DIE AUSSTELLUNG KANN VOM 07. – 13.09.2025 NACH TELEFONISCHER ANMELDUNG UNTER 0261 95227544 BESICHTIGT WERDEN.
EIN DIALOG ZWISCHEN ORDNUNG UND AUFLÖSUNG
Die „Alte Limofabrik“ hat sich als kreativer Hinterhof und lebendiger Workspace etabliert und versteht sich als Plattform für experimentelle und zeitgenössische Kunst. Zum dritten Mal ist sie Teil der Museumsnacht Koblenz und präsentiert dieses Jahr eine besondere Doppelausstellung zweier Künstler, die sowohl biografisch als auch künstlerisch miteinander verbunden sind.
EINE KÜNSTLERISCHE HEIMKEHR
Clemens Behr und Kanta Kimura wurden beide in Koblenz geboren – Behr 1985, Kimura 1982 – und kehren nun mit ihrer Kunst in ihre Heimatstadt zurück. Neben ihrer gemeinsamen geografischen Herkunft weisen sie auch parallele Ausbildungswege auf: Beide studierten an der renommierten „Universität der Künste Berlin“ (UdK). Clemens Behr studierte dort von 2011 bis 2016 und war Meisterschüler, während Kanta Kimura bereits von 2004 bis 2008 bei Bernd Koberling an der UdK lernte. Heute leben und arbeiten beide Künstler in Berlin, wo sie ihre künstlerischen Visionen weiterentwickeln.
EXPERIMENTELLE MATERIALANSÄTZE
Die künstlerischen Verbindungen zwischen Behr und Kimura zeigen sich besonders in ihrem experimentellen Umgang mit Materialien. Clemens Behr zeichnet sich durch den Einsatz von Alltagsmaterialien wie Holz und Karton aus. Als StreetInstallationArtist erforscht er intensiv den öffentlichen Raum und transformiert traditionelle künstlerische Ansätze durch räumliche Interventionen.
Kanta Kimura hat eine ebenso eigenständige Technik entwickelt, bei der er Ölfarbe und Pigmente mit Luftdruck bewegt – entweder mit seiner eigenen Lunge oder mithilfe eines Luftkompressors. Seine Arbeiten erinnern an algorithmische Ordnungen und zeigen eine charakteristische Struktur, die gleichzeitig Raum für spontane Bewegung lässt.
ZWISCHEN STRUKTUR UND ZUFALL
Die Bildende Kunst bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Struktur und Zufall, zwischen durchdachter Komposition und spontaner Geste. Künstlerische Werke entstehen durch bewusste Konstruktion, können aber gleichzeitig durch Dekonstruktion neue Bedeutungsebenen eröffnen. In diesem Prozess werden etablierte Formen aufgebrochen, Fragmente neu zusammengefügt und durch gezielte Abweichungen vom Erwarteten überraschende Wirkungen erzielt.
Dynamik entsteht dort, wo Farbe und Form aufeinandertreffen, wo Rhythmus die Komposition durchzieht und wo die scheinbare Fragilität eines Werkes ihre eigentliche Stärke offenbart. Brüche eröffnen den Betrachter*innen immer wieder neue Blickwinkel – sei es in der Malerei, Skulptur, Installation oder in zeitgenössischen MixedMediaArbeiten.
EIN DIALOG ZWISCHEN ORDNUNG UND AUFLÖSUNG
So verstanden ist Bildende Kunst ein lebendiger Dialog zwischen dem Geplanten und dem Unvorhersehbaren, zwischen dem Dauerhaften und dem Vergänglichen, zwischen Ordnung und dem bewussten Spiel mit deren Auflösung. Clemens Behr und Kanta Kimura verkörpern diesen Dialog auf exemplarische Weise. Zwei Positionen, die sowohl in ihrer Entstehungsgeschichte als auch in ihrer künstlerischen Haltung eng miteinander verwoben sind, dabei jedoch jeweils eigenständige und unverwechselbare Wege in der zeitgenössischen Kunst beschreiten.
Clemens Behr BERLIN
BEHR | road we didn‘t take 2 | 70 x 120 cm | silicon, signs, glass, plexi I 2025
CLEMENS
CLEMENS BEHR | ruines flotantes | mixed media | lyon bienale | 2022
CLEMENS BEHR entwickelt Arbeiten im Spannungsfeld von Skulptur, Installation und Architektur. Seine großformatigen, meist temporären Interventionen entstehen in unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort und dessen sozialen, historischen oder architektonischen Bedingungen. Typisch ist der Umgang mit Holz, Metall, Recyclingmaterialien und Baustoffen des urbanen Raums, die in situ zu raumgreifenden Konstruktionen zusammengefügt werden.
Behrs Installationen erinnern an fragmentierte Architekturen: Sie greifen Formen von Konstruktion und Dekonstruktion auf, fügen sich scheinbar in ihre Umgebung ein und brechen sie zugleich irritierend auf. In dieser Spannung entfalten sie eine Dynamik, die Übergang, Fragilität und Bewegung thematisiert.
Zentrale Aspekte seiner Praxis sind das prozessorientierte Arbeiten und die Beschäftigung mit Ästhetiken der Reparatur. Aktuell erforscht Behr das Prinzip der „artifiziellen Ruine“ – den bewussten Einsatz von Imperfektion, Strukturbruch und Verfall als gestalterisches Mittel. So entstehen hybride Formen, die an technische Relikte, futuristischindustrielle Architekturen oder Maschinenkörper erinnern. Diese Objekte wirken wie Überbleibsel einer Zukunft, die nie eingetreten ist, und knüpfen an hauntologische Konzepte kultureller Nachhallräume unvollendeter Zukünfte an.
Charakteristisch ist Behrs direkte, oft improvisierende Arbeitsweise vor Ort. Fundmaterialien, architektonische Gegebenheiten und Soundelemente werden zu modularen Systemen verdichtet, deren Zusammenspiel weniger auf Perfektion als auf eine produktive Offenheit für Brüche und Instabilität setzt.
Clemens Behr lebt und arbeitet in Berlin und hat unter anderem in Tokio, Amsterdam, São Paulo, San Francisco, Mumbai, Kiew, Wien, Barcelona, Marseille, Göteborg, Sofia und Melbourne ausgestellt.
CLEMENS BEHR | olympiapark 2 | mixed media | munich 2022
CLEMENS BEHR | fronttennis | mixed media | 2019
Kanta Kimura BERLIN
KANTA KIMURA | U.20 | 160 x 130 cm | oil on canvas | 2024
KANTA KIMURA | U.23 | 220 x 190 cm | oil on canvas | 2024
KANTA KIMURA, ein in Koblenz geborener Maler mit japanischen Wurzeln, lebt und arbeitet in Berlin. Seine Malerei zeichnet sich durch den Einsatz von Druckluft aus: Nachdem flüssige Ölfarbe mit dem Pinsel aufgetragen wurde, wird sie von Luftströmen über die Fläche bewegt, bis ein Rhythmus entsteht, in dem die Farbe ihren eigenen Fluss findet. So verwandelt sich die Leinwand in einen offenen Raum des Flusses –in eine Welt, die in ständiger Bewegung ist.
Sein Arbeitsprozess ist planvoll, basiert auf Wiederholung und jahrelangem Experimentieren. Dennoch spielen Zufall, Bruch und Abweichung eine zentrale Rolle. Immer wieder entstehen neue Bildideen aus dem NichtGelingen: Arbeiten werden abgewaschen, neu begonnen und in schneller Folge geprüft, ob sie „atmen“. Für Kimura ist jedes Bild Teil eines offenen Prozesses – entscheidend ist, dass die Malerei im Fluss bleibt und sich in ihrer Gesamtheit und Eigenart entfaltet.
Mit seiner Serie „Ukiyo“ greift Kimura ein buddhistisches Konzept auf, dessen Bedeutung sich in der EdoZeit (1603 – 1868) von der ursprünglichen Vorstellung einer vergänglichen, leidvollen Welt zu einer positiven „fließenden Welt“ wandelte. Er versteht sich dabei nicht als Fortführer der UkiyoeKunst, sondern interpretiert diese Idee neu für seine abstrakten Bilder. Farbe, Form und Rhythmus verschmelzen zu einer unaufhörlichen Dynamik, in der alles fließt und sich kontinuierlich verändert. Während UkiyoeKünstler wie Hokusai oder Hiroshige Bewegung zeichnerisch erzeugten, lässt Kimura die Farbe selbst in Bewegung geraten – die Leinwand wird zu einem lebendigen Raum, in dem alles fließt, sich formt und ständig neu entsteht.
Kimuras Malerei überträgt das Prinzip von Ukiyo in eine neue, abstrakte Form: Rhythmus, Bewegung und Veränderung entstehen unmittelbar aus der Dynamik der Farbe und machen die Leinwand zu einem Raum ständiger Erneuerung.
KANTA KIMURA | U.17 | 200 x 250 cm | oil on canvas | 2024
KANTA KIMURA | U.P.22 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
KANTA KIMURA | U.P.27 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
KANTA KIMURA | U.P.25 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
KANTA KIMURA | U.P.29 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
KANTA KIMURA | U.P.38 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
KANTA KIMURA | U.P.31 | 30 x 22 cm | oil on paper | 2025
FINISSAGE 13.09.2025
mit kleinen Speisen und einer erlesenen Weinauswahl des SCHLICHT. ESSLOKAL