BZ-IBS

Page 1

Berliner Zeitung - Paris-Bernau-Moskau

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strasse-des-friedens-paris-be...

Berlin - 31.10.2011 STRASSE DES FRIEDENS

Paris-Bernau-Moskau Von Katrin Bischoff Der deutsch-jüdische Maler und Bildhauer Otto Freundlich hatte den Traum, eine Straße des Friedens zu bauen. Am Sonntag ist sein Traum ein wenig mehr Realität geworden.

Zu sehen in Bernau: „Silence is gold“ heißt die Skulptur von Dominika Griesgraber. Die Bildhauerin lebt in Polen und Frankreich. Foto: Paulus Ponizak

Es war eine Vision, die für Otto Freundlich eine bleiben sollte. Er, der deutsch-jüdische Maler und Bildhauer, wurde 1943 von den Nazis im KZ ermordet, bevor er seinen Traum, eine Straße des Friedens, in die Tat umsetzten konnte. Von Paris nach Moskau sollte die Straße führen und ein sichtbares Zeichen setzen für Völkerverständigung und Toleranz, gegen Krieg und Gewalt. Am Sonntag ist Freundlichs Traum ein wenig mehr Realität geworden. In Bernau wurde eine weitere Etappe dieser von ihm einst erträumten Europaroute eröffnet. Die Plastiken, die im Stadtpark der Barnim-Stadt zu sehen sind, entstanden in den vergangenen vier Wochen bei einem

internationalen Bildhauersymposium. „Die politische Idee von Otto Freundlich ist heute noch genauso aktuell wie damals“, erklärt der Bildhauer Rudolf Kaltenbach sein Engagement für die Realisierung von Freundlichs Vision. Kaltenbach ist der künstlerische Leiter des Bernauer Symposiums, seit Jahren organisiert er internationale Bildhauertreffen. Die Gefahr des Rechtsextremismus sei für jeden frei denkenden Menschen eine besondere Herausforderung, sagt er. Kaltenbach war vom Kunstkurator der Stadt nach Bernau geholt worden. Unter seiner Regie arbeiteten sieben Künstler aus Großbritannien, Russland, Polen, Österreich, der Slowakei und Deutschland einen Monat lang gemeinsam, meißelten dort unter den Augen vieler Parkbesucher ihre künstlerischen Vorstellungen von Frieden und Toleranz in Stein.

Plastik von Gymnasiasten Eine achte Skulptur aus Sandstein schufen Schüler der Paulus-Praetorius-Gymnasiums und des Barnim Gymnasiums. „Es war uns wichtig, dass auch junge Leute aus unserer Stadt an diesem so wichtigen Projekt mitarbeiten“, sagt Sabine Oswald vom Bernauer Kulturamt. Noch habe die Plastik der Jugendlichen keinen Namen. Doch das soll sich bald ändern. Kaltenbach begründete bereits vor zehn Jahren sein Projekt „Steine ohne Grenzen“. Es ist wie viele Initiativen in Europa Teil einer Künstlerbewegung, die die „Straße des Friedens“ realisieren will. Jährlich kommen dabei Kunstschaffende an verschiedenen Orten aus aller Herren Länder zusammen und erschaffen Plastiken, die für Frieden und Völkerverständigung werben sollen. Anstoß für Kaltenbachs Engagement waren Jugendliche, die rechte Parolen brüllten. „Dem wollte ich auf meine Weise etwas entgegensetzen“, erzählt der Künstler. Also lud er im Jahr 2001 Bildhauer aus 14 Nationen nach Berlin-Buch ein – es war das erste „Steine ohne Grenzen“-Symposium. Die Plastiken im Stadtpark sollen eine symbolische Linie von Bernau über Hobrechtsfelde nach Berlin bilden. Es sei eine beeindruckende Idee, die Vision von Otto Freundlich heute

1 von 4

01.11.11 14:37


Berliner Zeitung - Paris-Bernau-Moskau

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strasse-des-friedens-paris-be...

fortzusetzen, sagt Kulturstaatssekretär Martin Gorholt (SPD), der die Skulpturen im Stadtpark einweihte. Gorholt nannte es besonders wichtig, dass an diesem Projekt auch eine Schülergruppe mitgearbeitet habe. „Damit wird den jungen Menschen lebendige Geschichte vermittelt“, sagt er. Für den Traum von Otto Freundlich machen sich heute viele Künstlerinitiativen in ganz Europa stark. In Berlin ist es die Stiftung für Bildhauerei und die Initiative „Steine ohne Grenzen“. Auch in Slupsk, der polnischen Geburtsstadt des Bildhauers und Humanisten, sowie in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers LublinMajdanek – jenem Ort also, an dem die Nazis den Künstler Otto Freundlich im April 1943 ermordeten.

Der Traum eines jüdischen Künstlers

Die Idee einer „Europäischen Straße des Friedens – Straße der Skulpturen in Europa“ stammt von dem deutschjüdischen Bildhauer und Maler Otto Freundlich (1878–1943). In den 1920er-Jahren entwickelte Freundlich das Projekt einer Skulpturenstraßen, die quer durch Europa von Paris nach Moskau führen sollten – als sichtbares Zeichen des Friedens und der Versöhnung, gegen Krieg und Gewalt. Die Idee konnte er nicht mehr umsetzen. Otto Freundlich studierte in München Kunstgeschichte. Er besuchte Kunstschulen in Berlin, es folgten Aufenthalte in München, Berlin, Köln, Hamburg. Seit Mitte der 1920er-Jahre lebte er fast ständig in Paris. Seine Kunst wurde 1937 von den Nazis als „entartet“ verfemt, seine Skulpturen und Gemälde wurden daraufhin aus den Museen entfernt. Nach einer Denunziation wurde der Humanist und

2 von 4

01.11.11 14:37


Berliner Zeitung - Paris-Bernau-Moskau

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strasse-des-friedens-paris-be...

Pazifist Anfang März 1943 in das Konzentrationslager Lublin-Majdanek deportiert und dort ermordet. Der Bildhauer Leo Kornbrust griff die Idee einer Friedensstraße 1971 mit einem Bildhauersymposium auf. 1978 nahmen seine Pläne für eine „Straße der Skulpturen St. Wendel“ konkrete Formen an. Es war die Keimzelle für die Realisierung der von Freundlich erträumten „Europäischen Straße des Friedens“. Seitdem wurden verschiedene Bildhauersymposien und Künstlerinitiativen in das Projekt integriert. Nicht nur in Deutschland gibt es für das Vorhaben Partner, auch in Frankreich, Luxemburg, Belgien, Polen, Österreich und Tschechien wurden Skulpturen aufgestellt, die den Friedensweg durch Europa kennzeichnen sollen. So konnten unter anderem Freundlichs Geburtsstadt Slupsk sowie die Gedenkstätte des KZ Lublin-Majdaniek für das Projekt gewonnen werden. Der Berliner Bildhauer Rudolf Kaltenbach hat seit dem Jahr 2001 mit Kollegen die Skulpturenlinie „Steine ohne Grenzen“ erschaffen. Sie ist Teil der „Straße des Friedens“. Kaltenbach war auch künstlerischer Leiter des Bernauer Bildhauersymposiums, bei dem in den vergangenen vier Wochen sieben Künstler aus sechs europäischen Ländern Skulpturen schufen.

Artikel URL: http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strasse-des-friedens-paris-bernaumoskau,10809148,11079688.html

3 von 4

01.11.11 14:37


Berliner Zeitung - Paris-Bernau-Moskau

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strasse-des-friedens-paris-be...

Copyright Š 2011 Berliner Zeitung

4 von 4

01.11.11 14:37


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.