Museumsjorunal 02/2025

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Ausstellungen in Berlin und Potsdam

2/25

APRIL

MAI

JUNI

LASERKUNST

Matt Copsons Lichtzeichnungen begeistern die Szene 13. BERLIN

BIENNALE

Was Zasha Colah für das internationale Kunstfest plant

KULTURHAUSHALT

Wie sich die Kürzungen auswirken

YOKO ONO

Großer Auftritt für die New Yorker Avantgardistin

Buchen Sie hier Führungen, Workshops, Seminare und mehr:

www.museumsdienst.berlin

Stadtfüchse, wohin man schaut. Dieses Exemplar traf unser Fotograf Jérôme Depierre neulich zufällig In Charlottenburg

Berlins Wappentier ist der Bär. Aber in Wahrheit ist Berlin eine Stadt der Füchse. Da scheint es naheliegend, dass die Kuratorin Zasha Colah den Reineke zum Leitthema der 13. Berlin Biennale gewählt hat. Am 14. Juni beginnt die internationale Großausstellung. Wir haben uns vorab mit Colah getroffen und mit ihr über die Ausstellungsorte, ihr Selbstverständnis als Kuratorin und die Herausforderungen der Kunststadt gesprochen. Das Interview finden Sie ab Seite 18.

Menschen, die auf geschickte Weise Geld sparen, werden manchmal anerkennend Sparfüchse genannt. In der Berliner Kulturpolitik mangelt es offenbar an intelligenten Konzepten, Kultur und Bildung möglichst unbeschadet durch die Krise zu manövrieren. Die einschneidenden Mittelkürzungen, die die schwarz-rote Koalition den Kulturinstitutionen verordnet hat und denen weitere Sparrunden folgen sollen, bedrohen die kulturelle Substanz der Hauptstadt. Verdienstvolle Errungenschaften wie der eintrittsfreie Museumssonntag wurden bereits abgeschafft. Akut bedroht sind besonders kleinere Projekte, die viel zur kulturellen Vielfalt der Stadt beitragen. Da Kunst und Kultur die elementaren Bausteine einer offenen und demokratischen Gesellschaft sind, wird Berlin in eine gefährliche Schieflage gebracht. Wir haben uns bei Institutionen und Initiativen zu den Auswirkungen der Rotstiftpolitik umgehört. Unsere Umfrage beginnt auf Seite 28.

Übrigens: Museen genießen hohes Vertrauen. Das ergab neulich eine Studie des Instituts für Museumsforschung. Unser Kolumnist Jens Thomas geht auf Seite 16 in seiner letzten Kolumne für das Museumsjournal auf die Gründe dafür ein. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich für die zahlreichen Denkanstöße zum Thema Nachhaltigkeit während der vergangenen drei Jahre und schließen uns zugleich seinem Aufruf zum Museumsbesuch an. Zur Planung Ihrer nächsten Museumstour finden Sie im Heft wie immer zahlreiche Anregungen.

Mit dieser Ausgabe übernehme ich die Chefredaktion des Museumsjournals. Ich freue mich, ab jetzt gemeinsam mit der Redaktion, Art Direktion und den Herausgebern die Museumslandschaft in Berlin und Potsdam publizistisch zu begleiten.

Wie finden Sie unser Heft?

Schreiben Sie uns jederzeit eine Mail an: feedback@kulturprojekte.berlin

INHALT

PANORAMA

TAGESREISE CHEMNITZ 14

6 Im Wandel

Emma Enderby liefert ihren ersten Aufschlag als neue Direktorin in den KW

10

Blickfang

Kathrin Linkersdorffs Fotografien zwischen Schönheit und Vergänglichkeit

Geh doch nach … Biesdorf

Ein Schloss lockt mit Kommunaler Galerie und Café

11 Momentaufnahme

Relikte eines untergegangenen Staates im neuen Schaudepot des DDR-Museums

12 News

Aus den Berliner Museen und Ausstellungshäusern

14

Tagesreise nach Chemnitz

Auf den Spuren von Kunst und Industriegeschichte in der Kulturhauptstadt

16 Kolumne

Warum Museen in Deutschland hohes Vertrauen genießen

Neue Bücher Fünf Empfehlungen aus der Redaktion

Sabra Saoud, »Reseda & Cactus«, 2024 (Teppichdetail)
Das Motto der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 leuchtet vor der Hartmannfabrik

Zasha Colah über ihre Pläne für die

Berlin Biennale

Cover: Matt Copson, »Age of Coming«, 2020

Biennale-Vorbereitungen: Zasha Colah

AUSSTELLUNGEN

Die katastrophale Sparpolitik des Berliner Senats

38

Kosmisch

Grafik aus dem Umfeld des Blauen Reiters im Kupferstichkabinett

43 Luftschi im Berliner Medizinhistorischen Museum Andenken im Gotischen Haus Berliner Mutterwitz im Zille Museum

44

Avantgarde

Retrospektive ehrt eine lebende Ikone: Yoko Ono im Gropius Bau

46 Kühler Blick

Sung Tieu seziert die deutschen Verhältnisse in den KW

Franz Marc, »Tänzerin vom Hofe des Königs Jussuf«, 1913

KÄTHE KRUSE

48

Meisterdieb

Julian Rosefeldt zitiert sich bei C/O Berlin durch die Filmgeschichte

50 Engel

Im Bode-Museum entfaltet sich ein geschichtsphilosophisches Panorama

53

Trügerische Idylle

Den Zusammenhang von Diktatur und Tourismus zeigt das Museum Europäischer Kulturen

54

So nah wie fern

Camille Claudel und Bernhard Hoetger in der Alten Nationalgalerie

57

Lebensmittel

Landwirtschaft, Ernährung und Nachhaltigkeit zum Anfassen in der Domäne Dahlem

58

Modernistisch

Ewald Mataré hält die Balance zwischen Realismus und Abstraktion im Kunsthaus Dahlem

60

Jet Set

Die glamouröse Welt des Modefotografen Rico Puhlmann im Museum für Fotografie

62

Ich und Du

Die Neue Nationalgalerie feiert Lygia Clark und ihre körperbezogene Kunst

65

Wolf R. Eisentraut im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Erinnerungskultur

im Museum Lichtenberg Maison de Santé im Schöneberg Museum

66

Gesprächssto

Kunst der ehemaligen DDR im Potsdamer Minsk

68

Filzige Riesen

Futuristische Rauminstallationen von Klára Hosnedlová im Hamburger Bahnhof

71

Nonkonform

Rebellische Kunst von Käthe Kruse in der Berlinischen Galerie

72

Erfinderisch

Kreative Experimente im Neuköllner Kinderkünstezentrum

73

Die Mauer im Museum Köpenick Aktuelle internationale Kunst im N.B.K. und Kindl Minh Duc Pham im Museum Tempelhof

74

Die spinnen, die Römer

Eine Würdigung des Asterix-Erfinders Albert Uderzo im Museum für Kommunikation

76

Traditionsreich

Ägyptische Bildteppiche in der James-Simon-Galerie

78

Welt der Dinge

Das Jüdische Museum bringt Sammlungsobjekte zum Sprechen

79

Nützlich

Die Kulturgeschichte des Esels im Neuen Museum

Käthe Kruse, »Jetzt ist alles gut«, 2024
Gerhard Richter, »A B, Still«, 1986

EINBLICKE

80

Sehr direkt

Das Haus am Lützowplatz widmet sich dem Berliner Realismus

84

Kosmopolitisch

Erinnerungen an den Salon von Felicie und Carl Bernstein in der Liebermann-Villa

86

Zeitreise

Vor 75 Jahren wurde das Georg Kolbe Museum gegründet

88

Berlinerisch

Figurative Malerei aus Ost und West in der Stiftung Kunstforum

90

Krieg und Frieden

Eine Ausstellung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs

92

Wunschkonzert

Ein partizipatives Ausstellungskonzept im Brücke-Museum 93 Einzigartig

Die

FLIX

Flix ist einer der bekanntesten Comiczeichner Deutschlands. Für seine Werke wie »Held« (seine Diplomarbeit zum Kommunikationsdesigner), »Faust« und »Spirou in Berlin«, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden, hat er mehrere Preise gewonnen. Jede Woche erscheint seine Comicserie »Glückskind« in der F.A.Z. Die Comics von Flix sind fiktiv, tragen jedoch oft autobiografische Züge. Nun hat er im Museum für Kommunikation eine umfassende Werkschau über den Asterix-Zeichner Albert Uderzo, gemeinsam mit dessen Tochter Sylvie Uderzo, kuratiert (Seite 74).

PATRIZIA DANDER

Seit April 2024 ist Patrizia Dander stellvertretende kuratorische Direktorin am Gropius Bau, nach Stationen an der Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, dem Museum Brandhorst sowie dem Haus der Kunst in München. Neben der engen Zusammenarbeit mit Künstler*innen wie Kerstin Brätsch, Mark Leckey oder Jimmy Robert, war auch die konzeptuelle Kunst schon früh ein Schwerpunkt ihrer kuratorischen Praxis. Deren poetische Auslegung in Yoko Onos Werk und ihre radikale Großzügigkeit begleiten Dander seit vielen Jahren und bildeten den Ausgangspunkt für die Ausstellung »Yoko Ono: Music of the Mind« (Seite 44).

FRIEDERIKE SEYFRIED

Friederike Seyfried leitet das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. In den letzten 15 Jahren hat sie insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Antikenministerium in Ägypten über zahlreiche Projekte vertieft. In der Museumsarbeit liegen ihr kulturübergreifende Themen besonders am Herzen, wie zum Beispiel die Ausstellung »Ein Gott –Abrahams Erben am Nil« (2015) mit dem Museum für Byzantinische Kunst und dem Islamischen Museum oder »China und Ägypten – Wiegen der Welt« (2017). Aktuell hat sie eine Brücke zur zeitgenössischen Webkunst in Ägypten geschlagen (Seite 76).

PANORAMA

In der Multimedia-Installation

»Not a Love Song« untersucht
Miloš Trakilović die Beziehung zwischen Musik und Krieg

Chemnitz –Kulturhauptstadt Europas 2025 bis Ende 2025 chemnitz2025.de

Chemnitz leuchtet

»See the Unseen« lautet das Motto der KULTURHAUPTSTADT. Wie sich die sächsische Industriemetropole neu erfindet. Eine Tagesreise

Es herrscht Euphorie und Aufbruchstimmung in Sachsen, das neue Chemnitz soll her. Eine Stadt, die lange als vergessen oder verkannt galt, will sich in ein neues Licht stellen. Nach der Deutschen Einheit kehrten im Zuge von Deindustrialisierung und Strukturwandel knapp ein Viertel der Bevölkerung der einstigen Musterstadt der Ostmoderne den Rücken. Die rechtsradikalen Pogrome von 2018 festigten den Ruf einer gescheiterten Stadt – ein verfehltes Stigma, wie durch die Auszeichnung als Kulturhauptstadt bewiesen werden soll. Auch deshalb ist das Jahr an hohe Erwartungen geknüpft, dass etwas wiederkehren möge von den glorreichen Zeiten, als Chemnitz noch wohlhabende Industriemetropole war. Umso mehr setzt man darauf, Chemnitz und die Region als facettenreich, kulturstark und zukunftsfähig zu präsentieren.

Dass Chemnitz einst industrielles Epizentrum von weltweiter Relevanz war, hatte es seinen Schätzen im Erzgebirge zu verdanken. Reiche Silber-, Kupfer- und Erzvorkommen führten Ende des 15. Jahrhunderts zum Berggeschrey, einer rauschhaften Goldgräberstimmung, die die ganze Region prosperieren ließ. So begann eine Montangeschichte, die die sächsische Region für 800 Jahre bestimmen sollte, wie die Sonderausstellung »Silberglanz und Kumpeltod« im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (Smac) beleuchtet. Eindrucksvoll werden hier die Glanz- und Kehrseiten des Erzbergbaus erzählt. Das Smac ist beheimatet in einem von Erich Mendelsohn entworfenen funktionalistischen Bau im Stadtzentrum. In großen Lettern erinnert hier der Schocken-Schriftzug an die Zeit, als das einstige Kaufhaus bis zur NS-Enteignung von

den jüdischen Brüdern Salman und Simon Schocken geführt wurde.

Das industrielle und unternehmerische Erbe stehen im Kulturhauptstadtjahr besonders im Fokus. Die unzähligen Fabrikhallen mit ihren Schloten zählen nicht nur zu den wichtigsten architektonischen Errungenschaften, sondern spiegeln heute in vielgestaltigen Umnutzungen auch mögliche Transformationsprozesse der Stadt. So auch das Esche-Museum in Limbach-Oberfrohna. Die ehemalige Strumpffabrik der Familiendynastie Esche in frühbürgerlicher Industriearchitektur war eine der ersten Fabriken im schon damals vom textilen Gewerbe geprägten Limbach und verhalf der Region mit ihren innovativen Wirkmaschinen – Textilmaschinen, die ein besonders elastisches Fadensystem herstellen – zu internationalem Ruhm. Nicht

Vom Stadtbaudirektor Fred Otto 1925 im Bauhausstil entworfen:
Das Stadtbad in Chemnitz zählte zu den größten und modernsten Hallenbädern Europas

Jan Kummer, »Heimat Ensemble II«, 2024, Gersdorf. Die Installation ist Teil des Kunst- und Skulpturenwegs Purple Path – dem größten Projekt der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025

nur Textilbegeisterte dürften die raffinierten Maschinen faszinieren. Im Museum findet sich auch die renovierte Textilwerkstatt »Esche Lab« – eines der sogenannten »Makerhubs« der Kulturhauptstadt. In interaktiven Werkstätten können Kreative, Handwerkerinnen und Entrepreneurs voneinander lernen und Neues entwickeln. Interessierte erleben in Workshops regionale Kultur und Traditionen. Nebeneffekte der rasanten Industrialisierung des »sächsischen Manchesters« waren auch die Entwicklung eines bedeutenden Mäzenatentums und eine kulturelle Blüte. In Chemnitz finden sich die größten und wichtigsten kommunalen Kunstsammlungen in Deutschland. Zu den langfristigen Investitionen der Kulturhauptstadt zählen deshalb auch kulturelle Neuerungen: Das Geburtshaus von Karl Schmidt-Rottluff, dem berühmten Chemnitzer Künstler, wurde zu einem Kunsthaus umgestaltet. Zusammen mit der benachbarten Mühle, in der der Brücke-Künstler seine Kindheit verbrachte, ist das Museum ein Kleinod expressionistischer Geschichte. Welche Rolle Kunst hingegen spielen kann, wenn die tragenden städtischen Industrien wegbrechen, wird bei »Tales of Transformation« im

Industriemuseum (25. April bis 16. November 2025) beleuchtet. Während die Herausforderungen im Umgang mit dem industriekulturellen Erbe von Chemnitz mit anderen ehemaligen Industriestädten in Europa verglichen werden, befragt die Ausstellung das Verhältnis von Kunst- und Industrietradition, Mäzenatentum und Transformationsprozessen auch auf Potenziale und mögliche Zukünfte.

Ebenso längerfristig angelegt ist der Kunst- und Skulpturenpark Purple Path – ein Parcours mit künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum, der die 38 Kommunen im Umland mit Chemnitz verbindet und für die nächsten 20 bis 25 Jahre weiter wachsen soll. Bei diesem vom Berliner Kurator und Ex-Galeristen Alexander Ochs kuratierten Projekt sind aktuell über 60 lokale wie internationale künstlerische Positionen vertreten. So greift etwa Jan Kummer in Gersdorf in »Heimatensemble II« mit überdimensionierten MickyMaus-Skulpturen aus riesigen Kronkorken das behelfsmäßige Nachbasteln von ikonischen Westprodukten in der DDR auf, während Sean Scully mit seinem knapp zweieinhalb Meter hohen Münzhaufen »Coin Stack 2« im Bergstädtchen Schneeberg an die kapitalistische Grundfigur des Prekariats erinnert. Nicht ohne ermächtigende Geste: Der erste Aufstand von Arbeiterinnen und Arbeitern wurde hier erfolgreich im 15. Jahrhundert von Bergknappen wegen Lohnkürzungen unternommen und war der Auftakt für eine traditionsreiche Gewerkschaftsbewegung in der Region.

Nach den vielen Brüchen und Identitätsfindungen, von denen die Stadt gezeichnet ist, wird diese Auszeichnung deshalb vor allem auch ein nötiger Hoffnungsschimmer sein. Gerade im Hinblick auf gegenwärtige Herausforderungen für die Kultur betont der Chemnitzer Künstler Jan Kummer: »Hier stehen ein Jahr lang Kunst und Kultur im Mittelpunkt. Und wenn dann parallel dazu überall nur das große Heulen und Sparen zu hören ist, ist das alleine schon ein Segen.«

Es wird sich zeigen, ob die Beschwörung der Kultur als große Helferin über einen kosmetischen Charakter hinausreicht und strukturelle, transformationsspezifische Defizite – gerade im Kontext von sozialer Stadtentwicklung und im Umgang mit rechtsradikaler Gewalt – ein adäquates Umdenken nach sich ziehen. Man würde Chemnitz und den Menschen vor Ort sehr wünschen, dass sich nachhaltig etwas bewegt. Angesichts des beispiellosen bürgerlichen Engagements, mit dem die Chemnitzerinnen und Chemnitzer die Kulturhauptstadt auf die Beine stellen, hätten sie es mehr als verdient.

Text MARIANN DIEDRICH

Chemnitz

Berlin → Chemnitz: ca. 260 Kilometer 3 Stunden mit dem ICE und RE

Im Jahr 2025 ist die Industriestadt Chemnitz eine der drei Kulturhauptstädte Europas. 38 Kommunen aus Mittelsachsen, dem Zwickauer Land und dem Erzgebirge bilden mit Chemnitz die Kulturhaupstadtregion. Mit über 1000 Veranstaltungen, Ausstellungen, Festivals, Workshops, Theaterstücken, Performances, Kulinarik- und Sportangeboten wird dazu eingeladen, die Stadt und die Region mit anderen Augen zu sehen. Der Eintritt ist bei vielen Veranstaltungen kostenlos, sonst gelten die regulären Eintrittspreise.

Henry van de Velde Museum

Eine architektonische Perle im Stadtteil Kapellenberg: Der einstige Familienwohnsitz des Textilindustriellen Herbert Esche wurde 1902 vom Designer und Architekten Henry van de Velde entworfen und gilt als erster Bau der Moderne sowie als ikonisches Gesamtkunstwerk des Jugendstils. Aufwändig restauriert, macht das Museum mit originalem Mobiliar van de Veldes Vision von Wohnräumen als Lebensräume konkret erfahrbar.

Kunstsammlungen Chemnitz

Die existenziellen Themen von Edvard Munch zeigen ein Grundgefühl, das gerade in der heutigen Zeit eine gesellschaftliche Verfasstheit spiegelt – das der Angst. Die Werke von Munch haben nichts von ihrer Aktualität verloren. In den Kunstsammlungen treten sie in der Ausstellung »Edvard Munch. Angst« mit zeitgenössischen Positionen, unter anderem von Monica Bonvicini, Paula Rego und Osmar Osten, in einen Dialog.

Museum für sächsische Fahrzeuge

Während der SED-Diktatur entwickelten sich die unzähligen Garagen zu kreativen Nischen und sozialen Rückzugsorten. Als Teil des umfangreichen Projekts »#3000 Garagen« dokumentiert der Künstler, Fotograf und Architekt Martin Maleschka in der Rauminstallation »Ersatzteillager« dieses spezielle baukulturelle DDR-Überbleibsel und arrangiert dafür geliehene Alltagsgegenstände von Chemnitzerinnen und Chemnitzern im Fahrzeugaufzug der historischen Hochgarage des Museums.

Farbige Gestaltung von Daniel Buren. Schornstein des ehemaligen Heizkraftwerks Chemnitz Nord

Zasha Colah

Zasha Colah ist Kuratorin der 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Geboren 1982 in Mumbai, Indien, war sie 2010 Mitbegründerin der dortigen Clark House Initiative – ein Zusammenschluss von Künstlerinnen und Künstlern sowie Kuratorinnen und Kuratoren, deren zentrale Themen Freiheit und Menschenrechte sind. 2017 war Colah Co-Kuratorin der 3. Pune Biennale in Indien. Im darauffolgenden Jahr gehörte sie zum kuratorischen Team der 2. Yinchuan Biennale in China. Colah war Mitglied von »Archive«, einer internationalen Plattform für kollaborative Praxis, und ist seit 2018 Dozentin für Kuratorische Studien an der Nuova Accademia di Belle Arti in Mailand. Im Januar 2023 übernahm sie gemeinsam mit Francesca Verga die künstlerische Leitung des Kunstverein Ar/Ge Kunst in Bozen, Südtirol. Derzeit lebt Zasha Colah in Berlin und Turin.

»Humor als Gegenpol zur Macht funktioniert kulturübergreifend«

Welche Rolle spielt eine Kunstbiennale in einer Gegenwart, die durch Kriege, ökonomische Krisen und Populismus zerrissen wird? ZASHA COLAH, die Kuratorin der 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst setzt auf Dialog und Kritik, testet Grenzen und lernt von den Füchsen

DISKURS

KULTUR als Streichposten

Düstere Aussichten. Als Reaktion auf die Budgetkürzungen durch den Berliner Senat wurde Mitte Februar ein Großteil der Außenfassade der Universität der Künste verhüllt

Es geht an die Substanz

Die massiven BUDGETSTREICHUNGEN sind ein Angriff auf den kulturellen Kern Berlins

Der tiefsitzende Schock nach der letzten Kürzungsrunde von 131 Millionen Euro für den Kulturhaushalt 2025 ist noch nicht am Abklingen und der nächste rigorose Kahlschlag kündigt sich bereits an – die Kürzungen der schwarz-roten Koalition werden im Jahr 2026 voraussichtlich 149 Millionen Euro und 2027 circa 164 Millionen Euro betragen. Das berichtete der Tagesspiegel Mitte Februar unmittelbar nach der Verkündung durch die Kulturverwaltung. Währenddessen liegen die finalen Zahlen aus der letzten Haushaltskorrektur für 2025 bis Redaktionsschluss noch immer nicht im Detail vor. Lähmende Unsicherheit bestimmt die Lage in der Berliner Kulturlandschaft. Und wie auch bei den ersten Kürzungen bleiben viele Fragen offen. Kulturinstitutionen und Initiativen sehen sich mit den plötzlichen existentiellen Herausforderungen größtenteils alleine gelassen. Nach vehementer Kritik an besonders drastischen Kürzungen für einzelne Einrichtungen und Projekte wurde manches abgemildert. Dafür müssen nun andere bluten. So wurden die Kürzungen noch weiter in Richtung Kulturelle Bildung und Kulturelle Teilhabe verschoben. Es trifft damit Bereiche, die nicht nur unentbehrliche Säulen in der Vermittlung demokratischer Kompetenzen sind, sondern sich in den Regierungsrichtlinien des schwarz-roten Senats als kulturpolitische Prämissen aufgeführt finden. Unverändert drastisch trifft es auch die landeseigene Kulturprojekte Berlin GmbH mit knapp 20 Prozent Kürzung ihrer institutionellen Zuwendung. Sollte es dabei bleiben, sind

auch übergreifende und stadtweite Angebote wie das Museumsportal, die Lange Nacht der Museen, der Museumsdienst Berlin und auch das Museumsjournal in ihrer jetzigen Form gefährdet. Restlos gestrichen bleibt der Posten der sogenannten Resilienzdispatcher – und damit ein wertvolles Netzwerk von Expertinnen und Experten zum digitalen Wandel, die die Resilienz und Nachhaltigkeit in der Berliner Kulturlandschaft maßgeblich vorangebracht haben. Die Abwicklung der Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung wurde beim letzten Nachtragshaushalt revidiert, dennoch bleiben die überproportionalen Sparvorgaben hier existenzgefährdend. Von der Stiftung getragen wird auch das Atelierprogramm Kulturraum Berlin. Damit ist auch das seit 1993 existierende Atelierprogramm bedroht. 30 Prozent des ohnehin schrumpfenden Atelierbestands sind aktuell in Gefahr. In Gänze gestrichen wird ebenfalls der Fonds für Ausstellungsvergütung im Bereich Bildende Kunst (FABiK) – und damit eine herausragende Errungenschaft, durch die Künstlerinnen und Künstler seit 2016 in den Kommunalen Galerien mit Honoraren eine wichtige finanzielle Absicherung erhalten. Das ist nur eine Auswahl, die exemplarisch aufzeigt, welche Programmatik der schwarz-rote Senat mit dieser Priorisierung verfolgt: Niedrigschwelligkeit, Teilhabe, Vielfalt und Diversitätsentwicklung werden aufgekündigt, die prekären Bedingungen freischaffender Künstlerinnen und Künstler weiter verschärft. Kurz gesagt: Kultur wird noch deutlicher als ohnehin zu einer Frage des Einkommens und soziokulturellen

Hintergrunds. Und was ist der Ratschlag an die Kulturszene? Neue Geschäftsmodelle sollen »gewagt« werden. Gern behauptet wird in diesem Zusammenhang, eine staatliche Unterstützung zu reduzieren wäre ganz im Sinne der Kunstfreiheit. Hinweggetäuscht wird mit diesem Argument jedoch darüber, dass sich die finanzielle Abhängigkeit nur verschiebt: in die Richtung der PR-Interessen von Wirtschaft und Finanzinstituten sowie von der Gunst eines privaten Mäzenatentums. Kultur kann nicht fortschrittlich sein, wenn sie auf einer Linie mit Lobby- und Marktinteressen agiert. Währenddessen führt die kulturpolitische Agenda der schwarz-roten Koalition vor Augen, wie sie die Kultur sieht: Mit neoliberalem Unternehmergeist, der künstlerische Unabhängigkeit zugunsten einer Wirtschaftskompatibilität preisgibt. Die Kürzungen bedeuten nicht nur einen Angriff auf die kulturelle Substanz Berlins. Sie markieren auch eine verheerende Zäsur zu einer Zeit, in der sich die gesellschaftliche Stabilität durch zunehmende Akzeptanz und Normalisierung antidemokratischer Positionen auf einen möglichen Kipppunkt zubewegt. Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung haben wir Museen, Kulturvereine, Förderinitiativen und Kunsträume befragt. Auf den folgenden Seiten berichten sie, mit welchen Einsparungen sie konfrontiert sind, wie diese sich diese auf ihre Arbeit auswirken und welche Konsequenzen sie ziehen müssen.

Text MARIANN DIEDRICH

Rike

Frank

Geschäftsführung BERLINER PROGRAMM KÜNSTLERISCHE FORSCHUNG

Die Fördermittel des Berliner Programm Künstlerische Forschung wurden für das Jahr 2025 um 56 Prozent gekürzt. Diese drastische Kürzung erfolgte unangekündigt, acht Wochen vor Jahresende und mitten in der zweijährigen Zusammenarbeit mit den dreizehn Fellows. Sie hat zur Folge, dass die Stipendien dieses Jahr nur bis Oktober und die für die Forschung vorgesehenen Projektmittel lediglich zur Hälfte ausgezahlt werden können. Im Team kann zudem eine der beiden Stellen nicht fortgesetzt werden. Das Programm wurde 2020 von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa als ein spartenübergreifendes Förderinstrument für künstlerisches Forschen eingerichtet. Seine Besonderheit liegt darin, dass es die Vergabe von Stipendien mit einem Austausch zwischen den Fellows und einem öffentlichen Programm verbindet, wozu Kollaborationen mit Berliner und internationalen Institutionen zählen. Diese können nun, wie die Forschungsprojekte der Künstler*innen, aufgrund der Kürzungen gar nicht oder nur sehr beschränkt stattfinden.

Lisa Marei Schmidt

Das Brücke-Museum sieht sich mit einer Kürzung von 150.000 Euro konfrontiert. Dies ist bitter, jedoch haben wir glücklicherweise die Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung, einen engagierten Förderverein sowie die Ferdinand-Möller-Stiftung an unserer Seite, die helfen. Das gekürzt werden muss, war uns bewusst, jedoch traf uns die Kurzfristigkeit und Unzuverlässigkeit, mit welcher der Berliner Senat den Betrag kommuniziert hat. Neue Sparankündigungen sorgen nun für erneute Unsicherheit. So ein Vorgehen zermürbt und lässt uns nicht zu unserer eigentlichen Arbeit kommen. Lang geplante Ausstellungsprojekte mit internationalen Partner*innen mussten wir absagen oder verschieben. Zusätzlich gibt es Kürzungen, die nicht direkt in unserem Etat auftauchen, aber vor allem unsere Publikumsarbeit und Inklusions- und Diversitätsbestrebungen sehr treffen, wie den Museumssonntag oder Partner*innen wie Diversity Arts Culture oder die Kulturagent*innen. Unter solch unkalkulierbaren Bedingungen ist es unmöglich, nachhaltig zu agieren.

Stephan Erfurt

Vorstandsvorsitzender C/O BERLIN

C/O Berlin ist von einer Kürzung in Höhe von 150.000 Euro betroffen, was sich auf unsere Personal- und Mietkosten auswirkt. Dieses Jahr ist eine neue Staffelmiete mit einem fünfstelligen Betrag jährlich hinzugekommen. Die Kürzungen treffen uns in einer Zeit, in der Kulturinstitutionen bereits mit steigenden Kosten kämpfen. Wir sind gezwungen, mehr auf Spendengelder zu setzen, um Defizite auszugleichen. Für uns ist Solidarität mit anderen Häusern von großer Bedeutung, weshalb wir uns bewusst sind, dass Einsparungen notwendig sind. Wir suchen intensiv nach Einsparungsmöglichkeiten, um unseren hohen Qualitätsstandard zu wahren. Gleichzeitig setzen wir uns für den Erhalt der kulturellen Vielfalt in Berlin ein. Die Zusammenarbeit mit großen Institutionen wie dem Metropolitan und der Tate Modern erfordert eine kontinuierliche personelle Weiterentwicklung. Wir begrüßen Initiativen wie »Extend Your Weekend« im Rahmen von »Mehr Kultur« der Berliner Sparkasse, die uns die Möglichkeit bieten, drei eintrittsfreie Montage im Jahr zu ermöglichen.

AUSSTELLUNGEN

Auch wenn die kreativen Zentren in München-Schwabing und mit Murnau und Sindelsdorf im Voralpenland lagen, war der Blaue Reiter von seinem Selbstverständnis und seinen Ambitionen her keine rein bayerische Angelegenheit: In Berlin lebte mit dem Industriellen und Kunstsammler Bernhard Koehler, dem Onkel von August Mackes Frau Elisabeth, der wichtigste Förderer. Hier befand sich zudem mit der von dem Dichter Herwarth Walden und seiner Frau Nell betriebenen Galerie »Der Sturm« die entscheidende Plattform für die Aktivitäten dieses ambitionierten Künstlerkreises. 1912 war die Galerie unter anderem mit einer Ausstellung des Blauen Reiters eröffnet worden. In der von Walden herausgegebenen Zeitschrift »Der Sturm« hatte die Grafik von Oskar Kokoschka, Gabriele Münter und Heinrich Campendonk ihren festen Platz. Zum Vergleich werden in der Ausstellung zudem Werke der damaligen Zeitgenossen August Gaul und Wilhelm Kuhnert sowie von Jutta Damme und dem in Berlin lebenden Maler Bernd Koberling gezeigt.

Text ANDREAS SCHALHORN, Kurator und wissenschaftlicher Referent für die Kunst der Moderne

Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk

bis 15. Juni 2025 Kupferstichkabinett smb.museum

August Macke, »Landschaft mit hellem Baum«, 1914

»Ingenieur von Tarden« mit seinem Modell eines Segelluftschiffs

LUFTSCHIFF

im Berliner Medizinhistorischen Museum

Mit einer Krankenakte aus dem Archiv der Charité nimmt die Ausstellung ihren Anfang und entfaltet die Geschichte eines Patienten, der 1909 Aufnahme in die Psychiatrische Klinik fand. Dort arbeitete er unermüdlich an seiner Erfindung: ein »Segelluftschiff«, das ihm nicht nur helfen sollte, die Mauern der Psychiatrie zu überwinden. Unter dem Namen »Ingenieur von Tarden« wollte er sich ein Denkmal setzen. Seine Geschichte führt in eine Zeit, in der die Zeppelin-Euphorie ihren Höhepunkt erreichte, das erste Luftschiff am Himmel über Berlin vorbeizog und die Psychiatrie mit dem »Erfindungswahn« eine Diagnose stellte, die auch einen kollektiven gesellschaftlichen Zustand beschrieb. »Erfindungswahn! Das Segelluftschiff des ›Ingenieur von Tarden‹«, bis 30. November 2025, bmm-charite.de

ANDENKEN im

Gotischen Haus

Der Spandauer Frank Schadek hat familiäre Erinnerungsstücke der vergangenen 200 Jahre zusammengetragen und bewahrt. Diese Objekte, Dokumente und Fotografien spiegeln neben der Alltagskultur früherer Generationen auch eine Reihe bedeutender Momente der deutschen, Berliner und Spandauer Geschichte wider: Monarchie, Demokratie und Diktatur, Kriege, Hunger, Krankheiten und Teilung, aber auch Wiederaufbau und Wiedervereinigung. Historische Ereignisse werden durch die Verknüpfung mit dem Leben realer Personen greifbar und belegen den Wert biografischer Erinnerungskultur. Das Minimuseum – ein typischer Spandauer Glücksfall – macht die Vielfältigkeit von Lebensentwürfen sichtbar.

»AnDenken. Das Hakenfelder Minimuseum für deutsche Geschichte«, bis 27. April 2025, gotischeshaus.de

Alltagsdinge mit Erinnerungswert

BERLINER MUTTERWITZ im Zille Museum

Heinrich Zille zeichnete seine »Zwanglosen Geschichten und Bilder« als OriginalLithografien auf Stein. Sie erschienen 1919 erstmals beim Berliner Kunsthändler Fritz Gurlitt in kleiner nummerierter Auflage und sind nun in einer Sonderausstellung zu sehen. In den vielen Texten seiner Blätter, in den Humoresken, Stimmungsbildern, Skizzen und Anekdoten zeigt sich Zille als Meister der Berliner Milieuschilderung und Situationskomik. Bild und Text bilden als unlösbare Einheit ein Wörterbuch für Berliner Mutterwitz und Mundart. Im kleinen Kino des seit 2002 privat betriebenen Museums im Nikolaiviertel laufen Ausschnitte aus dem Film »Det war Zille sein Milljöh«.

»Zwanglose Geschichten und Bilder III«, bis 1. Juni 2025, zille-museum.de

Heinrich Zille, aus »Zwanglose Geschichten und Bilder«, 1919

Wünsch dir was

YOKO

ONO

will den Blick auf die Welt verändern und fordert

zum Mitmachen auf

Angesichts ihres Weltruhms würde man es kaum vermuten, doch Yoko Ono ist eine Künstlerin der einfachen Dinge. Ihr wegweisendes Œuvre basiert auf der Kraft von Ideen, festgehalten in Form von knappen Anleitungen, die uns einladen, den Blickwinkel zu verändern oder kleine Handlungen mit potenziell großem Nachhall auszuführen. Mit dieser Praxis hat Yoko Ono Kunstgeschichte geschrieben. Bis heute ist das weit weniger bekannt als die Tatsache, dass sie als Ehefrau von John Lennon und dessen künstlerische Partnerin ab den späten 1960er-Jahren die internationalen Bühnen eroberte. Damit ist aber nur ein kleiner Teil ihrer Geschichte erzählt. Denn was wir aus dieser Zeit von ihr kennen – und was lange John Lennons Einfluss zugeschrieben wurde – hat seine Wurzeln in einem radikalen und provokanten Werk, das Ono bereits ab Mitte der 1950er-Jahre entwickelt hat und bis heute fortführt.

Mit »Yoko Ono: Music of the Mind« präsentiert der Gropius Bau eine umfassende Überblicksausstellung zu Onos Œuvre. Über 200 Werke unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksformen – Instruktionen, partizipative Malereien, Zeichnungen, Performances, Objekte, Filme, Musik und großformatige Installationen – füllen das erste Obergeschoss und den Lichthof. Ergänzt wird die Ausstellung durch teils unveröffentlichtes Archiv- und Dokumentationsmaterial, das einen tiefen Einblick in sieben Jahrzehnte ihres künstlerischen Schaffens gibt. Angefangen mit der »Chambers Street Loft Series«, einer Reihe von Konzerten, Performances und Events, zu denen sie 1960/61 gemeinsam mit La Monte Young die New Yorker Avantgarde aus Kunst und Musik einlud, setzte Ono wichtige Wegmarken in der Konzeptkunst, im Fluxus und in der Performance. Schon früh vermischten sich in ihrem Werk konzeptuelle Stringenz, Sympathie für das Absurde und ein stiller Humor auf besondere Weise. Im Zentrum der Schau stehen die Besucher*innen: Von Beginn an hat Ono Werke entwickelt, die darauf ausgelegt sind, von anderen realisiert oder vollendet zu werden. Und so ist das Publikum eingeladen, Kunstwerke zu aktivieren, sich mit seinen Wünschen und Ideen einzubringen oder auf Gedankenspiele einzulassen. »Painting to Shake Hands« (1961) animiert Menschen, sich anonym die Hand zu schütteln; in der Installation »Add Color (Refugee Boat)« (1960/2016) können sie ihre Gedanken zu Flucht und Vertreibung hinterlassen, und die raumgreifende Arbeit »My Mommy Is Beautiful« (1997) wird dank der Notizen der Besucher*innen zu einer persönlichen Hommage an alle, die wir als Mütter bezeichnen. Im frei zugänglichen Lichthof des Gropius Baus wird eine große Installation mit Onos »Wish Tree for Berlin« (1996/2025) zu sehen sein. Inspiriert von der buddhistischen Tradition, bittet Ono die Besucher*innen, ihre Wünsche aufzuschreiben und auf den Bäumen zu hinterlassen. So wird sich die Ausstellung verwandeln und wachsen.

Indem sich Onos Kunst dem Publikum und seinen Interessen öffnet –ein Ansatz, der gleichermaßen im Zentrum des Programms im Gropius Bau steht – wird ihr Werk radikal politisch.

Diese Grundidee spiegelt sich auch in ihren Performances, die heute zum Kanon der Kunstgeschichte zählen. 1964 führte Ono erstmals ihr legendäres »Cut Piece« auf. Sie saß in ihrer besten Kleidung, mit einer Schere vor sich, auf einer ansonsten leeren Bühne. Das Publikum wurde gebeten, einzeln die Bühne zu betreten und ihr nach Belieben Teile der Bekleidung vom Leib zu schneiden. Die Spannung zwischen der Großzügigkeit dieser Geste und dem voyeuristischen Begehren der Teilnehmer*innen beschreibt bis heute eine zentrale Frage in der Performancekunst: Wie geht man mit dem Körper um, der auf der Bühne zum Gegenstand der Betrachtung und damit zu einem Objekt wird? Wie kann man sich, gerade als Künstlerin, davon freimachen? Diese Fragen wird die kanadische Musikerin Peaches am 2. Mai mit der Aufführung von »Cut Piece« greifbar machen. Getragen vom emanzipatorischen Geist der späten 1960er-Jahre konzipierte Ono auch zahlreiche Filme und Ausstellungsprojekte, die sich feministischen Anliegen und insbesondere der Rolle der Künstlerin widmeten.

Ein weiterer roter Faden in Onos Schaffen ist ihr Einsatz für den Weltfrieden. Am bekanntesten sind Aktionen wie die »Bed-Ins for Peace« (1969), für die Ono und Lennon in ihren Flitterwochen Vertreter*innen von Presse, Politik und Kultur in ihr Hotelzimmer einluden, um über den Vietnamkrieg und dessen mögliche Beendigung zu sprechen. Ihre Plakatkampagne »War Is Over! If You Want It« wurde seit 1969 rund um die Welt präsentiert. Auch Objekte wie die »White Chess Sets« (1966), weiß-in-weiß gehaltene Schachspiele, widmen sich dieser Thematik. Die Anleitung für diese Arbeit lautet: »Spiele so lang, wie Du Dich erinnerst, wo Deine Figuren stehen«. So machte sich Ono schon früh dafür stark, mehr über das Miteinander als das Gegeneinander nachzudenken – eine Aufforderung, die bis heute nichts an Relevanz verloren hat.

Berlin ist für Ono seit vielen Jahren ein besonderer Ort: »Ich liebe Berlin und war schon so oft hier. Berlin ist Teil meines Körpers!« Umso mehr freut es uns, dass ihr Schaffen dieses Frühjahr von drei Institutionen in der Stadt gemeinsam gefeiert wird: Während der Neue Berliner Kunstverein (N.B.K.) seit Anfang März das Werk »Touch« als Teil seiner N.B.K.-Billboard-Reihe zeigt, eröffnet die Neue Nationalgalerie mit »Yoko Ono: Dream Together« eine Präsentation mit Werken der Künstlerin, die sich auf Aspekte des Miteinanders konzentrieren. Willkommen in der Yoko Ono Season!

Text PATRIZIA DANDER, Stellvertretende kuratorische Direktorin

11. April bis 31. August 2025

Gropius Bau gropiusbau.de

Yoko Ono: Music of the Mind
Yoko Ono mit »Glass Hammer«, 1967

Essenz der Form

Als Meister der Tierplastik hielt

MATARÉ die Balance zwischen Realismus und Abstraktion

Nichts ohne Natur. Ewald Matarés Tierplastiken bis 9. Juni 2025 Kunsthaus Dahlem kunsthaus-dahlem.de

Ewald Mataré, »Stehende Kuh (Windkuh)«, 1923

Ewald Mataré (1887–1965) zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Sein Werdegang war geprägt von den großen politischen und sozialen Ereignissen seiner Zeit – dem Ersten Weltkrieg, der Weimarer Republik, der Weltwirtschaftskrise und der nationalsozialistischen Diktatur. Mataré machte sich als Maler, Grafiker und Bildhauer einen Namen. Seine Tierdarstellungen, insbesondere von Kühen, nehmen in der deutschen Bildhauerei seiner Zeit eine singuläre Position ein.

In Aachen geboren, verbrachte Mataré von 1907 bis 1932 fünfundzwanzig prägende Jahre in Berlin. Als Mitglied der Novembergruppe und der Porza-Vereinigung beteiligte er sich rege an den künstlerischen und politischen Debatten seiner Zeit. Auf Betreiben von Paul Klee und Walter Kaesbach wurde er 1932 an die Kunstakademie in Düsseldorf berufen, jedoch nur sieben Monate später von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er auf seinen Posten an der Akademie zurück. Er wurde vielfach ausgezeichnet und durch zahlreiche Aufträge gewürdigt – von besonderer Bedeutung war die Gestaltung der Portale des Kölner Doms.

Während Ewald Mataré zunächst als Maler und Grafiker in Erscheinung trat, schuf er ab 1920 erste plastische Arbeiten. Laut dem Einführungstext zu einer Ausstellung in der Galerie Ferdinand Moeller aus dem Jahr 1929, entstand der Wechsel von Malerei und Grafik zur Plastik aus der Arbeit mit Holzschnitten. Unmittelbar mit dem Aufkommen der Skulptur im künstlerischen Schaffen Matarés war auch sein wichtigstes Sujet festgelegt: die Tierplastik. Dabei ging es dem Künstler nicht um die naturgetreue Abbildung, sondern um eine formale und ästhetische Bündelung von Kompositionsprinzipien. Darüber urteilte das Magazin »Künstlerselbsthilfe« im Jahr 1927: »Mataré bildet hauptsächlich Tiere, und unter ihnen zieht ihn immer wieder eines an, das seiner plastischen Gestaltung besonders entgegen kommt: Die Kuh. Jahrelang hat er die Tiere beobachtet, unzählige Zeichnungen und Vorstudien waren nötig, bis sich allmählich die optische Vorstellung immer klarer und eindeutiger, zur reinen plastischen Form herauskristallisierte.«

Jahrzehntelang rang der Künstler mit sich und seinem Werk um die perfekte Form. So schrieb er im Mai 1927 in seinem

Tagebuch: »Mit dem Formen von Kühen kann ich noch nicht aufhören, weil in allem, was ich darin bisheran machte, noch die eine oder andere Seite nicht genügend zum Ausdruck kam. Vor allem ist es der plastische Ausdruck von Kopf und Hörnern, der als ein plastisches Ganzes zusammengefaßt werden soll, […] ich rücke dabei äußerlich natürlich immer mehr von der sogenannten Natur ab, komme ihr aber darum trotzdem auch wieder näher, weil ich gewissermaßen nur immer mehr vom Detail abstrahiere und alles Unwesentliche unbeachtet lasse.« Offenkundig ging es Mataré nicht um die naturgetreue, realistische Wiedergabe des Tiers, sondern um die elementaren Zusammenhänge von Form und Raum. Dies betonte er auch in seinen Schriften, so in einem Aufsatz, den er anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Novembergruppe unter dem Titel »Ein Wort über Plastik« in einem Sonderheft der Zeitschrift »Kunst der Zeit« veröffentlichte. Darin führte er aus: »Plastik bedeutet Gestaltetes. Die Plastik lebt in wirklichem Raum, die Malerei im vorgestellten, das ist ihr elementarer Unterschied, und wie die Malerei durch das Auge, so sollte die Plastik durch die Hand als etwas Abtastbares wahrgenommen werden können.«

Mit mehr als 70 Werken – darunter über 50 plastische Arbeiten sowie Grafiken und kunsthandwerkliche Objekte – zeichnet die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem den stilistischen und formalen Entwicklungsweg Matarés nach und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Tierplastiken. Frühwerke aus den 1920er-Jahren belegen eine noch deutlich der Figuration verpflichtete Umsetzung des Sujets, das ab den frühen 1940er-Jahren zunehmend abstrahiert wird. Bis auf wenige Ausnahmen – beispielsweise die berittenen Pferde – erfasst der Künstler die Tiere ausschließlich in Ruheposen, ohne Affekt oder Bewegungsdynamik. In den grafischen Arbeiten erschließt sich der Umgang Matarés mit der Landschaft, die er auf geometrische Grundformen zu reduzieren versucht. Schließlich verweisen kunsthandwerkliche Objekte wie Tische und Teppiche auf das Interesse des Künstlers an Materialien und Kompositionen ganzer Räume.

Text DOROTHEA SCHÖNE, Kuratorin und künstlerische Leiterin

»Große liegende Kuh«, 1930/2001

Berliner Chic

Nah am Zeitgeist: Der Modefotograf RICO PUHLMANN

setzte die neue Freiheit gekonnt in Szene

Er war ein gefragter Modefotograf und arbeitete über vier Dekaden für bedeutende Magazine wie »Vogue«, »Harper’s Bazaar«, »Glamour« oder »GQ«. Die angesagtesten Models ihrer Zeit traten vor sein Objektiv: Gloria Friedrich und Gitta Schilling, Cheryl Tiegs und Jerry Hall, Cindy Crawford und Naomi Campbell. Seine Motive zierten etliche Magazincover, seine Bildstrecken auf Hochglanzpapier füllten mehrere Doppelseiten in Folge. Und dennoch kennt heute kaum noch jemand Rico Puhlmann, der 1996 im Alter von 62 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Eine Ausstellung würdigt nun Puhlmanns Werdegang sowie sein fotografisches Werk. Dabei nimmt sie verschiedene Aspekte der Modefotografie über mehrere Jahrzehnte in den Blick, steht Puhlmanns Schaffen doch exemplarisch für dieses Genre von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre.

Puhlmann startete seine Karriere als Mode-Illustrator in seiner Geburtsstadt Berlin, in der der »Berliner Chic« nach dem Zweiten Weltkrieg einen erneuten Höhepunkt erreichte. Wiederholt wurde er engagiert, die Entwürfe von Modehäusern des gehobenen wie des mittleren Segments erst zu zeichnen und zusehends vermehrt zu fotografieren – für Journale wie für Firmenpublikationen. Das Bild dieser Berliner Mode hat er ebenso geprägt wie seine Kolleg*innen F. C. Gundlach, Regi Relang oder Helmut Newton, wobei sie nicht selten zu vergleichbaren Motiven beispielsweise im Berliner Stadtraum fanden. Es sind visuelle Zeugnisse einer ungeschriebenen Kleiderordnung um 1960.

Op- und Pop-Art, Raumfahrtmissionen, die Jugendkultur der Londoner Swinging Sixties, die Adaption unterschiedlicher Kleiderformen und Stoffmuster verschiedener Kulturkreise verändern die Mode und zugleich das Bild von ihr. Immer entlegener sind die Orte, an die die Fotograf*innen von den Redaktionen für Modeaufnahmen geschickt werden. Zudem erweitern technische Entwicklungen –etwa der Einsatz von Blitzlichttechnik, Weitwinkelobjektiven oder Farbfilmen – im Laufe der Zeit deren gestalterischen Handlungsspielraum.

Die Teilung der Stadt Berlin erschwert die Produktionsbedingungen der lokalen Modehäuser. Ihre Konjunktur ist rückläufig; die Berliner Mode verliert an Bedeutung. Puhlmann orientiert sich neu und zieht 1970 nach New York. Erste Fotoaufträge erhält er an seinem neuen Wirkungsort von den Redaktionen der Zeitschriften »Glamour« und »Harper’s Bazaar«. Parallel dreht er Modefilme für das vom Sender Freies Berlin (SFB) produzierte »Modejournal« und zählt damit zu den Wegbereiter*innen, die den »American Look« auf dem europäischen Kontinent publik und populär gemacht haben. Mitte der 1970er-Jahre ist Rico Puhlmann als Modefotograf in New York etabliert. Seine Fotos erzählen von einer neuen Freiheit. Ein junges Paar tanzt auf einer Wiese, läuft einen Strand entlang

oder ist mit Freunden unterwegs. Es sind nicht mehr die gestelzten Posen, der assistierende Mann, der kultiviert-gepflegte Großstadtraum, sondern Natürlichkeit, Bewegung, Spontaneität, Ungezwungenheit und zwischenmenschliche Nähe bestimmen die Bildthemen. In den beiden Models Cheryl Tiegs und Patti Hansen findet Rico Puhlmann kongeniale Partnerinnen, die dieses neue Lebensgefühl verkörpern.

Bis Anfang der 1990er-Jahre arbeitet Rico Puhlmann kontinuierlich für »Harper’s Bazaar« und trägt zum weiteren Wandel des Frauenbildes bei, das nun selbstbewusster und selbstbestimmter als jemals zuvor ist. Stars und Supermodels, die die neuen Trends verkörpern, steigern ab Mitte der 1980er-Jahre den Absatz der Modejournale. Darüber hinaus hat Rico Puhlmann um 1980 Exklusivaufträge für einzelne Ausgaben der »Fashions of the Times«, das Mode-Supplement der »New York Times«, und beschreibt für die »GQ« das sich in dieser Zeit verändernde Selbstverständnis von Männern im Hinblick auf Mode, Styling und Körperpflege mittels einer feinsinnigen und einfühlsamen Bildsprache. Mittlerweile wirken immer differenziertere Redaktionsteams am Modebild mit. Neben Rico Puhlmann sind Mode- und AccessoireRedakteur*innen, Art Directors, Make-up-Artists, Hairdressers und Locationscouts an der Bildgestaltung beteiligt. Teure Reisen an immer ausgefallenere Plätze der Welt sowie die zunehmend kostspieligeren Models, die nun bei Agenturen gebucht und deren Gagen im Halb- oder Viertelstundentakt abgerechnet werden, steigern mitunter den Zeitdruck, unter dem die jeweiligen Bildstrecken entstehen. Noch in den 1960er-Jahren, so erinnert sich Werner Umstätter, der damals Assistent bei Rico Puhlmann war, habe dieser die Mode auf den Schauen zusammen mit den jeweiligen Redakteur*innen ausgesucht, die Fotomodels bestimmt, die Aufnahmeorte ausgewählt, das Styling und Make-up der Models, die gelernt hatten sich selbst zu schminken, überprüft, Regie bei Posen und Haltungen geführt, gegebenenfalls Requisiten und Accessoires mit ins Bild genommen. Puhlmann scheidet zu einem Zeitpunkt aus dem Leben, als er eine Publikation zu seinen Fotografien in Planung hat. Ein Wechsel zurück nach Berlin mit einem Lehrauftrag an der hiesigen Hochschule der Künste war in Verhandlung, eine erste Digitalkamera bereits angeschafft. Auch nach über 40 Jahren Schaffenskraft hatte Rico Puhlmann noch Pläne. Wir können heute auf sein Wirken zurückblicken, weil sein Bruder Klaus Puhlmann zusammen mit seiner Frau Anne Puhlmann das Werkarchiv aufbewahrt und für die Ausstellung der Kunstbibliothek Berlin im Museum für Fotografie großzügig zur Verfügung gestellt haben.

Text BRITTA BOMMERT, Leiterin der Sammlung Modebild, Kunstbibliothek

Rico Puhlmann. Fashion Photography 50s – 90s

27. Juni 2025 bis 15. Februar 2026 Museum für Fotografie Berlin smb.museum

Rico Puhlmann, Mella vor dem von Christo verhüllten Reichstag. Zweireihiger Kaschmirmantel mit flachem Revers und Rückenschlitz von Fendi, Berlin, 1995

Zwischen Welten wandeln

KLÁRA HOSNEDLOVÁ verwebt Geschichten

zu filzigen Riesen und utopischen

Landschaften.

Ein Spaziergang durch eine spekulative Zukunft

Zottelige Giganten wie aus einer anderen Welt bevölkern die historische Halle im Hamburger Bahnhof. Sie füllen den Raum von den Eisenträgern unter der Decke bis zum Boden. In ihren skulpturalen Körpern tragen sie gestickte Bilder, die Ausschnitte, vielleicht Einblicke zeigen. Zu erkennen sind hyperrealistische Figurationen von Körperteilen und Händen. Klára Hosnedlová lässt unseren Blick immer wieder zwischen der beeindruckenden Gesamtinstallation ihrer bislang größten Einzelausstellung »Embrace« und solchen Details sowie zwischen sinnlich Wahrnehmbarem und imaginierten Bildwelten hin- und herwandern.

Dieses Gewebe aus Bezügen zu verschiedenen Welten, zu Bekanntem und Unbekanntem breitet sich wie eine futuristisch anmutende Landschaft aus. So finden sich Stickbilder auch in Wandelementen: Mal hängen sie an zerkratzten, wie von den vielen Baustellen rings um den Hamburger Bahnhof stammenden Metallpaneelen; mal sind sie eingebettet in fossilienartige Formen aus Sandstein, die aus dem nahegelegenen Naturkundemuseum entliehen sein könnten. Zwischen den majestätischen Tapisserien türmen sich Lautsprecherboxen, aus denen eine Soundkomposition erklingt. Der Boden ist mit Gehwegplatten aus Beton bedeckt, die von Pfützen und Schlamm durchzogen sind. Und auf diesen Platten lädt Klára Hosnedlová zu einem mäandernden Spaziergang durch ihre Installation und zu einer suggestiven Weltenwanderung in eine spekulative Zukunft ein.

Dafür setzt sie an historischen, geografischen, kulturellen und imaginären Landschaften an, deren Fragmente sie in ihr eigenes Landschaftsbild einarbeitet und deren verschiedene Erzählungen sich überlagern.

Die Tapisserien etwa führen in die tschechische Region Böhmen und die jahrhundertealte Tradition des Anbaus und der Verarbeitung von Flachs und Hanf. Die Verbindung zwischen Natur und zunächst manueller Arbeit wird im Zeitalter der Industrialisierung durch erste Spinnmaschinen und Textilfabriken fortgeschrieben. Sie endet nach dem Zweiten Weltkrieg wegen wegbrechender Absatzmärkte und der Substitution heimischer Kulturpflanzen durch leistungsfähigere

Exportgewächse mit vielfach kolonialem Hintergrund, wie beispielsweise Baumwolle. Hosnedlová hat für ihre gewebten Werke mit den letzten noch existierenden lokalen Leinen- und Hanfverarbeitungsbetrieben zusammengearbeitet, deren Geschichte nun auf die Geschichte des Hamburger Bahnhofs trifft. Während der zunehmenden Industrialisierung zwischen 1846 und 1847 erbaut, wurde der Bahnhof bereits 1884 wieder stillgelegt. 1906 zog das Königliche Bau- und Verkehrsmuseum ein. In der Phase der Hochindustrialisierung in Deutschland sollte die Architektur der Halle mit ihren mächtigen, aus Eisenträgern bestehenden Bögen die deutsche Ingenieurskunst demonstrieren. Zwischen diesen massiven Trägern spannt Hosnedlová ihre weichen Skulpturen und Stickereien auf und öffnet damit eine neue Dimension.

Die Motive für Hosnedlovás Stickereien stammen aus Performances für die Kamera, die der Installation vorausgingen und an zwei in brutalistischem Stil erbauten Brunnenanlagen in Berlin stattfanden. Schon für frühere Werke untersuchte die Künstlerin Architekturen brutalistischer Gebäude, insbesondere aus den 1970er- und 1980er-Jahren, an denen sich gesellschaftliche Um- und Aufbrüche ablesen lassen. Geboren 1990, im Jahr des beginnenden Zerfalls der Sowjetunion und der Demokratisierung der Tschechischen Republik, interessiert sie diese Epoche, die utopische Energie und die gescheiterte Ideologie. Den brutalistischen Baustil dieser Zeit betrachtet sie jedoch aus rein ästhetischer Perspektive. In diesem Sinne ließe sich das eintönige Betonpflaster in der Halle als ubiquitäres Phänomen der urbanen Modernisierung lesen.

Die Posen, Gesten und Konstellationen der Performer*innen zitieren unter anderem Szenen aus tschechischen Romanen und Filmen, wie die zwischen 1967 und 1968 unter der Regie von František Vláčil entstandenen Streifen »Markéta Lazarová« und »The Valley of the Bees«. Beide Filme sind im Mittelalter angesiedelt, jedoch sind es keine Historiendramen. Vielmehr reflektieren sie die Gefühle und Sehnsüchte der Protagonist*innen, aber auch eine universale menschliche Brutalität und das Überleben von Mythen.

Klára Hosnedlová, »Growth«, 2024, Ausstellungsansicht Kunsthalle Basel

Quatschmaschine

Von Kindern für KINDER: Fantastische Erfindungen regen zum Nachmachen an

Mitten im Neuköllner Kiez befindet sich ein ungewöhnlicher Ort der frühkindlichen kulturellen Bildung: das Kinderkünstezentrum. In den jährlich wechselnden Mitmach-Ausstellungen stehen Objekte im Mittelpunkt, die Kita-Kinder zuvor in künstlerischen Workshops kreiert haben. Seit der Gründung 2011 werden an diesem Ort junge Kinder in ihrer Kreativität gefördert und ermutigt, selbstbewusst eigene Ideen zu entwickeln.

Das aktuelle Ausstellungsprojekt folgt dieser Intention und zeigt, wie mit künstlerisch-ästhetischen Mitteln unkonventionelle Vorstellungen der Kinder visualisiert und öffentlich präsentiert werden können. Gummistiefel, Handys oder Glühlampen – wie sind Menschen darauf gekommen, Dinge zu erfinden, die wir heute ganz selbstverständlich benutzen? Welche Produkte entwickelten frühere Visionäre und berühmte Erfinder? Was trieb sie an? Welche Ideen haben Kinder zu aktuellen Themen wie etwa Mobilität oder zur Verbesserung ihres Alltags? In fünf von Künstlerinnen und Künstlern geleiteten Workshops beschäftigten sich 62 Kita-Kinder über mehrere Monate hinweg mit Geschichten, Objekten und den Potenzialen des Erfindergeistes.

Im Mittelpunkt des Workshops der Künstlerin Isa MacLean mit Vorschulkindern einer Kreuzberger Kita stand eine von Leonardo da Vinci inspirierte Tüftelwerkstatt, in der unter anderem »Die Quatschmaschine« entwickelt wurde. Ein kurioses »Museum der genialen Dinge« wurde von Kindern aus Marzahn-Hellersdorf mit der Künstlerin Simone Schander zum Leben erweckt und von Rainer Untch – unter Einbeziehung der Kinder – filmisch dokumentiert.

Die Berliner Konsultationskita für digitale Bildung und Medienpädagogik war ebenfalls Teil des Projektes: Im Workshop mit der Illustratorin Irene González Chana tauchten Spandauer Kinder in bewegte Roboter-, Coding- und Animationswelten ein. Um Bewegung, jedoch mit Holz und Scharnieren, ging es auch im Workshop der Bühnenbildnerin Katharina Lengfeld mit einer Kita-Gruppe aus Alt-Treptow. Sie blickten hinter die Kulissen und in die Bühnentechnik eines Theaterhauses, bestaunten eine Drehbühne und bauten bewegbare, multifunktionale Objekte.

Tüftelei und Geistesblitz! Erstaunliche Erfindungen Mitmach-Ausstellung für Kinder ab 3 Jahren

bis 30. September 2025 Kinderkünstezentrum kinderkuenstezentrum.de

Im fünften Workshop reisten Schöneberger Kinder gemeinsam mit der Theaterpädagogin Jana Oppermann und der PerformanceKünstlerin Simone Schander in fantastische SpracherfindungsDimensionen.

Die in diesen Workshops entwickelten Kreationen der Kinder stehen im Mittelpunkt der aktuellen Mitmach-Ausstellung. Sie lädt Kita-Gruppen und Familien in die fantasievolle, mutige, schräge und innovative Welt der Erfindungen ein: Von Schienenkonstruktionen und Robotern über Visionen und fantastische Produkte hin zu StopMotion-Animationen und eigenen Tüfteleien.

Text ENIA WEGMANN, Projektassistenz

Mit allen Sinnen lernen

DIE MAUER im Museum Köpenick

Entlang der Bezirksgrenze Treptows zu Neukölln und Kreuzberg verlief mit 17 Kilometern das längste innerstädtische Teilstück der Mauer. Sie zerschnitt 28 Jahre lang ein lebendiges Wohngebiet, teilte Straßen, kappte Verkehrsverbindungen, trennte Nachbarinnen und Nachbarn, Familien sowie Freundinnen und Freunde. Die Ausstellung zeigt Fragmente der deutschen Teilungsgeschichte aus bezirkshistorischer Perspektive. Welche Auswirkungen hatten die Grenzanlagen auf das alltägliche Leben? Welche Erinnerungen an die Berliner Mauer und ihren Fall haben die Menschen aus dem Berliner Südosten heute? 2001 wurden die bis dahin eigenständigen Bezirke Treptow und Köpenick zum nunmehr flächenmäßig größten und zugleich wald- und wasserreichsten Berliner Bezirk vereint.

»Geteilte Erinnerung. Die Berliner Mauer in Treptow. Eine Spurensuche«, bis 31. Dezember 2025, berlin.de/museum-treptow-koepenick

Der Landwehrkanal im Juli 1987

MINH DUC PHAM im Museum Tempelhof

STIPENDIATEN im N.B.K. und Kindl

Gleich an zwei Orten werden aktuelle Arbeiten internationaler, in Berlin lebender Künstlerinnen und Künstler präsentiert, die 2024 mit dem Arbeitsstipendium Bildende Kunst des Berliner Senats ausgezeichnet wurden. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit dem Gefühl kollektiver und individueller Verunsicherung in Zeiten radikaler Veränderungen. Neue multimediale Ausdrucksformen und Bildsprachen spiegeln die Wandelbarkeit und Mehrdeutigkeit gesellschaftlicher Prozesse. Nicht zuletzt thematisiert die Ausstellung auch das Gefühl der Ungewissheit, das viele Künstlerinnen und Künstler mit Blick auf die Zukunft begleitet, angesichts der erdrutschartigen Umstrukturierung der Berliner Kulturszene.

»Caught in a Landslide«, bis 4. Mai 2025 (N.B.K.) und bis 6. Juni 2025 (Kindl), nbk.org und kindl-berlin.de

In seinen Arbeiten in den Bereichen bildende und darstellende Kunst beschäftigt sich Minh Duc Pham mit Identität im Spannungsfeld von Gender, Race und Klasse. In der Ausstellung reflektiert er das Thema Arbeitsmigration, das für den deutsch-vietnamesischen Künstler Teil seiner Familiengeschichte ist. Skulpturen aus Holz, Metall und Textil bilden eine raumgreifende Installation, in der Pham kritisch das Wechselverhältnis von Migration, Arbeit und persönlichem Erleben untersucht. Mit einem sensiblen Blick spürt er darin auf, wie sehr die strengen Vertragskonditionen und die staatlichen Mechanismen von Kontrolle und Normierung das Leben von migrantischen Menschen durchdringen und prägen. Pham lebt und arbeitet in Berlin.

»Minh Duc Pham. Integrationswunder«, 4. April bis 6. Juli 2025, museen-tempelhof-schoeneberg.de

Melanie Jame Wolf, »The Creep«, 2023

Willkommen in der Wirklichkeit

Am Lützowplatz trifft die Gegenwart auf den historischen REALISMUSBEGRIFF

Harte Zeiten. Ivana de Vivanco, »Denkarbeit«, 2023

Das Haus am Lützowplatz (HaL) feiert 2025 sein 65-jähriges Bestehen. Damit ist es der älteste Kunstverein Berlins. Mit der Ausstellung »Berliner Realistinnen. 65 Jahre Haus am Lützowplatz« stellt das Haus seine Gründung in den Mittelpunkt einer kritischen Rückbesinnung und fokussiert das kulturpolitische Engagement des Vereins.

Die Geschichte des HaL begann im April 1960, als sich auf Initiative der Berliner SPD unter dem Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt ein Fördererkreis bildete, der das gründerzeitliche Haus am Lützowplatz 9 erwarb. Nach einem mehr als zehnjährigen Restitutionsprozess hatte die im Nationalsozialismus verfolgte Familie Fürstenberg ihre Eigentumsrechte an der Immobilie im Dezember 1959 vom Verein Berliner Künstler (VBK) zurückerlangt. Das Haus war 1938 von den zur Emigration gezwungenen jüdischen Eigentümern vom VBK erworben worden und wurde während des Krieges stark beschädigt. Der Verein konnte es mit eigenen Mitteln teilweise instandsetzen und betrieb es ab 1950 als neues Kulturzentrum. Die Kommunale Galerie des Bezirks Tiergarten mietete das erste Obergeschoss. 1962 begannen umfangreiche Rekonstruktions- und Umbauarbeiten unter der Leitung des Architekten Fritz Gras, finanziert durch die Deutsche Klassenlotterie und das Amt für Stadtbildpflege

des Berliner Senats. Im November 1963 wurde das Haus als neuer Ort für die Präsentation vorrangig zeitgenössischer Kunst feierlich an die Öffentlichkeit übergeben. In der aktuellen Ausstellung trifft historisches Bild- und Archivmaterial zur städtebaulichen Situation des Lützowplatzes auf ein Reenactment einer frühen wegweisenden Präsentation der WestBerliner Kunstszene: Die historische Schau »1. Mai Salon. Berliner Realisten 71« aus dem Jahr 1971.

Kritischer Realismus prägte um 1970 die West-Berliner Avantgarde und galt als politisch aufgeladener Gegenentwurf zur Abstraktion. Rückgriffe auf die Kunst der Neuen Sachlichkeit der Weimarer Republik verbanden sich mit einer Reflexion des Lebens in der geteilten Stadt. Konrad Jule Hammer, der erste künstlerische Leiter des HaL, erkannte darin eine Übersetzung für die Aufbruchstimmung der einst revolutionären Mai-Kundgebungen von Sozialdemokratie und Gewerkschaften und schrieb im Ausstellungskatalog: »Der 1. Mai Salon […] reflektiert unsere Gegenwart, die kritischen ›Siebziger‹ und die ideologische Trümmerlandschaft 100 Jahre nach Bismarcks Reichsgründung.« Mit dieser Haltung versammelte er 1971 Arbeiten von 27 Berliner Künstlern und einer Künstlerin, der Malerin Barbara Keidel. Damit begann eine bis 1990 anhaltende Reihe von »1. Mai-Salons«, die das HaL als sozialpolitisch engagierte Institution bis heute prägt.

In konsequenter Umkehrung der ehemals männlich dominierten Ausstellung vereint die Schau im Jahr 2025 Arbeiten von 28 Berliner Künstlerinnen. Inhaltlich lehnt sie sich an den in den 1970er-Jahren verhandelten Realismusbegriff an und erweitert diesen zum Stilpluralismus der Gegenwart, der sich auf der Basis individueller Wirklichkeitskonzepte von Foto- und Hyperrealismus bis hin zum magischen Realismus erstreckt. »Das Persönliche ist politisch.« Diese Losung rief die feministische US-amerikanische Aktivistin Carol Hanisch 1969 aus. In diesem Sinne findet sich in den Gemälden, Zeichnungen und Plastiken der seit den 1970er-Jahren geborenen Künstlerinnen auch ein Blick auf aktuelle genderspezifische Aspekte. Die Werke repräsentieren einen zeitgenössischen weiblichen Großstadtrealismus, der auf das Leben in der seit 1989 wiedervereinigten Metropole reagiert. Zum 1. Mai-Salon 1971 stellte der »Tagesspiegel« fest, »dass der Acker in Berlin zur Zeit gut bestellt ist im Bereich des Realismus«. Heute sind die surrealen stadträumlichen Brachen der Nachkriegsjahre ebenso verschwunden wie bezahlbare Ateliers. Doch vielfältige subkulturelle Freiräume des Miteinanders sind gewachsen, und auf dem Acker der Kunst kann längst geerntet werden.

Text MARC WELLMANN, Künstlerischer Leiter und ASJA WOLF, Ko-Kuratorin

Berliner Realistinnen. 65 Jahre Haus am Lützowplatz bis 9. Juni 2025 Haus am Lützowplatz (HaL) hal-berlin.de

Klare Ansage. Zuzanna Czebatul, »Andrea II«, 2023
Stramm geschnürt. Birgit Dieker, »Matrone«, 2018

Ost und West

Wie sich die Geschichte der BERLINER FIGURATION

in einer Unternehmenssammlung spiegelt

Die Kunstsammlung der Berliner Volksbank und die Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank blicken 2025 auf eine vierzigjährige Geschichte zurück. Über 1500 Arbeiten von rund 200 Künstler*innen dokumentieren die stilistischen Entwicklungen einer Zeit, die von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie dem Streben nach individueller Ausdruckskraft geprägt war. Aus diesem großen Schatz schöpft die Jubiläumsausstellung »Mensch Berlin« und regt zum Diskurs über die Wahrnehmung von Kunst aus der DDR und über die Rolle einer ehemaligen Unternehmenssammlung an.

Ihr Ursprung liegt in der Sammlung der West-Berliner GrundkreditBank Berlin eG, die 1985 mit dem Neubau an der Budapester Straße ihr kulturelles Engagement begann. Diese Zeit war bestimmt von der Teilung Deutschlands und dem ideologischen Konflikt zwischen Ost und West. Ein Schwerpunkt lag von Anfang an auf der figurativen Kunst nach 1945, insbesondere aus Ostdeutschland. Die Bank entschied sich bewusst dafür, Kunst als Brücke zwischen Menschen zu fördern.

Unter dem Motto »Bilder vom Menschen – Bilder für Menschen« und später, ergänzend mit dem Thema »Berliner Stadtbilder« beeinflusste der Kunstberater und Galerist Dieter Brusberg maßgeblich das Sammlungskonzept. Ein wichtiges Ereignis war die Ausstellung »Zeitvergleich ’88. 13 Maler aus der DDR«, mit der sich der Staatliche Kunsthandel der DDR erstmals direkt an einer Ausstellung aktueller DDR-Kunst

Nach Anbruch der Dunkelheit. Hubertus Giebe, »Nachtcafé«, 1977/78

in West-Berlin beteiligte. 27 Werke fanden schließlich Eingang in die Sammlung. Nach der Fusion der GrundkreditBank mit der Berliner Volksbank im Jahr 1999 wurde die Sammlung um Arbeiten von West-Berliner Künstler:innen erweitert. Für den Erhalt der Kunstsammlung war es ein konsequenter und langfristig sicherer Schritt der Berliner Volksbank, diese der Stiftung Kunstforum der Berliner Volksbank gGmbH zu übereignen.

Mit der Wiederkehr zum Elementaren, der Farbe und dem Material, stellten sich die Künstler*innen in Ost und West ähnlichen Herausforderungen, auf die sie differenziert reagierten. So stehen sich die malerischen Kräfte bedeutender Protagonist:innen aus den 1980er-Jahren, aus denen der größte Teil der Sammlung stammt, aus Ost und West gegenüber – zu sehen sind großformatige Gemälde von Rainer Fetting, Angela Hampel, Klaus Killisch, Markus Lüpertz, Werner Tübke oder Cornelia Schleime. Beginnend mit der frühesten Arbeit in der Ausstellung, einer Lithografie von Werner Heldt aus dem Jahr 1949, werden die Jahrzehnte bis in die 2020er-Jahre beleuchtet.

Zu den frühen Erwerbungen gehörten Kunstwerke aus der DDR, darunter von Vertretern der Leipziger Schule und aus Dresden, deren detailreiche Malweise subtil gesellschaftskritische und metaphorische Themen aufgriff. In den 1970er-Jahren zeichnete sich immer stärker eine Abkehr von der kanonischen Bildsprache ab und die Künstler*innen betonten das Subjektive zunehmend expressiver. Insbesondere Hubertus Giebes »Nachtcafé« aus den späten 1970er-Jahren schöpft aus der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte.

In den späten 1980er-Jahren erweiterte sich der Fokus auf die alternative Kunstszene im Osten, insbesondere auf die expressive Figürlichkeit. Später kamen Arbeiten der Neuen Wilden und aus deren Umkreis aus West-Berlin hinzu. Eine schöne Analogie zwischen Kunst aus Ost und West vor der Maueröffnung zeigt sich zwischen den Gemälden »Frau mit weißer Schlange«, entstanden 1988, von Angela Hampel und »Zyklus Fremde Frauen (2)«, gemalt von FRANEK alias Sabine Franek-Koch im Jahr 1986. Beide mythisch aufgeladenen Motive inszenieren auf individuelle Weise ein Selbstverständnis für das Bewusstsein von Weiblichkeit. Nach der Maueröffnung kamen vor allem weitere Werke von Künstler*innen der Berliner Schule, die den Alltag und urbane Landschaften mit einem oft poetischen Blick thematisierten, in den Bestand.

»Mensch Berlin« zeichnet die Entwicklung der Kunstsammlung der Berliner Volksbank und den Wandel der Kunstszene Berlins und angrenzender Regionen im Spannungsfeld zwischen Ost und West nach. Die Schau zeigt, wie Umbrüche, Umdenken, Umformulieren und Annäherungen nicht nur prägend für die Kunst, sondern auch für die Stadt Berlin als Ganzes gelten.

Text ANJA MOSBECK, Künstlerische Direktorin und Koordination

Mensch Berlin bis 22. Juni 2025 Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank kunstforum.berlin

Mythologie und Feminismus. FRANEK, »Zyklus Fremde Frauen (2)«, 1986

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