ein Verbrechen berühmt wird: der „Hot Felon“ Jeremy Meeks, der nach der Veröffentlichung seines Polizeifotos Modelverträge erhielt oder die Verherrlichung von Luigi Magione, der in seiner Wut auf das US-Gesundheitssystem 2024 den CEO einer großen Krankenversicherung erschoss. Diese Fälle zeigen, wie Kriminalität zur Marke wird. Likes, Follower*innen und Medienberichte schaffen eine neue Form der Berühmtheit, in der der eigentliche Verstoß gegen das Gesetz oft nebensächlich wird. Mit Chicago liegt ein Musical vor, das dieses Phänomen besonders pointiert verarbeitet. Basierend auf wahren Kriminalfällen der 1920er-Jahre, zeigt es, wie das Justizsystem in ein Spektakel verwandelt wird, ein Spektakel, in dem Schuld und Unschuld nebensächlich erscheinen. Die Mörderinnen Roxie Hart und Velma Kelly erkennen schnell, dass nicht die Wahrheit zählt, sondern einzig die mediale
Inszenierung ihrer Fälle. Mit Hilfe des gerissenen Anwalts Billy Flynn werden sie zu glamourösen Sensationen – ihre Prozesse gleichen einer Bühnenshow, ihre Verbrechen werden zur Unterhaltung. Songs wie „Razzle Dazzle“ oder „We Both Reached for the Gun“ entlarven eine Welt, in der sich Justiz, Medien und Unterhaltung vermischen. Das Musical zeigt, wie das Verbrechen selbst zur Performance wird und die öffentliche Aufmerksamkeit über moralische Fragen triumphiert. Am Ende sind Roxie und Velma Stars – nicht trotz, sondern wegen ihrer Taten. Das Phänomen der Criminal Celebrities zeigt so eindrucksvoll, wie sehr sich unsere Wahrnehmung von Moral und Erfolg verändert hat. Chicago hält diesem Trend bereits seit den 1970ern einen ironischen Spiegel vor – und doch ist die Realität mittlerweile oft extremer als jede Satire. Die Frage bleibt: Ist es die Faszination für das Verbotene, die uns anzieht? Oder suchen wir in diesen Figuren Spiegelbilder unserer eigenen Sehnsucht nach Macht, Rebellion und Unsterblichkeit?
„Moralische Entrüstung besteht in den meisten Fällen aus 2% Moral, 48% Hemmungen und 50% Neid.“
François de La Rochefoucauld
„Aber freilich, diese Zeit, welche das Bild der Sache, die Kopie dem Original, die Vorstellung der Wirklichkeit, den Schein dem Wesen vorzieht; denn heilig ist ihr nur die Illusion, profan aber die Wahrheit. Ja die Heiligkeit steigt in ihren Augen in demselben Maße, als die Wahrheit ab- und die Illusion zunimmt, so daß der höchste Grad der Illusion für sie auch der höchste Grad der Heiligkeit ist.“
Ludwig Feuerbach
Roland Fister studierte zunächst Schlagzeug in Stuttgart und schloss 2000 sein Dirigierstudium an der Musikhochschule Freiburg ab. Seit 2001 ist er als 2. Kapellmeister und Studienleiter am Landestheater Coburg mit umfangreichen Dirigierverpflichtungen betraut. Darüber hinaus hat er sich als Komponist einen Namen gemacht, so wurden seine Musical-Opera Dorian Gray (2013), sein Ballett Alice im Wunderland (2017) und seine Kinderoper Die Prinzessin auf dem Kürbis (2020) in Coburg uraufgeführt. Die vom Verband deutscher Musikschulen ausgezeichnete CD Einspielung von Alice im Wunderland mit dem Philharmonischen Orchester ist an der Theaterkasse erhältlich. Sein jüngstes Orchesterwerk wurde im Frühjahr 2022 im Musikverein Wien und in der Laeiszhalle Hamburg uraufgeführt. 2023 sorgte Roland Fister in der Schweiz mit der musikalischen Leitung von Wagners Parsifal international für Aufsehen. Wegen des großen Erfolgs wurde Parsifal unter seiner Leitung 2024 wiederaufgenommen und wird auch 2025 am Goetheanum in Dornach zu erleben sein.
Neil Barry Moss studierte Operngesang, Musik- und Theaterwissenschaft in Kapstadt, sowie Regie und Dramaturgie in Verona. Im September 2015 gab er am Teatro Rossini in Pesaro sein Regiedebüt mit Mozarts Le nozze di Figaro. Von 2016 bis 2019 war er als Regieassistent, Regisseur und Kostümbildner an der Staatsoper Hannover engagiert. Im Juni 2018 gewann er den 2. Preis beim 10. Europäischen Opernregie-Preis EOP in Zürich. Ab Juni 2019 arbeitete er als Spielleiter an der Deutschen Oper Berlin, wo er im Juni 2020 mit Das Rheingold auf dem Parkdeck sein international vielbeachtetes und von Presse und Publikum gefeiertes Hausdebüt als Regisseur gab. Lehraufträge in den Bereichen Regie und Ausstattung führten ihn an die der Bayerische Theater Akademie „August Everding“ (München). Dem Coburger Publikum stellte er sich erstmals 2022/23 mit La damnation de Faust in St. Moriz vor. Zur Spielzeit 2023/24 wurde er Operndirektor und Teil des Direktoriums am Landestheater Coburg und inszenierte Macbeth und Hänsel und Gretel. Seit September 2024 ist er Intendant des Landestheaters Coburg und inszeniert in der Spielzeit 2024/25 Il trittico, Der fliegende Holländer sowie Chicago.
Kati Farkas absolvierte ihre Ausbildung zur Musicaldarstellerin an der Hochschule für Schauspiel und Film in ihrer Heimatstadt Budapest sowie am Tanzund Gesangsstudio des Theater an der Wien. Sie stand in zahlreichen großen Rollen auf der Bühne, u. a. in Cats (Zürich), Starlight Express (Bochum), Grease (Düsseldorf), Les Misérables (Duisburg), Chicago (Berlin, Düsseldorf), West Side Story (Bregenz, Osnabrück) und Hairspray (Köln). Als Choreografin arbeitete sie z.B. an der Deutschen Oper am Rhein, Oper Bonn, Oper Graz, Volksoper Wien, Staatsoper Hannover, Staatsoperette Dresden, Oper Wuppertal, am Staatstheater Mainz, Staatstheater Braunschweig, Staatstheater Kassel, Landestheater Linz, MiR Gelsenkirchen, Oldenburgisches Staatstheater, Schauspielhaus Düsseldorf, Schauspielhaus Bochum, Theater Dortmund, Theater Magdeburg, Theater Heidelberg, Theater Osnabrück, Theater Augsburg, Stadttheater Klagenfurt, an den Vereinigten Bühnen Bozen.
Die aus den Niederlanden stammende Tänzerin erhielt ihre Ausbildung am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Ihre Karriere als Solistin begann am Nationaltheater Mannheim. 2003 wechselte sie an das Tiroler Landestheater Innsbruck, wo sie in zahlreichen Produktionen brillierte. Anschließend war sie 14 Jahre lang als Ballettmeisterin in Innsbruck tätig und arbeitete dort auch als Choreografin. Zu ihren Choreografien zählen Produktionen wie The Rocky Horror Show, Die Fledermaus, Le nozze di Figaro, Carmen und Salome. Neben ihrer tänzerischen Laufbahn trat sie in Innsbruck auch als Sängerin in Erscheinung und überzeugte in Musicals wie Evita, Jesus Christ Superstar, Les Misérables und Jekyll & Hyde. Seit 2024 ist sie als Ballettmeisterin am Landestheater Coburg engagiert.
Bühne
Darko Petrovic studierte Bühnengestaltung an der Kunstakademie in Venedig bei Prof. Giovanni Soccol. Als Bühnen- und Kostümbildner zeichnete er für mehr als hundert Produktionen verantwortlich im Bereich Oper, klassisches Ballett, zeitgenössischer Tanz, Schauspiel und Film. So arbeitete er u.a. für die Oper Köln, die Deutsche Oper Berlin und das Grand Théâtre de Genève, das Ballett am Rhein Düsseldorf/Duisburg, das Ballett Magdeburg, das Stadttheater Bremerhaven, das Teatro Bellini Catania,das Festival della Valle d’Itria, das Teatro Verdi Salerno, das Theater Osnabrück, das Nordharzer Städtebundtheater Halberstadt-Quedlinburg, das Badische Staatstheater Karlsruhe, das Staatstheater Augsburg und das Staatstheater Schwerin.
Kostüme
Seit vielen Jahren arbeitet Gerhard Gollnhofer als Kostüm- und Bühnenbildner für Theater, Film und Fernsehen. Nach langjähriger Assistenz bei Moidele Bickel an der Schaubühne Berlin ist er freiberuflich für viele Theater im In- und Ausland tätig. In Fernseh- und Filmproduktionen verantwortete er zahlreiche Kostümbilder, unter anderem für Historienfilme wie Henri 4 oder Ludwig II. sowie auch für zahlreiche Tatorte, Spielfilme und Fernsehserien. Seit dieser Spielzeit ist Gerhard Gollnhofer fest am Landestheater Coburg als Leiter der Kostümabteilung und als Kostümbildner engagiert.
LANDESTHEATER COBURG
Schlossplatz 6, 96450 Coburg
Email: info@landestheater.coburg.de www.landestheater-coburg.de
INTENDANT:
Neil Barry Moss
KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR: Bernd Vorjans
KASSE: +49 (0)9561 89 89 89
PFORTE: +49 (0)9561 89 89 00
FAX: +49 (0)9561 89 89 88
REDAKTION:
André Sievers
GESTALTUNG UND SATZ:
Autostrada Studios
FOTOS:
Marco Sommer
ANZEIGEN: contactdesign.de
DRUCK:
DCT GmbH, Coburg
Änderungen und Druckfehler vorbehalten
DANKSAGUNGEN:
Wir danken dem Freistaat Bayern und der Stadt Coburg für die großzügige Unterstützung unseres Hauses. Ebenso danken wir dem Bezirk Oberfranken.
TEXTNACHWEISE:
Die Texte Vom Justizskandal zur BroadwayLegende. Zum Musical Chicago, Die Wahrheit ist irrelevant. Narrative und performative Konstruktionen von Wahrheit und Realität in Chicago, Zwischen Show und Storytelling. Zur Dramaturgie des Musical-Vaudevilles und Criminal Celebrities. Die Faszination des Verbrechens in der Popkultur sind Originalbeiträge von André Sievers für dieses Programmheft.
Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Köln: Anaconda 2014.
François de La Rochefoucauld: Maximen und Reflexionen, hrsg. von Konrad Nußbächer, Stuttgart: Reclam 1986.
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, München: Anaconda 2023.
Die Texte wurden redaktionell eingerichtet und gekürzt. Kürzungen innerhalb der Texte sind nicht immer gekennzeichnet. Die Orthographie entspricht den Originaltexten. Überschriften stammen zum Teil von der Redaktion.
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Wolfgang Hörnlein
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