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Schliesslich lehnte sie die Stelle ab – sehr schweren Herzens. «Es hat noch lange gekämpft in ihr», erinnert sich Roland Keller an diese Zeit. Aber dann ging alles sehr schnell; wenn schon, denn schon. Sie gab die Stelle in Richterswil auf und heiratete. Die beiden Buben sind heute 21 und 23 Jahre alt und schon mehr oder weniger zu Hause ausgezogen. Bernhard, der ältere, studiert in Zürich Mathematik und Philosophie, ist unkonventionell, kritisch und politisch sehr aktiv. «Er hat mir ein Leben lang ein Loch in den Bauch gefragt», erinnert sie sich lächelnd. «Wegen ihm habe ich einen sechsbändigen Brockhaus gekauft!» Der jüngere, Samuel, ist Gärtner von Beruf und steckt in der Zweitausbildung als Tierpfleger. Als Junge hat er im Garten einen Taubenschlag gebaut, den er, als er auszog, samt Inhalt grosszügigerweise dem Vater vermachte. Auch im Fledermausschutz engagiert er sich, pflegte oft über den Winter kränkliche Tiere zu Hause gesund. Lakonische Bemerkung der Mutter dazu: «Irgendwann gewöhnt sich die Familie

Gewähr). «Du darfst noch ein bisschen mehr anspannen. Hast Du nass gemacht? Dann geh jetzt mal ganz süüferli. Weisst Du, was ich das Gefühl habe? Wenn Du die Schäfte vorn hättest, bekämst Du ein schöneres Fach! Du hast wohl auch ein bisschen fest angeschlagen …» Seit sie das Atelier hat – schon über 20 Jahre – hat sie sich intensiver dem Sticken zugewandt. Vor allem aber will sie einfach mit Fäden arbeiten. «Ich kann nicht sagen, ich bin eine Weberin, oder eine Stickerin. Es gibt Gebiete in der Stickerei, die ich nicht beherrsche. Aber ich bin eine Fädige! Im Grunde bin ich ja gegen das Missionieren, aber mit den Fäden missioniere ich. Ich habe auch gekämpft mit den Fäden, manchmal. Aber eigentlich will ich allen Leuten zeigen, wie schön die Fäden sind!» Hier im Atelier bewahrt sie den grössten Teil des Materials für ihre Stickkurse auf. Schon gepackt ist zum Beispiel die Kiste für den Kurs in einem Schloss an der Küste der Normandie. «Tausende von Fäden –

daran, dass am Stubentisch Mehlwürmer ausgedrückt werden.»

dicke, dünne, matte, glänzige … Etwa 30 Kilo Fäden! Ich musste das für den Zoll aufschreiben. Und etwa 29,5 Kilo kommen wohl wieder zurück. Aber es braucht diese Auswahl, es ist wie bei Farbstiften. Am Vormittag gehen wir am Meer oder im Schlossgarten auf Themensuche, am Nachmittag sticken wir mit dem Ziel, dass wir am Abend fertig sind; wir machen eine Art gestickte Skizzen.»

DAS KOCH-SCHLAF-WEBATELIER Heute hat Barbara Wälchli ihr eigenes Atelier in einer ehemaligen Schreinerwerkstatt in Steinerberg, nahe der Kirche. Zwei Räume hat es, eine beeindruckende Fachbibliothek, eine Rumpelkammer im oberen Stock und eine Küche, in der sie früher, als die Buben noch klein waren, auch bisweilen für sie gekocht hat. Im Winter, wenn zu viel Schnee lag, um die steile Strasse zum Wohnhaus hoch zu fahren, haben sie manchmal sogar im Atelier übernachtet. Vier Webstühle stehen darin, eine Lehrtochter lernt bei ihr das Handwerk der Textilgestalterin und Handweberin. Mit ihr – Franziska heisst sie – führt sie für den Laien unverständliche Gespräche (Wiedergabe ohne

NICHT BEQUEM WERDEN! Seit der Geburt der Kinder hat Barbara Wälchli immer geschaut, dass sie auch beruflich zu tun hat. «Damit ich nicht bequem werde!» Sie hat Kurse gegeben fürs Heimatwerk in Zürich, Ferienkurse in Richterswil, hat eine Tracht bestickt, die Zeitschrift des Berufsverbands redigiert, Religionsunterricht gegeben, war Expertin bei den Lehrabschlussprüfungen


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